Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme von Kassenärzten am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst. Freistellung vom Notfallvertretungsdienst
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung ist nicht auf bestimmte Zeiträume (zB Sprechstunden, Werktage) beschränkt, sie muß vielmehr auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein ("rund um die Uhr"); das macht es erforderlich - falls nicht anders vorgesorgt -, für bestimmte Zeiten (insbesondere für das Wochenende) einen Notfalldienst zu organisieren.
2. Nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann ein Kassenarzt von der Verpflichtung zur Teilnahme am Notfalldienst ganz oder teilweise entbunden werden, falls dadurch die Durchführung des Notfalldienstes nicht gefährdet wird.
Orientierungssatz
1. Die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) kann den kassenärztlichen Notfalldienst aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages, die kassenärztliche Versorgung der Versicherten einschließlich eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes sicherzustellen (§ 368n Abs 1 iVm § 368 Abs 3 RVO), im Rahmen ihrer Satzungsautonomie (§ 368k RVO) selbständig regeln (Urteil vom 15.4.1980 6 RKa 8/78 = USK 8055 mwN).
2. Der Notfallvertretungsdienst ist Aufgabe aller Kassenärzte. Es kann daher grundsätzlich von jedem Kassenarzt verlangt werden, den Notfallvertretungsdienst, der für ihn auch eine Entlastung darstellt, zumindest solange mitzutragen, wie er in vollem Umfang kassenärztlich tätig ist. Es ist nicht geboten, einzelne - gesundheitlich beeinträchtigte - Kassenärzte zu Lasten ihrer Kollegen von kassenärztlichen Pflichten freizustellen, wenn sie im übrigen die wirtschaftlichen Möglichkeiten ihres Berufes voll nutzen. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die ersatzlose Freistellung auch davon abhängig gemacht wird, daß dem Kassenarzt aufgrund seiner Einkommensverhältnisse (Rückgang des Honorareinkommens) nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfallvertretungsdienst auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen.
Normenkette
RVO § 368n Abs. 1, § 368 Abs. 3, § 368k Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 07.11.1984; Aktenzeichen L 7 Ka 1329/83) |
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 14.09.1983; Aktenzeichen S 5 Ka 02/83) |
Tatbestand
Streitig ist die Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Notfallvertretungsdienst (NVD).
Der 1924 geborene Kläger ist Internist und als Kassenarzt zugelassen. Mit seiner Ehefrau, die praktische Ärztin ist, führt er eine Gemeinschaftspraxis. Im Dezember 1981 beantragte er bei der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung die Befreiung vom NVD. Er machte geltend, das Versorgungsamt habe bei ihm eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vH anerkannt und dabei noch nicht eine Linsentrübung mit Doppeltsehen, Blendempfindlichkeit und mangelnder Dunkeladaption berücksichtigt. Wegen Phlebothrombosen müsse er Oberschenkelkompressionsstrümpfe mit verschiedenen Spezialdruckkissen tragen; das Anlegen und Abnehmen dieser Korsage sei mit einem Zeitaufwand verbunden, der eine rechtzeitige Hilfeleistung im Bereitschaftsdienst unmöglich mache. Zudem werde durch den Ausfall der Bizepssehne das Anlegen der Kleidung hochgradig verlangsamt und sei oft nur mit fremder Hilfe möglich. Er sei nicht bereit, wie von der Beklagten verlangt, sich wegen einer Berufsunfähigkeit als Arzt begutachten zu lassen; es gehe hier nur um seine Einsatzfähigkeit im NVD.
Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheide vom 5. März und 3. Mai 1982) und wies den dagegen eingelegten Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. November 1982). Zur Begründung führte sie aus: Die Befreiung vom NVD stelle eine große Ausnahme dar, es werde ein sehr strenger Maßstab angelegt. In der Regel sei es dem Arzt zuzumuten, sich von einem anderen Arzt vertreten zu lassen, es sei denn, die dadurch entstehende finanzielle Belastung wäre unzumutbar. Dies treffe jedoch beim Kläger in Anbetracht des erzielten Honorarumsatzes nicht zu. Zudem würden erfahrungsgemäß die im NVD erarbeiteten Honorare zuzüglich der aus Sicherstellungsmitteln gezahlten Pauschalbeträge die Kosten für den Vertreter abdecken.
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) und das Landessozialgericht (LSG) kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß der Kläger keinen Anspruch auf ersatzlose Freistellung vom NVD habe; er sei vielmehr verpflichtet, gemäß der Bestimmung IV. 2. c) der vom Vorstand der Beklagten im Einvernehmen mit dem Präsidium der Landesärztekammer Hessen (LÄK) erlassenen Richtlinien zur Durchführung des Notfalldienstes (Notfalldienst-Richtlinien) einen Vertreter für den NVD auf seine Kosten zu stellen. Die Ermächtigungsgrundlage für diese Richtlinien finde sich in § 7 des gemeinsamen Statuts der Beklagten und der LÄK über die gemeinsame Einrichtung und Durchführung des ärztlichen NVD. Von der Verpflichtung, am NVD teilzunehmen, könne ein Arzt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ganz oder teilweise freigestellt werden, falls hierdurch die Durchführung des NVD nicht gefährdet werde (§ 5 Abs 1 des Statuts). Diese Gefährdung könne dadurch vermieden werden, daß der Arzt, der wie hier der Kläger infolge physischen Unvermögens nicht persönlich teilnehmen könne, einen geeigneten Vertreter für den NVD zur Verfügung stelle. Dies sei im wesentlichen der Gedanke der Bestimmung IV. 2. c) der Notfalldienst-Richtlinien. Die persönlichen Gründe, die zu einer Befreiung des Praxis-Inhabers führten, hätten keine Gültigkeit für die Praxis selbst, zumal dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Ehefrau des Klägers in Gemeinschaft mit dem Kläger die Praxis betreibe und somit auch dem NVD zur Verfügung stehe. Die Verpflichtung, für einen geeigneten Vertreter zu sorgen, ergebe sich aus dem Sinn und Zweck des NVD. Der Sicherstellungsauftrag umfasse auch den NVD (§ 368 Abs 3, § 368n Abs 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Dieser Dienst sei wesentlicher Bestandteil der gesamten kassenärztlichen Versorgung und dem ärztlichen Praxisdienst gleichwertig. Als Kassenarzt sei ungeeignet, wer Aufgabenbereiche der kassenärztlichen Versorgung nicht wahrnehmen könne. Bei dem Unvermögen, am NVD persönlich teilzunehmen, handele es sich um die gleiche Situation wie bei der Urlaubsabwesenheit und Krankheit des Kassenarztes; auch in diesen Fällen stelle der Kassenarzt einen Vertreter (§ 17 der Berufsordnung). Der Hinweis des Klägers, in F gäbe es keine geeigneten Vertreter, gehe fehl, zumal die Ärzte zur gegenseitigen Vertretung verpflichtet seien (§ 17 Abs 2 der Berufsordnung). Es sei dem Kläger zuzumuten, einen Vertreter zu stellen und zu bezahlen; dies dürfte ihm bei einem jährlichen Gesamtumsatz der Gemeinschaftspraxis von über DM 330.000,-- nicht schwerfallen. Die Bestimmung IV. 2. c) der Notfalldienst-Richtlinien sei keinesfalls willkürlich. § 5 des Statuts sanktioniere auch nicht eine ersatzlose Befreiung.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von Satzungsrecht, das revisibel sei (BSGE 13, 191); die Satzungen anderer Kassenärztlicher Vereinigungen enthielten inhaltlich gleichlautende Vorschriften. Diese Übereinstimmung sei nicht zufällig, sondern bewußt und gewollt. Durch die angegriffenen Bescheide werde er in seinen Grundrechten verletzt; die Notfalldienst-Richtlinien, die ihn in seinen Rechten beeinträchtigten, seien nicht entsprechend dem Statut erlassen, so daß es an einer Ermächtigungsgrundlage fehle. Es sei bereits fraglich, inwieweit eine Kompetenz der Beklagten und der LÄK gegeben sei. Eine so weit reichende Kompetenz des Vorstandes lasse sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Der Satzungsgeber hätte für die nähere Ausgestaltung hinreichend deutliche Grenzen des Ermessensbereiches bestimmen müssen. Der NVD sei persönlich zu erbringen, das aber sei ihm unstreitig nicht möglich. Andere Möglichkeiten (zB Dienst in einer Notfallzentrale) sehe das Statut nicht vor. Im übrigen sei nach ärztlichem Berufsrecht eine Dauervertretung grundsätzlich unzulässig. Die angegriffene Regelung der Notfalldienst-Richtlinien verstoße auch gegen das Sozialstaatsprinzip und den Gleichheitsgrundsatz. Beide Vorinstanzen hätten schließlich einen Sachverhalt zugrunde gelegt, der mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht übereinstimme. Der angenommene Jahresumsatz von DM 330.000,-- beziehe sich auf die Gemeinschaftspraxis; zudem sei seine Praxistätigkeit inzwischen zurückgegangen. Durch die NVD-Pauschale, die in dem fraglichen Zeitraum noch gar nicht gezahlt worden sei, werde allenfalls ein geringer Bruchteil der anfallenden Kosten abgedeckt (Pauschale ab Januar 1984 in Höhe von DM 127,-- bis DM 187,--, Kostenaufwand mindestens DM 500,--). Seine Ehefrau habe einen Anspruch darauf, nicht in stärkerem Maße als andere herangezogen zu werden (BVerwG in NJW 1976, 385). Durch seine ersatzlose Freistellung werde die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung in keiner Weise gefährdet. Das LSG hätte sowohl hinsichtlich der Möglichkeit einer Vertretung als auch hinsichtlich der Zahlung einer Pauschale die angebotenen Beweise erheben müssen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. November 1984 - L 7 Ka 1329/83 -, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 14. September 1983 - S 5 Ka 2/83 - und die Bescheide der Beklagten vom 5. März und 3. Mai 1982 idF des Widerspruchsbescheides vom 29. November 1982 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Sie hält die Begründung des Berufungsurteils für überzeugend. Der Kläger mißverstehe das Wesen des kassenärztlichen NVD. Der organisierte NVD sei für den einzelnen Kassenarzt keine zusätzliche Belastung, sondern eine Entlastung. Der Kassenarzt habe die in seiner Behandlung stehenden Patienten rund um die Uhr zu versorgen. Der NVD sei eingerichtet worden, um dem einzelnen Kassenarzt zu ermöglichen, sich am Wochenende zu erholen und sich seinem Privatleben zu widmen. Die Verfahrensrüge sei unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Die dem Berufungsurteil zugrundeliegenden satzungsrechtlichen Vorschriften der Beklagten - § 5 Abs 1 und § 7 des auch von der Abgeordnetenversammlung der Beklagten beschlossenen gemeinsamen Statuts der Beklagten und der LÄK - sind nichtrevisibles Recht (§ 162 SGG). Sie gelten nur im Bezirk des Berufungsgerichts. Die Behauptung des Klägers, "die Satzungen der KV Rheinland-Pfalz, Bayern, des Saarlandes und Baden-Württemberg" enthielten inhaltlich gleichlautende Satzungsvorschriften, ist durch konkrete Angaben nicht belegt. Der Revisionsbegründung ist nicht zu entnehmen, daß inhaltlich übereinstimmende und zum Zwecke der Vereinheitlichung erlassene Vorschriften in anderen Bundesländern bestehen (vgl BSG SozR 4100 § 117 AFG Nr 14; BSGE 56, 45, 50 f = SozR 2100 § 70 SGB IV Nr 1). Abgesehen davon, daß es eine KÄV Baden-Württemberg und eine KÄV Rheinland-Pfalz überhaupt nicht gibt und deshalb nicht ersichtlich ist, welche KÄV'en der Kläger meint (die KÄV Nord-Württemberg, die KÄV Südwürttemberg, die KÄV Nordbaden, die KÄV Südbaden, die KÄV Pfalz, die KÄV Trier, die KÄV Koblenz und bzw oder die KÄV Rheinhessen), werden vom Kläger keine Satzungsvorschriften gegenübergestellt, die seine Behauptung rechtfertigen könnten. Die von ihm angegebene Regelung, daß "ein Kassenarzt auch für den Fall, daß er aus gesundheitlichen Gründen an der persönlichen Erbringung der Leistung gehindert ist, dennoch einen vertretenden Arzt besorgen und bezahlen muß", findet sich in keiner vom Berufungsgericht herangezogenen Satzungsvorschrift der Beklagten. Der Kläger bezieht sich dabei offenbar auf die Bestimmung IV. 2. c) der Notfalldienst-Richtlinien. Dabei handelt es sich aber nicht um Satzungsrecht, sondern um Verwaltungsrichtlinien. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß sich die Beklagte mit diesen Richtlinien im Rahmen ihres Satzungsrechts hält. Die Richtlinien selbst stellen aber keine satzungsrechtlichen Normen dar, sie dienen nur der Anwendung des Satzungsrechts. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob andere Kassenärztliche Vereinigungen Satzungsvorschriften haben, die inhaltlich mit den Richtlinien der Beklagten übereinstimmen. Der Senat darf somit nur prüfen, ob das hier angewandte Satzungsrecht mit höherrangigem Recht im Einklang steht. Er ist dabei an das vom Berufungsgericht festgestellte Satzungsrecht gebunden (§ 202 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- iVm § 562 der Zivilprozeßordnung).
Nach den Feststellungen des LSG bestimmt § 5 Abs 1 des Statuts, daß ein Arzt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von der Verpflichtung zur Teilnahme an dem NVD ganz oder teilweise freigestellt werden kann, falls hierdurch die Durchführung des NVD nicht gefährdet wird. In der Auslegung durch das LSG besagt diese Vorschrift nicht, daß ein Arzt, der aus gesundheitlichen Gründen gehindert ist, am NVD persönlich teilzunehmen, ersatzlos freigestellt werden muß. Das LSG sieht in § 5 Abs 1 des Statuts einen Ermessensspielraum der Verwaltung, der durch die vom Vorstand der Beklagten im Einvernehmen mit dem Präsidium der LÄK erlassenen Notfalldienst-Richtlinien ausgefüllt werden konnte. Für die Notfalldienst-Richtlinien soll zudem § 7 des Statuts eine besondere Ermächtigung enthalten.
Diese satzungsrechtliche Regelung beruht auf gesetzlicher Grundlage. Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, kann die KÄV den kassenärztlichen Notfalldienst aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages, die kassenärztliche Versorgung der Versicherten einschließlich eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes sicherzustellen (§ 368n Abs 1 iVm § 368 Abs 3 RVO), im Rahmen ihrer Satzungsautonomie (§ 368k RVO) selbständig regeln (BSGE 44, 252 = SozR 2200 § 368n RVO Nr 12; Urteil des Senats vom 15. April 1980 - 6 RKa 8/78 - KVRS A-6060/1 = USK 8055 mwN). Sie kann dabei auch, soweit besondere Verhältnisse in Einzelfällen Berücksichtigung verdienen, der Verwaltung einen Ermessensspielraum einräumen. Dies gilt insbesondere für die Freistellung vom Notfalldienst. Eine diesbezügliche Satzungsregelung ist hinreichend bestimmt, wenn sie die Freistellung - wie hier - von einem wichtigen Grund und ferner davon abhängig macht, daß die Durchführung des NVD nicht gefährdet wird. Auch der Gesetzgeber verfährt vielfach in ähnlicher Weise, wenn er der Verwaltung die Möglichkeit einräumen will, besonderen Härtefällen Rechnung zu tragen. Beide Voraussetzungen der Freistellung vom NVD, der wichtige Grund einerseits und die Nichtgefährdung des NVD andererseits, sind im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Kassenarztrecht zu sehen und werden deshalb durch dieses in einer die Verwaltung bindenden Weise näher bestimmt.
Die Auslegung des § 5 Abs 1 des Statuts in dem Sinne, daß die Beklagte bei der Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Freistellung vom NVD nach der Bestimmung IV. 2. c) der Notfalldienst-Richtlinien verfahren durfte, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Gemäß der vorgenannten Richtlinienbestimmung ist bei der Entscheidung über eine völlige, teilweise und zeitweilige Freistellung vom NVD ua stets zu prüfen, ob dem Arzt aufgegeben werden kann, den NVD auf eigene Kosten von einem geeigneten Vertreter wahrnehmen zu lassen. Aus übergeordnetem Recht ergibt sich nicht, daß auf diese Prüfung zu verzichten ist, wenn der persönlichen Teilnahme am NVD gesundheitliche Gründe entgegenstehen. Vielmehr läßt sich mit dem übergeordneten Recht vereinbaren, die Freistellung vom NVD zusätzlich von beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Arztes, insbesondere von seinem Honorarumsatz abhängig zu machen. Das Kassenarztrecht überträgt die ärztliche Versorgung der Versicherten denjenigen freiberuflich tätigen Ärzten, die dazu bereit sind. Mit der auf ihren Antrag hin ausgesprochenen Zulassung übernehmen die Ärzte die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung (§§ 368, 368a, 368k, 368n RVO). Zutreffend ist in den Vorinstanzen darauf hingewiesen worden, daß die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung nicht auf gewisse Zeiträume (zB Sprechstunden, Werktage) beschränkt ist, sondern auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein muß ("rund um die Uhr"). Die Erfüllung dieser Aufgabe macht es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insbesondere für die Wochenenden) einen NVD zu organisieren (§ 368 Abs 3 RVO). Da es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Kassenärzte handelt, sind auch alle Kassenärzte zur Mitwirkung heranzuziehen, und zwar in einer alle gleichmäßig belastenden Weise. Persönliche Verhältnisse des einzelnen Arztes bleiben dabei grundsätzlich unberücksichtigt. Ein Kassenarzt hat den NVD, der für ihn auch eine Entlastung darstellt, zumindest solange gleichwertig mitzutragen, wie er in vollem Umfange kassenärztlich tätig ist. Es ist nicht geboten, einzelne Kassenärzte zu Lasten ihrer Kollegen von kassenärztlichen Pflichten freizustellen, wenn sie im übrigen ihrer beruflichen Tätigkeit uneingeschränkt nachgehen, also die wirtschaftlichen Möglichkeiten des freien Berufes voll nutzen und deshalb wirtschaftlich nicht schlechter, eventuell sogar besser gestellt sind als ihre Kollegen, auf deren Kosten sie die Freistellung begehren. Es ist daher mit den Grundsätzen des Kassenarztrechts vereinbar, wenn die Freistellung von der gemeinsamen Aufgabe des NVD nicht allein von den gesundheitlichen Verhältnissen des Kassenarztes, sondern auch davon abhängig gemacht wird, ob die gesundheitlichen Verhältnisse sich nachteilig auf die allgemeine berufliche Tätigkeit des Arztes auswirken, zB daß sie zu einer deutlichen Einschränkung der Praxisausübung geführt haben (vgl § 3 Ziffer 2 der Notfalldienstordnung der KÄV Nordbaden) oder wie im Bereich der Beklagten dem Kassenarzt aufgrund seiner Einkommensverhältnisse (des Honorarumsatzes) nicht mehr zugemutet werden kann, den NVD auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen.
Die vom Kläger gerügten Grundrechtsverletzungen können ebenfalls nicht bestätigt werden. NVD-Regelungen der vorliegenden Art schränken die Berufsausübung nicht in unzulässiger Weise ein (vgl die oben angegebenen Urteile des Senats). Die Beklagte hat mit dem hier maßgeblichen Satzungsrecht und dessen Anwendung auf den Kläger (gemäß den Notfalldienst-Richtlinien ihres Vorstandes) auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die satzungsrechtlichen Regelungen und die Notfalldienst-Richtlinien entsprechen diesen Grundsätzen, wenn sie alle Ärzte, die ihrer beruflichen Tätigkeit noch voll nachgehen, zum gemeinsamen NVD heranziehen. Schließlich liegt keine Verletzung des Sozialstaatsgebots vor. Es ist von Verfassungswegen nicht geboten, den durch gesundheitliche Beschwerden in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkten Kassenarzt von seinem Beitrag zum gemeinsamen NVD zu entbinden, solange ihm dieser Beitrag, wenn auch nur durch einen Vertreter, möglich ist und die damit unter Umständen verbundene Kostenbelastung aufgrund seines beruflichen Einkommens zugemutet werden kann. Zu Recht weist die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid auf die Eigenverantwortung des freiberuflich Tätigen und auf die aus der Kassenzulassung sich ergebenden Verpflichtungen hin. Die dem Kläger zugemutete Wahrnehmung des NVD durch einen Vertreter ist keine Sanktion, sondern ein allen Kassenärzten obliegender Beitrag zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung.
Schließlich können auch die Verfahrensrügen der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Die Beanstandung, die Vorinstanzen hätten einen mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht übereinstimmenden Sachverhalt zugrunde gelegt, ist unbegründet. Das Gesamthonorar von DM 330.000,-- (aus der Tätigkeit für die gesetzlichen Krankenkassen und die Ersatzkassen) wird vom LSG ausdrücklich auf die Gemeinschaftspraxis, also nicht auf die Tätigkeit des Klägers allein bezogen. Das LSG hatte keine Veranlassung, Ermittlungen darüber anzustellen, ob sich das Honorar zwischenzeitlich in einem beachtenswerten Umfange gemindert hat. Einen solchen Rückgang seiner Honorareinkünfte hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht. Das LSG mußte auch nicht klären, ob den Ärzten für den jeweils geleisteten NVD schon vor 1984 eine Pauschale aus den Sicherstellungsmitteln der KÄV gezahlt worden ist und ob die dann gezahlten Beträge von angeblich DM 127,-- bis DM 187,-(zusammen mit dem erarbeiteten Honorar) den Kostenaufwand für einen Vertreter (angeblich DM 500,--) abgedeckt haben. Da im Bezirk der Beklagten jeder Kassenarzt, der seiner beruflichen Tätigkeit uneingeschränkt nachgeht, zur Sicherstellung des NVD beizutragen hat (entweder durch eigene Dienstleistung oder durch Stellung eines Vertreters), ist die Verpflichtung im Einzelfall nicht davon abhängig, ob eine Pauschale gezahlt wird. Auch der Einwand des Klägers, er habe einen Vertreter nicht bekommen können, hat das LSG nicht zu einer Beweiserhebung veranlassen müssen. Zum einen werden vom Kläger erfolglose Bemühungen nicht konkret dargelegt, zum anderen verweist das LSG mit Recht auf die besonderen Möglichkeiten der hier vorliegenden Gemeinschaftspraxis. Die Ehefrau des Klägers, die Partnerin der Gemeinschaftspraxis, muß durch eine eventuelle Übernahme des dem Kläger obliegenden NVD-Beitrages nicht stärker belastet sein. Die Partner einer Gemeinschaftspraxis können eine Aufgabenverteilung vornehmen, die dem jeweiligen Leistungsvermögen Rechnung trägt. Die Inanspruchnahme der Praxis in dringenden Fällen beschränkt sich zudem nicht auf die wenigen Tage im Jahr, an denen der Kassenarzt im NVD-Bezirk des Klägers an einem Wochenende oder an einem Mittwoch NVD zu leisten hat. Auch in der übrigen Zeit muß die Praxis für dringende Fälle zur Verfügung stehen. Für diesen Einsatz ist der Kläger, geht man von seinen Angaben aus, ebenfalls nicht geeignet. Es müßte deshalb auch in dieser Hinsicht durch Aufgabenverteilung innerhalb der Gemeinschaftspraxis für einen Ausgleich gesorgt werden. Das Tatsachenvorbringen des Klägers im Berufungsverfahren, seine Ehefrau müsse infolge einer zwischenzeitlich aufgetretenen Immunschwäche Streßsituationen vermeiden, wird nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauslegung durch das LSG erst Bedeutung erlangen, wenn die Erkrankung zur Einschränkung der Gemeinschaftspraxis (Rückgang des Gesamthonorars) führt. Diesbezüglich Ermittlungen durchzuführen, hatte das LSG, wie bereits ausgeführt, keinen Anlaß.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen