Leitsatz (amtlich)
1. Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Gesetzen haben, wenn sie - wie die Vorschriften zu BVG - § 86 Abs 3 als allgemeine Anordnungen ohne "Außenwirkung" ergehen, nicht den Charakter von Rechtsnormen; sie können aber mittelbar ua dann von Bedeutung sein, wenn zu entscheiden ist, ob eine Anordnung für den Einzelfall "Außenwirkung" hat und als Verwaltungsakt zu bewerten ist.
2. Die Erklärung in dem Umanerkennungsbescheid "Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht mehr beabsichtigt" ist ein rechtsgestaltender, den Betroffenen begünstigender Verwaltungsakt.
3. Dieser Verwaltungsakt schafft die gleiche Rechtslage, die sonst erst entsteht, wenn ärztliche Nachuntersuchung nach BVG § 86 Abs 3 durchgeführt ist; es entfällt also die Möglichkeit einer Neufeststellung nach BVG § 86 Abs 3.
4. Ein Antrag auf Erhöhung der Rente enthält keinen Verzicht auf die Rechte, die durch den Umanerkennungsbescheid mit dem Zusatz "Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht mehr beabsichtigt" entstanden sind.
Normenkette
SGG § 54 Fassung: 1953-09-03; BVG § 86 Abs. 3 Fassung: 1950-12-20; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; BVG § 62 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Celle vom 23. August 1956 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der Kläger bezog nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften wegen mehrerer Granatsplitter- und Schußverletzungen aus dem zweiten Weltkrieg eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) von 50 %.
Mit Bescheid vom 3. September 1951 (Umanerkennungsbescheid) gewährte die Versorgungsverwaltung dem Kläger ohne ärztliche Nachuntersuchung unter Anerkennung der bisherigen Schädigungsfolgen und Beibehaltung des bisherigen Grades der MdE. die Versorgungsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) weiter. Am Schluß des Bescheids wurde in einem besonderen Absatz noch gesagt: "Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht mehr beabsichtigt."
Der Bescheid blieb unangefochten.
Im September 1952 stellte der Kläger einen Antrag auf Erhöhung der Rente wegen eines Stecksplitters in der Lunge. Darauf veranlaßte die Versorgungsverwaltung eine Untersuchung durch den Facharzt für Chirurgie, Dr. M. dieser kam zu dem Ergebnis, der Stecksplitter sitze nicht in der Lunge, sondern in der Brustmuskulatur und sei dort reizlos eingeheilt; im übrigen bewertete er die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Schädigungsfolgen mit einer MdE. von 20 %. Durch Bescheid vom 23. Juni 1953 stellte dann die Versorgungsverwaltung die Versorgungsbezüge des Klägers neu fest und gewährte ihm ab 1. August 1953 nur noch eine Rente nach einer MdE. von 25 %. Den Neufeststellungsbescheid stützte sie auf § 86 Abs. 3 BVG. Die bisherige Bewertung der MdE. mit 50 % entspreche nicht den Grundsätzen des BVG, der Nachweis einer Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG sei nicht erforderlich.
Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Bescheid des Landesversorgungsamtes Niedersachsen vom 21.6.1954).
Auf die Klage sprach das Sozialgericht (SG.) Hildesheim durch Urteil vom 21. April 1955 dem Kläger unter Änderung der angefochtenen Bescheide eine Versorgungsrente nach einer MdE. von 35 % zu, im übrigen wies es die Klage ab.
Auf die Berufung des Klägers hob das Landessozialgericht (LSG.) Celle durch Urteil vom 23. August 1956 das Urteil des SG. Hildesheim vom 21. April 1955 sowie die angefochtenen Bescheide der Versorgungsverwaltung vom 23. Juni 1953 und vom 21. Juni 1954 auf: Der Neufeststellungsbescheid, der auf § 86 Abs. 3 BVG gestützt werde, sei rechtswidrig; die Befugnis zur Neufeststellung der Rente nach § 86 Abs. 3 BVG sei dadurch entfallen, daß der Beklagte in dem Umanerkennungsbescheid dem Kläger mitgeteilt habe, eine ärztliche Nachuntersuchung sei nicht mehr beabsichtigt; diese Erklärung der Versorgungsverwaltung sei ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, er habe eine Neuordnung des Versorgungsverhältnisses jedenfalls insoweit herbeigeführt, als er der Versorgungsverwaltung die Möglichkeit genommen habe, die Versorgungsbezüge im Rahmen der Umstellung nach § 86 Abs. 3 BVG neu festzustellen. Die Revision wurde in dem Urteil des LSG. zugelassen. Gegen dieses ihm am 27. September 1956 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 11. Oktober 1956 Revision ein und beantragte, das Urteil des LSG. aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen. Er begründete die Revision am 20. Dezember 1956: Die Erklärung in dem Bescheid "Nachuntersuchung ist nicht mehr beabsichtigt" sei kein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, sie sei "innerbetrieblicher Natur" und nicht verbindlich für die Verwaltungsbehörde. Trotz dieser Erklärung habe sie auch weiterhin die Möglichkeit gehabt, eine Nachuntersuchung anzuordnen, es müsse möglich sein, im Rentenänderungsverfahren nach § 62 BVG oder im Berichtigungsverfahren nach §§ 41, 42 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) zu einer Anpassung der Rente an die tatsächlichen Verhältnisse zu kommen. Wenn der Vermerk jedoch einen Verwaltungsakt darstelle, so habe die Versorgungsverwaltung diesen Verwaltungsakt zurücknehmen können, ohne hiermit einen Ermessensfehler zu begehen. Im übrigen habe der Kläger durch seinen Rentenerhöhungsantrag zu erkennen gegeben, daß er selbst die bisherigen Grundlagen der Rentenfeststellung nicht mehr anerkenne und selbst eine Neuordnung des Versorgungsverhältnisses erstrebe.
Der Kläger beantragte, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
1.) Angefochten ist der Bescheid der Versorgungsverwaltung vom 23. Juni 1953, durch den die Versorgungsbezüge des Klägers nach § 86 Abs. 3 BVG neu festgestellt worden sind. § 86 Abs. 3 BVG ist eine Übergangsvorschrift für die Neufeststellung der Versorgungsbezüge nach dem BVG. Sie besagt, dass eine (spätere) Neufeststellung der Versorgungsbezüge innerhalb von vier Jahren nicht von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG abhängig ist, wenn die Rente (zunächst) ohne ärztliche Nachuntersuchung unter Übernahme des bisher anerkannten Grades der MdE. nach dem BVG festgestellt worden ist.
2.) Das LSG. hat angenommen, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, die Vorschrift des § 86 Abs. 3 BVG, auf die er gestützt sei, habe nicht mehr angewandt werden können, nachdem vom Beklagten zuvor erklärt worden sei, eine Nachuntersuchung sei nicht beabsichtigt.
Zunächst ist zu prüfen, was die Erklärung in dem Umanerkennungsbescheid "eine Nachuntersuchung ist nicht mehr beabsichtigt" rechtlich bedeutet. Der Beklagte ist der Meinung, die Erklärung sei kein Verwaltungsakt, sie sei innerbetrieblicher Natur und binde die Verwaltung nicht, sie habe der Verwaltung die Möglichkeit gelassen, eine Nachuntersuchung vorzunehmen und die Rente nach dem Ergebnis dieser Nachuntersuchung neu festzustellen. Zwar gibt es Äußerungen und Handlungen der Verwaltung, die nicht Verwaltungsakte sind; hierzu gehören insbesondere Äußerungen, die nur eine unverbindliche Stellungnahme der Verwaltung ausdrücken, die also dem Bürger nicht schon mit verbindlicher Kraft ein bestimmtes Tun oder Unterlassen vorschreiben oder eine besondere Rechtsstellung einräumen. Als eine "schlichte Verwaltungsäußerung" (vgl. Stern, Bayerisches Verwaltungsblatt 1957, S. 86, Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 6. Auflage, S. 178) in diesem Sinne kann aber die Erklärung in dem Bescheid, Nachuntersuchung sei nicht beabsichtigt, nicht gewertet werden. Für die rechtliche Wertung dieser Äußerung ist vielmehr zu bedenken, daß die Vorschriften in § 86 des BVG die "Umanerkennung" der Versorgungsansprüche beschleunigen sollen; sie haben deshalb die Möglichkeit geschaffen, von einer ärztlichen Nachuntersuchung "zunächst" abzusehen, die Nachuntersuchung später vorzunehmen und sodann die Bezüge nach dem BVG festzustellen; sie haben der Verwaltungsbehörde aber auch die weitere Möglichkeit gelassen, in geeigneten Fällen die Umstellung auf das neue Recht überhaupt ohne ärztliche Nachuntersuchung vorzunehmen. Deshalb ist auch in den Verwaltungsvorschriften zu § 86 Abs. 3 BVG ausgeführt worden: "Soweit die als Folge einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen eine Besserung nicht mehr erwarten lassen und die bisher festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit den Grundsätzen dieses Gesetzes entspricht, kann von einer ärztlichen Nachuntersuchung überhaupt abgesehen werden. In diesen Fällen ist in dem Umanerkennungsbescheid zum Ausdruck zu bringen, daß eine ärztliche Nachuntersuchung nicht mehr beabsichtigt ist." Zwar haben Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Gesetzen, wenn sie - wie die Vorschriften zu § 86 Abs. 3 BVG - als allgemeine Anordnungen ohne "Außenwirkung" ergehen, nicht den Charakter von Rechtsnormen, sie können aber mittelbar von Bedeutung sein, wenn zu entscheiden ist, ob ein Verwaltungsakt wegen fehlerhafter Ermessensausübung (z. B. Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes) rechtswidrig ist (vgl. dazu Hauck, NJW. 1957 S. 809 ff. unter III 2) oder wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - darum handelt, ob eine Anordnung für den Einzelfall Außenwirkung hat und rechtlich als Verwaltungsakt zu werten ist. So ist hier den Verwaltungsvorschriften zu § 86 Abs. 3 BVG zu entnehmen, daß die Entschließung der Versorgungsbehörden darüber, ob künftig noch eine Nachuntersuchung veranlaßt werden soll oder nicht, nach Ansicht der Verwaltung selbst jedenfalls dann nicht ein "betriebliches Internum" bleiben darf, sondern in dem Umanerkennungsbescheid "zum Ausdruck zu bringen" ist, wenn eine Nachuntersuchung nicht mehr beabsichtigt ist. Der Versorgungsberechtigte soll - schon zu seiner "Beruhigung" und damit letztlich auch zur "Festigung seiner sozialen Existenz" und zur Förderung seiner Gesundheit - wissen, daß die Verwaltung sich entschlossen hat, von ihrem Ermessen , im Zusammenhang mit der "Umanerkennung" eine Untersuchung anzuordnen, keinen Gebrauch zu machen, daß sie also, wenn die Verhältnisse sich nicht wesentlich ändern (§ 62 Abs. 1 BVG), keine Maßnahmen einleiten wird, die möglicherweise einen anderen ärztlichen Befund oder eine andere ärztliche Beurteilung und damit eine "Neufeststellung" der Versorgungsbezüge auslösen. In diesem Rahmen soll er für seine persönlichen und wirtschaftlichen Dispositionen Gewißheit darüber erhalten, daß in den Grundlagen seines Versorgungsanspruchs keine Änderung eintreten kann. Insoweit ist die Erklärung in dem Bescheid vom 3. September 1951 von unmittelbar rechtlicher Bedeutung; sie präzisiert und konkretisiert das Rechtsverhältnis, das zwischen der Versorgungsbehörde und dem Berechtigten als öffentlich-rechtliches Dauerschuldverhältnis besteht, mit gestaltender Wirkung, sie schließt in einem bestimmten Rahmen die Möglichkeit aus, dieses Rechtsverhältnis durch Nachuntersuchung und daraus abzuleitende Folgerungen zu ändern; sie ist deshalb ein gestaltender, den Betroffenen begünstigender Verwaltungsakt (vgl. Urteil des LSG. Bremen vom 27.6.1956, NJW. 1957 S. 399; Bunge, NJW. 1957 S. 1179; Rohwer-Kahlmann, KOV. 1956 S. 113 ff., Sozialgerichtsbarkeit, 1957 S. 123; a. A. Bettermann, NJW. 1957 S. 399 unter I).
3.) Hieraus ergibt sich, daß der Umanerkennungsbescheid, der die Erklärung enthält "Nachuntersuchung ist nicht mehr beabsichtigt", die gleiche Rechtslage schafft, die sonst erst entsteht, wenn eine ärztliche Untersuchung nach § 86 Abs. 3 BVG durchgeführt ist. Die Möglichkeit einer Neufeststellung nach § 86 Abs. 3 BVG entfällt deshalb auch dann, wenn später eine ärztliche Nachuntersuchung ergibt, daß die frühere Bewertung der MdE. den tatsächlichen Verhältnissen und Grundsätzen des BVG nicht entspricht. Die Erklärung in dem Umanerkennungsbescheid "Nachuntersuchung ist nicht mehr beabsichtigt" führt zunächst dazu, daß der Versorgungsberechtigte einer entgegen dieser Erklärung ergehenden Aufforderung zur Nachuntersuchung nicht nachzukommen braucht, ohne daß er eine Rentenentziehung nach § 63 BVG befürchten muß, es sei denn, daß die Verwaltung eine wesentliche Änderung des Tatbestands nachweist, auf Grund dessen sie auf die Nachuntersuchung verzichtet hat. Ihre rechtliche Bedeutung erschöpft sich aber nicht in diesem Weigerungsrecht. Die Frage, ob der Versorgungsberechtigte eine solche Aufforderung zur Nachuntersuchung als einen rechtswidrigen Verwaltungsakt anfechten kann oder ob eine selbständige Anfechtung dieser Aufforderung mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht möglich ist (vgl. hierzu Bettermann, NJW. 1957 S. 399), kann hier unerörtert bleiben. Es kann jedenfalls nicht angenommen werden, daß der Versorgungsberechtigte die rechtswidrige Aufforderung zur Nachuntersuchung anfechten oder ihr widersprechen muß , um seine Rechte aus der Erklärung zu wahren und daß, wenn er sich der Nachuntersuchung widerspruchslos gestellt hat, darin ein "konkludenter Verzicht" auf seine Rechte liege (insoweit a. A. Urteil des LSG. Bremen, NJW. 1957 S. 399, Bunge, NJW. 1957 S. 1181 Ziff. 4, Rohwer-Kahlmann, SGb. 1957 S. 125; im Ergebnis wie hier: LSG. Hamburg, KOV. 1956 S. 116). Nimmt man nämlich einen solchen Verzicht an, so bedeutet dies, daß die Ungewißheit darüber, ob die Anordnung der Nachuntersuchung rechtmäßig ist, zu Lasten des Versorgungsberechtigten geht (mit den möglichen Rechtsnachteilen aus § 63 BVG). Dieses Ergebnis ist nicht nur unbillig, sondern auch rechtlich unhaltbar. Die Erklärung "Nachuntersuchung ist nicht mehr beabsichtigt" beseitigt die Pflicht des Versorgungsberechtigten, sich im Umanerkennungsverfahren nachuntersuchen zu lassen und damit gleichzeitig auch das Recht der Verwaltung, von der Ermächtigung des § 86 Abs. 3 BVG Gebrauch zu machen. Verlust eines Rechts und Erlöschen einer Pflicht sind ohne Rücksicht darauf zu beachten, ob sich der Versorgungsberechtigte darauf beruft (so auch Bettermann, NJW. 1957 S. 399). Für diesen Rechtsverlust ist es auch gleichgültig, ob die Versorgungsverwaltung die ärztliche Nachuntersuchung eigens zu dem Zweck veranlaßt hat, entgegen ihrer früheren Entschließung doch noch der Möglichkeit der Neufeststellung nach § 86 Abs. 3 BVG nachzugehen oder ob die Nachuntersuchung, wie hier, durch einen Antrag auf Erhöhung der Rente ausgelöst ist. Hat die Verwaltung sich des Rechts begeben, den Versorgungsberechtigten zur Vorbereitung einer Neufeststellung nach § 86 Abs. 3 BVG ärztlich untersuchen zu lassen, so kann sie eine solche Neufeststellung auch nicht mehr auf eine von Berechtigten ausgelöste Nachuntersuchung stützen. Zwar ist die Anordnung zur Nachuntersuchung hier nicht rechtswidrig, weil sie die Entscheidung über die von dem Rentenberechtigten beantragte Rentenerhöhung vorbereiten soll. Rechtswidrig ist aber der Bescheid, der sich auf diese Nachuntersuchung als Grundlage einer Rentenherabsetzung nach § 86 Abs. 3 BVG stützt. Der Antrag des Versorgungsberechtigten, seine Rente zu erhöhen, enthält auch nicht einen Verzicht auf die Rechte, die durch den Umanerkennungsbescheid mit dem Zusatz "Nachuntersuchung ist nicht mehr beabsichtigt" entstanden sind; mit diesem Antrag hat der Versorgungsberechtigte nur eine Änderung des Bescheides zu seinen Gunsten angestrebt; eine andere Deutung läßt ein solcher Antrag nicht zu. Ebensowenig wie das "widerspruchslose Einlassen" des Versorgungsberechtigten auf eine Nachuntersuchung nach § 86 Abs. 3 BVG kann auch die durch einen Rentenerhöhungsantrag veranlaßte und die Entscheidung über diesen Antrag vorbereitende Nachuntersuchung den einmal eingetretenen Rechtsverlust der Verwaltung aufheben.
4.) Wenn der Beklagte meint, ein Verwaltungsakt, in dem er erkläre, von einem bestimmten Ermessen - hier dem Ermessen des § 86 Abs. 3 BVG - keinen Gebrauch machen zu wollen, sei für ihn nicht bindend, mindestens aber auch aus Ermessenserwägungen rücknehmbar, so ist dies nicht richtig. Für die Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes ist es grundsätzlich gleichgültig, ob das Handeln der Verwaltung durch eine Mußvorschrift oder eine Kannvorschrift oder gar keine Vorschrift ausgelöst ist. In dem angefochtenen Bescheid vom 23. Juni 1953 kann auch nicht die wirksame Rücknahme des Verwaltungsakts vom 3. September 1951 erblickt werden. Einmal kommen für eine Rücknahme nur fehlerhafte Verwaltungsakte in Frage; den tatsächlichen Feststellungen des LSG. (§ 163 SGG) ist aber nicht zu entnehmen, daß die Erwägungen des Beklagten, die zu der Erklärung "Nachuntersuchung ist nicht beabsichtigt" geführt haben, fehlerhaft gewesen sind und so den Verwaltungsakt selbst rechtswidrig gemacht haben. Zum anderen besteht im Recht der KOV., wie sich aus den §§ 77 SGG, 62 Abs. 1 BVG und 24, 41, 42 VerwVG vom 2. Mai 1955 ergibt, nur in Ausnahmefällen die Möglichkeit, fehlerhafte Verwaltungsakte zurückzunehmen. Von diesen Fällen ist hier keiner gegeben.
5.) Hiernach ist der Beklagte zwar berechtigt gewesen, den Kläger untersuchen zu lassen, nachdem er seinen Antrag auf Erhöhung der Rente erhalten hatte, er hat aber nicht die Befugnis gehabt, die Rente des Klägers unter Berufung auf das Ergebnis der Untersuchung herabzusetzen und hierüber den Neufeststellungsbescheid vom 23. Juni 1953 zu erlassen. Diesen Bescheid hat das LSG. mit Recht als fehlerhaft (rechtswidrig) angesehen und deshalb aufgehoben. Die Revision des Beklagten ist hiernach nicht begründet; sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen