Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschiedenenwitwenrente. anwendbares Unterhaltsrecht
Orientierungssatz
Für die Beurteilung der Scheidungsfolgen ist im interlokalen Bereich an das Statut des letzten gemeinsamen Wohnsitzes der Eheleute, das für einen geschiedenen Ehegatten fortgilt, anzuknüpfen; doch steht einem Ehegatten, dessen Ehe in der DDR geschieden wurde, wenn er beim Erlaß des Scheidungsurteils in der Bundesrepublik Deutschland wohnte oder sich hier dauernd aufhielt, ein Unterhaltsanspruch nach dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht insoweit zu, als dieser Anspruch den in der DDR bestehenden übersteigt, so daß auch ein Anspruch allein nach dem Unterhaltsrecht der Bundesrepublik Deutschland gegeben sein kann (Festhaltung an BSG vom 1979-08-02 11 RA 20/78).
Normenkette
RVO § 1265 S. 2 Fassung: 1972-10-16; EheG § 61 Abs. 2 Fassung: 1946-02-20
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Geschiedenenwitwenrente.
Die 1928 geborene Klägerin war seit 1957 in Ost-Berlin mit dem Versicherten G H (H.) verheiratet. Die Ehe wurde dort auf Klage des Versicherten nach der Eheverordnung der DDR vom 24. November 1955 durch am 15. August 1961 rechtskräftig gewordenes Urteil des Stadtbezirksgerichts P vom 6. Juli 1961 ohne Schuldausspruch geschieden, nachdem die Klägerin den Versicherten im März 1961 verlassen hatte und nach West-Berlin gezogen war. Am 14. August 1961 wurde hier die gemeinsame Tochter Uta der geschiedenen Eheleute geboren. Der Versicherte ging dann eine neue Ehe in Ost-Berlin ein, wo er am 25. September 1970 starb. Seine Witwe lebt nach wie vor dort. Der Tochter, U H, bewilligte die Beklagte Waisenrente. Durch Bescheid vom 30. Juni 1972 lehnte sie die Gewährung einer Geschiedenen-Witwenrente ab. Die dagegen erhobene Klage nahm die Klägerin zurück.
Ihren erneuten Antrag vom 24. Juli 1977 "aufgrund geänderter Richtlinien" lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Anspruch bestehe auch nicht nach § 42 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in der durch das Rentenreformgesetz (RRG) ab 1. Januar 1973 gültigen Fassung. Danach sei zwar eine Geschiedenenwitwenrente jetzt ua auch dann zu zahlen, wenn nur wegen der wirtschaftlichen Lage der geschiedenen Eheleute zur Zeit des Todes kein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten bestanden habe. Nach wie vor sei dies jedoch weder nach dem hier anzuwendenden Recht der DDR der Fall noch wenn man das bundesdeutsche Ehegesetz (EheG) berücksichtige. Im Nachhinein lasse sich nicht mehr feststellen, wen die alleinige oder überwiegende Schuld an der Scheidung getroffen habe (Bescheid vom 8. November 1977, Widerspruchsbescheid vom 28. April 1978).
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und dazu ausgeführt: Der Klägerin stehe die Geschiedenenwitwenrente nach § 42 Satz 2 AVG und Art 2 § 18 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF des RRG ab 1. Januar 1973 zu. Denn eine Witwenrente an die in Ost-Berlin lebende zweite Ehefrau des Versicherten sei nicht zu gewähren und nach Maßgabe von § 42 Satz 2 AVG habe die Klägerin zur Zeit des Todes gegen den Versicherten Anspruch auf Unterhalt gehabt. Der Unterhaltsanspruch folge nicht aus dem hier im Grundsatz einschlägigen Scheidungsfolgenrecht der DDR - danach habe der Klägerin damals gerade kein Unterhalt zugestanden -, sondern aus den Vorschriften des bundesdeutschen EheG. Dieses sei hier ergänzend anwendbar, weil die Klägerin zur Zeit der Rechtskraft des Scheidungsurteils in West-Berlin gewohnt habe. Da das Scheidungsurteil keinen Schuldausspruch enthalte und weder aus den Entscheidungsgründen noch sonst eine Schuld des Versicherten an der Scheidung nachträglich feststellbar sei, habe der Unterhaltsanspruch der Klägerin entsprechend § 61 Abs 2 EheG bestanden, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse sowie die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und der nach § 63 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten des Berechtigten der Billigkeit entsprochen habe. Gemäß § 42 Satz 2 Nr 1 AVG sei insofern zu unterstellen, daß der Versicherte unterhaltsfähig und die Klägerin ohne eigene Erwerbseinkünfte gewesen sei. Da sie über keine sonstigen Einnahmen verfügt habe, sei sie im Sinne dieser Vorschrift unterhaltsbedürftig gewesen. Der angemessene Unterhalt habe etwa ein Drittel der Nettomonatsverdienste des Versicherten betragen, mithin hier zur Zeit der Scheidung 200,-- DM-Ost, denn der Versicherte habe beitragspflichtige Gesamtarbeitsverdienste von 7.200,-- DM-Ost im Jahr, mithin 600,-- DM-Ost im Monat erzielt. Projiziert auf den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten ergäben sich daraus zumindest ebenfalls 200,-- DM-Ost, die im Kursverhältnis 1:1 in DM-West umzurechnen seien und mehr als 25 vH des damaligen Mindestbedarfs der Klägerin nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ausgemacht hätten. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 42 Satz 2 AVG lägen vor.
Gegen dieses Urteil vom 19. Dezember 1980 hat die Beklagte die - vom SG zugelassene - Sprungrevision eingelegt. Sie rügt Verletzungen von § 42 Satz 2 AVG sowie bundesdeutschem interlokalen Privatrecht. Die für die streitige Hinterbliebenenrente vorauszusetzende Unterhaltspflicht des Versicherten richte sich hier ausschließlich nach dem Recht der DDR als dem am letzten gemeinsamen Wohnsitz der früheren Eheleute geltenden Recht, weil dieses Statut zur Zeit des Todes des Versicherten für diesen noch fortbestanden habe. Daran habe auch das Bundessozialgericht (BSG) stets angeknüpft (SozR 2200 § 1265 Nrn 13, 15, 20, 39 und 46; FamRZ 1977, 248; Urteil vom 26. Juli 1978 - 5 RJ 48/77 -). Lediglich in seiner Entscheidung vom 2. August 1979 (11 RA 20/78 - SozR 2200 § 1265 Nr 43) habe der 11. Senat abweichend davon ergänzend bundesdeutsches Unterhaltsrecht angewandt und sich dabei zudem zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs -BGH- (BGHZ 34, 134) bezogen. Jener Entscheidung habe nämlich der Sachverhalt zugrunde gelegen, daß zur Zeit der Flucht auch des Mannes aus der DDR dort noch wie im Bundesgebiet das EheG von 1946 gegolten habe und das Fortbestehen des Statuts des gemeinsamen Wohnsitzes somit "rein zufällig" gewesen sei. Schließlich habe das SG übersehen, daß der Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente ab September 1979 ohnehin entfallen wäre, weil die Tochter im August 1979 volljährig geworden sei und die Klägerin seither kein waisenrentenberechtigtes Kind mehr erzogen habe (§ 42 Satz 2 Nr 3 AVG). In der Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte weiter geltend gemacht, das SG habe nicht geprüft, ob die Klägerin ein Verschulden (zumindest ein überwiegendes) an der Scheidung treffe. Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 1980
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Revision zurückzuweisen.
Sie erwidert, ihre Tochter habe bis 1980 die Oberschule besucht und befinde sich seit 1. September 1980 in einer insgesamt vierjährigen Ausbildung zur Erzieherin.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das SG begründet.
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist der Entscheidung des Rechtsstreits § 42 Satz 2 AVG idF des RRG vom 16. Oktober 1972 (BGBl I 1965) zugrunde zu legen; die bindende Wirkung der unter der Herrschaft des früheren Rechts ausgesprochenen Ablehnung steht dem nicht entgegen (vgl SozR 2200 § 1265 Nr 43).
Nach § 42 Satz 2 AVG in der hier maßgebenden Fassung erhält die frühere Ehefrau des Versicherten Hinterbliebenenrente ua dann, wenn eine Witwenrente nicht zu gewähren ist und ihr gegenüber eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten zur Zeit seines Todes wegen seiner Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse oder wegen der Erträgnisse aus ihrer eigenen Erwerbstätigkeit nicht bestanden hat (Satz 2 Nr 1), wenn sie im Zeitpunkt der Scheidung mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen hatte (Satz 2 Nr 2), und solange sie mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht oder berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist (Satz 2 Nr 3); die weiteren Alternativen des § 42 Satz 2 AVG kommen nicht in Betracht.
Da die Witwe des Versicherten nach wie vor in Ost-Berlin lebt, ist ihr iS von § 42 Satz 2 AVG eine Witwenrente nicht zu gewähren (vgl SozR 2200 § 1265 Nr 19). Die Klägerin erfüllt unstreitig auch die Voraussetzung in der genannten Nr 2, weil sie zZt der Scheidung ihre waisenrentenberechtigte (vgl SozR 2200 § 1265 Nr 22) Tochter zu erziehen hatte. Offen bleibt nach dem vom SG festgestellten Sachverhalt jedoch, ob der Tatbestand der Nr 1 gegeben ist und wie es sich mit dem Tatbestand der Nr 3 für die Zeit nach August 1979 verhält.
Bei der Beantwortung der Frage, ob zur Zeit des Todes des Versicherten eine Unterhaltsverpflichtung aus den in § 42 Satz 2 Nr 1 AVG genannten Gründen nicht bestanden hat, hat das SG allerdings zu Recht die damals im Bundesgebiet geltenden Vorschriften des EheG mitberücksichtigt. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 2. August 1979 (SozR 2200 § 1265 Nr 43) näher ausgeführt hat, ist zwar für die Beurteilung der Scheidungsfolgen im interlokalen Bereich an das Statut des letzten gemeinsamen Wohnsitzes der Eheleute, das für einen geschiedenen Ehegatten fortgilt, anzuknüpfen; doch steht dem Ehegatten, dessen Ehe in der DDR geschieden wurde, wenn er beim Erlaß des Scheidungsurteils in der Bundesrepublik Deutschland wohnte oder sich hier dauernd aufhielt, ein Unterhaltsanspruch nach dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht insoweit zu, als dieser Anspruch den in der DDR bestehenden übersteigt, so daß auch ein Anspruch allein nach dem Unterhaltsrecht der Bundesrepublik Deutschland gegeben sein kann. An dieser Auffassung hält der Senat auch gegenüber den Bedenken der Revision fest.
Soweit die Beklagte bezweifelt, daß die Rechtsprechung des BGH (BGHZ 34, 134; fortgeführt in BGHZ 42, 99, 108) dafür einen geeigneten Anknüpfungspunkt darstellt, weil sie einen anders gearteten Sachverhalt zum Gegenstand habe, übersieht sie, daß der BGH seinen Überlegungen gerade eine Fallgestaltung zugrunde gelegt hat, bei der vor der Entscheidung nur der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte seinen Wohnsitz im Bundesgebiet genommen hat; das ergibt sich eindeutig aus dem Leitsatz Nr 2 Satz 1 auf S 134 und aus den Ausführungen auf S 151 f von BGHZ 34, 134. Daß die vom BGH vertretene Rechtsansicht dann "um so mehr" gelten mußte, wenn auch der unterhaltspflichtige Ehegatte seinen Wohnsitz noch vor der Scheidung in die Bundesrepublik verlegt hatte (BGH aaO S 152), verstand sich hiernach von selbst. Es ist nicht erkennbar, daß es dabei von Bedeutung war oder wäre, ob in der DDR zur Zeit des letzten gemeinsamen Wohnsitzes noch das EheG von 1946 oder schon die EheVO von 1955 gegolten hat. Wenn die Beklagte dem BGH anscheinend in den Fällen folgen möchte, in denen beide früheren Ehegatten ihren Wohnsitz in die Bundesrepublik verlegt haben ,so läge auch darin im übrigen eine Abweichung vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des Scheidungsstatuts, wie ihn die Beklagte ansonsten versteht.
Unrichtig ist die Behauptung der Beklagten in ihrer Revisionsbegründung vom 22. März 1981, die angegriffene Entscheidung des erkennenden Senats vom 2. August 1979 sei "bis dato die einzige Ausnahme von der ansonsten gefestigten Rechtsprechung" des BSG. Der Senat hat in jener Entscheidung darauf hingewiesen, daß schon der 4. Senat des BSG dem BGH gefolgt sei. Dieser Senat hat sich inzwischen in seinem Urteil vom 25. Oktober 1979 (SozR 2200 § 1265 Nr 46 am Ende) auch der Auffassung des erkennenden Senats im Urteil vom 2. August 1979 ausdrücklich angeschlossen.
Das Urteil des erkennenden Senats vom 25. Oktober 1979 steht - wie der Senat dort schon dargelegt hat - nicht im Widerspruch zu Entscheidungen anderer Senate des BSG. Es besteht kein Anlaß, das hier nochmals im einzelnen zu begründen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf das Urteil des 5. Senats vom 26. Juli 1978 - 5 RK 48/77 - verweist, so betrifft dies einen Fall, in dem sich die Anwendbarkeit des Scheidungsfolgenrechts der Bundesrepublik Deutschland bereits aus der Anknüpfung an das Statut des letzten gemeinsamen Wohnsitzes ergab, so daß sich die Frage einer ergänzenden Anwendung dieses Rechts nicht stellte. Auch Urteile zu Fällen, in denen die frühere Ehefrau zur Zeit der Scheidung noch in der DDR wohnhaft war, kommen für eine angebliche Divergenz nicht in Betracht.
Die Rechtsprechung des BGH und des erkennenden Senats hat zudem nach wie vor ihre Berechtigung. Sie beruht auf dem Gedanken des Schutzes des zur Zeit der Scheidung schon in der Bundesrepublik lebenden Ehegatten. Diese Auffassung steht im Einklang mit dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zum Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972 (BGBl 1973 II 423) entwickelten Rechtsgedanken, wonach jedem Deutschen verbürgt ist, nach dem Recht der Bundesrepublik vor deren Gerichten sein Recht zu suchen, wann immer er in den Schutzbereich der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik gelangt (BVerfGE 36, 1, 30, 36). Wenn dieser allgemeine Schutzgedanke selbst noch für Zeiten nach dem Grundlagenvertrag vom BVerfG für verbindlich angesehen wurde, so muß ihm erst recht Bedeutung für vorherige Zeiten zukommen, wie sie im vorliegenden Falle - Tod des Versicherten im Jahre 1970 - zu beurteilen sind. Ob es nicht auch möglich ist, im Wege einer entsprechenden Anwendung von Art 17 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - und unter Beachtung des Art 3 Abs 2 des Grundgesetzes (GG) - zu einem Ergebnis zu gelangen, das sich mit dem hier gefundenen deckt (vgl OLG Düsseldorf, FamRZ 1981, 270, 273), läßt der Senat offen.
Bei dem somit ergänzend anwendbaren EheG aF hat das SG angenommen, daß die Klägerin unter Berücksichtigung der in § 42 Satz 2 Nr 1 AVG vorgeschriebenen Unterstellungen einen Unterhaltsanspruch in ausreichender Höhe nach dem § 61 Abs 2 EheG aF gehabt hätte. Diese Annahme findet jedoch in den bisherigen tatsächlichen Feststellungen keine hinreichende Stütze. Für eine entsprechende Anwendung von § 61 Abs 2 EheG ist nur Raum, wenn das Scheidungsurteil, wäre es in der Bundesrepublik Deutschland ergangen, keinen Schuldausspruch enthalten hätte (SozR 2200 § 1265 Nrn 13, 19). Insoweit kommt es allerdings nur auf ein etwaiges Verschulden der Klägerin an, weil bei einem (ausschließlichen oder überwiegenden) Verschulden des Versicherten die Anwendung des § 58 EheG das Urteil des SG ebenfalls stützen würde. Es bedarf daher der Feststellung, daß die frühere Ehefrau kein alleiniges oder überwiegendes Verschulden an der Scheidung trifft oder daß auch insoweit eine Schuldfeststellung nicht möglich ist. Feststellungen hierzu sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen; sie werden nunmehr nachzuholen sein. Dabei wird zwar der Wendung im Scheidungsurteil vom 6. Juli 1961, wonach die Klägerin die "Republik verraten" habe, kein Gewicht beigemessen werden können; wenn es in diesem Urteil jedoch weiter heißt, die Klägerin habe durch ihren Schritt der Trennung dokumentiert, daß ihr an der Aufrechterhaltung der Ehe nichts liege, so wird zu prüfen sein, ob nicht, was freilich unter Berücksichtigung der Gesamtumstände wenig wahrscheinlich ist, darin ein Anhaltspunkt für ein alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Klägerin gefunden werden kann. Sollte das SG ein solches Verschulden der Klägerin verneinen oder jedenfalls nicht feststellen können, wovon offenbar auch die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid ausgegangen ist, so werden die Voraussetzungen des § 42 Satz 2 AVG jedenfalls hinsichtlich der Zeit bis einschließlich August 1979 als erfüllt anzusehen sein, da gegen die übrigen Ausführungen des SG hierzu keine Bedenken bestehen.
Ob der Klägerin dann auch für Zeiten ab 1. September 1979 ein Anspruch zusteht, hängt davon ab, ob der Tatbestand der Nr 3 in einer seiner Alternativen auch nach August 1979 noch erfüllt ist. Die Klägerin hat ihre Tochter nur bis zu deren Volljährigkeit - Vollendung des 18. Lebensjahres am 14. August 1979 - "erzogen"; für die Folgezeit kommt, was das SG übersehen hat, eine Erziehung nicht mehr in Betracht, da das Erziehungsrecht der Klägerin mit der Volljährigkeit der Tochter endete (vgl BSGE 27, 139, 140; SozR 2200 § 1268 Nr 16; vgl ferner BVerfG SozR § 1268 Nr 17). In dem vom SG festgestellten Sachverhalt findet sich jedoch keine Aussage darüber, ob die Klägerin nach August 1979 etwa berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist (§ 42 Satz 2 Nr 3 AVG; das Alter von 60 Jahren - weitere Alternative in Nr 3 - hat die Klägerin noch nicht erreicht). Auch hierzu wird das SG darum gegebenenfalls weitere Feststellungen treffen müssen.
Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsstreits, an das SG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen