Leitsatz (redaktionell)

Die Förderung des Besuchs der Fachschule des Möbelhandels in Köln scheitert daran, daß als Zugang vom Maßnahmeträger keine abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung verlangt wird. Es haben nämlich auch solche Bewerber Zugang zum Studium, die nach Ablegung der Reifeprüfung "kaufmännische Grundkenntnisse" erworben und an einem einmonatigen Lehrgang der Schule teilgenommen hatten. Da zumindest dieser Personenkreis nicht die nach AFG § 41 geforderten Zugangsvoraussetzungen erfüllt, verliert die Maßnahme insgesamt den Charakter einer zu fördernden Fortbildungsmaßnahme.

 

Normenkette

AFG § 41 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. September 1974 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin besuchte nach dem Erwerb der "Mittleren Reife" die zweijährige "Höhere Handelsschule" (staatlich anerkannte kaufmännische Berufsfachschule) in A und legte im November 1968 erfolgreich die Abschlußprüfung ab. Vom 1. Januar 1969 bis zum 31. Januar 1970 war sie Praktikantin bei der Firma Z (Möbel-Musterlager). Neben ihrer Schulausbildung und später hatte die Klägerin, wie sie behauptet, zeitweise kaufmännische Büroarbeiten in der Möbelfabrik ihres Vaters verrichtet. In der Zeit vom 6. April 1970 bis zum 25. Februar 1972 besuchte sie die Fachschule des Möbelhandels in K. Als Schüler wurden nach einem noch im April 1970 verteilten Schulprospekt zu dieser Schule zugelassen u. a. Bewerber, die eine staatliche oder staatlich anerkannte Handelsschule mit Abschlußprüfung besucht oder die das Abitur oder die "Mittlere Reife" abgelegt hatten. Von Bewerbern mit Abitur oder "Mittlerer Reife" wurde außerdem nach dem Prospekt der Nachweis kaufmännischer Grundkenntnisse verlangt. Das Arbeitsamt Köln lehnte den Antrag der Klägerin auf Förderung dieser Bildungsmaßnahme nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ab (Bescheid vom 24. Juli 1970).

Am 16. November 1970 wiederholte die Klägerin ihren Antrag und gab als Maßnahmeziel an: "Staatlich geprüfter Fachkaufmann für den Möbelhandel". Der Antrag blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 21. Januar 1971, Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 1971). Auf die dagegen gerichtete Klage, mit der die Klägerin Förderung ihres Studiums in der Zeit vom 6. April 1970 bis zum 26. Februar 1972 verlangte, hat das Sozialgericht (SG) Köln am 14. März 1972 die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, das Studium der Klägerin an der Fachschule des Möbelhandels in K in der Zeit vom 6. April 1970 bis zum 28. Februar 1972 nach dem AFG zu fördern. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die schriftliche Auskunft der Fachschule des Möbelhandels vom 15. Juni 1973 eingeholt und am 29. Mai 1974 und 18. September 1974 den Direktor der Schule, Alois L, als Zeugen vernommen.

Das LSG hat mit Urteil vom 18. September 1974 das angefochtene Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Nach § 41 AFG werde eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung nur gefördert, wenn dafür bestimmte Zugangsvoraussetzungen gelten, nämlich eine abgeschlossene Berufsausbildung und eine angemessene Berufserfahrung der Teilnehmer. Daran fehle es beim Studium der Klägerin. Der Zeuge L habe zwar betont, daß von den Schülern der Fachschule des Möbelhandels in K im Frühjahr 1970 als Zugangsvoraussetzungen Fachkenntnisse in der Möbelwirtschaft gefordert worden seien, die in etwa den zum Bestehen der Kaufmannsgehilfenprüfung erforderlichen Kenntnissen entsprochen hätten. Eine feste, förmliche Ausgestaltung der Zugangsvoraussetzungen habe im April 1970 indessen nicht vorgelegen. Entscheidend sei, daß die im Schulprospekt aufgenommenen Zugangsvoraussetzungen nicht der Bestimmung des § 41 AFG genügten. Wenn auch der Zeuge L ausgesagt habe, daß die den Zugang erleichternden Bedingungen nach dem Prospekt lediglich den Zweck gehabt hätten, zunächst einmal einen größeren Interessentenkreis zur Meldung zu veranlassen, um der Schulleitung damit eine größere Auswahlmöglichkeit zu geben, so könne dem nicht die Bedeutung beigemessen werden, daß die Zugangsbedingungen i. S. des § 41 AFG ausreichten. Nach dem Prospekt seien nämlich auch Bewerber aufgenommen worden, die lediglich eine staatliche oder staatlich anerkannte Handelsschule mit Abschlußprüfung besucht oder das Abitur oder die "Mittlere Reife" abgelegt hätten. Wenn auch nach den Aussagen des Zeugen I von diesen Bewerbern jeweils von Fall zu Fall der Nachweis gewisser praktischer Berufserfahrung - mehr oder weniger umfänglich - gefordert wurde, so sei doch eine bestimmte Dauer der Berufspraxis nicht immer verlangt worden. Es sei immer auf den Einzelfall angekommen. Die Entscheidung sei jeweils von dem Eindruck abhängig gemacht worden, den sich die Schulleitung auf Grund einer Eignungsprüfung oder während des einmonatigen kaufmännischen Vorbereitungslehrganges vor der Aufnahme verschafft habe. Gegebenenfalls seien Abiturienten - sofern sie von Hause aus der Möbelbranche (als Junioren) entstammten - auch dann aufgenommen worden, wenn sie nach Besuch des genannten einmonatigen Vorbereitungslehrgangs sich die für den Schulbesuch erforderlichen kaufmännischen Grundkenntnisse verschafft hätten. Für die Absolventen der "Höheren Handelsschule" habe ggf. allein diese Schulbildung und die Tatsache, daß ihnen als Junioren aus Möbelfirmen die entsprechenden Branchenkenntnisse vertraut waren, genügt.

Die Klägerin hat die zugelassene Revision eingelegt und macht geltend: Es könne nicht von einer möglicherweise großzügigen Handhabung der Zugangsvoraussetzungen zu einer Unterrichtsanstalt abhängig gemacht werden, ob die Unterrichtsanstalt selbst das Ziel habe, die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten festzustellen, zu erhalten, zu erweitern oder der technischen Entwicklung anzupassen. Das LSG habe die Eigenschaft der Fachschule des Möbelhandels als Fortbildungseinrichtung lediglich deshalb verneint, weil die Schulleitung die Zugangsbedingungen großzügig gehandhabt habe, um zunächst einmal einen größeren Interessentenkreis zur Meldung zu veranlassen. Für die Frage, ob eine Ausbildungsanstalt die in § 41 AFG angesprochenen Ziele verfolge, könne aber nur das Schulprogramm an sich maßgebend sein. Der Besuch der Fachschule des Möbelhandels durch eine im übrigen förderungswürdige Person könne nicht deshalb zu einer Verneinung einer Förderung nach dem AFG führen, weil diese Schule zu leichte Zugangsvoraussetzungen habe oder diese Zugangsvoraussetzungen großzügig handhabe. Der Besuch einer "Höheren Handelsschule" stelle überdies schon für sich eine abgeschlossene Berufsausbildung dar. Die Klägerin habe durch den Besuch der "Höheren Handelsschule", die Mitarbeit im elterlichen Betrieb und die Praktikantentätigkeit eine bessere Vorbildung aufzuweisen gehabt als ein Lehrling mit dreijähriger Ausbildung.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. September 1974 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, soweit sie die Zeit bis zum 26. Februar 1972 betrifft.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist gemäß § 160 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Mit zutreffender Begründung hat das LSG im angefochtenen Urteil das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Förderung des Besuches der Fachschule des Möbelhandels.

Bei diesem Schulbesuch hat es sich inhaltlich um eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung i. S. des § 41 AFG gehandelt. Die Maßnahme sollte vorhandene kaufmännische Kenntnisse und Fertigkeiten erweitern und einen beruflichen Aufstieg ermöglichen. Indessen fehlt es an der weiteren Bedingung des § 41 AFG, daß nämlich die Maßnahme eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung voraussetzen muß.

Abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung sind nicht nur als eine auf den Teilnehmer bezogene Förderungsvoraussetzung zu verstehen. Wie das LSG übereinstimmend mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (BSGE 36, 48; Urt. vom 17. Dezember 1975 - 7 RAr 4/74) ausgeführt hat, muß vielmehr der Maßnahmeträger eine abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung allgemein und objektiv als Zugangsvoraussetzung verlangen, wenn ein Anspruch nach § 41 AFG bestehen soll. Gerade durch diese Forderung hat das Gesetz die berufliche Fortbildung von der beruflichen Ausbildung abgegrenzt und gewährleistet, daß die Fortbildung auf vorhandenem beruflichen Wissen, wie es in einer abgeschlossenen Berufsausbildung erworben wird, aufbaut und der Unterricht entsprechend eingerichtet und gestrafft ist (vgl. BSG, Urteil vom 4. November 1975 - 7 RAr 12/74).

Der Besuch der Fachschule des Möbelhandels in Köln hat keine abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung vorausgesetzt. Nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden ist, bestand allerdings zwischen Schulkollegium und Schulaufsicht Einverständnis darüber, daß als Zugangsvoraussetzung kaufmännische Kenntnisse, wie zur Kaufmannsgehilfenprüfung erforderlich, verlangt werden sollten. Dieses Einverständnis hat aber nach den weiteren Feststellungen des LSG nicht zu einer festen, förmlichen Ausgestaltung der Zugangsbedingungen geführt. Maßgebend sind vielmehr die Zugangsvoraussetzungen nach dem Schulprospekt gewesen. Die Klägerin mißversteht das angefochtene Urteil, wenn sie meint, nach der Ansicht des LSG bestehe nur deshalb kein Förderungsanspruch, weil die Schulleitung die Zugangsbedingungen großzügig gehandhabt habe. Vielmehr hat das LSG festgestellt, daß die strengeren Voraussetzungen gemäß dem Einverständnis zwischen Schulkollegium und Schulaufsicht sich nicht als Zugangsvoraussetzungen niedergeschlagen haben, daß vielmehr grundsätzlich der Schulprospekt die Zugangsbedingungen enthalten habe -wobei allerdings im Einzelfall davon abweichend unter Umständen höhere Anforderungen gestellt werden sollten.

Die Zugangsvoraussetzungen gemäß dem Schulprospekt haben nicht dem § 41 AFG entsprochen. Nach dem Prospekt genügte für die Zulassung als Vorbedingung u. a. das Abitur oder die "Mittlere Reife" zuzüglich des Nachweises von kaufmännischen Grundkenntnissen. Damit hat die Fachschule des Möbelhandels von diesem Kreis der Bewerber weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine angemessene Berufserfahrung verlangt. Insbesondere ist der verlangte einmonatige Vorbereitungslehrgang nicht als Berufsausbildung anzusehen.

Allerdings hat die Schule, wie das LSG feststellt, jeweils von Fall zu Fall zusätzlich den Nachweis einer gewissen praktischen Berufserfahrung gefordert. Eine bestimmte Dauer der Berufspraxis wurde aber nicht immer verlangt. Abiturienten wurden nach Besuch des einmonatigen Vorbereitungslehrgangs bei Nachweis kaufmännischer Grundkenntnisse sogar unter der einzigen weiteren Voraussetzung zugelassen, daß sie von Haus aus der Möbelbranche als Junioren entstammten. Damit hat die Schule nicht die Zugangsvoraussetzung einer angemessenen Berufserfahrung aufgestellt. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. BSGE 38, 174 = SozR 4100 § 41 Nr. 11 und BSG in SozR 4100 § 41 Nr. 12 = Urteil vom 4. November 1975 - 7 RAr 12/74), muß die angemessene Berufserfahrung zu etwa gleichwertigen und gleichartigen Kenntnissen geführt haben wie die abgeschlossene Berufsausbildung. Hiervon kann regelmäßig nur dann ausgegangen werden, wenn die Zeit der berufspraktischen Tätigkeit mindestens dem Zeitraum entspricht, der als Ausbildungszeit für den Berufsabschluß erforderlich ist. Die für den Besuch der Fachschule des Möbelhandels in K einschlägigen Berufsausbildungen, insbesondere eine kaufmännische oder handwerkliche Lehre, dauern aber drei, mindestens zwei Jahre. Dem entspricht nicht die Forderung einer zeitlich nicht näher bestimmten Berufspraxis. Auch reicht die Tatsache, daß jemand "von Haus aus der Möbelbranche" entstammt, nicht aus. Sie mag im Einzelfall zu erheblichen Berufskenntnissen geführt haben, ersetzt aber, mindestens für sich genommen, nicht den Nachweis von Kenntnissen, die durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine entsprechende Berufserfahrung erworben werden. Schließlich kann der persönliche Eindruck, den sich die Schulleitung vom dem Bewerber gemacht hat, nicht den dem Arbeitsamt zu erbringenden Nachweis der abgeschlossenen Berufsausbildung oder angemessenen Berufserfahrung ersetzen.

Die Behauptung der Klägerin, daß der Abschluß einer "Höheren Handelsschule" eine abgeschlossene Berufsausbildung darstelle, ist für die Entscheidung des Senats unerheblich. Wie oben dargelegt, muß die abgeschlossene Berufsausbildung Zugangsvoraussetzung der Maßnahme sein. Es genügt nicht, daß der einzelne Teilnehmer diese Bedingung erfüllt, denn es geht in der Bestimmung des § 41 AFG insoweit um die Maßnahme als solche und nicht um den einzelnen Teilnehmer. Deshalb ist es auch unerheblich, ob die Klägerin persönlich durch ihre Tätigkeit im elterlichen Betrieb in Verbindung mit dem Besuch der "Höheren Handelsschule" und der Praktikantenzeit möglicherweise mehr Berufskenntnisse aufzuweisen hatte als ein Bewerber mit abgeschlossener kaufmännischer Lehre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649837

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