Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 01.08.1991) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 1. August 1991 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob die Beklagte Kosten zu erstatten hat, die durch die Behandlung der Klägerin durch einen nichtärztlichen Psychotherapeuten (Dipl-Psychologen) in der Zeit vom 3. Februar bis 30. Oktober 1986 entstanden sind.
Die bei der Beklagten pflichtversicherte Klägerin beantragte am 12. Februar 1986 anläßlich einer beginnenden psychologischen Behandlung bei dem Dipl-Psychologen P. … (P.) Kostenzusage unter Hinweis auf ein beigefügtes privatärztliches Attest des Dr. A.. Danach litt die Klägerin unter einem ausgedehnten psychosomatischen Beschwerdekomplex, der eine Psychotherapie bei einem Dipl-Psychologen notwendig machte. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ua mit der Begründung ab, daß die Durchführung einer Verhaltenstherapie durch einen Dipl-Psychologen seit 1. April 1986 als Kassenleistung zwar möglich sei, jedoch voraussetze, daß dieser im Wege der Delegation von einem zur kassenärztlichen Behandlung zugelassenen Arzt mit entsprechender Befähigung zur Psychotherapie beauftragt worden sei (Bescheid vom 17. Februar 1986; Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 1986).
Die auf Kostenerstattung iHv 2.245,64 DM gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Kassel vom 23. Februar 1989; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 1. August 1991). Das LSG hat unter Bezugnahme auf BSG SozR 2200 § 182 Nrn 47, 48, 57 und 80 ausgeführt, daß zwar auch eine Psychotherapie als Kassenleistung gewährt werden könne; diese sei aber entweder von einem hierzu besonders qualifizierten Arzt selbst oder durch einen von diesem beauftragten nichtärztlichen Therapeuten durchzuführen (sog Delegationsverfahren). Hingegen sei die selbständige verhaltenstherapeutische Behandlung durch Dipl-Psychologen nach dem sog Arztvorbehalt ausgeschlossen. Dies sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Da die Klägerin die Inanspruchnahme ärztlicher Psychotherapeuten von vornherein ausgeschlossen und auch von vornherein das geltende Delegationsverfahren abgelehnt habe, hätten die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs, wie ihn die Rechtsprechung als Ausnahme vom Sachleistungsprinzip zugelassen habe, nicht vorgelegen. Denn weder habe der Versicherungsträger eine Sachleistung zu Unrecht verweigert noch könne – auch ohne Antragstellung – als sicher davon ausgegangen werden, daß die begehrte Leistung verweigert worden wäre. Die Kasse sei vielmehr bereit gewesen, die begehrte Psychotherapie durch die im Kassenbezirk zugelassenen ärztlichen Psychotherapeuten durchführen zu lassen. Da die Klägerin mindestens im Laufe des Widerspruchsverfahrens auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sei, sei ein Erstattungsbegehren auch unter dem Gesichtspunkt eines Herstellungsanspruchs nicht begründet. Der begehrten Kostenerstattung stehe aber entscheidend entgegen, daß die für die psychologische Behandlung durch Herrn P. erforderliche Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz (HPG) im Behandlungszeitraum nicht nachgewiesen sei. Da bei fehlender Erlaubnis der Behandlungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Dipl-Psychologen wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sei, sei ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung aufgewandter Kosten schon aus diesem Grund ausgeschlossen. Die Klägerin habe für den hier maßgeblichen Zeitraum trotz entsprechenden Hinweises keinen Nachweis für eine Herrn P. erteilte Erlaubnis vorgelegt, so daß davon ausgegangen werden müsse, daß sie tatsächlich auch nicht erteilt gewesen sei. Hieran ändere auch nichts, daß die Kassenpsychologische Vereinigung (KPV) das Vorhandensein der entsprechenden Erlaubnis bestätigt habe.
Mit der – vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen – Revision rügt die Klägerin zunächst eine Verletzung rechtlichen Gehörs und eine unzureichende Aufklärung des Sachverhalts. Das LSG habe allein daraus, daß bis zum Termin am 1. August 1991 eine Bescheinigung über den Beginn der Heilbehandlungs-Erlaubnis des behandelnden Psychologen nicht vorgelegt worden sei, nicht schließen dürfen, daß dessen Erlaubnis in der streitigen Zeit gefehlt habe. Damit sei ihr, der Klägerin, das rechtliche Gehör verweigert worden, weil sie nach den Umständen des Falles keine Gelegenheit gehabt habe, den geforderten Nachweis beizubringen oder sich jedenfalls zu seiner Nichtvorlage zu äußern. Am 22. Juli 1991 sei beim LSG das Schreiben der KPV vom 1. Juli 1991 eingegangen, demzufolge der behandelnde Psychologe über die Behandlungserlaubnis verfügt habe. Weil die Frage nach dem Beginn dieser Erlaubnis in diesem Schreiben nicht beantwortet gewesen sei, habe das LSG unter dem 23. Juli 1991 (nachdem ihre Prozeßbevollmächtigten das Mandat niedergelegt hatten) an ihre, der Klägerin, Adresse eine erneute Anfrage gerichtet. Diese Anfrage habe sie wegen ihres zwischenzeitlichen Umzugs ausweislich der Akten nicht erhalten. Eine am 24. Juli 1991 an ihre neue Adresse gerichtete Anfrage habe sie ebenfalls nicht erhalten und habe deshalb nicht wissen können, daß es für die Entscheidung auf die genaue Datierung der Erlaubniserteilung ankommen werde. Angesichts der nur kurzen Zeitspanne zwischen Absendung der Anfrage und dem Termin (ca 1 Woche) habe jedenfalls das LSG aus der Nichtvorlage der Auskunft einen streitentscheidenden Rückschluß auf das Fehlen der Erlaubnis zur Zeit der Behandlung nicht ziehen dürfen.
Soweit das LSG bei der Beurteilung des Kostenerstattungsanspruchs davon ausgehe, daß die Beklagte in der Lage gewesen wäre, die benötigte Psychotherapie durch die im Kassenbezirk zugelassenen ärztlichen Psychotherapeuten durchführen zu lassen, sei § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletzt. Im Berufungsverfahren sei hierzu unter Beweisantritt dargelegt worden, daß keiner der von der Krankenkasse „ausgelobten” Vertragsbehandler über die notwendige Qualifikation eines Psychologen mit vorherigem abgeschlossenem Vollstudium verfügt habe und daß sie auch rein tatsächlich nicht befähigt gewesen seien, Verhaltenstherapie durchzuführen. Wäre das LSG insoweit den Beweisanträgen nachgegangen, wäre es zu dem Ergebnis gekommen, daß die Beklagte gerade nicht ihrer Verpflichtung zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung in diesem Bereich hätte nachkommen können. Darüber hinaus habe das LSG die §§ 122, 368n, 182, 507 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF sowie Art 2, 3 Abs 1, 20 und 28 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Der Ausschluß der Dipl-Psychologen von der selbständigen Heilbehandlung und ihre Verweisung auf das Delegationsverfahren seien nicht vom Gesetz gedeckt und verstießen gegen die Verfassung. Bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Beschluß vom 10. Mai 1988 (NJW 1988, 2293, 2295) entsprechende Bedenken geäußert. Weil die psychologische Medizin nicht zum Beruf des Organmediziners (Arztes) gehöre, sondern allein vom Psychologen beherrscht werde, sei das sog Delegationsverfahren eine reine Fiktion; denn der delegierende Arzt verfüge über geringere Sachkunde als der die Behandlung durchführende Psychologe und könne die Leistungen des Psychologen weder anleiten noch beaufsichtigen. Dieser bestimme vielmehr das gesamte Leistungsspektrum einschließlich Diagnose- und Indikationsstellung und entscheide eigenverantwortlich darüber, ob, wann und welche psychologisch-medizinischen Maßnahmen durchgeführt werden müßten. Da insoweit der Organmediziner die einzelnen Verfahrensschritte und deren Auswirkungen nicht kenne, könne ihm für die Behandlung durch den Psychologen auch nicht die Verantwortung mit unabsehbaren Haftungsrisiken und womöglich erheblichen straf-, disziplinar- und standesrechtlichen Sanktionen zugemutet werden. Aus alledem folge, daß dem Patienten die Möglichkeit zu eröffnen sei, psychologisch-medizinische Behandlung und Betreuung unmittelbar bei einem Psychologen in Anspruch zu nehmen. Andernfalls werde dieser in seiner beruflichen Entwicklung unter Verstoß gegen Art 12 GG nachhaltig beeinträchtigt. Ohne eine entsprechende selbständige Behandlung durch diesen könne die medizinische Versorgung im Bereich der psychologischen Medizin nicht sichergestellt werden. Da die Beklagte somit verabsäumt habe, die erforderliche Sachleistung für sie, die Klägerin, in adäquater Form bereitzustellen, könne es ihr nicht zum Nachteil gereichen, daß sie sich für die Behandlung bei dem Psychologen ihres Vertrauens entschieden habe. Lehne die Beklagte einen geregelten Vertragsabschluß mit psychologischen Medizinern überhaupt bzw mit dem im vorliegenden Fall tätig gewordenen Psychologen ab, müsse der Kostenerstattungsanspruch, ersatzweise der Herstellungsanspruch, eingreifen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 1. August 1991 und das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 23. Februar 1989 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Februar 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 1986 zu verurteilen, ihr die entstandenen Kosten für die psychologische Behandlung bei dem Psychologen U. … P. … vom 3. Februar 1986 bis 30. Oktober 1986 in Höhe von 2.245,64 DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch zu Recht verneint.
Der mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) verfolgte Erstattungsanspruch betrifft eine psychotherapeutische Behandlung in der Zeit von Februar bis Oktober 1986, die abgeschlossen in der Vergangenheit liegt. Da sich der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch spätestens mit Abschluß der Behandlung realisiert hat, kommt es auf die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt an. Anzuwenden sind daher noch die Vorschriften der bis zum 31. Dezember 1988 in Geltung gewesenen RVO (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 2 und § 12 Nr 2).
Der Senat kann offenlassen, ob die begehrte Übernahme der Kosten der Behandlung durch den Dipl-Psychologen P. bereits daran scheitert, daß dessen Heilkundeerlaubnis nach dem HPG – wovon das LSG ausgegangen ist – für die Zeit der Behandlung nicht nachgewiesen war. Auch wenn der Senat davon ausgeht, daß die Feststellungen des LSG insoweit auf einem begründet gerügten Verfahrensmangel beruhen, weil der Klägerin das rechtliche Gehör verweigert worden ist (§ 62 SGG), und wenn unterstellt wird, daß der Dipl-Psychologe P. über eine solche Erlaubnis auch für die streitige Zeit verfügte, erweist sich die Entscheidung des LSG im Ergebnis als zutreffend.
Nach der zu § 182 RVO aF ergangenen ständigen Rechtsprechung des BSG steht einem Versicherten grundsätzlich keine Kostenerstattung zu, wenn er einen Arzt – dasselbe muß für einen anderen Heilbehandler gelten – privat, also außerhalb der kassen- bzw vertragsärztlichen Verpflichtungen in Anspruch nimmt. Eine Möglichkeit der Privatbehandlung auf eigene Kosten mit nachfolgender Kostenerstattung war und ist dem System der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung fremd (vgl zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 10. Februar 1993 – 1 RK 31/92 -SGb 1993, 477 mwN). Vielmehr stand den versicherungspflichtigen Mitgliedern einer Krankenkasse nach den gesetzlichen Vorschriften der RVO aF ein Anspruch auf ärztliche Behandlung grundsätzlich nur in Form eines Sach- bzw Naturalleistungsanspruchs zu (vgl § 179, § 182 Abs 1 Nr 1, § 184, § 368 Abs 2, § 371 RVO). Der Sachleistungsanspruch konnte sich nur in Ausnahmefällen in einen Kostenerstattungsanspruch umwandeln, wenn dem Versicherten zu Unrecht eine Sach- bzw Naturalleistung verweigert worden und er deshalb gezwungen war, sich die notwendige Leistung selbst zu beschaffen (vgl die Nachweise in BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 2). Entsprechendes galt, wenn die Krankenkasse infolge eines Mangels im Versorgungssystem außerstande war, dem Versicherten die zustehende Sach- bzw Naturalleistung zu verschaffen (vgl zB BSGE 53, 144, 149f).
Grundvoraussetzung für den durch die Rechtsprechung des BSG entwickelten Kostenerstattungsanspruch war danach, daß die Klägerin einen Anspruch auf Verschaffung der Verhaltenstherapie als Naturalleistung (Sach- bzw Dienstleistung) hatte, den die zuständige Krankenkasse rechtswidrig zu erfüllen abgelehnt hat oder nicht hat erfüllen können. Dabei mußte sich dieser Primäranspruch grundsätzlich aus dem materiellen Leistungs- und Leistungserbringungsrechts der RVO ergeben. Dieser konnte sich nur auf solche Leistungen erstrecken, die auch im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung erbracht werden durften. Ob auch für den Kostenerstattungsanspruch alten Rechts zu fordern war, daß der Anspruch auf Verschaffung der Sach- oder Dienstleistung bereits im Einzelfall entstanden, dh durch den im Leistungserbringungsrecht vorgesehenen Weg konkretisiert war (zum neuen Recht vgl das Urteil des 4. Senats vom 16. Dezember 1993 – 4 RK 5/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen), kann hier offenbleiben. Daran könnte es im vorliegenden Fall schon deshalb gefehlt haben, weil der bei der Krankenkasse gestellte Antrag auf Bewilligung einer Verhaltenstherapie durch den Dipl-Psychologen P. nicht durch einen dazu berechtigten Kassenarzt begründet und P. nicht von einem solchen zwecks Delegation der Verhaltenstherapie benannt worden ist. Im vorliegenden Fall fehlt es an den Voraussetzungen für eine Kostenerstattung jedenfalls deshalb, weil die Klägerin weder durch eine unrechtmäßige Leistungsablehnung noch aufgrund eines Systemversagens gezwungen gewesen ist, sich die notwendige Verhaltenstherapie selbst zu beschaffen.
Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin zunächst aufgrund eigener Entschließung den Dipl-Psychologen P. privat aufgesucht, bevor sie sich durch diesen wegen einer Kostenübernahme an die Beklagte gewandt hat. Dabei hat die Klägerin schon damals die Inanspruchnahme eines ärztlichen Psychotherapeuten aus grundsätzlichen Überlegungen von vornherein ausgeschlossen, weil nach ihrer Meinung ein Erfolg der Verhaltenstherapie allein durch die mittels eines Vollstudiums der Psychologie erreichte Qualifikation eines Psychologen gesichert gewesen sei. Gleichzeitig hat sie auch das vorgesehene Delegationsverfahren als rechts-und verfassungswidrig abgelehnt. Die Beklagte ist bereit gewesen, die begehrte Verhaltenstherapie durch oder vermittels der im Kassenbezirk Kassel zugelassenen, der Klägerin benannten ärztlichen Psychotherapeuten durchführen zu lassen und hat zumindest im Laufe des Widerspruchsverfahrens auf die Möglichkeiten hingewiesen, der Klägerin zu einer im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung vorgesehenen Leistung zu verhelfen. Daraus und aus dem Beharren der Klägerin auf der selbständigen Behandlung durch den Dipl-Psychologen P. hat das LSG geschlossen, daß die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nicht erfüllt seien und daß das Erstattungsbegehren der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Herstellungsanspruchs begründet sei.
Diese Ausführungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Die ihnen zugrundeliegenden Feststellungen sind nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden. Insbesondere bestreitet die Klägerin auch jetzt nicht, schon im Verwaltungsverfahren die Inanspruchnahme eines ärztlichen Psychotherapeuten – auch als delegierenden Arzt – aus grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen zu haben. Soweit sie jetzt zur Begründung eines Versorgungsmangels geltend macht, daß keiner der von der Beklagten „ausgelobten” ärztlichen Psychotherapeuten über die notwendige Qualifikation eines Psychologen mit abgeschlossenem Vollstudium verfügt habe und daß sie auch rein tatsächlich nicht zur Durchführung einer Verhaltenstherapie befähigt gewesen seien, kann sie sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung des § 103 SGG berufen. Denn das LSG mußte sich nicht gedrängt sehen, ihren diesbezüglichen Beweisanträgen zu folgen. Wesentliche Tatsachen sind nur dann beweisbedürftig, wenn sie nicht bereits festgestellt, offenkundig, gesetzlich zu vermuten oder zu fingieren sind. Die Klägerin verkennt insoweit, daß – wie noch näher auszuführen sein wird – nicht nur allgemein bei Ärzten, sondern auch speziell bei ärztlichen Psychotherapeuten eine entsprechende Qualifikation aufgrund der im einzelnen geregelten Ausbildung und Weiterbildung in Verbindung mit den im Kassen- bzw Vertragsarztrecht vorgesehenen speziellen Qualifikationsvoraussetzungen für die Durchführung von Verhaltenstherapie als gegeben anzusehen ist. Worauf die Klägerin mit ihrem Vorbringen und ihren Beweisantritten im Kern hinaus will, ist die Feststellung, daß die Nichtzulassung psychologischer Psychotherapeuten zur selbständigen Behandlung von Kassenmitgliedern und ihre Verweisung auf das sog Delegationsverfahren mit Zwischenschaltung eines Arztes rechts- und verfassungswidrig sei und daß deshalb die von der Beklagten abgelehnte eigenverantwortliche Durchführung der Verhaltenstherapie durch den Dipl-Psychologen P. rechtswidrig und daher kostenerstattungspflichtig sei. Dem kann der Senat aber nicht folgen.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Krankenversicherungs- und Kassenarztsenate des BSG zur Rechtslage unter Geltung der RVO (§§ 122, 182 Abs 1 Nr 1, 368 Abs 1, 368g Abs 2 RVO in der bis zum 31. Dezember 1988 gültig gewesenen Fassung) hatten nichtärztliche Behandler keinen Anspruch auf eigenverantwortliche Behandlung von Kassenmitgliedern (BSGE 48, 47, 50 = SozR 2200 § 368 Nr 4; BSGE 48, 258, 261 = SozR 2200 § 182 Nr 47; BSG SozR 2200 § 182 Nrn 48 und 57; BSGE 53, 144, 145 = SozR 2200 § 182 Nr 80). An dieser Rechtsauffassung hat der Kassenarztsenat des BSG auch nach Neufassung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V) festgehalten, weil sich hierdurch am bisherigen Rechtszustand nichts geändert habe (vgl Urteil vom 12. Mai 1993 – 6 RKa 21/91 –; zur Veröffentlichung vorgesehen). Nach § 122 RVO aF war die selbständige Behandlung von Krankheiten, die gegenüber Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zu Lasten dieser Kassen erfolgt, den Ärzten vorbehalten. Entsprechend den leistungsrechtlichen Bestimmungen gingen die Regelungen über die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern (§§ 368 ff RVO aF) davon aus, daß die ambulante (kassen- bzw vertragsärztliche) Versorgung – von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen – durch zugelassene Kassen- bzw Vertragsärzte wahrzunehmen war (§ 368a Abs 1 RVO aF). Gerade weil sich das System der alleinigen Behandlungsberechtigung der Ärzte (sog Arzt- oder Approbationsvorbehalt) schon unter Geltung der RVO bewährt hatte, hat sich auch der Gesetzgeber des SGB V bewußt für die Beibehaltung dieses Systems entschieden, wie durch die Begründung zum Entwurf des GRG mehrfach verdeutlicht wird (vgl BT-Drucks 11/2237, Allgemeiner Teil II, S 137, S 171 zu § 28 Abs 1 SGB V). Der Arztvorbehalt schließt somit einen Anspruch von nichtärztlichen Behandlern auf selbständige Teilnahme an der kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung aus. Daß sich der Arztvorbehalt auch auf die Behandlung psychischer Erkrankungen erstreckt, weil auch derartige Krankheiten dem Begriff der Krankheit iS der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen, und daß die Behandlung psychischer Krankheiten damit zum Kernbereich der ärztlichen Behandlung und infolgedessen zur vertragsärztlichen Versorgung gehört, ist vom BSG bereits mehrfach ausgesprochen worden (vgl BSGE 48, 47, 50 = SozR 2200 § 368 Nr 4; BSGE 53, 144, 147 = SozR 2200 § 182 Nr 80; Urteil des 6. Senats vom 12. Mai 1993 – 6 RKa 21/91 –).
Der mit dem Arztvorbehalt zu Lasten der nichtärztlichen Psychotherapeuten verbundene – mittelbare – Eingriff in grundrechtsrelevante Schutzbereiche ist mit dem GG, insbesondere mit Art 12 Abs 1 GG und Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Davon ist das BSG – wie aufgezeigt – in ständiger Rechtsprechung ausgegangen. Diese Rechtsprechung ist vom BVerfG gebilligt (BVerfGE 78, 155, 162 = SozR 2200 § 368 Nr 11) und auch vom Kassenarztsenat des BSG zum SGB V bestätigt worden (Urteil vom 12. Mai 1993, aaO). Auch der erkennende Senat hält an ihr nach nochmaliger Überprüfung fest und schließt sich den Gründen des vorgenannten Urteils des 6. Senats des BSG vollinhaltlich an.
Danach wird insbesondere dem Erfordernis sachgerechter Krankenbehandlung, die auf der Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft beruhen muß, dadurch Rechnung getragen, daß – jedenfalls nach dem Recht der RVO und auch nach derzeit geltendem Recht – allein Ärzte zur selbständigen ambulanten Behandlung zugelassen sind. Denn bei ihnen ist in generalisierender Betrachtungsweise – ohne daß im Einzelfall ein Gegenbeweis geführt werden kann – davon auszugehen, daß sie aufgrund ihrer langjährigen theoretischen und praktischen Ausbildung und der Ablegung staatlicher Prüfungen den Anforderungen entsprechen, die für eine effektive, den Wirtschaftlichkeitsmaximen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechende Krankenbehandlung erforderlich sind.
Diese allgemeine fachliche Kompetenz, die in einem staatlich geregelten Ausbildungsgang erworben wird, besteht ebenso speziell bei den ärztlichen Psychotherapeuten. Wie der 6. Senat (aaO) im einzelnen ausgeführt hat und was auch für die hier streitige Zeit im wesentlichen galt, mußte bereits während des Medizinstudiums ein entsprechendes Grundwissen erworben werden, das die Grundlagen der medizinischen Psychologie umfaßte und bei den einzelnen Prüfungsabschnitten durch Praktika (Praktikum der Psychiatrie, Praktikum der psychosomatischen Medizin und Psychotherapie) nachzuweisen war. Gegenstand der ärztlichen Ausbildung und Prüfung sind darüber hinaus umfassende Kenntnisse auf nervenheilkundlichem Gebiet, das neben anderem auch den Bereich der persönlichkeitsbedingten reaktiven Störungen, sonstiger Verhaltens- und Erlebnisstörungen, Aspekte der Psychosomatik, psychologische Untersuchungsmethoden und deren Aussagewert, sowie Grundlagen und Indikationen psychotherapeutischer Verfahren umfaßt (vgl Anl 15 iVm Anl 16 III der Approbationsordnung für Ärzte). Allerdings berechtigen die während der Ausbildung zu erwerbenden Kenntnisse und Fähigkeiten in diesem Bereich den Vertragsarzt allein regelmäßig noch nicht zur Erbringung qualifizierter psychotherapeutischer Leistungen. Hierfür muß er vielmehr zusätzliche Anforderungen erfüllen. So durfte in der hier streitigen Zeit ein an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmender Arzt Verhaltenstherapie nur durchführen, wenn er der kassenärztlichen Versorgung gegenüber die Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung „Psychotherapie” oder „Psychoanalyse” nachgewiesen hatte und wenn er im Rahmen seiner Weiterbildung eingehende Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Verhaltenstherapie erworben hatte (vgl § 5 Abs 1 der als Anl zum Bundesmantelvertrag-Ärzte ≪BMV-Ä≫ zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Bundesverbänden der Primärkassen geschlossenen „Vereinbarung über die Anwendung von Verhaltenstherapie in der kassenärztlichen Versorgung” vom 15. Mai 1986, DÄ 1986, 1052 = DOK 1986, 406, gültig ab 1. April 1986). Der Erwerb der Zusatzbezeichnung Psychoanalyse und Psychotherapie erforderte nach den Weiterbildungsordnungen regelmäßig ein Jahr klinische Weiterbildung in der Psychiatrie sowie zusätzliche Weiterbildungsvoraussetzungen (vgl Abschn II Nrn 12 und 13 der Musterweiterbildungsordnung). Welche Ärzte die Voraussetzungen nach § 5 Abs 1 der og Vereinbarung erfüllten (Berechtigung zur Durchführung von Verhaltenstherapie), hatten die kassenärztlichen Vereinigungen den Landesverbänden der Krankenkassen mitzuteilen (§ 5 Abs 10 der Vereinbarung).
Entsprechend berechtigte Ärzte sind der Klägerin, wie sich aus den Feststellungen des LSG ergibt, von der Beklagten benannt worden. Das wird auch von der Klägerin nicht bestritten. Sie meint vielmehr, daß nicht derart berechtigte Ärzte, sondern allein Dipl-Psychologen aufgrund ihrer abgeschlossenen wissenschaftlichen Ausbildung und aufgrund ihrer Berechtigung zur Ausübung eines freien akademischen Heilberufs als „psychologische Mediziner” befähigt seien, psychologisch-medizinische Sachleistungen einschließlich der Feststellung der Diagnose und Indikation zu erbringen und daß sie deshalb auch nicht auf das Delegationsverfahren verwiesen werden dürften. Dabei übersieht die Klägerin, daß gerade im Grenzbereich zwischen körperlichen und psychischen Erkrankungen die übergreifende Sachkunde eines Behandlers erforderlich ist, der aufgrund seiner Ausbildung in der Lage ist, Erkrankungen, die ursächlich rein körperlicher Natur sind, von psychosomatischen Erkrankungen und solchen, die rein psychologische Ursachen haben, abzugrenzen. Diese Aufgabe kann nur von den ärztlichen Psychotherapeuten, nicht dagegen von einem psychologischen Psychotherapeuten geleistet werden. Denn jedenfalls solange andere Heilberufe wie der des Dipl-Psychologen keine normativ geregelte therapeutische Ausbildung durchlaufen haben (s dazu noch unten), verfügen sie nicht über vergleichbare Qualifikationen zur Behandlung von Erkrankungen, wie sie in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung vermittelt werden. Die übergreifende Sachkunde des Arztes in diesem Bereich ist darüber hinaus auch deshalb geboten, um eine Differenzierung zwischen Krankenbehandlung einerseits und allgemeiner Lebenshilfe andererseits, die nicht unter die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fällt, vornehmen zu können. Denn nicht jede aus psychologischer Sicht behandlungsbedürftige Verhaltensabweichung stellt eine Krankheit iS der gesetzlichen Krankenversicherung dar und nicht jede Therapieform kann eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung begründen (vgl dazu auch Schirmer, DOK 1984, 368, 370; Hermsen, ErsK 1992, 12, 14). Weil und solange nur der Arzt über eine entsprechende übergreifende Sachkunde verfügt, erweist sich der Arztvorbehalt sowie die in den Psychotherapie-Vereinbarungen enthaltenen Regelungen über die Behandlung im Delegationsverfahren zur Gewährleistung einer leistungsfähigen Krankenbehandlung als sachgerecht und verfassungsgemäß. Auch ein Verstoß gegen das Übermaßverbot liegt nicht vor, weil angesichts der unterschiedlichen Qualifikation in der Behandlung von psychischen Erkrankungen kein milderes Mittel als der Arztvorbehalt zur Gewährleistung einer leistungsfähigen Krankenbehandlung ersichtlich ist (vgl das Urteil des 6. Senats, aaO).
Die Statuierung des Arztvorbehalts und das in den Psychotherapie-Vereinbarungen vorgesehene Delegationsverfahren verstoßen auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG; denn Dipl-Psychologen, die den Studiengang der Psychologie durchlaufen haben, verfügen nicht über eine Qualifikation in der Behandlung von – psychischen – Erkrankungen, die denen der Ärzte vergleichbar wäre. Das hat seinen Grund zunächst darin, daß das Studium der Psychologie (bisher) nicht durch eine gesetzlich vorgeschriebene Ausbildungsordnung geregelt ist, so daß es an einem bundesweit gleichmäßigen Ausbildungsinhalt fehlt (s dazu im einzelnen: Meyer/Richter/Grawe/von der Schulenburg/Schulte, Forschungsgutachten zu Fragen eines Psychotherapeutengesetzes – im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, 1991, S 46). Zudem werden im Studium der Psychologie keine psychotherapeutischen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, die für eine fachpsychotherapeutische Qualifikation hinreichend wären (Forschungsgutachten, aaO). Vielmehr erfolgt die Qualifikation zum psychologischen Verhaltenstherapeuten in der Praxis an den durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung anerkannten Ausbildungsinstituten (vgl Forschungsgutachten, aaO, S 54). Angesichts dieser erheblichen Unterschiede in der Ausbildung zur Behandlung von Erkrankungen bei den Ärzten einerseits und den Dipl-Psychologen andererseits war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, Dipl-Psychologen zur eigenverantwortlichen Behandlung von Erkrankungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zuzulassen. Insoweit verstößt es auch nicht gegen den Gleichheitssatz, daß bei Psychologen die Berechtigung zur Teilnahme am Delegationsverfahren in Anwendung der Psychotherapie-Vereinbarung von einer zusätzlichen Ausbildung abhängig gemacht ist (§ 5 Abs 3 ff der Vereinbarung).
Daß Dipl-Psychologen selbst mit einer solchen Zusatzausbildung gleichwohl nicht zur eigenverantwortlichen Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung berechtigt sind und nur über das Delegationsverfahren an dieser teilnehmen, ist notwendige Folge des Arztvorbehaltes und auch insoweit mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Angesichts der übergreifenden Sachkunde des Arztes bedeutet es insoweit auch keinen unauflösbaren Widerspruch, daß der zur „Delegation” berechtigte Arzt dem psychologischen Verhaltenstherapeuten die Durchführung der Therapie in eigener Verantwortung überläßt (§ 6 Abs 3 der Vereinbarung). Ob im übrigen alle Regelungen des Delegationsverfahrens sachgerecht sind, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zu prüfen (vgl auch BVerfGE 78, 165, 179). Das gilt auch insoweit, als das BVerfG in seinem Beschluß vom 10. Mai 1988 (abgedruckt in SozR 2200 § 122 Nr 10 = NJW 1988, 2293, 2295) in Zweifel gezogen hat, ob das derzeit praktizierte Delegationsverfahren die Einbeziehung psychotherapeutischer Leistungen von Dipl-Psychologen in das System der gesetzlichen Krankenversicherung befriedigend löst. Darin sieht der Senat keinen Anlaß zu einer erneuten Vorlage an das BVerfG, zumal eine Systemwidrigkeit nicht notwendig eine Verfassungswidrigkeit beinhaltet und auch das BVerfG eine solche nicht angedeutet hat.
Nach allem steht der Klägerin kein Kostenerstattungsanspruch zu, weil sie nicht aufgrund einer rechtswidrigen Leistungsablehnung oder wegen Fehlens von ärztlichen Psychotherapeuten, die zur Durchführung der Verhaltenstherapie berechtigt waren, zur Beschaffung der Leistung auf eigene Kosten gezwungen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen