Entscheidungsstichwort (Thema)
"Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse"
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage "wehrdiensteigentümlicher" Belastungen (SVG § 81 Abs 1) als Mitursache für einen Herzinfarkt bei einem Schirrmeister einer Bundeswehr-Panzerkompanie.
Leitsatz (redaktionell)
1. Da "die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse" nach ihrer Art oder ihrem Grad und Maß üblicherweise im Zivilleben nicht gegeben sein dürfen, müssen die jeweils vergleichbaren beruflichen Gegebenheiten für zivile Arbeitnehmer einschließlich Beamten genauer ermittelt und den festgestellten Besonderheiten dieses Falles gegenübergestellt werden (hier: Schirrmeister, Fahrbereitschafts- oder Fuhrparkleiter).
2. Außer tatsächlichen Besonderheiten des militärischen Berufslebens gegenüber dem zivilen können "wehrdiensteigentümliche" Rechtspflichten einen Anhalt dafür bieten, was dem Militärdienst als Besonderheit zuzurechnen ist.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 1; SVG § 81 Abs. 1
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 15. Dezember 1972 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Heinrich Z (Z.), der Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Kläger zu 2) und 3), der im Zivilberuf Maschinenschlosser und Kraftfahrer war und ab 1956 der Bundeswehr angehörte, verstarb am 1. Juni 1968 im Alter von 40 Jahren als Oberfeldwebel an akutem Herzversagen. Ab 1958 war er Schirrmeister, besuchte 1960 einen Schirrmeisterlehrgang, 1959 und 1961 erfolglos zwei Feldwebelpflichtlehrgänge, war von 1962 bis 1965 Hilfsfahrlehrer und Fahrlehrer, schloß 1964 einen Feldwebellehrgang erfolgreich ab und war ab November 1965 Schirrmeister bei der 2. Kompanie des Panzerbataillons 324. Nach einem Schwächeanfall mit anschließender Dienstunfähigkeit im März 1968 erlitt er, als er am 31. Mai 1968 an einer Vernehmung teilnahm, erneut einen Schwächeanfall. Hauptmann von St, der anwesende Kompaniechef, brachte ihn ins Krankenhaus; dort wurde ein Herzinfarkt mit Kreislaufkollaps festgestellt. Der Facharzt für Chirurgie Dr. H, Truppenarzt des Panzerbataillons, und der Facharzt für innere Krankheiten und Oberstabsarzt der Reserve Dr. L führten den Herzinfarkt, der am nächsten Tag den Tod verursachte, auf dauernde dienstliche Belastungen im Zusammenhang mit der Umrüstung auf den Panzer "Leopard" zurück. Aufgrund einer Stellungnahme des Facharztes für innere Krankheiten Medizinalrat Dr. St lehnte das Versorgungsamt den im Juni 1968 von den Klägern gestellten Antrag auf Witwen- und Waisenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) ab, weil Z. an den Folgen einer schicksalsmäßigen, nicht auf den Bundeswehrdienst zurückzuführenden arteriosklerotischen Coronarerkrankung mit Herzinfarkt verstorben sei (Bescheid vom 24. März 1969). Der Widerspruch blieb entsprechend einer Stellungnahme des Facharztes für innere Krankheiten Dr. D erfolglos (Bescheid vom 31. Oktober 1969). Das Sozialgericht (SG) holte ein Gutachten von Medizinaloberrat Dr. L ein, der sich der von Dr. D und Dr. St vertretenen Auffassung anschloß, verurteilte aber den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, den Klägern ab Juli 1968 Hinterbliebenenrenten zu gewähren (Urteil vom 8. September 1970). Der Beklagte stützte seine Berufung auf Stellungnahmen von Dr. J und Facharzt für innere Krankheiten Dr. R sowie auf einen Aufsatz von Prof. Dr. D Die Kläger reichten eine schriftliche Äußerung des Kommandeurs der 3. Panzerdivision, Generalmajor O, über Leistungen und Belastungsfähigkeit des Verstorbenen sowie die dienstlichen Anforderungen an ihn ein. Das Landessozialgericht (LSG) ließ Gutachten über die medizinische Zusammenhangsfrage von Prof. Dr. D, Chefarzt der I. Medizinischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses H, und von Dr. R, Chefarzt der inneren Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses C, erstatten und vernahm Major von St, den letzten Kompaniechef des Verstorbenen, als Zeugen über dessen berufliche Belastungen sowie Major G als Sachverständigen über die Tätigkeiten eines Schirrmeisters einer Panzerkompanie. Die Berufung wies das LSG mit folgender Begründung zurück: Besondere Belastungen des militärischen Dienstes, denen Z. im letzten Jahr ausgesetzt gewesen sei und die als dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse beurteilt werden müßten, hätten wahrscheinlich den Tod verursacht (§§ 80 und 81 SVG). Als wehrdiensteigentümlich seien nur außergewöhnliche Belastungen und Streß-Situationen zu verstehen, die mit der Ausübung des militärischen Dienstes zusammenhingen und über die in Zivilberufen normalerweise auftretenden Dauerbelastungen hinausgingen. Nach den Bekundungen des Zeugen von St und des Sachverständigen G sei ein Schirrmeister einer Panzerkompanie, der die Materialerhaltung an Fahrzeugen und den Kraftfahrbetrieb zu überwachen sowie die Instandsetzung von Fahrzeugen einzuleiten habe, schon im normalen Dienst erheblichen, vor allem nervlichen Belastungen ausgesetzt und diesen mit etwa 40 Jahren nicht mehr gewachsen; er werde deshalb normalerweise in diesem Alter auf einen anderen Dienstposten versetzt. Die besonderen Belastungen ergäben sich nach dem Gutachten aus den Spannungen, welche die einander widerstreitenden Forderungen der Taktiker (hoher Einsatz des technischen Geräts) und der Techniker (genügend Zeit für Wartung und Pflege des Geräts) erzeugten. Die Aufgaben eines Schirrmeisters in einer Panzerkompanie seien, wie der Zeuge bekundet habe, nächst denen des Kompaniefeldwebels die schwierigsten Unteroffiziersfunktionen. Diese Belastungen im normalen Dienst würden durch die Umrüstung einer Panzereinheit auf einen neuen Panzertyp erheblich verstärkt. Der Schirrmeister müsse dann die Zustandsprüfungen bei den abzugebenden Panzern vorbereiten und die Reparaturen einleiten, die neuen Panzer übernehmen, Erfahrungen über sie sammeln, darüber berichten und die Panzerkommandanten in die Technik der neuen Panzer einweisen. Die Spannungen zwischen den widerstreitenden Interessen der Ausbilder und Techniker, denen ein Schirrmeister ausgesetzt sei, nähmen in der Einführungszeit zu, weil infolge von Ausbildungslücken an den neuen Panzern vermehrte Schäden aufträten und andererseits die neuen Fahrzeuge zum Erproben und zu Ausbildungszwecken möglichst oft eingesetzt werden sollten. Dies folge aus den Ausführungen des Sachverständigen G und des Generalmajors O. Die körperlichen und vor allem nervlichen Belastungen, die Z. während der einjährigen, 1967 begonnenen Umrüstungszeit habe ertragen müssen und die über die durchschnittlichen beruflichen Belastungen des Zivillebens erheblich hinausgegangen seien, könnten über vegetative Störungen einen wesentlichen Teilfaktor des Herzinfarktes bilden, wie sich aus den Stellungnahmen von Schwenke (in: Schöneberg - Hgb -, Die ärztliche Beurteilung Beschädigter, 4. Aufl. 1967, 246 f), Prof. Dr. D, Dr. R, Dr. J, Dr. L, Dr. H und Dr. L ergebe. Im vorliegenden Fall seien die Belastungen nach den Ausführungen von Dr. R, Dr. L und Dr. H zur wesentlichen Mitbedingung des Todes neben der konstitutionsbedingten Coronararteriosklerose geworden; ohne ihre Einwirkung wäre der Tod wahrscheinlich erst ein Jahr später eingetreten. Z., der keinen Tabakabusus betrieben habe, sei nach den Feststellungen der Ärztin Dr. W vom März 1968 eine sehr labile Persönlichkeit gewesen und habe, wie das zweimalige Wiederholen des Feldwebellehrganges zeige, sich überdurchschnittlich anstrengen müssen, um Berufssoldat und Schirrmeister zu werden. Bei dieser individuellen Belastungsfähigkeit, die zu berücksichtigen sei, hätten ihn die mit der Umrüstung zusammenhängenden Aufgaben wesentlich stärker nervlich und psychisch angespannt als einen jüngeren und gut befähigten Unteroffizier (Urteil vom 15. Dezember 1972).
Der Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung des § 81 SVG; das LSG habe den unbestimmten Rechtsbegriff "dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse" nicht richtig angewandt. Während diese besonderen Verhältnisse von denjenigen des zivilen Lebens abweichen und ihnen in der Regel fremd sein müßten (vgl. Verwaltungsvorschrift Nr. 5 zu § 81 SVG), habe das LSG vergleichsweise auf berufliche Belastungen abgestellt, die im Zivilleben von Erwerbstätigen normalerweise als durchschnittliche ertragen würden. Die dienstlichen Belastungen des Schirrmeisters einer Panzerkompanie seien nicht wehrdiensteigentümlich. Spannungen durch widerstrebende Forderungen, denen er ausgesetzt sei, gebe es erfahrungsgemäß auch in Industriebetrieben als solche zwischen Planung und Produktion. Ebenso seien das Auswechseln von alten oder technisch überholten Geräten sowie Produktionsumstellungen mit verstärkten Anforderungen an das Personal im Zivilleben üblich. Wenn eine Wehrdienstbeschädigung als Folge wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse nicht festzustellen sei, könne auch der durch den Herzinfarkt verursachte Tod nicht ursächlich auf den Wehrdienst zurückgeführt werden.
Der Senat hat eine Auskunft vom Bundesministerium der Verteidigung (BMV) zu den Fragen eingeholt, ob allgemein Schirrmeister in Panzerkompanien
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a) |
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im normalen Dienstbetrieb, |
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b) |
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erheblich vermehrt während der Umrüstung auf einen anderen Panzertyp infolge von widerstreitenden Forderungen seelischen und nervlichen Belastungen ausgesetzt seien, denen sie regelmäßig im Alter von 40 Jahren nicht mehr gewachsen seien, und ob sich die Schirrmeister diesen Belastungen wegen Personalmangels einerseits und wegen ihrer Gehorsamspflicht andererseits nicht entziehen könnten. |
Der Beklagte sieht seine Revisionsbegründung durch diese Auskunft bestätigt.
Er beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, evtl. unter Aufhebung der vorgenannten Entscheidungen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Sie vertreten ergänzend zum angefochtenen Urteil die Auffassung, auch folgende Umstände seien wehrdiensteigentümlich gewesen: Z. habe an 10 Lehrgängen innerhalb von 10 Jahren teilgenommen; das sei eine seltene Ausnahme für die Unteroffizierslaufbahn. Er habe wiederholt versuchen müssen, einen erfolglos besuchten Lehrgang zu bestehen, weil kein anderer, besser geeigneter Soldat für den Posten des Schirrmeisters verfügbar gewesen sei. Soldaten müßten im Unterschied zu Zivilisten immer wieder in Funktionen hinein ausgebildet werden, für die sie von der Anlage nicht qualifiziert seien. Eine solche Überforderung unterscheide sich von ähnlichen im Zivilleben dadurch, daß der überforderte Soldat sich zu ihnen weniger durch mögliche Einkommensverbesserungen als durch immaterielle Zwänge wie Verantwortungsbewußtsein, Pflichterfüllung, Opferbereitschaft, aufopfernde Treue und - manchmal - durch Furcht vor Strafe verleiten lasse. Im Gegensatz zum Zivilleben sei der Soldat nicht zur Kündigung und zum Streiken oder zu irgendeiner anderen Art von Auflehnung oder nur zur Darstellung der Überforderung berechtigt. Ein militärischer Verband könne auch bei außergewöhnlichen Belastungen, z. B. bei der Umrüstung auf neues Material, im Unterschied zu zivilen Betrieben sein Personal nicht angemessen verstärken. Eine Autofabrik könne auf ein neues Modell während einer Produktionspause umgestellt werden; die Bundeswehr dürfe aber während des Wechsels der Panzermodelle ihre "Produktion von Sicherheit" nicht ruhen lassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch insoweit erfolgreich, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen ist.
Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung, daß wehrdiensteigentümliche Verhältnisse wahrscheinlich den Tod des Z. verursacht hätten und daß deshalb den Klägern Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zustehe (§§ 80 und 81 SVG), die Anspruchsvoraussetzung, der Verstorbene sei "dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnissen" ausgesetzt gewesen (§ 81 Abs. 1 SVG), für Fälle der vorliegenden Art rechtlich unzutreffend ausgelegt und außerdem keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen. Die Revision beanstandet mit Recht den allgemeinen rechtlichen Beurteilungsmaßstab, den das LSG angewendet hat; nur scheinbar wendet sie sich ausschließlich gegen die Anwendung dieses Rechtsbegriffes auf den Sachverhalt dieses Einzelfalles.
Der Inhalt des unbestimmten Rechtsbegriffes "wehrdiensteigentümlich" ist im Rahmen der Gesetzesauslegung, die das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen hat (§§ 162 Abs. 2, 170 Abs. 1 Satz 2 SGG), allgemeingültig zu bestimmen und abzugrenzen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Fallgruppe, der die dienstlichen Verhältnisse des Schirrmeisters Z. zuzurechnen sind, durch allgemeine Maßstäbe zu konkretisieren. Übereinstimmend mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu jenem Rechtsbegriff (vgl. auch § 1 Abs. 1 BVG), die allerdings Fälle der vorliegenden Art noch nicht behandelt hat (BSG 10, 251, 255; 18, 199, 201; 20, 266, 269 f; 22, 118, 119; 26, 4, 6; 33, 141, 143; 33, 239, 244; SozR Nr. 80 zu § 1 BVG; SozR Nr. 1 zu § 81 SVG 1967 - Ca 4 -; ebenso BVerwG, Sammlung Buchholz 238.41 § 27 SVG Nr. 1), ist das LSG mit Recht vom Unterschied zu normalen Umständen des Zivillebens ausgegangen und hat zutreffend außergewöhnliche Verhältnisse gefordert, die den Eigenarten des Wehrdienstes entsprechen und über durchschnittliche Belastungen in Zivilberufen hinausgehen müssen. Das Berufungsgericht hat aber bei der Festlegung allgemeingültiger Maßstäbe zweierlei verkannt: Erstens ist es von einer "allgemeinen Erfahrung" ausgegangen, Schirrmeister in Panzerkompanien seien im Alter von 40 Jahren den nervlichen Belastungen ihres üblichen Dienstes nicht mehr gewachsen und würden während der Umrüstung auf einen neuen Panzertyp erheblich mehr als in Zivilberufen beansprucht. Zweitens hat das LSG keine einzelnen Tatsachen über entsprechende zivile Verhältnisse festgestellt und mit den erörterten Umständen des militärischen Dienstes verglichen. Diese unzureichende Sachaufklärung (zu 2.) ist bei der zugelassenen Revision auch ohne ausdrückliche Verfahrensrüge gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG von Amts wegen zu beachten (BSG SozR Nr. 6 zu § 163 SGG) und kann nicht vom Revisionsgericht nachgeholt werden (BSG SozR Nr. 9 zu § 163 SGG). Jene unterstellte Erfahrung (zu 1.) trifft nicht zu, wie die vom erkennenden Senat eingeholte Auskunft ergeben hat. Die Prüfung solcher allgemeinen Erfahrungssätze, die einen Rechtssatz inhaltlich gestalten, obliegt dem Revisionsgericht (vgl. BSG 10, 46, 49).
Nach der Auskunft des BMV vom 4. März 1974 besteht keine allgemeine Erfahrung, daß Schirrmeister in Panzerkompanien im Alter von 40 Jahren den Belastungen des normalen Dienstbetriebes nicht mehr gewachsen sind; wohl können in Einzelfällen durch zusätzliche Sonderaufgaben, z. B. bei der Umrüstung auf einen anderen Panzertyp, Streß-Situationen auftreten, die einen einzelnen Schirrmeister mit entsprechender individueller Konstitution unter Umständen überfordern. Nähere Einzelheiten über die Anforderungen an Schirrmeister werden in den vom BMV übersandten ergänzenden Stellungnahmen des Chefs des Stabes der Inspektion der Kampftruppen - Gruppe Panzertruppe - im Heeresamt (Oberst S), des Chefs des Stabes der Inspektion der Technischen Truppe - Grp InstTr u InstDst a Tr - Dez. InstDst a Tr - (Oberstleutnant Dr. E) und des Chefs des Stabes der Inspektion der Offizier- und Unteroffizierausbildung im Heer (Oberst i. G. G) mitgeteilt; darauf nimmt der Senat Bezug. Im Gegensatz zu der Annahme des LSG ist insbesondere nach der Äußerung des Oberstleutnants Dr. E vom 15. Februar 1974, die einen genauen Überblick über die Aufgaben der Schirrmeister in selbständigen Einheiten und in nichtselbständigen Panzerkompanien enthält, auch die - erheblich vermehrte - Arbeitsbelastung eines Schirrmeisters während der Umrüstung einer nichtselbständigen Einheit auf einen anderen Panzertyp allgemein noch zumutbar.
Da ausreichende tatsächliche Feststellungen über besondere dienstliche Belastungen auf dem Dienstposten des Z. während der Umrüstungszeit fehlen und daher nicht entschieden werden kann, ob "wehrdiensteigentümliche" Verhältnisse bestanden, die bei der persönlichen Belastbarkeit des Verstorbenen (BSG 10, 209, 213; 11, 50) den Tod verursachen konnten, muß die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung der Auskunft des BMV genaue Einzelheiten über die dienstlichen Anforderungen an Z. unter dem Gesichtspunkt ermitteln müssen, ob dieser Schirrmeister entgegen der allgemeinen Erfahrung während der Umrüstung auf den "Leopard"-Panzer unzumutbar belastet wurde. Insbesondere wird aufzuklären sein, ob er - abweichend von den regulären Verhältnissen, wie sie Oberstleutnant Dr. E geschildert hat - durch den Kompaniechef, der allgemein für den reibungslosen Fahrzeugbetrieb in der Einheit, für den Zustand von Fahrzeug und Gerät, für die Umstellung und für den Ausgleich widerstreitender Forderungen von seiten der Technik und der Ausbildung nach außen allein verantwortlich ist, und außerdem bei einzelnen Schwierigkeiten durch den Technischen Offizier des Bataillons und sonst durch andere zuständige Dienstgrade nicht ausreichend entlastet wurde, ob Z. insgesamt erheblich stärkeren Anforderungen als die Schirrmeister in den anderen Kompanien des Panzerbataillons 324 ausgesetzt war, ob dies dadurch verursacht wurde, daß nicht genügend Personal vorhanden war, daß die Umrüstung in der Einheit des Z. unzureichend vorbereitet wurde oder in zu kurzer Zeit abgeschlossen werden mußte, und ob es infolge unsachgemäßen Verhaltens von Vorgesetzten zu Konflikten zu Lasten des Schirrmeisters Z. kam. Außerdem ist Genaueres darüber festzustellen, ob Z. schon durch seinen Ausbildungsgang bis zur Verwendung als Schirrmeister beim Panzerbataillon 324 überfordert war und ob er infolge von Personalmangel oder Fehlentscheidungen der Personalführung, die als "wehrdiensteigentümlich" zu werten sind, auf diesem Dienstposten verwendet und belassen wurde, obwohl er den Anforderungen nicht gewachsen war und ihn nicht von sich aus übernehmen und behalten wollte. Nähere Auskünfte darüber werden der bereits vernommene Kompaniechef, der Kompaniehauptfeldwebel, der Bataillonskommandeur und der Technische Offizier des Bataillons 324 für die Zeit von 1966 bis 1968 geben können. Ein bedeutsamer Einzelhinweis auf wehrdiensteigentümliche Belastungen des Z. könnte schon in der - vom LSG bisher nicht gewürdigten - Aussage des Zeugen von St zu erblicken sein, daß Z. aufgrund seiner Teilnahme am Einweisungslehrgang der einzige gewesen sei, der die Panzerkommandanten technisch zu unterweisen hatte, während üblicherweise diese Aufgabe von 4 - 5 Personen auszuüben war. Für die gebotene Sachaufklärung könnte es nützlich sein, einzelne Beweisfragen durch einen medizinischen Sachverständigen unter dem Gesichtspunkt herzinfarktfördernder Umstände vorschlagen zu lassen.
Der erkennende Senat kann noch nicht abschließend mit Verbindlichkeit für das LSG (§ 170 Abs. 4 SGG) allgemeingültige Maßstäbe dafür, wie der Rechtsbegriff "wehrdiensteigentümlich" in Fällen der vorliegenden Art zu verstehen ist, festlegen. Erst ein vollständig festgestellter Sachverhalt läßt sich derart rechtlich beurteilen. Da andererseits allein rechtserhebliche Tatsachen zu ermitteln sind, ist schon jetzt auf folgende, bereits bedeutsam erscheinende Bewertungsgesichtspunkte hinzuweisen.
Da "die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse" nach ihrer Art oder ihrem Grad und Maß üblicherweise im Zivilleben nicht gegeben sein dürfen, müssen die jeweils vergleichbaren beruflichen Gegebenheiten für zivile Arbeitnehmer einschließlich Beamten genauer ermittelt und den festgestellten Besonderheiten dieses Falles gegenübergestellt werden. Mit den speziellen Aufgaben eines Schirrmeisters lassen sich am ehesten diejenigen eines Fahrbereitschafts- oder Fuhrparkleiters vergleichen (vgl. Bekundung des Majors G vor dem LSG, schriftliche Äußerung des Oberstleutnant Dr. E und die vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, von der Bundesanstalt für Arbeit und vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Berufssystematik "Klassifizierung der Berufe und Berufstätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland", 1966, Berufsklasse 5211, evtl. zu ergänzen durch eine Auskunft des zuständigen Fachverbandes der kommunalen Fuhrparks oder durch ein Gutachten eines von diesem Verband benannten Sachverständigen).
Aber auch allgemeine Erscheinungen des zivilen Berufslebens werden vergleichend heranzuziehen sein. Soweit Belastungen des Schirrmeisters, die von den üblichen Schwierigkeiten der Umrüstung einer Panzereinheit abweichen, festgestellt werden, müssen sie nicht allein deshalb, weil sie durch die Umstellung verursacht wurden, zwingend in jedem Fall als "wehrdiensteigentümlich" zu bewerten sein. Auch in zivilen Bereichen können zeitweilig außergewöhnliche Anforderungen auftreten und als üblich zu bewerten sein, etwa bei einer Produktionsumstellung oder bei einem Eilauftrag in der Industrie oder bei Organisations- oder Rechtsänderungen oder anderen Sonderaufgaben im öffentlichen Dienst. Ein zusätzlicher Personalbedarf ließ sich Mitte der sechziger Jahre angesichts der Arbeitsmarktlage allgemein nicht stets ausgleichen. "Wehrdiensteigentümlich" könnte ein Personalmangel deshalb gewesen sein, weil in der Bundeswehr etwa mehr als im Zivilleben gespart werden mußte oder nicht genügend Schirrmeister und ähnliche Dienstgrade rechtzeitig ausgebildet werden konnten oder allgemein nicht so günstige Bedingungen wie auf zivilen Arbeitsplätzen geboten werden konnten. Sowohl Spannungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen als widerstreitende Anforderungen aus verschiedenen Sachbereichen gibt es ebenfalls in vielen Zivilberufen, vor allem für aufsichtsführende, anordnende und kontrollierende Arbeitnehmer, etwa von der konfliktreichen Meisterebene an aufwärts. Näheres darüber könnten ergänzend zum einschlägigen soziologischen Schrifttum Arbeitswissenschaftler verschiedener Fachrichtungen vermitteln.
Außer tatsächlichen Besonderheiten des militärischen Berufslebens gegenüber dem zivilen können "wehrdiensteigentümliche" Rechtspflichten einen Anhalt dafür bieten, was dem Militärdienst als Besonderheit zuzurechnen ist. Sofern kraft Gehorsamspflicht, Verantwortlichkeit und ähnlicher rechtserheblicher Bindungen einerseits die Vorgesetzten vom Schirrmeister Z. Außerordentliches verlangten und andererseits er sich zu besonderen Leistungen verpflichtet fühlte, müßte sich dies als "wehrdiensteigentümlich" von gleichen oder ähnlichen zivilen Verhältnissen deutlich abgehoben haben, namentlich von solchen vergleichbarer Beamten, insbesondere im Polizeivollzugsdienst (§§ 99 ff Beamtenrechtsrahmengesetz - BRRG -, § 190 Bundesbeamtengesetz - BBG -). Beamte stehen ebenso wie Berufssoldaten in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis (§ 2 Abs. 1 BRRG, § 2 Abs. 1 BBG; § 1 Abs. 1 Satz 2, § 7 Soldatengesetz; Scherer, Soldatengesetz, 4. Aufl. 1971, § 1, Anm. III), sind ebenso wie diese (§ 11 Soldatengesetz, §§ 19 ff Wehrstrafgesetz - WStG -) weisungsgebunden und zum Gehorsam verpflichtet (§ 37 BRRG, § 55 BBG; Fischbach, Bundesbeamtengesetz, 1. Halbband, 3. Aufl. 1964, § 55, Anm. II und III; Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, § 55, Anm. III), werden für ihr Verhalten besonders verantwortlich gemacht (§ 38 BRRG, § 56 BBG), unter Umständen - ebenso wie Soldaten (§ 23 Soldatengesetz, Wehrdisziplinarordnung) - in einem Disziplinarverfahren (§ 45 BRRG, § 77 BBG, Bundesdisziplinarordnung) und haben sich "mit voller Hingabe" ihrem Beruf "zu widmen" (§ 36 Satz 1 BRRG, § 54 Satz 1 BBG), auch über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus (§ 44 Satz 1 BRRG, § 72 Abs. 2 BBG, § 7 der Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten). Im Unterschied zu diesen Gemeinsamkeiten, die im allgemeinen "wehrdiensteigentümliche" Verhältnisse ausschließen werden, können aber solche anspruchsbegründenden Umstände eindeutig gegeben sein, soweit der Soldat aufgrund der zusätzlichen, seine Sonderstellung kennzeichnenden Pflicht, "das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen" (§ 7 Soldatengesetz), Belastungen und Gefährdungen ausgesetzt wird. Dies kann auch im Friedensdienst, durch die der Bundeswehr obliegende Verteidigungsbereitschaft bedingt, eintreten (Rittau, Soldatengesetz, 1957, § 7, Anm. 2; Scherer, aaO, § 7, Anm. II und III, 1). Insbesondere darf der Soldat im Rahmen des üblichen Dienstes - unter Einschränkung seines Grundrechtes auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2, Art. 19 Abs. 1 und 2 Grundgesetz) - nicht vor zumutbaren Gefahren für seine Person zurückschrecken (§ 6 WStG; Rittau, aaO, § 7, Anm. 2; Scherer, aaO, § 7, Anm. III; § 11, Anm. I, 2, a; Werner Hirschmann, Der Ungehorsam im Wehrrecht, Diss. Erlangen 1970, S. 116 ff). Diesen besonderen Verhältnissen des Wehrdienstes trägt die vorzeitige Ruhestandsversetzung der Soldaten Rechnung.
Falls Z. selbst in gebotener Weise für seine Gesundheit gesorgt hätte (§ 17 Abs. 4 Satz 1 und 2 Soldatengesetz; für Beamte: Fischbach, aaO, § 54, Anm. III, 1; Plog/Wiedow, aaO, § 54, Anm. II), - er war im März 1968 dienstunfähig - sein vorzeitiger Tod aber mit darauf zurückzuführen wäre, daß Vorgesetzte ihn nicht kraft ihrer Fürsorgepflicht in erforderlicher Weise trotz entsprechender Hinweise (Plog/Wiedow, aaO, § 79, Anm. V, 1, b) vor gesundheitlichem Schaden bewahrt hätten (§§ 10 Abs. 3, 31 Satz 1 Soldatengesetz; Scherer, aaO, § 10, Anm. II, 2, III), könnten wehrdienstbedingte Besonderheiten in einem Ärztemangel, der die freie Heilfürsorge (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Soldatengesetz, § 36 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz; Hedde/Fischer, Betreuung und Fürsorge in der Bundeswehr, 1969, S. 112) gefährdete, oder in einer dienstlichen Unabkömmlichkeit des Schirrmeisters bestanden haben.
Auch könnten Vorgesetzte, die den Z. etwa veranlaßt hätten, den Schirrmeisterposten zu übernehmen oder zu behalten, obwohl er dafür wegen seiner labilen Persönlichkeit nicht geeignet gewesen wäre (§ 3 Soldatengesetz), pflichtwidrig gehandelt (Hirschmann, aaO, S. 114) oder dies wegen eines für die Bundeswehr typischen Personalmangels getan haben.
Erst nach Abschluß der gebotenen Sachaufklärung über die dienstlichen Verhältnisse des Z., die rechtlich als "wehrdiensteigentümlich" bewertet werden, läßt sich aufgrund gesicherter medizinischer Erkenntnisse entscheiden, ob die festgestellten Einwirkungen wahrscheinlich, nicht nur möglicherweise (Wilke/Wunderlich, Bundesversorgungsgesetz, 4. Aufl. 1973, § 1, Anm. V, 2) als mindestens gleichwertige Mitursache den Tod um wenigstens ein Jahr früher, als sonst zu erwarten gewesen wäre, herbeigeführt haben (BSG 1, 150, 156 f; 2, 265, 270 f). Dabei sind andere, noch genau festzustellende Umstände, die einen Herzinfarkt mit verursachen können, nach jenem Rechtsmaßstab abwägend zu berücksichtigen, insbesondere familiäre Belastungen, Rauchgewohnheiten sowie eine seelische und nervliche Konstitution, soweit sie als selbständiger Faktor allein oder mit anderen nichtwehrdienstbedingten Bedingungen überwiegend wirksam wurde und nicht bloß - zugunsten der Kläger - als eine Minderbelastbarkeit "wehrdiensteigentümliche" Einflüsse wesentlich zur Wirkung kommen ließ.
Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Fundstellen