Leitsatz (amtlich)
1. Die Dritte Durchführungsverordnung des Arbeitsministeriums Württemberg-Baden zu KBLG - VO Nr 739 - vom 1949-07-23 (RegBl 1949, 212) ist revisibles Recht. Die Ermächtigung zum Erlaß dieser Verordnung in KBLG WB § 37 hat auch die Befugnis eingeschlossen, den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung zu bestimmen.
2. Der Anrechnung nach KBLG WB § 14 Abs 1 unterliegt die Rente einschließlich etwaiger Kinderzulagen. Zu dem von dieser Rente nach der Kürzung verbleibenden Teil können Kinderzulagen nicht gewährt werden.
Normenkette
SGG § 162 Abs. 2; KBLGDV WB 3 Fassung: 1949-07-23; KBLG WB §§ 14, 37
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. November 1956 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt (LVA.) Baden vom 31. Oktober 1947 erhielt der Kläger vom 1. Februar 1947 an wegen Erwerbsunfähigkeit für sich und drei Kinder Rente nach dem württ.-bad. Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) vom 21. Januar 1947 (RegBl. S. 7); auf die Rente wurden die Arbeitseinkünfte des Klägers angerechnet. Durch "Benachrichtigung über das Ruhen der Rente infolge Einkommens" vom 14. Januar 1949 gewährte die LVA. vom 1. Mai 1947 an die Mindestrente von monatlich 40,-- RM (§ 14 Abs. 3 KBLG); dazu wurden bis 31. März 1948 Kinderzulagen für drei und vier Kinder gezahlt, da der anrechenbare Teil des Einkommens (80,-- RM) geringer war als die dem Kläger ohne Kinderzulagen zustehende Rente (95,-- RM), vom 1. April 1948 an wurden sie versagt, da diese Rente von dem anrechenbaren Teil des inzwischen erhöhten Einkommens (105,-- RM) überschritten wurde. Der Bescheid vom 14. Januar 1949 war nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.
Am 18. August 1949 beantragte der Kläger mit Bezug auf § 22 der Dritten Durchführungsverordnung (DurchfVO) zum KBLG vom 23. Juli 1949 (RegBl. S. 212), die Kinderzulagen vom 1. Juli 1949 an zu zahlen. Diesem Antrag entsprach die LVA. durch "Benachrichtigung" vom 4. Oktober 1949.
Gegen den Bescheid der LVA. vom 14. Januar 1949 legte der Kläger am 27. Oktober 1949 Berufung beim Oberversicherungsamt Karlsruhe ein. Er beantragte, zu der Mindestrente die Kinderzulagen auch für die Zeit vom 1. April 1948 bis zum 30. Juni 1949 zu gewähren. Die Berufung ging am 1. Januar 1954 als Klage auf das Sozialgericht (SG.) Karlsruhe über. Das SG. wies die Klage durch Urteil vom 23. April 1954 ab: Für die Leistungen nach dem KBLG seien, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergebe, die Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebend; nach § 559 a Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erhöhe sich die Rente in den Fällen des § 559 b (Kinderzulage), die Kinderzulage sei sonach ein Teil der Rente, die bei Berücksichtigung anrechenbarer Einkünfte nach § 14 KBLG zu kürzen sei; § 22 der Dritten DurchfVO sei erst am 1. Juli 1949 in Kraft getreten und im vorliegenden Falle nicht anzuwenden. Die Berufung ließ das SG. zu.
Am 15. Mai 1954 legte der Kläger Berufung ein. Das Landessozialgericht (LSG.) wies die Berufung durch Urteil vom 27. November 1956 zurück: Das Landesversicherungsamt Württemberg-Baden habe wiederholt entschieden (I U KB 51/49 und I U KB 62/49), die Kinderzulage nach § 559 b RVO sei, wie sich zwingend aus § 559 a Abs. 2 RVO ergebe, rechtlich ein Teil der Rente des Beschädigten; unter Rente im Sinne des § 14 Abs. 1 KBLG sei daher die um die Kinderzulage erhöhte Rente des Beschädigten nach § 1 Abs. 1 KBLG in Verbindung mit den §§ 558 Abs. 1 Nr. 3, 559 a Abs. 1 und 2, 559 b RVO zu verstehen, danach würden auch die Kinderzulagen von der Anrechnung nach § 14 Abs. 1 KBLG erfaßt; an dieser Rechtslage habe für die Zeit vor dem 1. Juli 1949 auch § 22 der Dritten DurchfVO zum KBLG nichts geändert; diese Vorschrift sei erst am 1. Juli 1949 in Kraft getreten, ihr sei auch nicht zu entnehmen, daß sie etwa einen Rechtszustand habe klarstellen wollen, der im KBLG nur unvollständig Ausdruck gefunden habe. Die Revision wurde zugelassen. Das Urteil wurde dem Kläger am 7. Dezember 1956 zugestellt.
Am 28. Dezember 1956 legte der Kläger Revision ein. Er beantragte,
unter Aufhebung des Urteils des LSG. und des Urteils des SG. sowie in Abänderung des Bescheids vom 14. Januar 1949 den Beklagten zur Zahlung des ungekürzten Kinderzuschlags neben der Mindestrente für die Zeit vom 1. April 1948 bis 30. Juni 1949 zu verurteilen.
Am 4. Januar 1957 begründete er die Revision: Das LSG. habe die §§ 1, 14 KBLG, 559 a RVO, 22 der Dritten DurchfVO zum KBLG nicht richtig angewandt; durch § 22 a.a.O. sollte § 14 KBLG authentisch interpretiert werden; danach sei die Kinderzulage für die strittige Zeit auch zu der Mindestrente nach § 14 Abs. 3 KBLG zu gewähren.
Der Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 14. Januar 1949, soweit vom 1. April 1948 an die Mindestrente nach § 14 Abs. 3 KBLG in Höhe von 40,-- RM/DM ohne Kinderzulagen gewährt worden ist. Dieser Bescheid enthält insoweit eine teilweise Rücknahme des Bescheids vom 31. Oktober 1947, durch den der Kläger nach Anrechnung seiner Dienstbezüge vom 1. Mai 1947 an eine Rente in Höhe von 45,-- RM erhalten hat. Zu dieser Rücknahme ist der Beklagte nach § 608 RVO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 KBLG befugt gewesen. Die Dienstbezüge des Klägers haben sich nach Erlaß des Bescheids vom 31. Oktober 1947 erhöht; in den "Verhältnissen, die für die Feststellung der Rente maßgebend gewesen sind", ist dadurch eine wesentliche Änderung eingetreten (vgl. BSG. 7 S. 8 ff.).
Der Kläger hat beantragt, ihm vom 1. April 1948 bis zum 30. Juni 1949 zu der Mindestrente (§ 14 Abs. 3 KBLG) Kinderzulagen zu gewähren; er hält insoweit den Bescheid vom 14. Januar 1949 für rechtswidrig und begehrt die Aufhebung.
Der Kläger ist in der streitigen Zeit durch Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 KBLG erwerbsunfähig gewesen. Für die Festsetzung seiner Rente sind die Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebend gewesen, soweit sich aus dem KBLG nichts anderes ergeben hat (§ 1 Abs. 1 KBLG). Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) um mehr als 80 v.H. sind nach Abzug eines kürzungsfreien Betrages Einkünfte aus Arbeit zur Hälfte auf die Rente anzurechnen gewesen (§ 14 Abs. 1 und 2 KBLG), dem Beschädigten haben jedoch in diesem Falle von der Rente monatlich mindestens 40,-- Mark (§ 14 Abs. 3 Buchst. d KBLG) belassen werden müssen. Die Rente eines erwerbsunfähigen Beschädigten hat zwei Drittel des nach § 6 Abs. 2 und 3 KBLG berechneten Jahresarbeitsverdienstes (§ 559 a Abs. 1 Nr. 1 RVO) betragen; nach § 559 a Abs. 2 hat sie sich in den Fällen des § 559 b RVO (Kinderzulage) erhöht, für jedes Kind bis zum vollendeten 18. Lebensjahr ist eine Kinderzulage in Höhe von 10 v.H. der Rente gewährt worden (§ 559 b RVO). Die Kinderzulage ist danach nicht eine selbständige Leistung neben der Rente gewesen, sondern ein Teil der Rente (Grunds. Entsch. des RVA. Nr. 3211, AN. 1926, S. 193, EuM. Bd. 19 S. 214). Der aus dem Jahresarbeitsverdienst berechnete Betrag hat zusammen mit den Kinderzulagen, "die Rente" des Beschädigten gebildet, diese Rente ist der Anrechnung nach § 14 Abs. 1 KBLG unterlegen (vgl. auch Landesversicherungsamt Württemberg-Baden in Sozialrechtlicher Entscheidungssammlung IX/1 zu § 14 Abs. 1 bis 5 KBLG Nr. 2).
Wie die Anrechnung, so hat auch die Kürzung nach § 14 Abs. 1 KBLG die Rente einschließlich etwaiger Kinderzulagen betroffen. Von dieser Rente hat der Beschädigte den nach der Anrechnung verbleibenden Teil erhalten, dieser Teil hat auch etwaige Kinderzulagen eingeschlossen. Zu der nach § 14 KBLG gekürzten Rente sind Kinderzulagen nicht gewährt worden. Wenn dem Beschädigten nach § 14 Abs. 3 KBLG von der Rente bestimmte nach dem Grad der MdE. gestaffelte Mindestbeträge verblieben sind, so hat dies nur bedeutet, daß die Rente in dieser Höhe hat gewährt werden müssen, wenn sie auf Grund der Anrechnung geringer gewesen oder weggefallen wäre. Die Vorschrift des § 14 KBLG ist eine Anrechnungsvorschrift gewesen; sie hat die Grundlagen und den Umfang der Anrechnung von Einkünften auf die Rente geregelt; es ist ihr aber nicht zu entnehmen gewesen, daß in den Fällen des § 559 b RVO neben der Rente, die nach § 14 KBLG gekürzt worden ist, Kinderzulagen hätten gewährt werden müssen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 22 der Dritten DurchfVO zum KBLG. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um revisibles Recht (§ 162 Abs. 2 SGG; zu vergl. BSG. 3 S. 77 ff. [80]), sie hat übereinstimmend auch in Bayern, Hessen und in Bremen gegolten (bayer. DurchfVO zum KBLG vom 1. Mai 1949, GVBl. S. 113, § 22; DurchfVO des hessischen Arbeitsministers vom 28.1.1950, GVBl. S. 40, § 24; Dritte DurchfVO des Senators für Arbeit und Wohlfahrt Bremen vom 24.8.1949, GBl. S. 187, § 22). Zwar sind diese DurchfVO'en in den einzelnen Ländern zu verschiedenen Zeiten in Kraft getreten: in Hessen (§ 35) am 1. Februar 1947, in Bayern (§ 37 Abs. 1) am 1. Mai 1949, in Bremen am 1. Juli 1949 (§ 38); auch bezüglich des Inkrafttretens ist aber die Regelung in Württemberg-Baden und in Bremen dieselbe gewesen, auch § 38 der württ.-bad. DurchfVO hat deshalb inhaltlich nicht nur im Bezirk des Berufungsgerichts gegolten.
Der Senat hat sonach zunächst prüfen müssen, ob die DurchfVO, soweit sie in § 22 die Kinderzulagen regelt, sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung gehalten hat. Die DurchfVO hat ihre Grundlage in § 37 KBLG gehabt; danach ist der Arbeitsminister ermächtigt gewesen, alle für die Durchführung des KBLG erforderlichen Vorschriften zu erlassen. Diese Ermächtigung ist zwar sehr weitgehend und allgemein gehalten gewesen, die Anforderungen, denen nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG eine Ermächtigung entsprechen muß, können aber nicht auf die besonderen Zeitverhältnisse ausgedehnt werden, die vor dem Inkrafttreten des GG bestanden haben; es ist auch anzunehmen, daß die Gesetzgeber in den Ländern, wenn sie die Arbeitsminister zum Erlaß "aller" Vorschriften, die für die Durchführung des KBLG erforderlich waren, ermächtigt haben, damit auch eine von der RVO abweichende Regelung für zulässig gehalten haben. Die Ermächtigung hat aber auch die Befugnis umfaßt, den Zeitpunkt des Inkrafttretens der DurchfVO zu bestimmen. Die Arbeitsminister der Länder und der Senator in Bremen haben diesen Zeitpunkt nicht einheitlich bestimmt. Indessen enthält die württ.-bad. DurchfVO, ebenso wie die DurchfVO'en für Bayern und Bremen und anders als die DurchfVO für Hessen, nichts darüber, daß sie sich Rückwirkung hat beilegen wollen; wäre dies beabsichtigt gewesen, so hätte dies, wie es für Hessen geschehen ist, ausdrücklich bestimmt werden müssen. Deshalb ist für die Zeit vor dem Inkrafttreten der württ.-bad. DurchfVO, also vor dem 1. Juli 1949,- nur diese Zeit ist im Streit - von der Rechtslage auszugehen, wie sie sich aus § 14 KBLG ergeben hat. Nach § 14 KBLG ist der Anrechnung die Rente einschließlich etwaiger Kinderzulagen zugrunde zu legen gewesen, zu dem von dieser Rente nach der Kürzung verbleibenden, unter Umständen zu dem auf die Mindestbeträge erhöhten Teil, sind Kinderzulagen nicht zu gewähren gewesen. Die Kinderzulagen sind nicht von der Anrechnung ausgenommen und dem nach der Kürzung verbleibenden Teil der Rente zuzuschlagen gewesen; eine solche Regelung hat weder § 14 KBLG noch § 559 b RVO enthalten.
Die Anrechnung für die Zeit vor dem 1. April 1948 hat der Senat nicht geprüft; insoweit hat der Kläger den Bescheid vom 14. Januar 1949 nicht angefochten. Soweit es sich um die Zeit ab 1. April 1948 handelt, hat die LVA. den anrechenbaren Betrag von 105,-- RM/DM auf die dem Kläger ohne die Kinderzulagen zustehende Rente von 95,-- RM/DM statt auf die um die Kinderzulagen von insgesamt 38,-- RM/DM erhöhte Rente von 133,-- RM/DM angerechnet, im Ergebnis ist aber die Rente vom 1. April 1948 an richtig festgesetzt. Auch wenn die LVA. § 14 KBLG richtig angewandt hätte, hätte sich der dem Kläger von der Rente verbleibende Teil (28,-- RM/DM) auf monatlich mindestens 40,-- RM/DM erhöht (§ 14 Abs. 3 Buchst. b KBLG), Zulagen für die Kinder hätten aber versagt werden müssen.
Das LSG. hat demnach die Berufung des Klägers im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen. Die Revision des Klägers ist deshalb unbegründet, sie ist nach § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen