Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert bei Verfahren zur Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung. Begriff des Rechtsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Ist einem Verfahren vor dem Berufungsausschuß (§ 368b Abs 4 ff RVO) kein gerichtliches Verfahren gefolgt, so kann der Gegenstandswert allein nicht bindend festgesetzt werden; er ist nur Berechnungsfaktor für die Kostenfestsetzung.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In Zulassungssachen der Kassenärzte (ua Beteiligung an der Kassenärztlichen Versorgung) hat der Rechtsanwalt den Gegenstandswert für die Berechnung seiner Gebühren nach billigem Ermessen selbst zu bestimmen; eine Bestimmung durch den Beschwerdeausschuß scheidet aus.

2. Wird der Gegenstandswert nicht anerkannt, kann der Rechtsanwalt die Gebührenklage erheben.

 

Orientierungssatz

Eine Behörde kann grundsätzlich nur das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechtsverhältnissen bindend feststellen; dies ergibt sich mittelbar aus § 55 SGG, denn die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts kann nicht weiterreichen als diejenige eines rechtskräftigen Urteils (vgl BSG 17.12.1975 7 RAr 4/74 = SozR 4100 § 41 AFG Nr 22). Unter einem Rechtsverhältnis in diesem Sinn ist eine aus einem konkreten Tatbestand entstandene Rechtsbeziehung von Personen untereinander oder aber einer Person zu einer Sache zu verstehen; hierzu zählen auch einzelne Rechtsbeziehungen oder Verpflichtungen eines weitergehenden Rechtsverhältnisses, wenn das Interesse sich gerade auf sie bezieht (vgl BSG 27.1.1977 12/8 REh 1/75 = SozR 2200 § 1385 Nr 3). Eine bindungsfähige Regelung liegt dagegen nicht vor, wenn nur einzelne Faktoren, Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses geklärt werden, auch eine darauf gerichtete Feststellungsklage ist unzulässig (BSG 25.5.1973 11 RA 159/72 = SozR Nr 53 zu § 55 SGG).

 

Normenkette

SGB 10 § 63 Abs. 3; RVO § 368b Abs. 4; BRAGebO §§ 7, 8 Abs. 2 S. 2, § 116 Abs. 2, §§ 118-119; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1; BRAGebO § 10

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 13.02.1985; Aktenzeichen L 11 Ka 2/84)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.10.1983; Aktenzeichen S 2 Ka 62/82)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung eines Gegenstandswertes in einem Beschwerdeverfahren, dem kein gerichtliches Verfahren gefolgt ist.

Mit Bescheid vom 12. August 1981 hob der Beklagte den Beschluß des Zulassungsausschusses für Ärzte A. auf, mit dem die Beteiligung des Klägers an der kassenärztlichen Versorgung der Versicherten teilweise widerrufen worden war. Er entschied, daß dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten seien und die Heranziehung eines Rechtsanwalts als notwendig anerkannt werde. Auf den Antrag des Klägers setzte der Beklagte mit Beschluß vom 31. März 1982 den Gegenstandswert wie folgt fest:

Gegenstandswert ist das ärztliche Honorar des Herrn Dr. J. im RVO-Bereich in den Quartalen III/79 bis II/80 - abzüglich der an den Krankenhausträger abzuführenden Beträge - für Leistungen 1. gemäß § 29 Abs 2 Buchstabe a ZOÄ 2. gemäß § 29 Abs 2 Buchstabe c ZOÄ soweit es nicht die gemäß Beschluß des Zulassungsausschusses A. vom 12. März 1980 aufrechterhaltenen Leistungen betrifft.

Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Beklagte müsse den Gegenstandswert konkret festsetzen; zugrunde zu legen sei das Honorar in einem Zeitraum von drei Jahren. Der Kläger hat vor dem Sozialgericht (SG) beantragt, den Gegenstandswert unter Abänderung des angefochtenen Bescheides auf 90.000,- DM festzusetzen. Dagegen hat der Beklagte dargelegt, § 63 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) sei auf Zulassungsstreitigkeiten nicht anzuwenden; die dem Bescheid zugrunde liegende entgegengesetzte Auffassung werde nicht aufrechterhalten. Daher sei der Kläger durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert.

Das SG hat unter Abänderung des angefochtenen Bescheids den Gegenstandswert auf 60.000,- DM festgesetzt. Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt mit dem Antrag, das Urteil des SG abzuändern und die Klage abzuweisen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG abgeändert, den Bescheid des Beklagten aufgehoben und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Festsetzung des Gegenstandswerts für das Verfahren vor dem Berufungsausschuß durch den Beklagten. Der Beklagte sei dafür nicht zuständig. Eine Festsetzung des Gegenstandswerts sei in § 63 SGB X nicht vorgesehen. Insoweit bestehe auch keine Lücke im Gesetz. Der Gegenstandswert könne im Rahmen der Kostenfestsetzung ermittelt und mit den gegen die Kostenfestsetzung gegebenen Rechtsbehelfen überprüft werden.

Dagegen richten sich die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 1).

Der Kläger macht geltend, § 63 SGB X enthalte eine Lücke, die dahin auszufüllen sei, daß der Berufungsausschuß den Gegenstandswert festzusetzen habe. Von einer solchen gesonderten Festsetzung gehe das Verfahrensrecht dort aus, wo es eingehender Feststellungen und Ermittlungen bedürfe. Mit der Entscheidung durch den Berufungsausschuß sei auch die Objektivität der Festsetzung gewährleistet. Er sei als nicht weisungsgebundenes Organ nicht iS des § 63 Abs 3 SGB X bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) gebildet. Daher obliege ihm auch die Kostenfestsetzung.

Der Kläger und der Beigeladene zu 2) beantragen, unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 1985 - L 11 Ka 2/84 - die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19. Oktober 1983 zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1), 3) und 4) machen geltend, bei den Zulassungsinstanzen handele es sich nicht um bei der KÄV gebildete Ausschüsse iS des § 63 Abs 3 SGB X. Jedenfalls obliege die Festsetzung des Gegenstandswerts dem Berufungsausschuß.

Die Beigeladenen zu 1) und 3) beantragen, unter Abänderung der Urteile des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19. Oktober 1983 - S 2 Ka 62/82 - und des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen vom 13. Februar 1985 - L 11 Ka 2/84 - die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beigeladenen zu 1) ist zulässig. Als Beigeladene kann sie Revision einlegen, da sie bereits in den Vorinstanzen beteiligt war. Für die Beschwer genügt es, daß das Urteil des LSG für die Beigeladene zu 1) ungünstig ist (vgl BSG SozR 4100 § 86 des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG- Nr 1). Es ist unschädlich, daß die Beigeladene zu 1) in der Berufungsinstanz keinen Antrag gestellt hat, denn sie hält sich im Rahmen des vom Beklagten dort gestellten Antrags auf Klagabweisung.

Die Revisionen sind teilweise begründet. Die Revision des Klägers hat insoweit Erfolg, als das LSG auch den für den Kläger günstigen Teil des angefochtenen Bescheids, nämlich die Festsetzung des Gegenstandswerts nach dem Honorar für vier Quartale, aufgehoben hat. Dieser Teil des Bescheids hat Bestand. Die Revision der Beigeladenen zu 1) ist insoweit begründet, als sie die Abweisung der Klage auf Feststellung eines höheren Gegenstandswerts beantragt, nicht aber hinsichtlich der Klage auf Abänderung des Bescheids. Es bleibt vielmehr bei der Aufhebung desjenigen Teils des Bescheids, der den Gegenstandswert auf das Honorar für vier Quartale begrenzt und einen höheren Gegenstandswert abgelehnt hat. Insoweit hat das LSG mit Recht die Aufhebung des Bescheids durch das SG bestätigt.

Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des LSG abzuändern, denn das LSG hat zu Unrecht den angefochtenen Bescheid ganz aufgehoben. Das LSG ist damit über den Antrag des Beklagten in der Berufungsinstanz, der nur auf Abänderung des SG-Urteils und Klagabweisung gerichtet war, hinausgegangen. Die Anfechtungsklage hat sich ausdrücklich auf die Abänderung des Bescheids vom 31. März 1982 gerichtet. Nach dem vor dem SG gestellten Klageantrag begehrt der Kläger die Abänderung des angefochtenen Bescheids und die Feststellung des Gegenstandswerts mit 90.000,- DM. Die beantragte und vom SG entschiedene Abänderung stellt eine Teilaufhebung des Verwaltungsakts dar. Soweit der angefochtene Bescheid dem Kläger günstig ist, hat er ihn nicht angefochten. Günstig für den Kläger ist die Festsetzung des Gegenstandswerts auf einen Betrag entsprechend dem Honorar für vier Quartale. Er wendet sich in der Klagebegründung lediglich dagegen, daß der Beklagte keinen festen Gegenstandswert bestimmt und nur einen Zeitraum von vier Quartalen zugrunde gelegt hat. Diese (positive) Feststellung will der Kläger bestehen lassen und den Bescheid nur insoweit anfechten, als die Feststellung eines höheren Gegenstandswerts abgelehnt wird. Dem hat das SG entsprochen. Über den Antrag des Beklagten, das Urteil des SG abzuändern und die Klage abzuweisen, durfte das LSG nicht hinausgehen.

Den vom Kläger angefochtenen Teil des Bescheids - Begrenzung des Gegenstandswerts auf vier Quartale - hat das SG aufgehoben. Insoweit hat das LSG das Urteil des SG mit Recht - wenn auch mit anderer Begründung - bestätigt. Die Revision der Beigeladenen zu 1) hat hinsichtlich dieser Aufhebung keinen Erfolg. Auch der Begründung des LSG ist in diesem Punkt zu folgen.

Die Klage gegen den einen höheren Gegenstandswert ablehnenden Teil des Bescheids ist zulässig, denn der Kläger ist durch die Begrenzung des Gegenstandswerts beschwert. Insoweit ist die Klage auch begründet. Der Bescheid ist rechtswidrig. Nach seinem Inhalt soll er den Gegenstandswert des Verfahrens vor dem Beklagten rechtsverbindlich feststellen. Bindend feststellen kann die Behörde aber grundsätzlich nur das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechtsverhältnissen; dies ergibt sich mittelbar aus § 55 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts kann nicht weiterreichen als diejenige eines rechtskräftigen Urteils (BSG SozR 4100 § 41 AFG Nr 22). Unter einem Rechtsverhältnis in diesem Sinn ist eine aus einem konkreten Tatbestand entstandene Rechtsbeziehung von Personen untereinander oder aber einer Person zu einer Sache zu verstehen; hierzu zählen auch einzelne Rechtsbeziehungen oder Verpflichtungen eines weitergehenden Rechtsverhältnisses, wenn das Interesse sich gerade auf sie bezieht (vgl BSG SozR 2200 § 1385 der Reichsversicherungsordnung -RVO- Nr 3). Eine bindungsfähige Regelung liegt dagegen nicht vor, wenn nur einzelne Faktoren, Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses geklärt werden, auch eine darauf gerichtete Feststellungsklage ist unzulässig (BSG SozR Nr 53 zu § 55 SGG). Derartige Feststellungen sind allerdings der Bindung fähig und in einem Verwaltungsakt möglich, wenn sie im Gesetz vorgesehen sind. Anzuerkennen ist ferner ein berechtigtes Interesse an der verbindlichen Feststellung von Vorfragen, Elementen oder Faktoren eines Rechtsverhältnisses, wenn damit ein Streit unter den Beteiligten im Ganzen bereinigt werden kann (so für die Feststellungsklage BSGE 41, 113, 115 = SozR 4100 § 41 AFG Nr 22 unter Hinweis auf BSGE 31, 235).

Der Gegenstandswert, den der Beklagte im angefochtenen Bescheid festgestellt hat, ist nur ein Berechnungsfaktor für den Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten. Von dieser Zuordnung gehen die Beteiligten aus. In der Klageschrift hat der Kläger dargelegt, die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Aufwendungen gemäß § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X setze voraus, daß die Behörde zunächst einmal den Gegenstandswert festsetzt. Es geht um den Kostenerstattungsanspruch, ein anderes Rechtsverhältnis kommt nicht in Betracht.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts durch den Beklagten ist kein eigenständiges Rechtsverhältnis und im Gesetz nicht vorgesehen. Insbesondere fehlt eine entsprechende Regelung für das Verfahren vor dem Berufungsausschuß gemäß § 368b Abs 4 ff RVO. Der Gegenstandswert ist eine Größe für die Bestimmung der Gebühr des Rechtsanwalts (§ 7 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung -BRAGO-). Wenn der für die Gerichtsgebühr maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt wird, ist die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend (§ 9 BRAGO). Eine besondere Festsetzung des Gegenstandswerts ist in § 10 BRAGO geregelt. Sie erfolgt auf Antrag durch Beschluß des Gerichts, wenn sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder wenn es an einem solchen Wert fehlt. Für diese Festsetzung ist aber Voraussetzung, daß der Anwalt im gerichtlichen Verfahren tätig geworden ist. Das ist hier nicht der Fall.

In keiner sonst in Betracht kommenden Vorschrift ist eine Festsetzung des Gegenstandswerts für das Verfahren vor dem Berufungsausschuß vorgesehen.

Das Fehlen einer gesetzlichen Bestimmung über die Festsetzung des Gegenstandswerts eines Verfahrens vor dem Berufungsausschuß nach § 368b Abs 4 ff RVO stellt auch keine planwidrige Regelungslücke dar, die im Sinn der Entscheidung des SG auszufüllen wäre. Dies hat das LSG zutreffend dargelegt.

Die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen im Verfahren vor dem Berufungsausschuß ist in § 63 SGB X geregelt (vgl Urteil des Senats vom 11. Dezember 1985 - 6 RKa 35/84). Wie das LSG dargelegt hat, ist die Anwendung des § 63 SGB X nicht durch § 46 Abs 1 Satz 3 der Zulassungsordnung für Kassenärzte -ZOÄ- idF der Verordnung vom 20. Juli 1977 (BGBl I 1332) ausgeschlossen. Die Vorschrift regelt die Rückzahlung der nach § 46 Abs 1 Satz 1 Buchst d ZOÄ gezahlten Gebühr. Dabei handelt es sich um eine den Gerichtsgebühren vergleichbare Zahlung und nicht um den Ersatz sonstiger Aufwendungen des Widerspruchsführers zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, insbesondere nicht um Rechtsanwaltsgebühren. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß durch § 46 Abs 1 Satz 3 ZOÄ die Erstattung solcher Aufwendungen ausgeschlossen werden sollte. Für diese Aufwendungen war bis zum Inkrafttreten des SGB X keine Erstattung vorgesehen, so daß insbesondere kein Grund ersichtlich war, die Erstattung dieser Aufwendungen auszuschließen.

Bei erfolgreichem Widerspruch sind nach § 63 Abs 1 SGB X dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Über die Erstattungspflicht dem Grunde nach ergeht eine Kostenentscheidung, in der auch bestimmt wird, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war (§ 63 Abs 3 Satz 2 SGB X). Geregelt ist in § 63 Abs 3 SGB X weiter die Kostenfestsetzung. Diese richtet sich allerdings, wenn Aufwendungen für einen Rechtsanwalt zu erstatten sind, nach dem Gegenstandswert. Nach § 7 BRAGO werden die Rechtsanwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften für die Gebühr im Verwaltungsverfahren, das dem Rechtsstreit vorausgeht und der Nachprüfung des Verwaltungsakts dient (§§ 118, 119 BRAGO), enthalten keine abweichenden Regelungen. Da die Gebühren des Rechtsanwalts in gerichtlichen Verfahren aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen nach dem Gegenstandswert zu berechnen sind (§ 116 Abs 2 BRAGO), kommt auch eine analoge Anwendung der anderen Regelungen in § 116 Abs 1 BRAGO nicht in Betracht.

Aus diesen Vorschriften folgt aber nicht, daß der Gegenstandswert des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuß nach § 368b Abs 4 ff RVO ausdrücklich und besonders festgestellt werden müßte. Eine verbindliche Feststellung des Gegenstandswerts im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 63 SGB X ist weder notwendig noch mit der Systematik des Gesetzes vereinbar. Systematisch kann der für die Forderung des Rechtsanwalts gegen seinen Auftraggeber maßgebende Gegenstandswert mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung nicht im Verfahren über den Kostenerstattungsanspruch gegen einen Dritten verbindlich geregelt werden. Vom Rechtsverhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Auftraggeber ist das Rechtsverhältnis des Auftraggebers zum erstattungspflichtigen Dritten zu unterscheiden. Im Zusammenhang der gesetzlichen Regelungen kann die verbindliche Festsetzung eines Gegenstandswerts im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 63 SGB X auch nicht als notwendig und die Ausfüllung einer Lücke im Gesetz deshalb als geboten angesehen werden. Eine solche Festsetzung fehlt nicht nur im Fall des § 63 SGB X. In § 118 BRAGO ist sie auch für das Verhältnis des Rechtsanwalts zum Auftraggeber nicht vorgesehen. Der Rechtsanwalt muß deshalb insoweit selbst einen Gegenstandswert angeben. Wenn der Auftraggeber den angegebenen Wert nicht anerkennt und die entsprechende Gebühr nicht zahlt, bleibt dem Rechtsanwalt nur die Gebührenklage, auf die das Gericht dann den Gegenstandswert zu ermitteln hat. Auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 63 Abs 3 SGB X müssen die Beteiligten und die für die Entscheidung zuständigen Stellen ohne verbindliche Gegenstandswertfestsetzung auskommen. Allerdings ist in Zulassungssachen der Kassenärzte der Gegenstandswert gemäß § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGO nach billigem Ermessen zu bestimmen (Beschluß des Senats vom 21. März 1986 - 6 RKa 29/84). Auch daraus folgt aber nicht, daß die Bestimmung des Gegenstandswerts notwendig durch eine ausdrückliche Entscheidung zu erfolgen hat. Die Bestimmung eines Wertes nach billigem Ermessen erfolgt nicht zwingend durch Verwaltungsakt oder Urteil. Vielmehr kann sie auch im privaten Rechtsverkehr getroffen werden (vgl § 317 des Bürgerlichen Gesetzesbuches -BGB-). Nach § 12 BRAGO bestimmt bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühr nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Wenn sich dies im Rahmen einer Kostenerstattungspflicht nach § 63 SGB X ergibt, hat die zuständige Behörde die angemessene Gebühr festzusetzen, ohne daß ihr dabei ein Handlungsermessen zusteht, so daß die angemessene Gebühr vom Gericht bestimmt werden kann (vgl BSG SozR 1300 § 63 SGB X Nr 4). In gleicher Weise ist auch bei der Bestimmung des Gegenstandswerts nach § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGO zu verfahren. Über den Gegenstandswert ist als Vorfrage für die Kostenfestsetzung nach § 63 Abs 3 SGB X zu entscheiden.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts als eines Elementes der Kostenfestsetzung würde auch nicht den Streit der Beteiligten im Ganzen bereinigen. Einer Kostenfestsetzung müßte bei feststehendem Gegenstandswert jedenfalls noch die Bestimmung der Gebühr durch den jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers nach billigem Ermessen vorangehen. Es besteht ferner kein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung des Gegenstandswerts, denn es sind keine Gründe erkennbar, warum nicht alsbald die Kosten festgesetzt werden können.

Aus diesen Gründen ist der Bescheid des Beklagten aufzuheben, soweit er angefochten ist, dh soweit er den Gegenstandswert auf vier Quartale begrenzt hat.

Dagegen hat die Revision der Beigeladenen zu 1) Erfolg, soweit sie Abweisung der Klage auf Feststellung eines höheren Gegenstandswerts begehrt. Die Feststellungsklage ist unzulässig. Nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 55 Abs 1 Nr 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellung des Gegenstandswerts ist aber, wie dargelegt, kein Rechtsverhältnis. Es fehlt auch am berechtigten Interesse auf baldige Feststellung, denn der Kläger kann auf die Kostenfestsetzung verwiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657713

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