Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Zahlungsunfähigkeit. Schutz der Unkenntnis der Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Arbeitnehmer eine Tätigkeit bei einem Arbeitgeber auf, der nach Ablehnung eines Konkursverfahrens mangels Masse erneut als Unternehmer tätig geworden ist, so hat er auch nach erneuter Ablehnung des Konkursverfahrens mangels Masse keinen Anspruch auf Konkursausfallgeld, wenn der Arbeitgeber in der Zwischenzeit trotz Erfüllung verschiedener Zahlungsverpflichtungen die Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt hatte.
Orientierungssatz
1. Die Zahlungsunfähigkeit bleibt bestehen, solange der Gemeinschuldner wegen eines Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im allgemeinen zu erfüllen (vgl BSG vom 19.3.1986 10 RAr 8/85 = SozR 4100 § 141b Nr 37).
2. Die Konkursausfallgeldversicherung gewährt den Arbeitnehmern eines schon bei Beginn des Arbeitsverhältnisses insolventen Arbeitgebers keinen Gutglaubensschutz. Vielmehr sind nur die Arbeitnehmer geschützt, die im Zeitpunkt des Eintrittes des Insolvenzereignisses in einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner standen (vgl BSG vom 19.3.1986 10 RAr 8/85 = SozR 4100 § 141b Nr 37).
Normenkette
AFG § 141b Abs 1; AFG § 141b Abs 3; AFG § 141b Abs 4
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 19.02.1987; Aktenzeichen L 9 Al 237/85) |
SG Regensburg (Entscheidung vom 02.10.1985; Aktenzeichen S 8 Al 134/84) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit vom 1. November bis 14. Dezember 1982 einen Anspruch auf Konkursausfallgeld (Kaug) hat.
Der Arbeitgeber des Klägers, Maurermeister Michael H. (H.), betrieb vom 1. Juni bis 1. Dezember 1978 ein Baugeschäft, das er wegen Zahlungsunfähigkeit beendete. Einen Antrag der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bamberg auf Eröffnung des Konkursverfahrens lehnte das Amtsgericht Bamberg mit Beschluß vom 30. Dezember 1978 mangels Masse ab. Danach war H. als Arbeitnehmer tätig bzw erhielt Geldleistungen wegen Arbeitslosigkeit. Vom 1. September bis 23. Dezember 1981 und seit dem 3. Mai 1982 betrieb H. erneut ein Baugeschäft. Am 28. Oktober 1982 beantragte ein Gläubiger wegen einer Forderung von 1.387,17 DM die Eröffnung des Konkursverfahrens. Da H. eine Erklärung über seine Vermögensverhältnisse verweigerte, wurde er vom 16. November 1982 bis 15. Januar 1983 in Erzwingungshaft genommen. Nachdem H.'s Vater den geforderten Betrag gezahlt hatte, nahm der Gläubiger am 24. Januar 1983 den Konkursantrag zurück. Schon vorher, und zwar am 3. Dezember 1982, hatte die Ortskrankenkasse Bamberg wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge von 18.646,50 DM einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt. Diesen Antrag lehnte das Konkursgericht mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Konkursmasse ab (Beschluß vom 6. Mai 1983).
Der Kläger war vom 1. April bis 14. Dezember 1982 bei H. beschäftigt und hatte bis zum 31. Oktober 1982 den Lohn regelmäßig ohne Verzögerung erhalten. Außerdem waren im Jahr 1982 zwei weitere Arbeitnehmer in H.'s Betrieb tätig.
Durch Bescheid vom 11. November 1983 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers, ihm für die Zeit vom 1. November bis 14. Dezember 1982 Kaug zu zahlen, ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 1984).
Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für den genannten Zeitraum Kaug zu gewähren. Die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten ist zurückgewiesen worden. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, der Arbeitgeber des Klägers sei seit der Beendigung seiner ersten Tätigkeit als Bauunternehmer im Jahre 1978 nicht ununterbrochen zahlungsunfähig gewesen. Die Beklagte stütze sich für die gegenteilige Auffassung zu Unrecht auf die Kommentierung zu § 30 der Konkursordnung (KO). Ob eine Zahlungseinstellung iS dieser Vorschrift vorliege und wie lange der Zustand der Zahlungseinstellung andauere, sei Grundlage für das Recht des Konkursverwalters, bestimmte Rechtsgeschäfte anzufechten. Die zum Begriff der andauernden Zahlungseinstellung im Konkursrecht entwickelten Grundsätze könnten nicht ohne weiteres auf die Kaug-Versicherung nach den §§ 141a ff des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) übertragen werden. Dagegen sprächen der unterschiedliche Zweck der Rechtsnormen und die abweichende Interessenlage. In der Kaug-Versicherung stehe der Schutz der Arbeitnehmer gegen Lohnausfälle infolge von Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers im Vordergrund. Deshalb müsse hier der Betriebstätigkeit und der Lohnzahlung erhebliche Bedeutung für die Frage beigemessen werden, wann und unter welchen Voraussetzungen ein neuer Versicherungsfall eintreten könne, obwohl früher ein Konkursverfahren eröffnet oder ein Konkursantrag mangels Masse abgelehnt worden sei. Eine spätere erneute betriebliche Tätigkeit werde - für sich genommen - zwar die offen zutage getretene Insolvenz nicht ohne weiteres als widerlegt gelten lassen können. Sie könne aber dann nicht unbeachtet bleiben, wenn es sich dabei nicht nur um einen gescheiterten Versuch von geringer, wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallenden Dauer handele, sondern wenn über längere Zeit hinweg betriebliche Leistungen erfolgten, die nicht nur auf alten Auftragsbeständen beruhten, und wenn während eines erheblichen Zeitraumes die Löhne regelmäßig gezahlt und die sonstigen Betriebsausgaben bewirkt würden. Ein solcher Fall liege hier vor. Der Arbeitgeber habe nach mehrjähriger Unterbrechung seiner selbständigen Tätigkeit wieder neue Bauaufträge ausgeführt, unbestritten 6 Monate lang die Löhne für 3 Arbeitnehmer regelmäßig gezahlt und bis zur erneuten Einstellung der Zahlung die wesentlichen Forderungen aus Warenlieferungen beglichen. Gegen die Annahme, daß der Arbeitgeber des Klägers wieder zahlungsfähig geworden sei, spreche nicht die Forderung der Beklagten aus dem Insolvenzfall im Jahr 1978 in Höhe von etwa 54.000,-- DM; denn diese Forderung sei nicht Gegenstand des im Jahre 1978 gestellten Konkursantrags gewesen. Das gleiche gelte für die Forderungen der Beitragseinzugsstelle, die dem Konkursantrag vom 3. Dezember 1982 zugrunde gelegen hätten. Denn diese Forderungen seien erst in den Monaten April bis Oktober 1982 und damit nach dem im Jahre 1978 eingetretenen Insolvenzereignis entstanden. Selbst wenn H. schon seit 1981 für einige Gläubiger als Schuldner ohne pfändbare Habe erschienen sei, habe dies ebenfalls für die Kaug-Versicherung rechtlich keine Bedeutung, weil H. in anderen wirtschaftlich wesentlichen Bereichen die Zahlung wieder aufgenommen habe. Im übrigen trete der Versicherungsfall in der Kaug-Versicherung nicht schon bei der Überschuldung, sondern erst mit der nach außen sichtbaren Zahlungsunfähigkeit ein. Eine Gegenüberstellung der Schulden und der zur Verfügung stehenden Mittel habe daher zur Feststellung des nach dem AFG maßgebenden Insolvenzzeitpunktes nicht stattzufinden. Da somit der Entscheidung des Konkursgerichts vom 6. Mai 1983 ein neues Insolvenzereignis zugrundegelegen habe, stehe dem Kläger das für den streitigen Zeitraum begehrte Kaug zu.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 141b AFG und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Entgegen der Auffassung des LSG sei die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers seit dem ersten Insolvenzereignis vom 30. Dezember 1978 nicht beseitigt gewesen. Bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit im Falle der Abweisung eines Konkursantrags mangels Masse komme es nicht darauf an, welcher Konkurs- oder Massegläubiger wegen welcher Ansprüche die Eröffnung des Konkursverfahrens beantrage, sondern wer im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens Konkurs- oder Massegläubiger sein könne. Der der Feststellung des Konkursabweisungs-Beschlusses vom 6. Mai 1983 zugrundeliegenden Forderung der AOK Bamberg iH von 18.646,50 DM seien deshalb die bestehenden Forderungen von ca 120.000,-- DM (Beschluß des Amtsgerichts -AG- Bamberg vom 30. Dezember 1978), ferner die auf die Beklagte gemäß § 141m Abs 1 AFG übergegangenen Arbeitsentgeltansprüche iH von 54.141,97 DM (per 30. Dezember 1978) sowie die der Höhe nach nicht bekannten Forderungen, die in den Folgejahren Gegenstand von Pfandabstandserklärungen der Obergerichtsvollzieher B. und P. gewesen seien, hinzuzurechnen. Insbesondere habe das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang die amtlichen Auskünfte der genannten Obergerichtsvollzieher vom 21. und 19. September 1983, die ihm aufgrund der vorliegenden, beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten bekannt gewesen seien, nicht berücksichtigt und somit gegen § 128 SGG verstoßen. Hätte das Gericht diese Auskünfte in seine Beweiswürdigung und Entscheidungsfindung einbezogen, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, daß der Gemeinschuldner nach dem ersten Insolvenzereignis bis zum Beschluß des AG Frankfurt am Main vom 6. Mai 1983 seine Zahlungsfähigkeit nicht wieder erlangt habe. Die amtlichen Auskünfte belegten zweifelsfrei, daß gegen den Arbeitgeber des Klägers seit 1979 keine weiteren Pfändungen bzw aufgrund erheblicher Vorpfändungen aus dem Jahr 1978 keine weitere Anschlußpfändung mehr durchgeführt worden seien. Weiterhin spreche die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis gemäß § 107 Abs 2 KO dafür, daß H. bis zum 6. Mai 1983 nicht wieder zahlungsfähig geworden sei. Schon die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis reiche aus, um von der Fortdauer der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners ausgehen zu können. Eine eventuelle Unkenntnis des Klägers hinsichtlich des Eintrags ins Schuldnerverzeichnis sei nicht entscheidungserheblich. Denn es stehe jedermann frei, sich Einblick in das Schuldnerverzeichnis zu verschaffen. Für die weitere Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners nach dem ersten Insolvenzereignis spreche auch, daß dieser sich von Mitte November 1982 bis Mitte Januar 1983 in Erzwingungshaft befunden habe und daß während der Dauer des Arbeitsverhältnisses des Klägers von seinem Arbeitgeber keine Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt worden seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 19. Februar 1987 und das Urteil des SG Regensburg vom 2. Oktober 1985 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht ergänzend geltend, die Grundsätze, die das Bundessozialgericht (BSG) bisher zur Aufeinanderfolge mehrerer Insolvenzereignisse iS von § 141b AFG entwickelt habe, seien hier nicht anzuwenden. Das Besondere des Falles liege darin, daß der Arbeitgeber des Klägers seinen Betrieb im Jahre 1978 abgemeldet und erst am 3. Mai 1982 das Gewerbe als selbständiger Bauunternehmer wieder angemeldet habe. In einem solchen Falle sei der Arbeitnehmer regelmäßig nicht in der Lage, die wirtschaftlichen Verhältnisse seines neuen Arbeitgebers zu überblicken. Er sei deshalb von Anfang an dem Risiko ausgesetzt, vorleisten zu müssen, ohne von seinem Arbeitgeber Sicherheit fordern zu können. Eine Einschränkung des § 141b AFG dahin, daß Kaug-Ansprüche grundsätzlich nur entständen, wenn der Arbeitgeber zu Beginn des Arbeitsverhältnisses zahlungsfähig gewesen sei oder zunächst regelmäßig Lohnzahlungen geleistet habe, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Beklagte habe auch nach 1978 noch Arbeitnehmer an H. vermittelt. Sie handele rechtsmißbräuchlich, wenn sie sich auf die 1978 eingetretene Insolvenz berufe.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des SG und des LSG sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Kaug nicht gegeben.
Nach § 141b Abs 1 AFG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Kaug, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Für die Berechnung des Dreimonats-Zeitraumes, für den ausgefallenes Arbeitsentgelt bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers durch Kaug ausgeglichen wird (Kaug-Zeitraum), sind die in § 141b Abs 1 und 3 AFG genannten Insolvenzereignisse maßgebend. Der Kaug-Zeitraum liegt danach grundsätzlich vor dem Eintritt dieser Ereignisse (BSG SozR 4100 § 141b Nr 37).
Für die Frage, ob dem Kläger Kaug zusteht, ist hier indessen nicht - wie die Vorinstanzen angenommen haben - der Beschluß über die Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse vom 6. Mai 1983, sondern der Beschluß des AG Bamberg vom 30. Dezember 1978 das maßgebliche Insolvenzereignis. Solange nämlich die Insolvenz andauert, kann ein neues Insolvenzereignis iS von § 141b Abs 1 und 3 AFG keine Ansprüche auf Kaug auslösen (vgl dazu BSG SozR 4100 § 141b Nrn 6 und 37). Zwar hat das LSG angenommen, H. sei während des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zunächst wieder zahlungsfähig gewesen, weil er mehrere Monate ohne Verzögerung für 3 Arbeitnehmer den Lohn gezahlt und Forderungen aus Warenlieferungen beglichen habe. Das Berufungsgericht verkennt jedoch die Voraussetzungen, unter denen ein insolventer Arbeitgeber wieder als zahlungsfähig angesehen werden kann. Die Zahlungsunfähigkeit bleibt bestehen, solange der Gemeinschuldner wegen eines Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im allgemeinen zu erfüllen (vgl dazu BSG SozR 4100 § 141b Nr 37; Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, Kommentar, 14. Auflage, § 30 Anm 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Zahlungsunfähigkeit endet deshalb nicht bereits dann, wenn einzelne Zahlungsverpflichtungen erfüllt werden. Die Fortdauer der Zahlungsunfähigkeit des H. wird schon daraus ersichtlich, daß er zu Beginn des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger weder die umfangreichen Verbindlichkeiten aus der früheren Tätigkeit als Bauunternehmer befriedigt noch die Sozialversicherungsbeiträge während seiner erneuten Selbständigkeit entrichtet hat. Allein die Beitragsforderungen, die dem Antrag der Ortskrankenkasse Bamberg auf Eröffnung des Konkursverfahrens vom 3. Dezember 1982 zugrunde lagen, beliefen sich auf 18.646,50 DM. Auch wenn zwischen dem Beschluß des AG Bamberg vom 30. Dezember 1978 und dem Ablehnungsbeschluß vom 6. Mai 1983 ein Zeitraum von mehr als 4 Jahren lag und der Gemeinschuldner zwischenzeitlich als Arbeitnehmer tätig war bzw Geldleistungen wegen Arbeitslosigkeit bezogen hat, kann keine Rede davon sein, daß die seit 1978 bestehende Insolvenz beseitigt war. Zu Unrecht legt das LSG bei der Anwendung der Vorschriften der §§ 141a ff AFG der Betriebstätigkeit und der Lohnzahlung besondere Bedeutung für die Frage bei, wann und unter welchen Voraussetzungen ein neuer Versicherungsfall eintreten könne. Selbst wenn - wie im vorliegenden Fall - über mehrere Monate eine neue Betriebstätigkeit entfaltet wird, begründet das allein die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit nicht. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der §§ 141a ff AFG läßt sich herleiten, daß der Arbeitgeber - nach Eintritt eines Insolvenzereignisses - wieder als zahlungsfähig angesehen werden muß, wenn er seine bisherige Betriebstätigkeit wieder aufnimmt und Löhne zahlt oder - nach einem längeren Zeitraum - einen neuen Betrieb eröffnet und für einige Monate führt. Insbesondere darf insoweit nicht darauf abgestellt werden, die Betriebstätigkeit und die Zahlung von Löhnen seien das allein für die Arbeitnehmer sichtbare Zeichen bestehender oder wiedererlangter Zahlungsfähigkeit. Der Arbeitnehmer, der - nach Eintritt eines Insolvenzereignisses - mit dem Gemeinschuldner ein Arbeitsverhältnis eingeht, ist nicht geschützt, mag auch die fortgesetzte oder wieder begonnene Betriebstätigkeit und die Zahlung von Löhnen den Schein der Zahlungsfähigkeit hervorrufen. Die Kaug-Versicherung gewährt nämlich den Arbeitnehmern eines schon bei Beginn des Arbeitsverhältnisses insolventen Arbeitgebers keinen Gutglaubensschutz. Vielmehr sind nur die Arbeitnehmer geschützt, die im Zeitpunkt des Eintrittes des Insolvenzereignisses in einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner standen. Der erkennende Senat hat dies schon in seinem Urteil vom 19. März 1986 (BSG SozR 4100 § 141b Nr 37) unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte einzelner Vorschriften des Kaug-Rechts dargelegt. Hieran hält der Senat nach erneuter Prüfung fest. Es ist zwar richtig, daß sich der vorliegende Fall von den früher entschiedenen Fällen vor allem darin unterscheidet, daß zwischen dem ersten Insolvenzereignis und dem Beginn des Arbeitsverhältnisses des Klägers mehrere Jahre liegen und daß der Gemeinschuldner nach Beendigung seiner ersten Selbständigkeit den Betrieb abgemeldet und im Jahre 1982 einen neuen Betrieb angemeldet hat. Diese Sachverhaltsunterschiede haben indessen für die Anwendung des § 141b AFG rechtlich keine Bedeutung. Auch wenn solche Umstände in besonderem Maße geeignet sind, die Arbeitnehmer über die Zahlungsfähigkeit des Unternehmers zu täuschen, kommt es darauf bei neu eingegangenen Arbeitsverhältnissen nach einem Insolvenzereignis nicht an. Der Arbeitnehmer wird nach § 141b Abs 4 AFG nur insoweit geschützt, als er in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weiterarbeitet (siehe auch BSG SozR 4100 § 141b Nr 37), dh wenn das Insolvenzereignis in der Zeit des schon bestehenden Arbeitsverhältnisses eintritt und der Arbeitnehmer hiervon zunächst nichts erfährt und seine Arbeit fortsetzt.
Selbst wenn es zutreffen sollte, daß die Beklagte in der hier strittigen Zeit dem zahlungsunfähigen H. einen Arbeitnehmer vermittelt hat, kann der Kläger daraus nichts zur Stützung seines Anspruchs herleiten. Welche Rechtsfolgen sich aus der Vermittlung an einen insolventen Arbeitgeber durch die Bundesanstalt für Arbeit für die vermittelten Arbeitnehmer ergeben, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Die auf der Vermittlung anderer Arbeitnehmer möglicherweise beruhende Unkenntnis des Klägers von der Insolvenz seines Arbeitgebers ist auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben oder für einen Herstellungsanspruch ohne rechtliche Bedeutung.
Auf die Revision der Beklagten waren nach alledem die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1665104 |
ZIP 1989, 460 |