Leitsatz (amtlich)

"Entstandene Kosten" im Sinne des BVG § 20 sind alle Kosten, die der Krankenkasse im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung des einzelnen Beschädigten erwachsen. Dazu gehören auch die für den Einzelfall nachzuweisenden Kosten vertrauensärztlicher Untersuchungen. Der zu ersetzende Betrag kann von der Versorgungsbehörde nicht einseitig der Höhe nach begrenzt werden.

 

Normenkette

BVG § 20 Fassung: 1953-08-07

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. März 1962 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Kostenentscheidung aufgehoben wird.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Klägerin (AOK) begehrte vom Beklagten gemäß § 20 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) die Erstattung einer Gebühr von 4,78 DM für eine vertrauensärztliche Untersuchung des ausgesteuerten Schwerbeschädigten E. Der Beklagte erstattete unter Hinweis auf den Erlaß des Hessischen Ministers für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen vom 13. Mai 1959 - Ie-5326 - nur einen Betrag von 2,75 DM. Auf die Klage lud das Sozialgericht (SG) die Landesversicherungsanstalt Hessen (LVA) und die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) bei und verurteilte den Beklagten mit Urteil vom 26. März 1962, der Klägerin gemäß § 20 BVG den restlichen Betrag von 2,03 DM zu erstatten. Die von der Klägerin insgesamt geforderten 4,78 DM stellten in ihrer Höhe gesetzlich nicht festgelegte Selbstkosten der Klägerin dar, die erstattet werden müßten. Sie könnten durch den Beklagten nicht einseitig abgeändert und für beide Teile verbindlich festgelegt werden. Diese Kosten fielen nicht unter die allgemeine Verwaltungspauschale, sondern seien zusätzlich zu vergüten. Der Beklagte könne sich auch nicht auf das Rundschreiben des BMA vom 22. August 1958 (BVBl 1958, 125 Nr. 73) und den Erlaß des Hessischen Ministers für Arbeit und Sozialordnung vom 13. Mai 1959 stützen, wonach nur 2,75 DM je Untersuchungsfall für Zugeteilte und Ausgesteuerte festgesetzt seien. Das SG ließ die Berufung zu.

Mit schriftlicher Einwilligung der Klägerin und der beigeladenen LVA legte der Beklagte Sprungrevision ein. Er rügt Verletzung des § 20 BVG. Es bestehe überhaupt kein Anspruch auf Kostenersatz für vertrauensärztliche Untersuchungen; der Anspruch sei somit trotz der Zahlung eines Teilbetrages von 2,75 DM auch dem Grunde nach streitig, was das SG verkannt habe. Nach § 20 BVG aF sei zu unterscheiden gewesen zwischen der Heilbehandlung und den damit in Zusammenhang stehenden weiteren Kosten, wie z. B. Krankengeld einerseits und den Verwaltungskosten andererseits. § 20 BVG nF unterscheide zwischen Heilbehandlung und Krankenbehandlung einerseits und den Verwaltungskosten andererseits, ohne daß Barleistungen an den Beschädigten ausdrücklich erwähnt würden. Die Rechtslage sei durch die Neufassung des § 20 BVG nicht geändert worden. Die vertrauensärztliche Untersuchung habe nicht das Ziel, eine Gesundheitsstörung oder die Erwerbsbeeinträchtigung zu beseitigen oder wesentlich zu bessern, eine Verschlimmerung zu verhüten oder körperliche Beschwerden zu beheben. Vielmehr handele es sich um eine verwaltungsmäßige Prüfung, ob Ansprüche gegeben sind, die nur von einem Arzt vorgenommen werden könne. Daran ändere der Umstand nichts, daß der Vertrauensarzt dem behandelnden Arzt bedeutsame Gesichtspunkte mitteilen müsse. Der Beklagte beantragt, das Urteil des SG Darmstadt vom 26. März 1962 aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin und die beigeladene LVA beantragen, die Revision zurückzuweisen. Die Klägerin ist der Auffassung, daß gerade auch die Tätigkeit des Vertrauensarztes medizinische Heilbedeutung habe. Darauf komme es aber nicht an, weil nach den alten und hier anwendbaren Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 20 BVG Ziff. 2 Abs. 1 auch die Kosten der vertrauensärztlichen Untersuchung im Einzelfall zu ersetzen seien. Wie Prof. Dr. Bogs in Sozialgerichtsbarkeit 1962 S. 129 dargetan habe, könne der Staatsbürger diejenige Behandlung erwarten, die die Verwaltung in den Richtlinien zugesagt habe. Auch der BMA stehe offenbar auf dem Standpunkt, wie sich aus BVBl 61, 111 ergebe, daß jedenfalls bisher nach § 20 BVG solche Ausgaben zu erstatten gewesen seien. Im übrigen sei anzunehmen, daß § 20 BVG sinngemäß eine Erstattung aller Spezialunkosten des Einzelfalles bezwecke, während nur die allgemeinen Regiekosten naturgemäß pauschaliert werden müßten, wie dies in § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt sei.

Die beigeladene LVA wendet ein, der Beklagte habe sich durch die Zahlung von 2,75 DM und Erstattung der Kosten der vertrauensärztlichen Untersuchung in anderen Fällen in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten gesetzt. Im übrigen habe der Vertrauensarzt nach der Dienstanweisung auch ein fürsorgeärztlicher Berater für den einzelnen hilfsbedürftigen Versicherten zu sein.

Der beigeladene BMA hat keinen Antrag gestellt. Er ist der Auffassung, daß es sich um Verwaltungskosten handele. Als solche seien diejenigen Aufwendungen anzusehen, die in personeller und sächlicher Hinsicht erforderlich seien, um die verwaltungsmäßige Abwicklung der dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem BVG übertragenen Durchführung der Heilbehandlung zu gewährleisten. Wenn auch die Abgabe vertrauensärztlicher Äußerungen medizinisches Fachwissen voraussetze und die Erstellung eines medizinischen Gutachtens eine ärztliche Leistung darstelle, so reiche diese Feststellung für sich nicht aus, diese Tätigkeit als Maßnahme der Heilbehandlung oder als Verwaltungstätigkeit zu charakterisieren. Entscheidend sei, in welchem funktionellen Zusammenhang die ärztliche Leistung erbracht werde. Erst das Gutachten des Vertrauensarztes ermögliche es der Klägerin, über den Leistungsantrag und die zu gewährenden Leistungen zu entscheiden. Die Entscheidung über die Gewährung oder Entziehung einer Heilbehandlungsmaßnahme sei jedoch gerade typisches Verwaltungshandeln und nicht identisch mit der Heilbehandlungsmaßnahme selbst. Des Vertrauensarztes bediene sich die Klägerin bei ihrer Verwaltungstätigkeit allein wegen seiner medizinischen Fachkunde. Er übe dabei lediglich eine die Krankenkasse in ihrer Verwaltungsarbeit unterstützende Funktion aus, nicht aber eine unmittelbar auf die Erzielung eines Heilerfolges (vgl. §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 11 Abs. 1 Satz 1 BVG aF) gerichtete Tätigkeit. Dabei sei es unbeachtlich, daß die Krankenkassen, den einschlägigen Vorschriften über das Rechnungswesen bei den Trägern der sozialen Krankenversicherung folgend, die Kosten des vertrauensärztlichen Dienstes nicht unter den persönlichen Verwaltungskosten, sondern unter der Kontenklasse "Leistungsaufwand der Krankenkassen" verbuchen. Denn diese nach haushaltsmäßigen und statistischen Gesichtspunkten vorgenommene Aufgliederung der Einnahmen und Ausgaben ändere nichts am Charakter der Leistung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.

Die mit schriftlicher Einwilligung der Rechtsmittelgegner nach Zulassung der Berufung durch das SG (§ 161 Abs. 1 SGG) form- und fristgerecht eingelegte und begründete Sprungrevision (§§ 164, 166 SGG) ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.

Obwohl der Beklagte der Klägerin einen Teil der Kosten (2,75 DM) erstattet hat, wendet er im gerichtlichen Verfahren ein, überhaupt nicht zu gesonderter Erstattung der Kosten einer vertrauensärztlichen Untersuchung und demnach auch nicht zur Zahlung der restlichen 2,03 DM verpflichtet zu sein. Der Senat konnte unerörtert lassen, ob sich der Beklagte damit in unzulässiger Weise in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten gesetzt hat und inwieweit ein solches Verhalten im öffentlichen Recht etwa Konsequenzen nach sich zieht (vgl. hierzu Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Bd. 7. Aufl. S. 157, 201). Ebenso konnte unerörtert bleiben, ob der Beklagte an seine eigenen VV zu § 20 BVG, die im Zeitpunkt der vertrauensärztlichen Untersuchung (28. August 1958) und der Geltendmachung des Ersatzanspruches (10. Juni 1959) unter Nr. 2 Abs. 1 noch ausdrücklich bestimmten, daß der Kostenersatz grundsätzlich auch die vertrauensärztliche Untersuchung umfasse (VV in der Fassung vom 9. August 1956 und 3. September 1958), zu seinen Ungunsten auch dann gebunden ist, wenn diese VV nicht in Einklang mit dem Gesetz stehen sollten. Denn der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten der vertrauensärztlichen Untersuchung ist in vollem Umfang durch das Gesetz begründet. Hierbei kam es nicht entscheidend darauf an, ob die vertrauensärztliche Untersuchung der Heilbehandlung im eigentlichen Sinne zuzurechnen ist. Denn § 20 BVG stellt für die Frage der Kostenerstattung nicht in der vom Beklagten und vom beigeladenen BMA vorgetragenen Weise auf die Alternative: Heilbehandlung - Verwaltungskosten ab.

§ 20 BVG bestimmte in der hier maßgeblichen Fassung vor dem 1. Neuordnungsgesetz (NOG) vom 27. Juni 1960: "Soweit die Krankenkassen nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes verpflichtet sind, Heilbehandlung einschließlich Heilanstaltspflege und Hauspflege sowie Krankengeld und Hausgeld zu gewähren, werden ihnen die entstandenen Kosten und der entsprechende Anteil an den Verwaltungskosten ersetzt. Dies gilt auch für krankenversicherte Beschädigte, die wegen der Folgen einer Schädigung mit Krankengeld oder Krankenhauspflege ausgesteuert sind, vom Tage der Aussteuerung an." Hier ist also nicht bestimmt, inwieweit die Kosten der Heilbehandlung i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 2 BVG zu ersetzen sind, vielmehr heißt es ohne Einschränkung, daß "die entstandenen Kosten" ersetzt werden. Der vorausgehende Satzteil, in dem die Worte Heilbehandlung, Krankengeld usw. vorkommen, kann schon deshalb nicht für eine Unterscheidung der Frage, wann die "entstandenen Kosten" der Heilbehandlung zuzurechnen sind und wann sie als Bestandteil der sonstigen Kosten mit einem entsprechenden Anteil an den Verwaltungskosten abgegolten werden, herangezogen werden, weil in ihm die Voraussetzungen für beide Erstattungsarten gleichermaßen geregelt sind. Er bestimmt lediglich, daß der Ersatzanspruch für beide Erstattungsarten überhaupt nur gegeben ist, wenn die Krankenkasse allein nach dem BVG verpflichtet war, Heilbehandlung, Krankengeld usw. zu gewähren. Aus diesem Grunde läßt auch das Wort "Soweit" in der Vorschrift des § 20 BVG keine andere Auslegung zu. In diesem Ausdruck könnte, wenn er nicht nur synonym für "wenn" oder "sofern" gebraucht sein sollte, allenfalls eine Betonung in dem Sinne zu sehen sein, daß Kosten nur "soweit" ersetzt werden, wie sie tatsächlich entstanden sind. Wäre im Sinne des Revisionsvorbringens nur ein Teil der "entstandenen Kosten" zu ersetzen, so hätte das Wort "soweit" in engem Zusammenhang mit "entstandenen Kosten" oder "ersetzt" verwendet werden müssen, etwa derart, daß es hieße: "... werden ihnen die entstandenen Kosten ersetzt, soweit sie durch Heilbehandlung entstanden sind; die übrigen Kosten werden mit dem Verwaltungskostenanteil abgegolten." Die Auffassung der Revision kann überdies auch schon deshalb nicht richtig sein, weil § 20 BVG neben der Heilbehandlung noch Krankengeld und Hausgeld erwähnt. Beide Leistungen, von denen die Revision nicht bestreitet, daß sie voll ersetzt werden müssen, vermögen weder i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 2 BVG eine Gesundheitsstörung oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu beseitigen oder wesentlich zu bessern noch eine Verschlimmerung zu verhüten oder körperliche Beschwerden zu beheben.

Sonach ist der Schluß verfehlt, die vertrauensärztliche Untersuchung müsse, weil sie nicht der Heilbehandlung zuzurechnen sei, der noch allein übrigbleibenden anderen Alternative, nämlich den Verwaltungskosten zugezählt werden.

Der Senat hatte somit unabhängig von den Begriffen "Heilbehandlung" und "Verwaltungskosten" zu prüfen, was unter den Worten des § 20 Satz 1 BVG "werden ihnen die entstandenen Kosten ... ersetzt", zu verstehen ist. Aus Sinn und Zweck der Erstattungsregelung des § 20 BVG, insbesondere aus der Gegenüberstellung der entstandenen Kosten und der anteiligen Verwaltungskosten, ist zu entnehmen, daß unter "entstandenen Kosten" diejenigen Kosten zu verstehen sind, die die Krankenkasse nachweislich aus Anlaß der Behandlung des einzelnen Beschädigten aufzuwenden hatte.

Somit sind alle die Kosten zu ersetzen, die der Krankenkasse im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung des betreffenden Beschädigten erwachsen sind und der Versorgungsbehörde als "entstanden" nachgewiesen werden können. Da diese Voraussetzung im vorliegenden Fall hinsichtlich der Kosten der vertrauensärztlichen Untersuchung vom 28. August 1958 gegeben ist, hat der Beklagte diese Kosten gemäß § 20 BVG zu ersetzen. "Verwaltungskosten" im Sinne dieser Vorschrift sind andererseits alle die Kosten, die die Krankenkasse im einzelnen Behandlungsfall nicht gesondert aufzubringen hatte und die demgemäß auch nicht gesondert nachgewiesen werden können. Daher ist hier auch nur die Erstattung eines pauschalierten Anteils vorgesehen. Im Einklang mit dem richtig verstandenen Sinn der Ersatzregelung des § 20 BVG ist deshalb in den VV Nr. 5 Abs. 1 vom 9. August 1956 und 3. September 1958 bestimmt worden, daß für den Verwaltungskostenanteil die Gesamtausgaben der Krankenkasse zugrunde zu legen sind und daß das gezahlte Versorgungskrankengeld und -hausgeld sowie alle anderen für Zugeteilte und Ausgesteuerte verauslagten Kosten ... nicht zu den Gesamtausgaben gehören.

Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird durch Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) über die Krankenversicherung bestätigt. Hätte nämlich § 20 BVG einen Unterschied zwischen der von der Krankenkasse zu gewährenden eigentlichen Heilbehandlung und den ihr im Einzelfall entstandenen Nebenkosten machen wollen, so wäre es zumindest erforderlich gewesen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Begriffe in den Wortlaut des § 20 BVG zu übernehmen und danach die notwendigen Unterscheidungen zu treffen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die hier verwendeten Ausdrücke wie Heilbehandlung, Heilanstaltspflege, Hauspflege stellen eigenständige Begriffe des BVG dar (§§ 11, 12 BVG), die in den §§ 179 ff RVO überhaupt nicht vorkommen. Vielmehr haben hiernach die Krankenkassen "Krankenhilfe" zu gewähren (§ 179 RVO), die nach § 182 RVO aus "Krankenpflege" und Krankengeld besteht. Die "Krankenpflege" umfaßt u. a. "ärztliche Behandlung". Anstelle der Krankenpflege und des Krankengeldes kann nach § 184 RVO "Krankenhauspflege" gewährt werden. Hätte der Gesetzgeber die Kostenerstattung im Sinne der Revision regeln wollen und sich der entsprechenden krankenversicherungsrechtlichen Begriffe bedient, so hätte die Versorgungsverwaltung unschwer aus den für die Krankenversicherung geltenden Grundsätzen ersehen können, daß ihr enger Standpunkt schon deshalb nicht gerechtfertigt ist, weil zu den notwendigen Kosten der ärztlichen Behandlung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung auch Nebenkosten gehören, wie Kosten eines Wagens, eines Telefongespräches, eines Telegramms zur Herbeiholung des Arztes, die Kosten einer notwendigen Reise zum Arzt, einschließlich der Kosten des Unterhalts auf der Reise und der Kosten einer notwendigen Begleitung, ferner Transportkosten zur Erlangung der ersten ärztlichen Hilfe und schließlich die Kosten ärztlicher Gutachten , wenn sie für die Entschließung der Kasse darüber, ob und in welcher Art Fürsorge zu gewähren ist, notwendig sind (vgl. Peters, Handbuch der KrV, Teil II/1 Anm. 6 a zu § 182 RVO). Das Reichsversicherungsamt (RVA) hat schon in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 1911 ausgeführt, daß ärztliche Zwischengutachten nicht nur der Unterrichtung der Versicherungsträger, sondern gerade auch dem Zwecke der Durchführung des Heilverfahrens dienen und daß die durch sie entstehenden Kosten daher zu den Kosten des Heilverfahrens gerechnet werden müssen (AN 1912, 946). Berücksichtigt man dies, so könnten die VV zu § 20 BVG vom 9. August 1956 und 3. September 1958, wenn sie bestimmen, daß der Kostenersatz grundsätzlich auch die vertrauensärztliche Untersuchung umfaßt, selbst dann nicht als unrichtig angesehen werden, wenn man der unzutreffenden Gesetzesauslegung der Revision hätte folgen wollen. Denn die vertrauensärztliche Untersuchung dient nicht nur dazu, wie § 369 b RVO ausdrücklich hervorhebt, die Arbeitsunfähigkeit der Versicherten und die Verordnung von Versicherungsleistungen nachzuprüfen, sondern sie kann auch im Einzelfall für die weitere sachgemäße Heilbehandlung wichtige Hinweise geben (vgl. hierzu auch Peters aaO, Teil II, Anm. 2 zu § 369 b RVO und die "Bestimmungen über den vertrauensärztlichen Dienst in der Krankenversicherung" vom 30. März 1936 - vgl. AN 1936, 107).

Dieser Erwägungen bedurfte es jedoch zur Entscheidung der vorliegenden Frage nicht, da sich bereits aus dem Wortlaut des § 20 BVG ergibt, daß der Krankenkasse alle von ihr im Zusammenhang mit der Heilbehandlung des Beschädigten aufgewendeten Kosten ohne Rücksicht darauf, ob sie durch "Heilbehandlung" im obengenannten engeren Sinne verursacht wurden, zu ersetzen sind. Eine andere Regelung würde überdies gegen den Grundsatz des Art. 120 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen, wonach der Bund die inneren und äußeren Kriegsfolgelasten - zu ersteren gehört auch die Versorgung der Kriegsbeschädigten - trägt (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 10. Dezember 1963 - Az. 9 RV 818/63 -). Da das Gesetz im Einklang mit Art. 120 Abs. 1 GG uneingeschränkt den Ersatz der "entstandenen Kosten" bestimmt, kann der Ersatz auch nicht auf einen vom Beklagten einseitig festgesetzten Höchstbetrag beschränkt werden.

Aus dem gewonnenen Ergebnis folgt andererseits, daß die VV zu § 20 BVG in der Fassung vom 14. August 1961, wenn sie unter Nr. 4 bei den Ausgaben, die vom Kostenersatz umfaßt werden, die Kosten für vertrauensärztliche Untersuchungen nicht mehr erwähnen, jedenfalls dann mit dem Gesetz nicht in Einklang stehen und infolgedessen nicht anzuwenden sind (BSG 4, 165), wenn damit entsprechend dem Rundschreiben des BMA vom 22. August 1961 in BVBl 1961, 111, 112 zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß sie nicht mehr als "entstandene Kosten" zu ersetzen seien. Denn das 1. NOG hat trotz Änderung des Wortlauts des § 20 BVG, wie die Revision einräumt, keine inhaltliche Rechtsänderung gebracht. Es hat lediglich den Satzteil, der die allgemeinen Voraussetzungen des Ersatzes der entstandenen Kosten und des Verwaltungskostenanteils gleichermaßen bestimmt, anders und zwar kürzer formuliert, indem "Heilbehandlung" nicht mehr näher erläutert, daneben "Krankenbehandlung" genannt wird und Krankengeld und Hausgeld nicht mehr besonders erwähnt werden, da nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 BVG nF zur Heilbehandlung nun auch der "Einkommensausgleich" gehört. Auch diese gesetzliche Bestimmung geht sonach nicht von einem engen , sondern von einem weiten Begriff der Heilbehandlung aus.

Da sonach der Anspruch der Klägerin auf Erstattung auch des restlichen Betrages von 2,03 DM, wie das SG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, nach § 20 BVG gerechtfertigt ist, brauchte nicht untersucht zu werden, ob dem Umstand rechtliche Bedeutung zukommt, daß die Versorgungsbehörde die Krankenkasse 2 Tage vor der vertrauensärztlichen Untersuchung, nämlich am 26. August 1958, ausdrücklich zur laufenden vertrauensärztlichen Überwachung aufgefordert hat.

Nach allem war die Revision mit Ausnahme der Kostenentscheidung als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG). Da das SG den Beklagten unter Verletzung des § 193 Abs. 4 SGG zum Ersatz nicht erstattungsfähiger Kosten verurteilt hatte, war sein Urteil im Kostenpunkt aufzuheben und für beide Instanzen über die Kosten nach § 193 SGG, wie geschehen, zu entscheiden.

 

Fundstellen

BSGE, 118

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