Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherungsbeitrag – Erstattung – Entrichtung zu Unrecht – rückwirkender Wegfall des Anspruchs auf Verletztengeld – Erwerbsunfähigkeitsrente
Leitsatz (amtlich)
Der Unfallversicherungsträger hat gegen die Krankenkasse keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm für einen an Unfallfolgen wiedererkrankten Versicherten aus dem Verletztengeld gezahlten Krankenversicherungsbeiträge, wenn dem Versicherten für Zeiten des Verletztengeldbezuges nachträglich Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt wird.
Stand: 16. November 2001
Normenkette
SGB IV § 26 Abs. 2; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 192 Abs. 1 Nr. 3, § 251 Abs. 1, § 235 Abs. 2, 4, § 226 Abs. 1; RVO § 562 Abs. 2; SGB X § 103
Beteiligte
Gartenbau-Berufsgenossenschaft |
AOK Schleswig-Holstein – Die Gesundheitskasse |
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landssozialgerichts vom 13. Dezember 2000 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Oktober 1995 zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind auch im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung von Beiträgen.
Der bei der klagenden Berufsgenossenschaft versicherte B. (im folgenden: Versicherter) erlitt 1963 einen Arbeitsunfall, dessen Spätfolgen 1990 und 1991 zu behandlungsbedürftigen Wiedererkrankungen mit Arbeitsunfähigkeit führten. Bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit war der Versicherte Bezieher von Arbeitslosengeld (Alg) und als solcher bei der beklagten Krankenkasse pflichtversichert. Die Klägerin gewährte dem Versicherten ua vom 1. bis 6. Januar und vom 23. April bis 14. Juli 1991 Verletztengeld. Die Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten blieb wegen des Verletztengeldbezugs erhalten und die Klägerin trug aus dem Verletztengeld Krankenversicherungsbeiträge (§ 251 Abs 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung ≪SGB V≫).
Im Februar 1991 stellte die Landesversicherungsanstalt (LVA) auf einen Rentenantrag des Versicherten vom März 1990 fest, daß er seit 9. Februar 1988 erwerbsunfähig sei. Sie bewilligte ihm rückwirkend Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Zeit zunächst bis 31. Dezember 1990 sowie mit weiterem Bescheid vom 24. Oktober 1991 darüber hinaus bis 31. Dezember 1991. Für die Zeiten der Rentenbewilligung zahlte sie Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Auf einen Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 103 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren (SGB X) zahlte die LVA die bewilligte Rente nicht in vollem Umfang an den Versicherten aus, sondern erstattete der Klägerin aus der Rentennachzahlung einen Betrag, der dem auf den Nachzahlungszeitraum entfallenden Verletztengeld entsprach.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten, ihr die für die Zeit vom 1. bis 6. Januar und vom 23. April bis 14. Juli 1991 gezahlten Beiträge zur Krankenversicherung als zu Unrecht entrichtete Beiträge nach § 26 Abs 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) zu erstatten. Durch die rückwirkende Bewilligung der EU-Rente sei das Stammrecht des Versicherten auf Verletztengeld gemäß § 562 Reichsversicherungsordnung (RVO) und damit auch die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung wegen der Zahlung des Verletztengeldes rückwirkend entfallen. Die Beklagte habe somit für den Zeitraum des Erstattungsanspruchs „doppelt Beiträge zur Krankenversicherung” erhalten. Die Beklagte lehnte die Beitragserstattung mit Schreiben vom 23. April 1992 ab, weil der Versicherte in der Zeit des Verletztengeldbezugs ihr Mitglied geblieben sei. Die Mitgliedschaft bleibe auch dann erhalten, wenn Verletztengeld bezogen werde, ohne daß hierauf ein Anspruch bestehe. Der im Februar 1991 gestellte Rentenantrag und die rückwirkende Zubilligung der EU-Rente hätten wegen der vorrangigen Mitgliedschaft aufgrund des Verletztengeldbezugs nicht zur Versicherungspflicht des Versicherten als Rentenantragsteller oder Rentenbezieher geführt.
Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen am 13. November 1992 erhobene Klage mit Urteil vom 25. Oktober 1995 abgewiesen. Auf die vom SG zugelassene Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die für die Zeit vom 1. bis 6. Januar und vom 23. April bis 14. Juli 1991 gezahlten Beiträge zu erstatten (Urteil vom 13. Dezember 2000). Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Während die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen auf der tatsächlichen Gewährung des Verletztengeldes beruht habe, komme es bei § 26 Abs 2 SGB IV auf die materielle Rechtslage und die Rechtmäßigkeit des der Beitragsentrichtung zugrundeliegenden Leistungsbezugs an. Vorliegend sei die Rechtsgrundlage für die Beitragsentrichtung durch die Bewilligung der EU-Rente rückwirkend entfallen. Die wegen des Verletztengeldbezugs erhalten gebliebene Mitgliedschaft habe die Versicherungspflicht als Rentner nicht ausgeschlossen.
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 26 Abs 2 SGB IV. Die nachträgliche Bewilligung der EU-Rente habe die Gewährung des Verletztengeldes und die Entrichtung der darauf entfallenden Krankenversicherungsbeiträge nicht materiell unrechtmäßig iS von § 26 Abs 2 SGB IV gemacht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 13. Dezember 2000 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 25. Oktober 1995 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückweisen müssen. Das LSG hat die gegen das Schreiben der Beklagten vom 23. April 1992 gerichtete Klage allerdings zutreffend als zulässig angesehen und die Durchführung eines Vorverfahrens für nicht erforderlich gehalten. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ist über einen Anspruch auf Beitragserstattung nach § 26 Abs 2 SGB IV auch gegenüber einem Träger der Sozialversicherung durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Hiergegen kann ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens eine verbundene Aufhebungs- und Leistungsklage erhoben werden (vgl BSGE 45, 296, 297 f = SozR 2200 § 381 Nr 26 S 65; BSG SozR 3-2400 § 26 Nr 4 S 12 f und BSGE 75, 298, 299 = SozR 3-2400 § 26 Nr 6 S 24 f jeweils mwN). Hier hat das SG zu Recht das Schreiben der Beklagten vom 23. April 1992 als Verwaltungsakt beurteilt und die von der Klägerin zunächst erhobene allgemeine Leistungsklage in eine verbundene Aufhebungs- und Leistungsklage umgedeutet.
Diese Klage war jedoch, wie das SG zutreffend entschieden hat, unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr für die Zeit vom 1. bis 6. Januar und 23. April bis 14. Juli 1991 gemäß § 235 Abs 2, § 251 Abs 1 SGB V entrichteten Beiträge.
Der Versicherte war zunächst als Bezieher von Alg gemäß § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V (idF des Art 1 Gesundheits-Reformgesetz ≪GRG≫ vom 20. Dezember 1988 ≪BGBl I S 2477≫) iVm § 155 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (≪AFG≫, aufgehoben mit Wirkung vom 1. Januar 1998 durch Art 82 Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997 ≪BGBl I S 594≫) versicherungspflichtig. Der Bezug von Verletztengeld selbst ist kein Tatbestand der Versicherungspflicht (vgl § 5 SGB V). Jedoch bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange von einem Rehabilitationsträger während einer medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation Verletztengeld gezahlt wird (§ 192 Abs 1 Nr 3 SGB V). – Diese Voraussetzung war hier erfüllt. Der Versicherte erhielt von der Klägerin im streitigen Zeitraum mit ärztlicher Behandlung eine medizinische Leistung zur Rehabilitation, die durch das Verletztengeld ergänzt wurde. Das Verletztengeld hatte seine Rechtsgrundlage in dem hier noch anwendbaren, bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen § 562 Abs 2 RVO iVm §§ 560, 561 RVO. Gemäß § 562 Abs 2 Satz 1 RVO galten die Bestimmungen über die Gewährung und Berechnung des Verletztengeldes nicht nur bei der erstmaligen Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Arbeitsunfalls, sondern auch dann, wenn es sich wie hier um eine Wiedererkrankung an Unfallfolgen handelt.
Aus dem Verletztengeld hat die Klägerin an die Beklagte gemäß § 251 Abs 1 SGB V iVm § 12 Nr 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I S 1881) für den Versicherten zu Recht Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung entrichtet. Diese Mitgliedschaft des Versicherten wurde weder durch den Rentenantrag noch durch die nachträgliche Rentenbewilligung verdrängt: Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V schließt die Versicherungspflicht als Rentenantragsteller (§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V) sowie – nach der Rentenbewilligung – als Bezieher einer Rente (§ 5 Abs 1 Nr 12 SGB V) aus (vgl § 5 Abs 8 SGB V, § 189 Abs 1 Satz 2 SGB V für Rentenantragsteller). Entsprechendes gilt für eine nach § 192 SGB V erhalten gebliebene Mitgliedschaft jedenfalls dann, wenn der Versicherungspflichttatbestand, der den Erhalt der Mitgliedschaft begründet, gegenüber dem anderen Versicherungspflichttatbestand vorrangig ist (vgl Kasseler Komm-Peters, § 192 SGB V RdNr 19, Stand Dezember 1998; BSG SozR Nr 56 zu § 165 RVO zum Vorrang einer nach § 311 RVO erhalten gebliebenen Mitgliedschaft gegenüber der KVdR). Die rückwirkende Bewilligung der EU-Rente auch für Zeiten, in denen der Versicherte aufgrund einer Wiedererkrankung an Unfallfolgen Verletztengeld erhielt, hat weder dessen aufgrund des Verletztengeldbezugs fortbestehende Mitgliedschaft bei der Beklagten noch die Beitragspflicht nachträglich aufgehoben. Dies ergibt sich bereits daraus, daß § 192 Abs 1 Nr 3 SGB V für das Fortbestehen der Mitgliedschaft die Zahlung von Verletztengeld genügen läßt und es nach dem Wortlaut nicht darauf ankommt, ob auch ein Anspruch auf diese Leistung bestand (ebenso BSG SozR 2200 § 381 Nr 35 S 94 und Nr 39 S 102 ≪12. Senat≫ für das Übergangsgeld ≪Übg≫). Die nachträgliche Bewilligung der EU-Rente konnte die Tatsache der früheren Verletztengeldgewährung nicht beseitigen. Der für den Erhalt der Mitgliedschaft erforderliche Tatbestand des § 192 Abs 1 Nr 3 SGB V war trotz rückwirkender Bewilligung der EU-Rente weiterhin erfüllt (ebenso für das Zusammentreffen von Übg mit einer nachträglich bewilligten und auf das Übg nach dem früheren § 18 Abs 3 Nr 3 RehaAnglG angerechneten EU-Rente BSG SozR 2200 § 381 Nr 39 S 103, 104).
Die Klägerin kann ihre Forderung nach einer Erstattung der Beiträge nicht auf eine ausdrückliche Gesetzesvorschrift stützen. Spezielle Vorschriften zu den beitragsrechtlichen Folgen beim Zusammentreffen einer rückwirkend bewilligten EU-Rente mit Verletztengeld bestehen nicht. Eine rückwirkende Veränderung der Beitragslast kommt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nur dann in Betracht, wenn damit einer von Anfang an bestehenden, aber erst nachträglich erkannten Beitragspflicht oder Beitragsfreiheit Geltung verschafft wird. Dies hat der Senat für die aus dem Verletztengeld gezahlten Beiträge in einem Fall angenommen, in dem kein Arbeitsunfall vorlag und deshalb von Anfang an hätte Krankengeld gewährt werden müssen (BSGE 68, 82 = SozR 3-2200 § 381 Nr 1); im umgekehrten Fall hat er angenommen, daß ein Unfallversicherungsträger aus dem Verletztengeld auch dann nachträglich Beiträge zur Krankenversicherung zu zahlen hat, wenn zunächst Krankengeld gewährt und der Anspruch auf Verletztengeld erst nachträglich anerkannt worden ist (BSGE 79, 302 = SozR 3-2500 § 251 Nr 1). Demgegenüber können Beitragserstattungen grundsätzlich nicht verlangt werden, wenn sie auf einer nachträglichen Änderung der Rechtslage – wenn auch mit Rückwirkung – beruhen (BSGE 75, 298, 301 = SozR 3-2400 § 26 Nr 6 S 27; zustimmend der 7. Senat des Bundessozialgerichts ≪BSG≫, Urteil vom 21. Juni 2001 – B 7 AL 66/00 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Dies kommt bereits in der Formulierung des § 26 Abs 2 Halbsatz 1 SGB IV „Zu Unrecht entrichtete Beiträge” zum Ausdruck, welche die Rechtswidrigkeit auf den Zeitpunkt der Beitragsentrichtung bezieht. Darüber hinaus ist die beitragsrechtliche Rückabwicklung für den Versicherten nur dann zumutbar, wenn dadurch sein Vertrauen in den mit der Beitragszahlung verbundenen Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt wird (BSGE 79, 302, 306 = SozR 3-2500 § 251 Nr 1 S 4 f mwN).
Eine solche Beeinträchtigung scheidet hier zwar aus, weil der Versicherte auch ohne die Gewährung von Verletztengeld als Rentenantragsteller in der KVdR pflichtversichert gewesen wäre. Jedoch kann in Fällen der vorliegenden Art eine nachträgliche Beeinträchtigung des Versicherungsschutzes nicht generell ausgeschlossen werden. Sie läge zB bei Versicherten vor, die die Voraussetzungen für die KVdR nicht erfüllen. Sie müßten sich ohne die wegen des Verletztengeldbezugs aufrechterhaltene Pflichtmitgliedschaft als Rentenantragsteller und Rentenbezieher freiwillig versichern. Entfiele mit der nachträglichen Bewilligung der EU-Rente auch der Rechtsgrund der durch den Verletztengeldbezug aufrechterhaltenen Pflichtmitgliedschaft, würde dem Versicherten nachträglich der Krankenversicherungsschutz entzogen. Aber selbst wenn die Versicherungspflicht als Rentner nach § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V eingriffe, würde eine für den Versicherten beitragsfreie Versicherung aufgrund Verletztengeldbezugs rückwirkend durch eine für ihn beitragspflichtige Versicherung als Rentenbezieher ersetzt.
Demgemäß hat das BSG entschieden, daß die Beitragspflicht des Übg zahlenden Rehabilitationsträgers nicht dadurch rückwirkend wegfällt, daß dem Behinderten nach erfolglosen Rehabilitationsmaßnahmen rückwirkend anstelle des Übg Vollrente aus der Unfallversicherung und Rente aus der Rentenversicherung gewährt wird, weil der Behinderte von Anfang an dauernd erwerbsunfähig gewesen ist (BSG SozR 2200 § 381 Nr 35 und Nr 39). Nichts anderes gilt für den Fall, daß zunächst nicht Übg, sondern wie vorliegend Verletztengeld gezahlt wurde. Anders als in den og Fällen BSGE 68, 82 (= SozR 3-2200 § 381 Nr 1) und BSGE 79, 302 (= SozR 3-2500 § 251 Nr 1) geht es auch vorliegend nicht darum, eine von Anfang an rechtswidrige Beitragsbelastung eines unzuständigen Trägers zu beseitigen. Vielmehr handelt es sich um eine nachträgliche Veränderung einer zunächst zutreffend behandelten und erkannten Rechtslage.
Entgegen der Ansicht der Klägerin verlangte auch § 562 Abs 2 RVO keine vollständige Rückabwicklung der mit dem Verletztengeldbezug verknüpften beitragsrechtlichen Folgen. Allerdings enthielt diese Vorschrift einen Ausschlußgrund für das Verletztengeld bei Vorliegen von EU. Nach § 562 Abs 2 Satz 1 RVO galten im Falle der Wiedererkrankung an Unfallfolgen die §§ 560, 561 RVO entsprechend, „es sei denn, daß der Verletzte erwerbsunfähig im Sinne des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist”. Diese Vorschrift hatte folgenden Sinn: Erkrankte ein Versicherter erneut an den Folgen eines früheren Arbeitsunfalls, wurde das Verletztengeld aus dem Verdienst berechnet, der mit der noch verbliebenen Erwerbsfähigkeit erzielt worden ist und glich gerade diesen Verlust aus. Das Gesetz sah es in diesem Fall als gerechtfertigt an, das Verletztengeld zusätzlich zu einer Verletztenrente zu zahlen (vgl die Begründung zum Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz, BT-Drucks IV/120, S 56 zu § 562). Demgegenüber war es nach § 562 Abs 2 RVO nicht gerechtfertigt, dem Versicherten neben der Verletztenrente auch noch das Verletztengeld zu zahlen, wenn bereits bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit EU festgestellt war, so daß der Versicherte keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen konnte. Dies konnte jedoch ein Grund sein, die Rente neu festzusetzen (vgl BT-Drucks IV/120, S 56 zu § 562).
Zwar ist das in § 562 Abs 2 RVO zum Ausdruck kommende Rangverhältnis zwischen Verletztengeld und EU nach der Rechtsprechung des BSG auch dann zu beachten, wenn die EU erst nachträglich festgestellt und dem Versicherten rückwirkend eine Rente wegen EU bewilligt wird. Dies hat allerdings nicht zur Folge, daß das zwischen dem Träger der Unfallversicherung und dem Versicherten bestehende Rechtsverhältnis rückabzuwickeln, die Bewilligung des Verletztengelds nachträglich aufzuheben und das Verletztengeld zurückzuzahlen ist. Vielmehr hat das BSG zum Ausgleich der Interessen sowohl des Versicherten als auch der Träger der Unfall- und Rentenversicherung einen Erstattungsanspruch des Trägers der Unfallversicherung gegen den Träger der Rentenversicherung angenommen (vgl BSGE 36, 62 = SozR Nr 5 zu § 562 RVO) und diesen nach Inkrafttreten des SGB X auf § 103 SGB X gestützt (BSGE 62, 118 = SozR 2200 § 562 Nr 7). Danach erfolgt die Rentennachzahlung an den Träger der Unfallversicherung, soweit dieser dem Versicherten Verletztengeld gewährt hat. Der Anspruch des Versicherten gegen den Träger der Rentenversicherung gilt insoweit als erfüllt (vgl § 107 SGB X). Ein Anspruch des Versicherten auf Nachzahlung der EU-Rente besteht nur insoweit, als die EU-Rente für kongruente Zahlungszeiträume höher ist als der Anspruch auf das gewährte Verletztengeld. Übersteigt die Höhe des Verletztengeldes diejenige der EU-Rente, verbleibt dem Versicherten der überschießende Betrag. Insoweit kann nichts anderes gelten als beim nachträglichen Zusammentreffen von Krankengeld und EU-Rente (vgl Benz in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 2, Unfallversicherung, 1996, § 47 RdNr 30; zum Krankengeld BSGE 75, 298, 303 = SozR 3-2400 § 26 Nr 6 S 29).
Erst recht hat der durch den Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X bewirkte Interessenausgleich zwischen vorrangigem und nachrangigem Leistungsträger nicht zur Folge, daß das Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse rückabgewickelt wird und die für den Krankenversicherungsschutz gezahlten Beiträge zurückzuzahlen sind.
Nach allem hat die Beklagte die begehrte Beitragserstattung zu Recht abgelehnt. Allerdings ist ihre Ansicht unzutreffend, hier seien die Beiträge zu Recht nicht nur aus dem Verletztengeld, sondern auch aus dem Bruttobetrag der Rente, also auch soweit diese der Klägerin erstattet wurde, entrichtet worden. Die Beitragspflicht aus der Rente neben der Beitragspflicht des Verletztengeldes beruhte hier auf § 235 Abs 4 iVm § 226 Abs 1 Nr 2 SGB V. Beitragspflichtig war danach der Zahlbetrag der Rente. Dies ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen schon wegen des vorrangigen Versicherungspflichttatbestandes Beiträge entrichtet worden sind, nur der Betrag der Rente, der nach Erstattung des auf das Verletztengeld entfallenden Rentenanteils verbleibt. Eine „doppelte” Beitragszahlung aus dem Verletztengeld und dem vollen Betrag der Rente, auch wenn diese Leistungen aufeinander angerechnet werden, ordnet § 235 Abs 4 SGB V dagegen nicht an. Insoweit ist es naheliegend, die Rückabwicklung auch der Beitragszahlungen im Verhältnis zwischen Unfall- und Rentenversicherungsträger entsprechend dem früheren § 157 Abs 4 AFG (vorhergehender Alg-Bezug und nachträgliche Rentenbewilligung) vorzunehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 651837 |
AuA 2001, 567 |
SozR 3-2400 § 26, Nr. 13 |
AuS 2001, 69 |
SozSi 2003, 72 |