Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 17.09.1986) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. September 1986 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg).
Der 1959 geborene Kläger war vom 1. Februar bis 6. Juni 1980 in seinem erlernten Beruf als Elektroinstallateur beschäftigt. Sein letzter Gesellenlohn betrug 1.600,– DM brutto. Anschließend besuchte er ab August 1980 bis zum 6. Juli 1981 die Fachoberschule für Technik in G. …, auf der er die Fachhochschulreife erwarb. Danach bezog er bis Ende August 1981 von der Beklagten Alg. Vom 1. September 1981 bis 31. Dezember 1982 leistete er Zivildienst. Vom 1. Januar bis 31. März 1983 absolvierte der Kläger ein dreimonatiges Praktikum als Sozialhelfer an einer Schule in H. …, das Zugangsvoraussetzung für das von dem Kläger im Oktober 1983 aufgenommene Fachhochschulstudium mit dem Ausbildungsziel „Sozialarbeiter” war. Als Praktikant erhielt der Kläger eine Vergütung in Höhe von 150,– DM brutto monatlich. Auf die Arbeitslosmeldung und Antragstellung des Klägers bewilligte ihm die Beklagte ab 1. April 1983 Alg in Höhe von wöchentlich 24,– DM (Bescheid vom 27. April 1983). Der Widerspruch des Klägers, mit dem er die Höhe des Alg beanstandete und dazu ua geltend machte, daß allein sein Sold während des Zivildienstes ohne Berücksichtigung des Wohn- und Fahrgeldes 600,– DM im Monat betragen habe, sein letzter Gesellenlohn sogar 1.600,– DM, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. August 1983).
Durch Urteil vom 19. September 1984 hat das Sozialgericht (SG) den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg unter Zugrundelegung des Arbeitsentgelts eines Elektroinstallateurs nach dem Tarifvertrag für das Elektrohandwerk zu gewähren. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Durch Urteil vom 17. September 1986 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Das SG sei für die Bemessung des streitigen Alg-Anspruchs zu Recht von der Regelung in § 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ausgegangen. Mit Rücksicht auf die von dem Kläger in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeiten sei die Bemessung nach dem Praktikantengehalt iS dieser Vorschrift unbillig hart. In dem hier maßgeblichen Dreijahreszeitraum (1. April 1980 bis 31. März 1983) habe der Kläger 67 Tage im erlernten Beruf als Elektroinstallateur gearbeitet, 92 Tage als Praktikant. Für die Frage, welche beruflichen Tätigkeiten iS des § 112 Abs 7 AFG der Kläger insgesamt in dieser Zeit ausgeübt habe, müsse auch sein Zivildienst von 16 Monaten berücksichtigt werden. Dieser sei nach § 107 Nr 1 AFG den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellt. Daraus folge, daß er auch als berufliche Tätigkeit iS des § 112 Abs 7 AFG anzusehen sei. Bestätigt werde dies durch die Regelung in § 112 Abs 5 Nr 9 AFG, wonach vom Arbeitsentgelt nach Abs 7 der Vorschrift auszugehen sei für die Zeit, in der der Arbeitslose als Wehr- oder Zivildienstleistender nach § 168 Abs 2 AFG beitragspflichtig war, wie es hier der Fall sei. Zwar finde diese Vorschrift im vorliegenden Fall keine unmittelbare Anwendung, da der Kläger in dem nach § 112 Abs 2, 3 AFG maßgeblichen Bemessungszeitraum eine beitragspflichtige Praktikantenbeschäftigung ausgeübt habe. Das hindere jedoch nicht die Übertragung des in dieser Regelung liegenden Grundgedankens auf den Anwendungsbereich des § 112 Abs 7 AFG.
Der Kläger hätte, wäre er nicht zum Zivildienst einberufen worden, weiterhin in seinem erlernten Beruf als Elektroinstallateur arbeiten können, ohne hieran durch gesundheitliche oder andere Gründe gehindert zu sein. Dies wäre ihm auch in der Folgezeit möglich gewesen. Infolgedessen müsse bei der nach § 112 Abs 7 AFG anzustellenden Prüfung der unbilligen Härte das von der Beklagten ermittelte Bemessungsentgelt dem Arbeitsentgelt gegenübergestellt werden, das dem Kläger bei einer Beschäftigung als Installateur in der Zeit, in der er tatsächlich Zivildienst geleistet hat, tariflich zugestanden hätte. Dieser Verdienst entspreche nämlich dem vom Kläger im maßgeblichen Dreijahreszeitraum aus der überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit fiktiv erzielten Arbeitsentgelt. Nach dem zwischen dem Fachverband Elektrotechnische Handwerke Nordrhein-Westfalen (Fachinnungsverband) und der Industriegewerkschaft Metall am 30. Januar 1980 abgeschlossenen Lohntarifvertrag habe der tarifliche Ecklohn für Gesellen im ersten Berufsjahr ab 1. September 1980 je Stunde 9,65 DM betragen. Das ergebe bei einer 40-Stunden-Woche einen Monatslohn von rund 1.673,– DM und damit ein Entgelt, das die von der Beklagten zugrunde gelegte Praktikantenvergütung von monatlich 150,– DM um mehr als das Zehnfache übersteige. Allein daraus ergebe sich eine unbillige Härte bei der Bemessung des Alg nach der Praktikantenvergütung. Folglich sei das Alg nicht nach § 112 Abs 2 bis 6 AFG, sondern nach dem vom Kläger am Tag der Arbeitslosmeldung nach Maßgabe des § 112 Abs 7 AFG erzielbaren Arbeitsentgelt zu ermitteln. Da der Kläger zu diesem Zeitpunkt nach Lebensalter und Leistungsfähigkeit im erlernten Beruf hätte arbeiten können, ohne daß einem derartigen Einsatz Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes entgegengestanden hätten, sei das ihm bis zur Aufnahme des Studiums zustehende Alg nach diesem Tariflohn zu bemessen. Die Entscheidung des SG sei damit zu Recht ergangen.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 112 Abs 7 AFG idF des Gesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497). Sie trägt dazu im wesentlichen vor: Der Auffassung des LSG könne nicht gefolgt werden. Dem Alg-Anspruch des Klägers sei gemäß § 112 Abs 2, 3 AFG das im Monat März 1983 erzielte Arbeitsentgelt als Praktikant von monatlich 150,– DM zugrunde zu legen. Eine unbillige Härte iS des § 112 Abs 7 AFG folge daraus nicht. Der Kläger habe nämlich in dem nach § 112 Abs 7 AFG maßgeblichen Dreijahreszeitraum nicht überwiegend eine wesentlich höher entlohnte berufliche Tätigkeit ausgeübt. Insoweit müsse der Zivildienst des Klägers unbeachtet bleiben. Er sei keine berufliche Tätigkeit iS des § 112 Abs 7 AFG. Als solche sei lediglich eine auf Dauer bestehende und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung zu verstehen. Sie setze in der Regel das Erlernen fachlicher Kenntnisse und Fertigkeiten im Wege eines Anlernverhältnisses bzw eines Berufsausbildungsverhältnisses voraus. Der Zivildienst entspreche als staatsbürgerlicher Dienst dem gesetzlichen Wehrdienst, sei zwangsweise abzuleisten und beruhe weder auf einem freiwilligen Entschluß des Dienstpflichtigen noch erfordere er von seinem Inhalt her besondere Vorkenntnisse oder Fertigkeiten beruflicher Art. Er stelle ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis besonderer Art dar, dessen Inhalt durch das Zivildienstgesetz bestimmt werde. Aus seiner Gleichstellung mit einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung durch § 107 AFG könne nicht der Schluß gezogen werden, daß er der Zeit einer beruflichen Tätigkeit gleichstehe. Soweit das AFG in bezug auf die Berücksichtigung des Zivildienstes bei der Leistungsbemessung in § 112 Abs 5 Nr 9 AFG besondere Regelungen getroffen habe, müßten diese als abschließend angesehen werden. Diese Regelung finde indes vorliegend keine Anwendung, weil der Kläger im unmittelbaren Anschluß an den Zivildienst als Praktikant beitragspflichtig gewesen sei. Sinn des § 112 Abs 7 AFG sei es nicht, einen indirekt durch den Zivildienst eingetretenen Nachteil auszugleichen. Auch insoweit handele es sich um eine Ausnahmeregelung, die grundsätzlich eng auszulegen sei. Eine andere Betrachtung sei auch nicht mit Rücksicht auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 11. Juni 1987 – 7 RAr 29/86 – (BSG SozR 4100 § 112 Nr 31) gerechtfertigt. Dort habe der Senat lediglich entschieden, daß bestimmte Zeiten der beruflichen Bildung, die der Beitragspflicht unterliegen, oder gleichgestellte Zeiten als berufliche Tätigkeiten iS des § 112 Abs 7 AFG anzusehen seien. Als Zeit einer beruflichen Bildung könne der Zivildienst des Klägers jedoch nicht angesehen werden. Im übrigen könnten keineswegs alle nach § 107 AFG gleichgestellten Zeiten nach § 112 Abs 7 AFG gleichbehandelt werden, da nicht allen diesen Zeiten ein Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 5 AFG zugeordnet werde. Gleichgestellte Zeiten nach § 107 Nr 5 Buchst a bis c AFG würden bei der Feststellung des Arbeitsentgelts vielmehr ggfs übersprungen (§ 112 Abs 7 AFG). Zudem bereite die Berücksichtigung eines Arbeitsentgelts für gleichgestellte Zeiten gemäß § 112 Abs 5 iVm § 112 Abs 7 AFG tatsächliche Schwierigkeiten, wenn dieses Entgelt bisher nicht festgestellt worden sei und der Bezugszeitraum längere Zeit zurückliege. So dürfte zB praktisch ausgeschlossen sein, das dem Kläger für die Zeit des Zivildienstes zustehende fiktive Arbeitsentgelt rückwirkend festzustellen, insbesondere die damalige Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und die damaligen tariflichen Regelungen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 19. September 1984 und das Urteil des Landessozialgerichts vom 17. September 1986 aufzuheben, die Klage abzuweisen sowie zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung entspricht die Entscheidung des LSG der Rechtslage. Es komme nicht darauf an, ob der Zivildienst aus sich heraus alle Merkmale erfülle, die üblicherweise zur Kennzeichnung einer beruflichen Tätigkeit herangezogen werden. Maßgebend sei, wie er nach den Regelungen des AFG behandelt werde. Aus §§ 107 Nr 1 und 112 Abs 5 Nr 9 AFG folge der gemeinsame Grundgedanke, daß die für die Ableistung einer allgemeinen Dienstpflicht aufgewandten Zeiten dem Dienstpflichtigen nicht zum Schaden gereichen sollten. Deshalb müßten Zivildienstzeiten jedenfalls dann einer beruflichen Beschäftigung gleichgesetzt werden, wenn der Arbeitslose ohne Zivildienst beschäftigt gewesen wäre. Dies hätten beide Vorinstanzen jedoch festgestellt. Der Auffassung der Beklagten, § 112 Abs 7 AFG sei eine Ausnahmeregelung und deshalb eng auszulegen, sei nicht zu folgen. Die Vorschrift diene der Vermeidung von Unbilligkeiten, die sich durch den aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bis vor kurzem noch sehr knapp bemessenen Bemessungszeitraum des § 112 Abs 3 AFG ergeben. Hinsichtlich der entgeltmäßigen Bewertung des Zivildienstes als beruflicher Tätigkeit iS des § 112 Abs 7 AFG sei der Entscheidung des LSG nichts hinzuzufügen.
Beide Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Nach den Feststellungen des LSG besitzt der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Alg ab 1. April 1983. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Die angefochtenen Bescheide haben die Höhe des Alg-Anspruchs jedoch rechtswidrig zu niedrig festgesetzt.
Das Alg richtet sich nach näherer Bestimmung des § 111 AFG und konkretisiert sich in einem bestimmten Prozentsatz des um pauschale Abzüge geminderten Arbeitsentgelts nach § 112 (§ 111 Abs 1 AFG). Der § 111 Abs 2 AFG stellt bestimmte Leistungsgruppen auf, die von den auf der Lohnsteuerkarte des Antragstellers eingetragenen Merkmalen ausgehen. Der individuelle Leistungssatz ergibt sich aus tabellarisch aufgestellten Leistungssätzen, die dem maßgeblichen Entgelt zugeordnet sind. Dies geschieht durch Rechtsverordnung (§ 111 Abs 2 AFG). Vorliegend ist maßgebend die Leistungsverordnung 1983 vom 23. Dezember 1982 (BGBl I 2038) und deren Anlage 2 (§ 1 Nr 2 der Leistungsverordnung 1983). Im Falle des Klägers hat die Beklagte nicht das für die Ermittlung des konkreten Leistungssatzes richtige Arbeitsentgelt iS des § 112 AFG zugrunde gelegt.
Die Grundregel für die Bestimmung des für einen Alg-Anspruch maßgeblichen Arbeitsentgelts enthält § 112 Abs 2 AFG, hier anzuwenden in der seit 1. Januar 1982 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497). Danach ist von dem dort näher bestimmten Arbeitsentgelt eines sog Bemessungszeitraumes auszugehen. Nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG (hier ebenfalls anzuwenden idF des AFKG) sind Bemessungszeiträume die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnisse vor der Entstehung des Anspruchs. Der Anspruch des Klägers ist am 1. April 1983 entstanden. Aus den Feststellungen des LSG folgt, daß zuvor zuletzt der Monat März 1983 seiner beitragspflichtigen Beschäftigung zur Berufsausbildung als Praktikant (§ 168 Abs 1 AFG) abgerechnet war und in diesem Monat mehr als 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt lagen. Dieser Monat ist folglich nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG der hier maßgebliche Bemessungszeitraum. Gleichwohl scheidet das in diesem Zeitraum vom Kläger erzielte Entgelt für die Bemessung seines Alg-Anspruchs aus.
Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 112 Abs 7 AFG. Nach § 112 Abs 7 AFG, der hier in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) anzuwenden ist, ist das Alg nach dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen, ersatzweise ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung zu bemessen, für die der Arbeitslose nach Lebensalter und Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung in Betracht kommt, wenn es mit Rücksicht auf die von ihm in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach Absätzen 2 bis 6 auszugehen.
Wie der Senat schon entschieden hat (demnächst BSGE 62, 43 = SozR 4100 § 112 Nr 31) stellt § 112 Abs 7 AFG zwar rechtstechnisch eine Ausnahme von der Regelbemessung des § 112 Abs 2 AFG dar. Diese knüpft an das vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielte Entgelt an, weil davon ausgegangen wird, daß der Arbeitnehmer ohne den Verlust der zugrundeliegenden Beschäftigung jenes Entgelt weiter erzielt hätte. Es entspricht deshalb dem System der Arbeitslosenversicherung, Lohnersatz in bestimmter Höhe auf der Grundlage dieses Entgelts zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet aber zugleich, daß es das eigentliche Prinzip der Arbeitslosenversicherung ist, den wegen Arbeitslosigkeit ausfallenden Lohn teilweise zu ersetzen. Folgerichtig sieht das Gesetz in Fällen, in denen die Bemessung nach dem früheren Entgelt nicht oder nicht mehr dieser Sachgesetzlichkeit entsprechen würde, selbst Ausnahmen in der Weise vor, daß es die Berücksichtigung eines davon abweichenden erzielbaren, also fiktiven Entgelts vorschreibt (vgl zB § 112 Abs 5 Nrn 2, 4, 5, 9, 10 AFG in der geltenden Fassung). Ausdruck findet dieser Grundsatz auch in der regelmäßigen Anpassung des der Bemessung zugrundeliegenden Arbeitsentgelts an die Lohnentwicklung nach Maßgabe des § 112a AFG. Dem trägt, wie der Senat schon entschieden hat, gerade auch der Inhalt des § 112 Abs 7 AFG Rechnung (BSGE 45, 49, 57 ff = SozR 4100 § 112 Nr 6). Dies ergibt sich in gleicher Weise aus der seit dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532 – HBegleitG 1984) in § 112 Abs 7 AFG eingefügten Bestimmung, daß die fiktive Bemessung nach dem erzielbaren Entgelt zu erfolgen hat, wenn der letzte Tag des eigentlichen Bemessungszeitraums bei Entstehung des Anspruchs länger als drei Jahre zurückliegt. In diesen Fällen ist nämlich nicht mehr die Vermutung gerechtfertigt, daß der Arbeitslose (nur) dieses Entgelt auch in Zukunft erzielen kann (vgl Begründung zum Regierungsentwurf des HBegleitG 1984 zur Änderung des § 112 Abs 7 AFG, BR-Drucks 302/83 S 85). Die Rechtsfolgeregelung des § 112 Abs 7 AFG, nämlich die Bemessung des Alg nach dem individuell zu bestimmenden Entgelt, das der Arbeitslose, wäre er beschäftigt, erzielen könnte, spiegelt deshalb von allen Bemessungsregeln in der deutlichsten Form das Bemessungsprinzip des AFG wider.
Allerdings ist die unmittelbare Bemessung nach § 112 Abs 7 AFG nur unter einschränkenden Voraussetzungen zugelassen. Es muß sich aus der Regelbemessung eine unbillige Härte für den Arbeitslosen ergeben. Dabei kann jede Bemessung aus den Absätzen 2 bis 6 des § 112 AFG in Betracht kommen (vgl demnächst BSGE 62, 43 = SozR 4100 § 112 Nr 31). Maßstab für die Bestimmung des Rechtsbegriffs der unbilligen Härte ist der Vergleich zwischen den in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung von dem Arbeitslosen ausgeübten beruflichen Tätigkeiten und den daraus erzielten Entgelten. Erst ein deutlich höheres Entgelt aus in dieser Zeit überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeiten als aus der Tätigkeit im Bemessungszeitraum spricht für unbillige Härte der Regelbemessung mit der Rechtsfolge des § 112 Abs 7 AFG (vgl dazu die Nachweise in BSGE 62, 43 = SozR 4100 § 112 Nr 31).
Im vorliegenden Fall führt der oa Vergleich zu der Feststellung, daß der Kläger in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung zum 1. April 1983, also in der Zeit vom 1. April 1980 bis 31. März 1983, überwiegend Zivildienst geleistet hat, nämlich vom 1. September 1981 bis 31. Dezember 1982. Als Elektroinstallateur war er in dieser Zeit lediglich vom 1. April bis 6. Juni 1980 berufstätig, von August 1980 bis 6. Juli 1981 war er Fachoberschüler, danach war er bis Ende August 1981 arbeitslos. Vom 1. Januar bis 31. März 1983 war er als Praktikant beitragspflichtig beschäftigt. Letzteres schließt zwar die Anwendung des § 112 Abs 7 AFG für die Bestimmung des hier maßgeblichen Arbeitsentgelts über die Verweisung in § 112 Abs 5 Nr 9 AFG (idF des AFKG) aus. § 112 Abs 5 Nr 9 AFG ordnet insoweit die Anwendung des § 112 Abs 7 AFG an, wenn der Antragsteller ua als Zivildienstleistender beitragspflichtig war und er unmittelbar vor Dienstantritt keine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, wie das hier der Fall ist. Dies gilt jedoch nur, wenn derartige Zivildienstzeiten in den Bemessungszeitraum des § 112 Abs 3 AFG fallen. Das ist beim Kläger nicht so gewesen, wie schon dargelegt wurde.
§ 112 Abs 7 AFG ist für die Ermittlung des dem Kläger zustehenden Alg-Anspruchs der Höhe nach jedoch unmittelbar anzuwenden. Die Zeit des Zivildienstes des Klägers ist nämlich als berufliche Tätigkeit iS des § 112 Abs 7 AFG anzusehen. Der Senat hat bereits entschieden (vgl demnächst BSGE 62, 43 = SozR 4100 § 112 Nr 31), daß als derartige berufliche Tätigkeiten auch Zeiten der beruflichen Bildung anzusehen sind, die der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) unterliegen oder Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichstehen. Es hat dazu (aaO) ua ausgeführt:
„Der Begriff selbst verbietet eine solche Auslegung nicht. Berufliche Tätigkeit ist schon dem Wortsinn nach weiter gefaßt als etwa Beschäftigung als Arbeitnehmer. Dies entsprach auch durchaus der Absicht des Gesetzgebers, wie der Senat schon dargelegt hat (vgl BSGE 53, 186, 192 = SozR 4100 § 112 Nr 20). Der Begriff gestattet deshalb die Einbeziehung aller Arten von Tätigkeiten, die einen Bezug zum Arbeitsmarkt besitzen, sofern sie nur durch ihre Qualifizierung als versicherte Tätigkeiten dem System der Arbeitslosenversicherung angehören. Es wäre im übrigen ein kaum verständlicher Widerspruch in sich, wenn berufliche Tätigkeiten einerseits der Beitragspflicht zur BA unterliegen, bzw beitragspflichtigen Beschäftigungen gleichgestellt sind und deshalb den Anspruch auf Versicherungsleistungen auslösen können, sie andererseits von der Anwendung des § 112 Abs 7 AFG ausgeschlossen wären. So spricht auch der übrige Wortlaut des § 112 Abs 7 AFG für die Auffassung des Senats. Danach kommt es auf den Vergleich zu dem Arbeitsentgelt an, welches im Einzelfalle nach jedem beliebigen Sachverhalt der Absätze 2 bis 6 AFG zugrunde zu legen wäre. Es sind folglich auch die Bemessungsregeln des § 112 Abs 5 AFG in das Vergleichsmodell einbezogen. Dem zugrunde liegende Tätigkeiten müssen dann aber auch auf beiden Seiten der Vergleichsbetrachtung Berücksichtigung finden können, sollen nicht sinnwidrige Ergebnisse die Folge sein.”
Nichts anderes gilt für beitragspflichtige Zeiten des zivilen Ersatzdienstes. Diese Zeiten stehen einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleich (§ 107 Abs 1 Nr 1 AFG). Für sie werden Beiträge zur BA entrichtet (§ 171 Abs 2 AFG). Sie sind mithin von Gesetzes wegen bezüglich Grund und Dauer eines Anspruchs auf Alg (§§ 104, 106 AFG) unmittelbar der beitragspflichtigen Beschäftigung als Arbeitnehmer gleichwertig. Schließlich wird, worauf das LSG mit Recht hingewiesen hat, aus der oa Regelung des § 112 Abs 5 Nr 9 AFG deutlich, daß der Gesetzgeber den beitragspflichtigen Zivildienstleistenden hinsichtlich der Höhe eines nachfolgenden Alg-Anspruchs dem Arbeitnehmer in beitragspflichtiger Beschäftigung gleichstellen wollte. Dies eröffnet es ohne weiteres, den beitragspflichtigen Zivildienst auch als eine berufliche Tätigkeit iS des § 112 Abs 7 AFG zu behandeln, wenn die Anwendung der Vorschrift in besonders gelagerten Fällen – wie hier – über § 112 Abs 5 Nr 9 AFG nicht möglich ist.
Der Kläger war in der oa Zeit seines Zivildienstes beitragspflichtig; denn er war für länger als drei Tage einberufen worden und unmittelbar vor Dienstantritt arbeitslos (§ 168 Abs 2 Nr 3 AFG).
Der Vergleich zwischen den vom Kläger in dem hier maßgeblichen Dreijahreszeitraum überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeiten ergibt, daß die Bemessung nach dem im März 1983 erzielten Entgelt unbillig hart wäre. Maßgebend dafür ist einmal das zeitliche Verhältnis dieser Tätigkeiten zueinander und die erheblich unterschiedliche Höhe ihrer Entgelte.
Im Verhältnis zu der Praktikantentätigkeit vom 1. bis 31. März 1983, deren Entgelt gemäß § 112 Abs 2, 3 AFG für die Bemessung des streitigen Alg-Anspruchs maßgeblich wäre, war der Kläger in den letzten drei Jahren vor dem 1. April 1983 sechzehn Monate (= 486 Tage) als Zivildienstleistender und 67 Tage als Elektroinstallateur beruflich tätig iS des § 112 Abs 7 AFG. Beide Tätigkeiten sind für die Feststellung der überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit iS des § 112 Abs 7 AFG zusammenzurechnen. Ob bei der Anwendung des § 112 Abs 7 AFG stets so zu verfahren ist, kann offenbleiben (vgl dazu Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand März 1986, Anm 13 zu § 112). Die Beklagte verfährt offenbar in der Regel so (vgl Dienstblatt-Runderlaß Nr 48/84 vom 5. März 1984 Ziffer 2). Arbeitsförderrechtlich handelt es sich hier jedenfalls um gleichgestellte und deshalb ohne weiteres einheitlich zu wertende berufliche Tätigkeiten. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß in § 112 Abs 5 Nr 9 AFG der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck kommt, den beitragspflichtigen Zivildienstleistenden leistungsrechtlich so zu behandeln, als wäre er zuletzt entsprechend seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten tätig gewesen. Hierbei handelt es sich übrigens nicht um eine Neuregelung durch das AFG. Schon das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) enthielt in seinem § 90 Abs 6 Nr 3 diesen Grundsatz. Es entspricht der Erwägung, daß der Arbeitnehmer bei Ausübung einer Beschäftigung ohne die Pflicht zum Zivildienst in seinem erlernten Beruf tätig geworden wäre oder jedenfalls hätte tätig sein können. Auch die Regelungen des Arbeitsplatzschutzgesetzes beruhen hinsichtlich der Entgeltsicherung – insoweit in gleicher Weise maßgeblich für Zivildienstleistende – auf diesem Grundgedanken, wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 20. März 1984 – 7 RAr 25/83 –). Folglich besteht kein Hinderungsgrund, den Zivildienst des Klägers und seine davor ausgeübte Tätigkeit als Elektroinstallateur für die Ermittlung der „überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit” iS von § 112 Abs 7 AFG als Einheit zu bewerten. In gleicher Weise ist der Senat schon früher beim Vorliegen mehrerer beruflich gleichartiger Beschäftigungen verfahren (vgl BSGE 45, 49, 54 = SozR 4100 § 112 Nr 6).
Die Tätigkeit als Elektroinstallateur und als Zivildienstleistender zusammengenommen hat der Kläger im Verhältnis zu der für die Regelbemessung maßgeblichen Zeit als Praktikant iS von § 112 Abs 7 AFG überwiegend ausgeübt. Sie umfassen eine Zeit von mehr als eineinhalb Jahren, so daß weiterhin offenbleiben kann, ob überwiegend in diesem Sinn auch eine Tätigkeit sein könnte, die lediglich im Verhältnis zu der im Bemessungszeitraum ausgeübten Tätigkeit von längerer Dauer war, jedoch kürzer als die Hälfte des Dreijahreszeitraums iS von § 112 Abs 7 AFG (vgl dazu BSGE 53, 186, 191 = SozR 4100 § 112 Nr 20 mwN).
Angesichts der Höhe der dem Kläger während der oa überwiegend ausgeübten Tätigkeiten zurechenbaren Entgelte ergibt sich, daß die Bemessung nach dem Entgelt während der Praktikantenbeschäftigung unbillig hart wäre. Dafür spielt es im Grunde keine Rolle, ob man insoweit von den tatsächlich bezogenen Entgelten von monatlich 1.600,– DM für die Zeit der Tätigkeit als Elektroinstallateur und den Leistungen für die Zeit des Zivildienstes (Sold, Wohn- und Fahrgeld bzw freie Unterkunft und Verpflegung) ausgeht, ggfs unter Errechnung eines monatlichen Durchschnittsentgelts aus beiden Einkommensarten (vgl dazu BSG SozR 4100 § 112 Nr 19 und Hennig/Kühl/Heuer aaO). Schon der monatliche Sold von 600,– DM allein betrug das Vierfache der Praktikantenvergütung von 150,– DM monatlich. Die Alg-Bemessung nach der letzteren erfüllt schon deshalb auf jeden Fall den Tatbestand einer unbilligen Härte; entsprechendes hat der Senat bereits bei einer Differenz von 25 % anerkannt (BSG SozR 4100 § 112 Nr 19).
Indessen teilt der Senat die Auffassung der Vorinstanzen, daß bei der Bewertung des Zivildienstes als überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit iS des § 112 Abs 7 AFG von einem Entgelt auszugehen ist, das der Zivildienstleistende nach seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten hätte erzielen können, wäre er nicht zum Zivildienst einberufen worden. Entsprechendes hat der Senat bereits zu der Frage entschieden, wie in diesen Fällen eine als berufliche Tätigkeit anzuerkennende beitragspflichtige berufliche Umschulung mit Bezug von Unterhaltsgeld entgeltmäßig zu bewerten ist (vgl demnächst BSGE 62, 43 = SozR 4100 § 112 Nr 31). Wie dort das der Lohnersatzleistung zugrundeliegende Bemessungsentgelt, also in der Regel der letzte, jedoch dynamisierungsfähige Arbeitslohn vor Eintritt in die Maßnahme, repräsentiert hier das durch den Zivildienst verhinderte Entgelt aus der in Betracht kommenden beruflichen Beschäftigung den individuellen Wert, den das Gesetz versicherungsrechtlich grundsätzlich dem Zivildienst beimißt (§ 112 Abs 5 Nr 9 AFG). Der Senat sieht es deshalb als folgerichtig an, hiervon auch in diesen Fällen bei der Beurteilung der unbilligen Härte iS von § 112 Abs 7 AFG auszugehen. Der Einwand der Beklagten, die Feststellung eines solchen Entgelts bereite tatsächliche Schwierigkeiten, überzeugt demgegenüber nicht. Er wird allein durch die einfache Berechnungsmethode, die das LSG angewendet hat, widerlegt. Im übrigen muß das Arbeitsamt bei Ermittlung des fiktiven Entgelts nach § 112 Abs 7 AFG, zB in Fällen nach § 112 Abs 5 Nr 9 AFG, ebenfalls die entsprechenden tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des im Einzelfall maßgeblichen Entgelts feststellen. Schließlich zeigt der vorliegende Fall, daß es häufig nicht einmal einer in alle Einzelheiten gehenden Ermittlung des Vergleichsentgelts bedarf, um die Merkmale einer unbilligen Härte bei Bemessung nach dem Entgelt iS des § 112 Abs 2, 3 AFG zu erkennen. So hat die Beklagte ihre Dienststellen selbst angewiesen, daß in solchen Fällen eine Schätzung der Entgelte anhand Arbeitsbescheinigungen, Berufsbezeichnungen oder glaubhafter Angaben des Arbeitslosen ausreicht (vgl den oa Dienstblatt-Runderlaß Nr 48/84, Ziffer 2 Abs 7).
Inwieweit die Auffassung der Beklagten zutrifft, es könnten nicht alle nach § 107 AFG der beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellten Zeiten nach § 112 Abs 7 AFG gleichbehandelt werden, bedarf hier keiner Entscheidung. Ihre Begründung, gleichgestellte Zeiten nach § 107 Abs 1 Nr 5 Buchst a-c AFG (Bezug ua von Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Unterhaltsgeld) würden bei der Feststellung des Arbeitsentgelts ggfs übersprungen, erscheint allerdings nicht stichhaltig. Daraus folgt nicht, weshalb für die Ermittlung des Wertes solcher Zeiten als berufliche Tätigkeiten iS des § 112 Abs 7 AFG nicht von den gleichen Grundsätzen ausgegangen werden kann, wie im vorliegenden Fall.
Hier hat das LSG jedenfalls zu Recht die Entscheidung des SG bestätigt, daß der streitige Alg-Anspruch der Höhe nach durch Anwendung des § 112 Abs 7 AFG zu bestimmen ist. Die Auffassung des LSG, daß hierfür von dem einschlägigen Tariflohn eines Elektroinstallateurs auszugehen ist, läßt zum Nachteil der Beklagten Rechtsfehler nicht erkennen.
Die Revision der Beklagten muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen