Leitsatz (amtlich)
1. Jede Leistung in Geld oder Geldeswert ist in dem Zahlungszeitraum der Arbeitslosenhilfe, in dem sie dem Arbeitslosen zufließt, Einkommen iS des AFG § 138. Der am Ende dieses Zeitraums nicht verbrauchte Teil wird Vermögen iS des AFG § 137 Abs 2.
2. Zur Frage der Zumutbarkeit der Verwertung eines Vermögens im Rahmen der Arbeitslosenhilfe (AFG § 137 Abs 2).
3. Bei der Anlage von Geld muß der Empfänger von Arbeitslosenhilfe im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen und des Zumutbaren dafür sorgen, daß ihm die Erträge seines Vermögens oder Einkünfte in entsprechender Höhe für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung stehen.
Normenkette
AFG § 137 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, § 138 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, Abs. 3 Nr. 7 Fassung: 1969-06-25; AVAVGDV 12 § 3 Fassung: 1961-04-25
Tenor
Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 1974 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger war zuletzt bis zum Eintritt seiner Arbeitslosigkeit am 1. Oktober 1967 als Chemiker beim Radiologischen Institut der Universität F beschäftigt. Nach Erschöpfung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bezog er vom 22. März 1968 an Arbeitslosenhilfe (Alhi). Im Januar 1973 teilte der Kläger dem Arbeitsamt (ArbA) mit, er habe von zwei Tanten ein größeres Geldgeschenk erhalten. Die Schenkung sei angelegt mit 35.000,- DM in 7 3/4 % Bundesbahn-Anleihen, mit 29.000,- DM in einem fünfjährigen Sparvertrag mit Bonus und mit 5.500,- DM als Spareinlage mit gesetzlicher Kündigung. Mit Bescheid vom 15. Februar 1973 entzog deshalb das ArbA N dem Kläger die Alhi mit Wirkung vom 11. Januar 1973 bis zum 2. Januar 1974, wobei es die Verwertung des Betrages von 29.000,- DM durch den Kläger als unzumutbar ansah.
Mit seinem Widerspruch legte der Kläger eine Erklärung seiner beiden Tanten vor, nach der sie ihm am 18. Januar 1972 wegen der langen Arbeitslosigkeit 70.000,- DM zur Deckung eines angemessenen Lebensunterhaltes schenkweise überwiesen hatten. Nunmehr vertrat die Beklagte die Auffassung, daß die Verwertung des gesamten Vermögens - abzüglich eines Freibetrages von 3.000,- DM - zumutbar sei und daher ab 18. Januar 1972 für die Dauer von 118 Wochen kein Anspruch auf die Gewährung der Alhi bestehe (Bescheid vom 4. April 1973). Das ArbA entzog daher mit Bescheid vom 30. März 1973 die Alhi bereits mit Wirkung vom 18. Januar 1972 und forderte die überzahlten Bezüge in Höhe von 7.104,80 DM zurück, weil der Kläger die Schenkung nicht unverzüglich mitgeteilt und dadurch die Überzahlung grob fahrlässig verschuldet habe. Den Widerspruch des Klägers gegen beide Bescheide wies das ArbA am 15. Mai 1973 zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat am 7. August 1973 die Klage mit der Maßgabe abgewiesen, daß der endgültig festgestellte Schenkungssteuerbetrag bei der Feststellung der Zeit des Nichtbestehens der Bedürftigkeit und somit der Aussetzung der Leistung der Alhi ebenso wie der Betrag an nachgewiesenen Kosten zur Errichtung eines angemessenen Hausstandes mindernd zu berücksichtigen seien.
Mit der Berufung hat der Kläger behauptet, seine Tanten hätten die Schenkung gemacht, um mit Hilfe des Zinsertrages seine berufliche Existenz in angemessener Weise zu erhalten. Wörtlich hat der Kläger neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und des angefochtenen Urteils sowie der Verurteilung der Beklagten zur Weitergewährung der Alhi in seinem Schriftsatz vom 19. September 1973 beantragt, "zusätzliches Einkommen i. S. des § 138 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) festzustellen und zu berücksichtigen, wobei auf § 138 Abs. 3 Ziff. 3 und 4 AFG besonders hingewiesen wird. Ebenso auf Briefe an die Leitung des Arbeitsamtes N vom 7. Februar 1973 und vom 6. April 1973". Im ersten Schreiben hatte er darauf hingewiesen, daß er der Leistungsstelle die Verwertung der Zinsen aus dem Vermögen zur Verrechnung vorschlage; im zweiten hatte er ausgeführt, nur aufgrund der Bestimmung des § 3 Ziff. 3 der 12. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 25. April 1961 - BGBl I 478 (DVO) bestehe die Möglichkeit, mit Alhi und Zinsertrag des Vermögens zusammen in angemessener Weise zu leben. Das Landessozialgericht (LSG) hat dargelegt, der Kläger habe sinngemäß u. a. beantragt, die Beklagte zur Weiterzahlung der Alhi abzüglich der aus dem Schenkungsvermögen erzielten Zinserträge zu verurteilen.
Die Beklagte hat Anschlußberufung eingelegt mit dem Antrag, das Urteil insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen, als damit die Absetzung der nachzuweisenden Kosten zur Errichtung eines angemessenen Hausstandes festgestellt wurde.
Mit Urteil vom 24. Oktober 1974 hat das LSG das angefochtene Urteil dahin geändert, daß die Beklagte dem Kläger die Alhi über den 18. Januar 1972 hinaus unter Abzug der vom Kläger aus dem Schenkungsvermögen erzielten Erträge zu gewähren habe. Es hat die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, nach § 138 Abs. 3 Nr. 7 AFG gelte eine Zuwendung, die ein Dritter zur Ergänzung der Alhi gewähre, nicht als Einkommen. Dafür sei es unerheblich, ob es sich um eine einmalige oder um eine regelmäßig oder unregelmäßig wiederholte Zuwendung handele. Bei der Anwendung der Bestimmung des § 137 Abs. 2 AFG sei die Zuwendung der beiden Tanten an den Kläger als Sondervermögen zu behandeln, sonst werde der Zweck der Vorschrift des § 138 Abs. 3 Nr. 7 AFG vereitelt.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Senat hat mit Beschluß vom 21. Januar 1975 - zugestellt am 29. Januar 1975 - den Antrag des Klägers auf Bewilligung des Armenrechts im Hinblick auf sein Vermögen wegen fehlender Armut abgelehnt. Der Kläger hat am 28. Februar 1975 formgerecht Revision eingelegt. Er macht geltend, er habe nach dem Urteil des LSG annehmen können, daß er im Sinne des Gesetzes arm sei. Daher sei die Versäumung der Revisionsfrist unverschuldet, so daß ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. In sachlicher Hinsicht trägt er vor: Die Zweckbestimmung der Schenkung erstrecke sich auch auf die Erträge des Vermögens. Als Folge des Ausspruchs des angefochtenen Urteils stehe ihm nur ein Betrag in Höhe der gekürzten Alhi zu. Damit werde der Zweck der Schenkung vereitelt, ihm eine angemessene Lebensexistenz zu erhalten. Für die Anwendung des § 138 Abs. 3 Nr. 7 AFG könne nicht zwischen Einkommen und Vermögen unterschieden werden. Die Frage nach der Bedürftigkeit bleibe gleich, unabhängig davon, ob ein Einkommen oder ein Vermögen zu berücksichtigen sei. Auch aus § 3 Nr. 3 der 12. DVO ergebe sich, daß die Verwertung des dem Kläger geschenkten Vermögens nicht zumutbar sei. Es sei für ihn immer schwieriger, eine Arbeit zu finden; deshalb müsse er mit dem Vermögen seine Existenz bis ins hohe Alter sichern.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 24. Oktober 1974 aufzuheben und das Urteil des SG Nürnberg vom 7. August 1973 sowie die Bescheide vom 30. März und 4. April 1973 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 1973 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger über den 18. Januar 1972 hinaus Alhi ohne Anrechnung des Vermögens des Klägers und der daraus erzielten Erträge zu zahlen; die Anschlußberufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 7. August 1973 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hat selbst Revision eingelegt mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und das Urteil des SG aufzuheben insoweit, als darin die Klage mit der Maßgabe abgewiesen wird, daß bei der Feststellung der Zeit des Nichtbestehens der Bedürftigkeit und somit der Aussetzung der Leistung der Alhi der Betrag an nachgewiesenen Kosten zur Errichtung eines angemessenen Hausstandes mindernd zu berücksichtigen ist; ferner die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte führt insbesondere aus, die Schenkung sei mindestens von dem Monat nach ihrer Zuwendung an nicht mehr Einkommen, sondern Vermögen. Es handele sich insgesamt nicht um Einkommen i. S. des § 138 Abs. 3 Ziff. 7 AFG. Die Zinsen seien nach § 138 Abs. 1 AFG anzurechnen. Sie seien keine freiwilligen Zuwendungen an den Kläger, vielmehr bestehe darauf ein Rechtsanspruch.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen des Klägers und der Beklagten führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Das angefochtene Urteil ist in bezug auf den Streitgegenstand erläuterungsbedürftig. Offensichtlich hat das LSG über alle Anträge des Klägers entscheiden wollen, also auch über den Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Dies ist allerdings im Urteilsausspruch nicht ausdrücklich geschehen. Diese Aufhebung gehört aber zum notwendigen Inhalt der Entscheidung, mit der die Beklagte zur Gewährung der Alhi verurteilt worden ist, was nach den Entscheidungsgründen die Absicht des LSG war. Entgegen dem Wortlaut des Antrags des Klägers hat das LSG zu Recht sein Begehren dahin verstanden, daß auch der Bescheid vom 30. März 1973 angefochten werden sollte, mit welchem die Beklagte die Bewilligung der Alhi bereits vom 18. Januar 1972 an aufgehoben hatte. Es hat indessen bei der Abfassung des Entscheidungssatzes übersehen, daß in diesem Bescheid neben der Aufhebung des Bewilligungsbescheides die in der Zeit vom 18. Januar 1972 bis zum 10. Januar 1973 gezahlte Alhi zusätzlich entzogen und zurückgefordert wurde. Der Wahl des Datums des 18. Januar 1972 im Urteil muß aber wohl entnommen werden, daß das LSG den Rückforderungsbescheid aufheben wollte, soweit die vom 18. Januar 1972 bis zum 10. Januar 1973 gewährte Alhi die Zinserträge überstieg. Die Frage, ob im übrigen die Rückforderung der Beklagten rechtmäßig ist, hat das LSG in den Entscheidungsgründen nicht erörtert.
Beide Revisionen sind zulässig.
Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er war ohne Verschulden verhindert, die Revisions- und Revisionsbegründungsfrist einzuhalten (§ 67 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Der Kläger durfte ohne Verschulden im Hinblick auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils über seine Bedürftigkeit i. S. des § 137 AFG davon ausgehen, daß ihm das Armenrecht zur Durchführung der Revision bewilligt werden würde. Wenn auch zwischen dieser Bedürftigkeit und dem Begriff der Armut i. S. des § 167 SGG iVm § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO - rechtlich Unterschiede bestehen, so brauchte der rechtsunkundige Kläger jedenfalls nicht von vornherein und ohne weiteres davon auszugehen, daß er nicht als arm im Sinne der Armenrechtsvorschriften angesehen würde.
Der Kläger ist durch das Urteil des LSG beschwert. Es hat zwar sein Vorbringen dahin ausgelegt, er beantrage "sinngemäß", die Beklagte zur Weiterzahlung der Alhi abzüglich der Zinserträge zu verurteilen. Diese Auslegung trifft aber nicht zu. Allerdings war der Kläger zunächst offenbar der Meinung, die Erträge aus dem Vermögen könnten möglicherweise bei der Gewährung der Alhi berücksichtigt werden. Er hat vermutlich deshalb die Schenkung nach der ersten Gutschrift von Erträgen dem ArbA gemeldet und im Schreiben vom 7. Februar 1973 auf seinen Vorschlag zur Verwertung der Zinsen hingewiesen. In seinem Antrag vor dem Berufungsgericht hat er aber außerdem auf sein Schreiben vom 6. April 1973 Bezug genommen. Er hat in diesem Schreiben und auch in seinem sonstigen Vorbringen in der Berufungsinstanz immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß er die Aufhebung der angefochtenen Bescheide einschließlich des Rückforderungsbescheides und Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Alhi ohne Anrechnung der Zinserträge begehre. Demnach war Streitgegenstand vor dem LSG die uneingeschränkte Aufhebung der angefochtenen Bescheide und der - ebenso uneingeschränkt geltend gemachte - Anspruch des Klägers auf ungekürzte Alhi vom 18. Januar 1972 an. Da das LSG demgegenüber dem Kläger nur einen Anspruch auf Alhi unter Anrechnung der Erträge aus dem Vermögen zuerkannt hat, ist der Kläger somit durch das angefochtene Urteil beschwert.
Das LSG geht davon aus, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Alhi gemäß § 134 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 AFG vorgelegen haben und vorliegen. Dies ist auch unter den Beteiligten nicht streitig. In der Zeit bis zum 26. Januar 1972 war der Kläger aber nicht bedürftig i. S. des § 134 Abs. 1 Nr. 3 iVm § 137 Abs. 1 AFG. Nach § 137 Abs. 1 AFG ist der Arbeitslose bedürftig i. S. des § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG, soweit er seinen Lebensunterhalt ... nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 AFG zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 AFG nicht erreicht. Nach § 137 Abs. 2 AFG ist der Arbeitslose nicht bedürftig i. S. des § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen ... die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist.
Das Gesetz trifft keine eindeutige Unterscheidung zwischen den Begriffen Vermögen (§ 137 Abs. 2 AFG) und Einkommen (§ 138 Abs. 1 AFG), allerdings umschreibt es den Begriff des Einkommens im Sinne der letztgenannten Vorschrift in seinem Abs. 2 dahingehend, daß als Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ... gelten. Dieser Begriffsbestimmung - insbesondere dem Wort "Einkünfte" - ist zu entnehmen, daß als Einkommen solche finanziellen (oder wirtschaftlichen) Leistungen anzusehen sind, die dem Empfänger von Alhi "zufließen". Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob auf diese Leistungen ein Anspruch besteht oder nicht (vgl. dazu aber § 138 Abs. 3 Nr. 7 AFG). Hiervon ausgehend ist demgegenüber als Vermögen i. S. des § 137 Abs. 2 AFG ein "Bestand" von Sachen und Rechten (in Geld oder Geldeswert) in der Hand des Berechtigten anzusehen. Dies kann - jedenfalls teilweise - der 12. DVO, insbesondere deren § 3 entnommen werden, in welchem bestimmte Werte (Grundstücke, Wohnungseigentum) als Vermögen angesehen werden, also ein Bestand von Sachen und Rechten in der Hand des jeweils Berechtigten. Die vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG vom 24. April 1968 in Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge - NDV - 1968, 257, 332) getroffene Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ist für die Unterscheidung von Vermögen in § 137 Abs. 2 AFG zum Einkommen i. S. des § 138 Abs. 1 und 2 AFG schon deshalb nicht verwertbar, weil für das BVerwG bei seiner Unterscheidung die Zweckbestimmung des dem Hilfeempfänger Zugeflossenen und die Identität des Bedarfszeitraums mit dem Zeitraum, für den die Zahlungen bestimmt sind, maßgebend ist. Die Zweckbestimmung der einem Empfänger von Alhi zugeflossenen finanziellen Leistungen ist aber für den Begriff des Einkommens i. S. des § 138 AFG unerheblich. Zweckbestimmte Leistungen an den Empfänger von Alhi sind stets Einkommen (§ 138 Abs. 1 AFG), sie werden aber in bestimmten Fällen nach § 138 Abs. 3 AFG fiktiv nicht als Einkommen behandelt ("gelten" nicht als Einkommen). Wenn demgemäß jede Leistung in Geld oder Geldeswert bei ihrem Zufluß Einkommen im Sinne des § 138 AFG ist, kann sie aber danach (rechtlich) zu Vermögen im Sinne des § 137 Abs. 2 AFG werden, soweit sie nämlich vom Empfänger nicht verbraucht wird (z. B. durch Ansammlung von Sparkapital).
Eine solche Sachlage ist hier gegeben. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) und nach den eigenen Angaben des Klägers ist ihm am 18. Januar 1972 der Betrag von 70.000,- DM als Schenkung zugeflossen. In diesem Zeitpunkt war diese Summe als Einkommen im Sinne der obigen Ausführungen gemäß § 138 Abs. 1 AFG auf die Alhi anzurechnen, und zwar für den Zahlungszeitraum, in welchem das Einkommen dem Kläger zugeflossen ist, das ist der Zeitraum bis zum 26. Januar 1972. Die Schenkungssumme, die im Zeitraum vom 18. bis 26. Januar 1972 auf die gezahlte Alhi anzurechnen ist, kann - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht den Zuwendungen i. S. des § 138 Abs. 3 Nr. 7 AFG zugerechnet werden, die ein Dritter zur Ergänzung der Alhi gewährt, ohne dazu rechtlich oder sittlich verpflichtet zu sein. Der zur Anrechnung kommende Betrag von 70.000,- DM ist so hoch, daß er nicht mehr als "Ergänzung der Arbeitslosenhilfe" angesehen werden kann. Insoweit ist also die Entziehung der Alhi durch die Beklagte für die Zeit vom 18. bis zum 26. Januar 1972 gemäß § 151 AFG rechtmäßig gewesen.
Vom 27. Januar 1972 an ist der Betrag von 70.000,- DM Vermögen des Klägers i. S. des § 137 Abs. 2 AFG.
Die Auffassung der Beklagten, der Kläger müsse dieses Vermögen verwerten, und bis zum Verbrauch jenes Vermögens sei die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt, geht fehl. Allerdings kann der Auffassung des LSG nicht gefolgt werden, daß die Berücksichtigung des Vermögens des Klägers in Höhe der Schenkungssumme bei der Prüfung seiner Bedürftigkeit, wie dies nach § 137 Abs. 2 AFG geboten ist, aufgrund der in § 138 Abs. 3 Nr. 7 AFG getroffenen Regelung unterbleiben muß. § 138 AFG betrifft ausschließlich die Berücksichtigung (oder ihren Ausschluß) von "Einkommen" im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung; nach Wortlaut, Sinn und Zweck dieser Vorschrift besteht kein Raum für ihre übergreifende Anwendung auf in der Hand des Berechtigten vorhandenes Vermögen. Schon die Aufzählung jener Leistungen, die nach § 138 Abs. 3 AFG nicht als Einkommen gelten und daher im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen sind, verbietet es, diese Regelung auch auf Vermögen anzuwenden. Hierbei ist insbesondere auf § 138 Abs. 3 Nr. 6 AFG hinzuweisen, wonach Leistungen zum Ausgleich eines Schadens in bestimmtem Umfange nicht als Einkommen gelten, nach seinem letzten Halbsatz ausdrücklich aber bestimmt ist, daß die Vorschriften über die Berücksichtigung von Vermögen unberührt bleiben.
Ob und in welchem Umfange Vermögen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist, richtet sich allein nach der im vorliegenden Fall anzuwendenden 12. DVO. Die Verwertung des Vermögens - um die Bedürftigkeit zu mindern oder auszuschließen - kann von dem Kläger nur verlangt werden, wenn sie ihm zumutbar ist. Nach § 3 der DVO ist die Verwertung eines Vermögens dann zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist, und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens ... billigerweise erwartet werden kann. Dabei wird in Nr. 3 dieser Vorschrift als Beispiel einer unzumutbaren Verwertung von Vermögen aufgeführt, wenn es für eine Berufsausbildung, zur Schaffung oder Erhaltung einer angemessenen wirtschaftlichen Existenz oder zur Errichtung eines angemessenen Hausstandes bestimmt ist. Unter Berücksichtigung des Grundgedankens der Wirtschaftlichkeit der Verwertung eines Vermögens, einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers jenes Vermögens und der Billigkeit kann im vorliegenden Fall nicht davon gesprochen werden, daß dem Kläger die Verwertung der Summe von 70.000,- DM zumutbar ist. Nach der Zweckbestimmung der Zuwendung soll der ganze Betrag der Deckung eines angemessenen Lebensunterhalts des Klägers dienen. Dazu können mangels einer abweichenden Bestimmung die Erträge aus dem Vermögen und der Stamm eingesetzt werden. Mit dieser Zweckbestimmung dient das Vermögen der Schaffung und Erhaltung einer angemessenen wirtschaftlichen Existenz i. S. des § 3 Satz 2 Nr. 3 der DVO. Diese Auslegung gebietet sich, weil nach Satz 1 der genannten Bestimmung die Verwertung des Vermögens nur unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung erwartet wird. Dadurch wird auch der Inhaber eines Kapitals begünstigt, der eine angemessene Lebenshaltung nur noch mit Hilfe seines Vermögens bestreiten kann.
Im besonderen Fall des Klägers kann der Verbrauch des Vermögens von 70.000,- DM unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung nicht erwartet werden. Der Kläger war im Zeitpunkt der Schenkung bereits mehr als vier Jahre arbeitslos, obwohl in die zweite Hälfte dieser Arbeitslosigkeit ein wirtschaftlicher Aufschwung gefallen war. Es besteht unter den obwaltenden Umständen die Vermutung, daß der Kläger mit zunehmendem Alter und zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit immer geringere Chancen haben wird, eine seiner Ausbildung entsprechende Erwerbstätigkeit zu finden. Er muß damit rechnen, daß er eines Tages gezwungen sein kann, eine gegenüber seinem Beruf als Chemiker wesentlich geringer bezahlte Beschäftigung anzunehmen. Dazu ist der Nachholbedarf aus den Jahren der Arbeitslosigkeit mit zu berücksichtigen. Unter diesen Umständen war es sachgerecht, daß die Tanten dem Kläger 70.000,- DM zum angemessenen Lebensunterhalt schenkten, ebenso ist es gerechtfertigt - auch wenn das Kapitalvermögen im Zeitpunkt der Schenkung nach dem früheren Einkommen des Klägers zwei Jahresgehälter übersteigt -, die Verwertung dieses Kapitalvermögens für den laufenden Lebensunterhalt an Stelle der Alhi als nicht zumutbar anzusehen. Im übrigen erscheint es dem Senat unwirtschaftlich und unbillig, dem Kläger die Verwertung seines Vermögens zuzumuten, weil er - wie sich aus Dauer und Verlauf der Zeit seiner Arbeitslosigkeit ergibt - letztlich darauf verwiesen werden würde, nach Verbrauch des Vermögens und damit erneut eingetretener völliger Mittellosigkeit wiederum eine - dann umfassende - staatliche Leistung zur Aufrechterhaltung seines Lebensunterhaltes zu verlangen.
Ist sonach die Verwertung des Vermögens durch den Kläger nicht zumutbar i. S. des § 3 der 12. DVO, so sind allerdings - entgegen seiner Auffassung - die Erträge aus dem Vermögen als Einkommen i. S. des § 138 Abs. 1 AFG auf die Alhi anzurechnen. Diese Erträge sind nämlich Einkünfte in Geld oder Geldeswert i. S. des § 138 Abs. 2 AFG. Die Erträge fließen dem Kläger aufgrund der verschiedenen Anlagearten von dritter Seite zu, sie sind also nicht ein "Bestand" von Rechten und Sachen (in Geld oder Geldeswert) in seiner Hand. Ferner ist die Auffassung des Klägers nicht gerechtfertigt, daß diese Erträge zu den Zuwendungen i. S. des § 138 Abs. 3 Nr. 7 AFG gehören, die nicht als Einkommen gelten und somit von der Anrechnung frei bleiben müßten. Auf die Erträge des Vermögens hat der Kläger einen Rechtsanspruch, so daß schon aus diesem Grunde die Anwendung des § 138 Abs. 3 Nr. 7 AFG ausscheidet, der nur Zuwendungen betrifft, die ohne eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung gewährt werden. Der Umstand, daß die beiden Tanten des Klägers die Schenkungssumme von 70.000,- DM zur Aufbesserung seines Lebensunterhaltes neben der Alhi zugewandt haben, ist hierbei rechtlich unerheblich, ebenso sein Vorbringen, daß ihm dann keine Erträge auf die Alhi angerechnet werden könnten, wenn er aus dem Vermögen eine Eigentumswohnung gekauft hätte. Dabei kann dahinstehen, ob in einem solchen Fall nicht zumindest im Rahmen des § 138 Abs. 1 AFG eine Anrechnung des Mietwertes der eigenen Wohnung auf die Alhi stattfinden müßte.
Die Anrechnung der Erträge aus dem Vermögen des Klägers hat in dem jeweiligen Zeitraum zu erfolgen, in dem sie ihm zufließen oder zufließen können. Dem § 137 Abs. 1 AFG, wonach der Arbeitslose bedürftig ist, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann, ist der Grundgedanke zu entnehmen, daß der Arbeitslose im Rahmen der ihm gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten verpflichtet ist, die Erträge seines Vermögens so auf den Zeitraum der Gewährung von Alhi zu verteilen, daß er gleichmäßig neben der Alhi die Vermögenserträge für seinen Lebensunterhalt mitverwerten kann. Dies folgt gleichermaßen aus der Subsidiarität der Gewährung von Alhi, wie sie insbesondere durch die Vorschriften über die Bedürftigkeit gesetzlich ihren Niederschlag gefunden hat. Daher ist der Arbeitslose nach der Bestimmung des § 137 Abs. 1 AFG verpflichtet, das Seine zur Verhütung oder Verminderung der Bedürftigkeit zu tun. Er muß eindeutig feststehende wirtschaftliche Quellen erschließen, z. B. nichtgenutzte Wohnräume vermieten (Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, Anm. 9 zu § 137 AFG). Bei der Anlage von Geld muß der Arbeitslose im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen und des Zumutbaren dafür sorgen, daß ihm die Erträge oder Einkünfte in entsprechender Höhe für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung stehen.
Nach allem ist folgendes festzuhalten: In dem Zahlungszeitraum bis zum 26. Januar 1972 stand dem Kläger keine Alhi zu. Danach steht dem Kläger Alhi zu, wenn er bedürftig ist, d. h. soweit die Erträge aus seinem Kapitalvermögen in dem jeweiligen Zahlungszeitraum die Alhi nach § 136 AFG nicht erreichen. Dem Senat fehlen zur Beantwortung dieser Frage die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, so daß schon deshalb die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das LSG geboten waren.
Das LSG wird feststellen müssen, wann dem Kläger die Zinsen oder sonstigen Erträge aus dem Vermögen oder Einkünfte in entsprechender Höhe zufließen konnten. In dem Alhi-Zeitraum des Zuflusses sind sie als Einkommen zu berücksichtigen. Der am Ende des Zeitraums nicht verbrauchte Teil oder der Teil der Einkünfte, den der Kläger bei angemessener Lebenshaltung vernünftigerweise im Alhi-Zeitraum nicht verbrauchen konnte, ist Vermögen, dessen Verwertung zumutbar war und vom Kläger billigerweise erwartet werden konnte. Der Ansicht, regelmäßig wiederkehrende Einkünfte seien jeweils dem Zeitraum bis zu ihrer nächsten Zahlung zuzuordnen (vgl. Hennig/Kühl/Heuer Kommentar zum AFG, Anm. 6 zu § 138), wird insoweit nicht zugestimmt. Wenn allerdings der Kläger die Erträge gespart haben sollte, kann fiktiv davon ausgegangen werden, daß er sie gleichmäßig auf die Alhi-Zahlungszeiträume bis zur nächsten möglichen Fälligkeit von Erträgen verteilt hat.
Dabei ist darauf zu verweisen, daß die Kapitalerträge nach Abzug der in § 138 Abs. 2 AFG genannten Abgaben und Beiträge zu berücksichtigen sind.
Hinsichtlich der von der Beklagten geltend gemachten Rückforderung überzahlter Alhi hat sich das LSG überhaupt nicht geäußert und somit keine für eine abschließende Entscheidung des Senates erforderlichen Feststellungen getroffen. Auch deshalb war die Zurückverweisung an das Berufungsgericht notwendig. Es wird bei seiner neuen Entscheidung zu berücksichtigen haben, daß die Rückforderung insoweit nicht gerechtfertigt ist, als nach den obigen Ausführungen die Alhi nicht entzogen werden konnte. Es kommt dabei also insbesondere darauf an, in welchen Zahlungszeiträumen die Anrechnung von Erträgen nach § 138 Abs. 1 AFG nicht gegeben ist. Soweit eine Anrechnung in bestimmten Zahlungszeiträumen zu erfolgen hat, wird zu prüfen sein, ob die Rückforderung nach § 152 AFG gerechtfertigt ist; diese Prüfung wird das LSG auch für den Zahlungszeitraum bis zum 26. Januar 1972 vornehmen müssen, in welchem der Kläger keinen Anspruch auf Alhi hatte.
Zwar hätte der Senat hinsichtlich des letztgenannten Zeitraumes bezüglich der Entziehung der Alhi bereits abschließend entscheiden können, er hielt es jedoch für tunlich (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG), die Sache wegen der Klarheit des Urteilsausspruches (auch für die abschließende Entscheidung des LSG) insgesamt an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dieses wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen