Leitsatz (amtlich)
Auf eine Witwenbeihilfe nach BVG § 44 Abs 3 aF und auf eine wiederaufgelebte Witwenrente nach BVG § 44 Abs 2 idF des 1. und 2. NOG KOV sind Leistungen aus einer vom 2. Ehemann für den Todesfall zugunsten der Witwe geschlossenen Lebensversicherungsvertrag auch dann anzurechnen, wenn sie die Versicherungssumme zur Tilgung von Schulden ihres verstorbenen 2. Ehemannes verwendet hat.
Leitsatz (redaktionell)
Der Begriff "verständiger Grund" ist erst in BVG § 44 Abs 5 idF des 2. NOG KOV in das Gesetz aufgenommen worden. Der Wortlaut weicht zwar insoweit von dem der früheren Vorschriften ab, wonach "erworbene Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche geltend zu machen und anzurechnen" waren, jedoch ist damit keine sachliche Änderung hinsichtlich der Anrechnungspflicht der näher bezeichneten Ansprüche nach Art und Umfang auf die wiederaufgelebte Witwenrente eingetreten. Bei dem "Verzicht ohne verständigen Grund" kann es sich nur um einen Verzicht auf den Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehemann der 2. Ehe handeln. Als "verständiger Grund" iS des BVG § 44 Abs 5 S 2 idF des 2. NOG KOV kann nur ein solcher Grund angesehen werden, der auch unter Abwägung der Interessen des Beklagten und insbesondere auch unter Berücksichtigung des mit der Gewährung der wiederaufgelebten Witwenrente verfolgten Zwecks als verständig erscheint. Bei dem "verständigen Grund" muß es sich somit um einen objektiv verständigen Grund handeln.
Normenkette
BVG § 44 Abs. 3 Fassung: 1950-12-20, Abs. 2 Fassung: 1960-06-27, Abs. 2 Fassung: 1964-02-21, § 45 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1964-02-21
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 1964 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin bezog nach ihrem am 31. Januar 1942 als Soldat gefallen Ehemann F D Witwenrente aus der Kriegsopferversorgung. Ihr zweiter Ehemann, K H, den die Klägerin im Jahre 1944 geheiratet hatte, verstarb am 22. Oktober 1959. Sie ließ sich aus der von ihrem zweiten Ehemann für sie als Bezugsberechtigte abgeschlossenen Lebensversicherung bei der Kölnischen Lebensversicherung die Vertragssumme in Höhe von 10.000 DM auszahlen, ohne von dem vertraglich vorgesehenen Recht, das fällige Kapital in eine sofort beginnende Leibrente umwandeln zu lassen, Gebrauch zu machen. Bei einer Umwandlung hätte die Klägerin eine monatliche Leibrente von 44,80 DM bezogen.
Das Versorgungsamt (VersorgA) gewährte der Klägerin auf ihren Antrag mit Bescheid vom 25. Januar 1960 Witwenbeihilfe gemäß § 44 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in Höhe der Witwenrente ab 1. November 1959. Es rechnete einen Betrag von 56,41 DM als monatliche Leibrente aus dem Lebensversicherungsvertrag auf diese Witwenbeihilfe an. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 1960).
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 25. Oktober 1962 unter Abänderung des Bescheides vom 25. Januar 1960 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 1960 den Beklagten verurteilt, an die Klägerin ab 1. November 1959 Witwenbeihilfe in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung einer Rente aus der Lebensversicherung zu zahlen und darüber einen Bescheid zu erteilen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 22. Januar 1964 auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG in Detmold vom 25. Oktober 1962 abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen, als die Klägerin die Witwenbeihilfe ohne Anrechnung eines Betrages bis zu 44,80 DM begehrt.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe gemäß § 44 Abs. 7 BVG aF (in der Fassung vor Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960 - 1. NOG - BGBl I 453) die der Klägerin zu gewährende Witwenbeihilfe um einen monatlichen Betrag in Höhe von 44.80 DM kürzen dürfen, so daß insoweit der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei. Auf die der Klägerin nach dem Tode ihres zweiten Ehemannes zustehende Witwenbeihilfe seien nach § 44 Abs. 7 aF BVG die Leistungen aufgrund eines Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsanspruches, den die Klägerin infolge des Todes des zweiten Ehemannes erworben hat, anzurechnen. Bei dem Kapital aus der Lebensversicherung ihres zweiten Ehemannes handle es sich um eine derartige Leistung. Gleiches gelte für die monatlichen Rentenbeträge von 44,80 DM, welche die Klägerin statt der Versicherungssumme hätte verlangen können. Diese Umrechnung folge aus dem Begriff des "Anrechnens" in § 44 Abs. 7 Halbsatz 2 BVG aF. Die nach dieser Vorschrift anzurechnenden Leistungen und die zugrunde liegenden Ansprüche könnten privatrechtlicher Natur sein. Die Anrechnung sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin - wie sie vorgetragen habe - die Summe zur Schuldentilgung verwendet habe, so daß sie das Kapital nicht mehr für ihren Unterhalt und ihre Versorgung verwenden konnte. Der § 44 Abs. 7 BVG aF enthalte eine derartige Ausnahmeregelung nicht, er gebe vielmehr einen allgemeinen Rechtsgrundsatz wieder, der in gleicher Weise im Recht der Sozialversicherung, im Beamtenrecht und im Recht der Wiedergutmachung gelte. Jedenfalls lasse § 44 Abs. 7 BVG aF nicht erkennen, daß die Leistung für die Dauer der Anrechnung noch für den Unterhalt der Witwe verfügbar sein müsse. Eine derartige Ausnahme sei auch mit dem Gesetz nicht vereinbar. Die Versorgung nach dem BVG lebe deshalb wieder auf, weil in der Regel die Witwe mit ihrem ersten Ehemann ebenso schicksalhaft wie mit dem zweiten ihren Ernährer verloren habe. Die Witwe solle aber durch Versorgungsansprüche im weitesten Sinne, die sie auch infolge des Todes des zweiten Ehemannes erworben habe, nicht besser gestellt werden, als diejenige, die nicht erneut geheiratet habe. Die Anrechnung der einen Versorgungsleistung auf die andere könnte allenfalls insoweit ausgeschlossen sein, als die Witwe durch den Tod ihres zweiten Ehemannes unabwendbar durch rentenartige Verpflichtungen belastet wird oder als ein Anspruch im Sinne des § 44 Abs. 7 BVG aF unmittelbar durch eine rechtsgeschäftliche Anordnung gemindert wird. Sonstige Schulden, die ohne unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Anspruch aus Anlaß des Todes für die Klägerin entstanden sind, beeinflußten nur die allgemeine Vermögenslage der Klägerin. Der Vermögensstand sei aber für die Entstehung des Anspruchs aus § 44 Abs. 3 BVG aF ebenso unbeachtlich wie für die Anrechnung gemäß § 44 Abs. 7 BVG aF. Auf die Schulden, welche die Klägerin mit der Versicherungssumme getilgt habe, träfen die Voraussetzungen, die eine Anrechnung ausschließen könnten, nicht zu. Da es sich um Schulden des Erblassers gehandelt habe, hätte die Klägerin die Begleichung dieser Schulden durch Antrag auf Nachlaßkonkurs oder Nachlaßverwaltung oder andere Maßnahmen zur Beschränkung der Erbenhaftung von sich abwenden können; die Versicherungssumme habe nicht zum Nachlaß gehört. Zwar könne die Klägerin nicht dazu gezwungen werden, derartige die Haftung beschränkende Maßnahmen vorzunehmen. Wenn sie jedoch von solchen Möglichkeiten keinen Gebrauch mache, müsse sie die nachteiligen Folgen ihres Verhaltens im Kriegsopferrecht tragen. Die Rechtslage sei auch nach Inkrafttreten des 1. NOG nicht anders zu beurteilen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 16. März 1964 zugestellte Urteil mit einem am 21. März 1964 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 19. März 1964 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 16. Juni 1964 mit einem am 3. Juni 1964 eingegangenen Schriftsatz vom 2. Juni 1964 begründet.
Sie beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Detmold vom 25. Oktober 1962 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Klägerin rügt eine Verletzung der §§ 44 Abs. 7 BVG aF und 44 Abs. 5 BVG nF. Sie meint, es sei unrichtig, die ihr zugeflossene Versicherungssumme auch dann auf die Witwenbeihilfe anzurechnen, wenn sie diese zur Tilgung der Nachlaßverbindlichkeiten verwendet habe. Zwar habe sie mit dem Tode ihres zweiten Ehemannes den Anspruch auf die Versicherungssumme erworben und sich auch auszahlen lassen. Damit sei aber diese Leistung nicht zu einer anrechenbaren Leistung geworden, weil sie zur Tilgung der Nachlaßverbindlichkeiten verwandt worden sei. Die vom LSG vorgenommene Anrechnung beruhe auf einer reinen Fiktion, weil sie - die Klägerin - auf Bezüge verwiesen werde, die ihr im wirtschaftlichen Endergebnis nicht zugeflossen seien. Dabei könne es dahingestellt bleiben, wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn die Summe etwa zu anderen Zwecken als zur Abdeckung von Nachlaßverbindlichkeiten verwendet worden wäre. Die Verwendung der Versicherungssumme stehe im vorliegenden Fall so eng mit dem Tod ihres zweiten Ehemannes in Zusammenhang, daß die Aufzehrung des Kapitals versorgungsrechtlich nicht unberücksichtigt bleiben könne. Wenn auch das Bezugsrecht aus dem Lebensversicherungsvertrag nicht zum Nachlaß zähle und die Klägerin sich von der Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten hätte befreien können, so dürfe es ihr nicht ungünstig angerechnet werden, wenn sie das Versicherungskapital nicht zu ihrem Unterhalt, sondern zur Deckung der Verbindlichkeiten gebraucht habe. Sie habe nämlich damit nur eine ihr als Erbin obliegende Verpflichtung erfüllt und dadurch ein moralisch durchaus zu billigendes Verhalten an den Tag gelegt. Im übrigen wird auf die Revisionsbegründung Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er schließt sich in seinen Ausführungen den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an.
Die durch Zulassung nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig. Die Revision ist aber nicht begründet.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, auf die Witwenbeihilfe nach § 44 Abs. 3 BVG aF und auf die später an die Stelle der Witwenbeihilfe tretende wiederaufgelebte Witwenrente nach § 44 Abs. 2 BVG nF einen Betrag von 44,80 DM anzurechnen. Dies hat das LSG zutreffend angenommen. Es hat für den Senat gemäß § 163 SGG bindend festgestellt, daß die Klägerin auf Grund eines von ihrem Ehemann mit der Kölnischen Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages den Betrag von 10.000 DM erhalten hat und daß die Klägerin auf Antrag anstelle des Kapitals eine monatliche Leibrente in Höhe von 44,80 DM hätte erhalten können. Weiterhin hat das LSG die Behauptung der Klägerin als wahr unterstellt und damit festgestellt, daß sie diese Summe zur Tilgung von Schulden aus dem Nachlaß ihres zweiten Ehemannes verwendet hat. Was nun zunächst die Gewährung der Witwenbeihilfe für die Zeit bis zum 31. Mai 1960 angeht, in der noch der § 44 BVG in seiner vor Inkrafttreten des 1. NOG geltenden Fassung anzuwenden ist, so war die Anrechnung von 44,80 DM monatlich berechtigt.
Nach § 44 Abs. 3 BVG aF wird eine Beihilfe in Höhe der Witwenrente gewährt, wenn nach der Wiederverheiratung der Witwe der Ehemann gestorben ist. Der § 44 Abs. 7 BVG aF bestimmt, daß die infolge Auflösung oder Nichtigerklärung der neuen Ehe erworbenen Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche geltend zu machen und auf die Witwenrente und Witwenbeihilfe anzurechnen sind. Der Anspruch der Klägerin aus dem von ihrem zweiten Ehemann für sie abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag gehört zu den nach § 44 Abs. 7 BVG aF auf die Witwenbeihilfe anzurechnenden Ansprüchen. Das ergibt sich aus Inhalt und Sinn dieser Anrechnungsvorschrift. Unter den dort genannten "Versorgungsansprüchen" sind nicht nur im engen Sinne die Ansprüche von Hinterbliebenen nach öffentlichem Recht, insbesondere nach beamtenrechtlichen Vorschriften zu verstehen, und mit den "Rentenansprüchen" sind nicht nur im engen Sinne Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemeint, denn wenn das BVG nur in solch engem Sinne Versorgungsansprüche und Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung meint, dann hebt es dies ausdrücklich hervor (vergl. z. B. §§ 65, 32, 34 a, 41 a BVG aF). Bei den dort erwähnten "Unterhaltsansprüchen" handelt es sich um Ansprüche, welche die Ehefrau nach Auflösung der Ehe gegenüber ihrem früheren Ehemann erworben hat. Allen diesen Ansprüchen ist gemeinsam, daß sie den vor der Auflösung der Ehe der Ehefrau von ihrem Ehemann zu gewährenden Unterhalt ersetzen sollen und darauf hinzielen, den Unterhalt der Ehefrau nach der Auflösung der Ehe zu gewährleisten. Daraus ergibt sich, daß das Gesetz alle diejenigen infolge der Auflösung der Ehe erworbenen Ansprüche auf die Witwenbeihilfe anrechnen will, die im Hinblick darauf begründet worden sind, der Ehefrau nach Auflösung ihrer Ehe die Bestreitung ihres Lebensunterhalts zu ermöglichen oder zu erleichtern. Hierzu zählt aber auch der Anspruch einer Ehefrau aus einem zu ihren Gunsten von ihrem Ehemann abgeschlossenen privaten Lebensversicherungsvertrag, der regelmäßig von dem Ehemann gerade deshalb abgeschlossen wird, damit die Witwe nach seinem Tode und dem Fortfall seiner Unterhaltsleistungen von den sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen befreit oder doch zumindest in die Lage versetzt wird, den dringendsten Lebensunterhalt zu bestreiten. Dabei kann dahinstehen, ob die Ansprüche aus solchem Vertrag als Versorgungsansprüche im Sinne der erwähnten Vorschrift oder ob sie auch, wenn bei entsprechender Wahl anstelle einer Summe eine monatliche Rente verlangt werden kann, als Rentenansprüche zu bezeichnen sind.
Die Anrechnung eines infolge der Auflösung der Ehe erworbenen Anspruchs aus einem privaten Lebensversicherungsvertrag rechtfertigt sich auch aus dem Zweck der Witwenbeihilfe nach § 44 BVG aF. Die Witwenbeihilfe ist dazu bestimmt, nach Auflösung der zweiten Ehe als subsidiäre Leistung eine Versorgungslücke zu schließen (siehe dazu die Entscheidung des erkennenden Senats vom 8. März 1966 - 10 RV 708/65 -; BVBl 1966 S. 119; vgl. auch für das Gebiet der Rentenversicherung BSG 19, 153 ff und BSG in SozR RVO § 1291 Nr. 9). Soweit also infolge der Auflösung der zweiten Ehe eine derartige Versorgungslücke nicht eingetreten ist, die Witwe vielmehr aus dieser Ehe Ansprüche erworben hat, die dazu bestimmt sind und sie in die Lage versetzen, ihren Unterhalt zu bestreiten, soll der Witwe nicht mehr eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte Rente aus der Kriegsopferversorgung zufließen. Nur wenn die infolge der Auflösung der zweiten Ehe auf den Unterhalt der Witwe hinzielenden erworbenen Ansprüche nicht die Höhe der Witwenbeihilfe erreichen, soll der Unterschiedsbetrag als monatliche Rente gewährt werden. Ist aber davon auszugehen, daß ein infolge der Auflösung der zweiten Ehe erworbener Anspruch der Witwe aus einem Lebensversicherungsvertrag auf die Witwenbeihilfe i. S. des § 44 Abs. 7 BVG aF anzurechnen ist, so kann diese Anrechnung nur in der Weise erfolgen, daß die Kapitalsumme der Lebensversicherung in einem monatlichen Rentenbetrag umgerechnet wird. Denn weil Witwenbeihilfe in Monatsbeträgen gezahlt wird, kann auch eine Anrechnung der Ansprüche i. S. des § 44 Abs. 7 BVG aF nur durch die Errechnung des monatlichen Ertragswertes eines Kapitalanspruchs erfolgen, wie dies bereits der 9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 24. November 1965 - 9 RV 510/63 - ausgesprochen hat.
Gegenüber der sonach gerechtfertigten Anrechnung einer monatlichen Rente anstelle der gewährten Versicherungssumme macht die Klägerin geltend, die Anrechnung der Rente aus der Lebensversicherung auf die Witwenbeihilfe sei deshalb unzulässig, weil sie die Versicherungssumme zur Tilgung der Nachlaßverbindlichkeiten aus dem Nachlaß ihres zweiten Ehemannes verbraucht habe. Dieser Verbrauch des Versicherungskapitals stelle einen "verständigen Grund" dar, der die Anrechnung ausschließe. Diese Auffassung geht fehl. In § 44 Abs. 7 BVG aF ist die Anrechnung der dort bezeichneten Ansprüche ohne jede Ausnahme vorgeschrieben. Ebenso enthält die Verordnung zur Durchführung (DVO) des § 33 BVG vom 2. August 1958 (BGBl I 567) in dieser Beziehung keine Sonderregelung, wobei dahingestellt bleiben kann, ob für den Fall einer derartigen Sonderregelung in der DVO eine Ermächtigung der Bundesregierung dazu vorgelegen hätte, die Anrechnungsbestimmungen des § 44 Abs. 7 BVG aF einzuschränken. Somit muß die aus dem Versicherungskapital errechnete monatliche Rente der Klägerin für die Zeit bis zum Inkrafttreten des 1. NOG, dem 31. Mai 1960, in vollem Umfange auf die Witwenbeihilfe angerechnet werden.
Dasselbe gilt auch für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis 31. Dezember 1963 während der Gültigkeitsdauer des 1. NOG. Zwar ist durch das 1. NOG eine Rechtsänderung insoweit eingetreten, als die Klägerin statt des bisherigen Anspruchs auf eine Witwenbeihilfe vom 1. Juni 1960 an einen Anspruch auf die wiederaufgelebte Witwenrente gemäß § 44 Abs. 2 BVG hat; jedoch ist hinsichtlich der Anrechnung von Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüchen, die infolge der Auflösung der neuen Ehe erworben sind, gegenüber dem früheren Rechtszustand nach § 44 Abs. 7 BVG aF keine Änderung eingetreten. Nach § 44 Abs. 5 BVG sind die infolge Auflösung ... der neuen Ehe erworbenen Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche geltend zu machen. Die Leistungen sind auf die Witwenrente (Abs. 2) anzurechnen. Diese Vorschrift entspricht nach ihrem Inhalt und Zweck der Anrechnungsvorschrift des § 44 Abs. 7 BVG aF, so daß auf das hierzu oben Gesagte verwiesen werden kann. Der Hinweis der Klägerin auf § 1 Abs. 2 Satz 2 der DVO zu § 33 BVG vom 11. Januar 1961 (BGBl I 19), aus dem sie die Folgerung zieht, daß die Rente aus dem Versicherungskapital nicht angerechnet werden darf, geht fehl. Die angeführte Bestimmung der DVO sieht vor, daß eine Ausgleichsrente unter Berücksichtigung von Vermögenswerten festzustellen ist, wenn der Schwerbeschädigte "ohne verständlichen Grund" über die Werte in einer Weise verfügt hat, daß dadurch sein zu berücksichtigendes Einkommen gemindert wird. Der Klägerin kann nicht gefolgt werden, soweit sie meint, daß ihre Verfügung über das Versicherungskapital aus der Lebensversicherung ihres zweiten Ehemannes zur Begleichung der Nachlaßverbindlichkeiten als "verständlicher Grund" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Der erkennende Senat hat mit eingehender Begründung (siehe dazu das bereits zitierte Urteil vom 8. März 1966) ausgesprochen, daß § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 der DVO vom 11. Januar 1961 bei der Anrechnung von Versorgungs-, Renten- und Unterhaltsansprüchen gemäß § 44 Abs. 5 BVG in der Fassung des 1. NOG keine Anwendung findet, da insoweit eine Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlaß einer DVO nicht vorgelegen hat. Demzufolge bestehen auch während des Zeitraumes der Gültigkeit des 1. NOV (vom 1. Juni 1960 bis 31. Dezember 1963) keine Sonderregelungen, nach denen bestimmte, in § 44 Abs. 5 BVG bezeichnete Ansprüche etwa deshalb von der Anrechnung auf die wiederaufgelebte Witwenrente auszunehmen sind, weil über sie aus einem "verständlichen Grund" verfügt worden ist.
Der Begriff "verständiger Grund" ist vielmehr erst in § 44 Abs. 5 BVG in der Fassung des 2. NOG in das Gesetz aufgenommen worden. Soweit es sich also bei der Frage der Anrechnung der Ansprüche aus der Lebensversicherung auf die wiederaufgelebte Witwenrente um die Zeit vom 1. Januar 1964 an handelt, ist der Anspruch der Klägerin zwar nach der geänderten Fassung des BVG zu prüfen, jedoch ist auch danach die Anrechnung gerechtfertigt. Nach § 44 Abs. 5 BVG in der Fassung des 2. NOG sind Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche, die sich aus der neuen Ehe herleiten, auf die Witwenrente anzurechnen, soweit sie zu verwirklichen sind. Der Wortlaut weicht zwar insoweit von dem der früheren Vorschriften ab, wonach "erworbene Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche geltend zu machen und anzurechnen" waren. Jedoch ist damit keine sachliche Änderung hinsichtlich der Anrechnungspflicht der näher bezeichneten Ansprüche nach Art und Umfang auf die wiederaufgelebte Witwenrente eingetreten. Nach § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG in der Fassung des 2. NOG ist, sofern die Witwe ohne verständigen Grund auf einen Anspruch im Sinne des Satzes 1 verzichtet hat, der Betrag anzurechnen, den der frühere Ehemann ohne den Verzicht zu leisten hätte. Obwohl diese Bestimmungen auf den Satz 1 des § 44 Abs. 5 BVG, also auf Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche insgesamt Bezug nimmt, kann es sich bei dem "Verzicht ohne verständigen Grund" nur um einen Verzicht auf den Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehemann der zweiten Ehe handeln, andernfalls wäre es unverständlich, daß bei einem solchen Verzicht der Betrag anzurechnen ist, "den der frühere Ehemann ohne den Verzicht zu leisten hätte". Es kann daher schon fraglich sein, ob die Vorschrift über die fiktive Anrechnung von Unterhaltsansprüchen, auf welche die Witwe ohne verständigen Grund verzichtet hat, auch auf andere nach § 44 Abs. 5 BVG anzurechnende Ansprüche, die sich aus der neuen Ehe herleiten, überhaupt Anwendung finden sollte oder kann. Dies kann jedoch dahinstehen. Selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, daß ein Verzicht oder eine einen Verzicht gleichzusetzende sonstige Verfügung über die nach § 44 Abs. 5 Satz 1 BVG anrechnungspflichtigen Ansprüche dann ihre Anrechnung auf die wiederaufgelebte Witwenrente ausschließt, wenn der Verzicht oder die sonstige Verfügung "aus verständigem Grund" erfolgt ist, so führt dies im vorliegenden Fall nicht zum Ausschluß der Anrechnung der Rente aus dem Lebensversicherungsvertrag auf die wiederaufgelebte Witwenrente der Klägerin. In dem oben zitierten Urteil des erkennenden Senats vom 8. März 1966 ist ausgeführt, daß als "verständiger Grund" nicht ein Grund angesehen werden kann, der allein aus der Lage und den Zielen der Witwe her verständig erscheint. Die Witwe wird immer, wenn sie auf Ansprüche verzichtet, dafür - allein von ihrer Person aus gesehen - einen "verständigen Grund" haben. Als "verständiger Grund" im Sinne des § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG in der Fassung des 2. NOG kann daher nur ein solcher Grund angesehen werden, der auch unter Abwägung der Interessen des Beklagten und insbesondere auch unter Berücksichtigung des mit der Gewährung der wiederaufgelebten Witwenrente verfolgten Zwecks als verständig erscheint. Bei dem "verständigen Grund" muß es sich somit um einen objektiv verständigen Grund handeln. Wenn im vorliegenden Fall die Klägerin sich moralisch verpflichtet gefühlt haben mag, die Schulden ihres zweiten Ehemannes zu begleichen, so kann dahinstehen, ob auch eine moralische Verpflichtung zu einem Verzicht oder einer sonstigen Vermögensverfügung als "verständiger Grund" im Sinne des § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG anzusehen ist; auf jeden Fall muß dann diese moralische Pflicht objektiv bestanden haben. Es kann nicht angenommen werden, daß eine moralische Verpflichtung wie allgemein ein verständiger Grund als Voraussetzung einer Rechtsfolge allein nach den subjektiven ethischen Anschauungen des Betroffenen zu beurteilen sein sollte, die in der Regel weder nachzuweisen noch nachzuprüfen sein dürften. Wie nun auch immer objektiv eine moralische Verpflichtung abzugrenzen sein mag, so lag jedenfalls für die Klägerin keine solche moralische Verpflichtung vor, mit der Versicherungssumme die Schulden ihres Mannes zu tilgen. Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches konnte sie ihre persönliche Haftung für Nachlaßverbindlichkeiten auf den Nachlaß beschränken. Da das Gesetz diese Möglichkeit ausdrücklich eingeräumt hat, muß gefolgert werden, daß es damit auch ein objektiv moralisch zu rechtfertigendes Verhalten eröffnet hat. Somit kann schon aus diesen Erwägungen nicht anerkannt werden, daß für die Klägerin eine objektiv moralische Verpflichtung und damit ein verständiger Grund im Sinne des Gesetzes bestand, von der Möglichkeit der Beschränkung ihrer Erbenhaftung keinen Gebrauch zu machen und die Schulden des verstorbenen Ehemannes aus dem eigenen Vermögen zu tilgen. Es kann daher unerörtert bleiben, ob die von der Klägerin in Anspruch genommene moralische Verpflichtung auch deshalb nicht anerkannt werden könnte, weil sie die Schulden ihres Ehemannes letztlich auf Kosten der Allgemeinheit tilgen würde, indem sie zwar zunächst für diesen Zweck eigenes Vermögen aufwendet, aber dann dafür wiederum die wiederaufgelebte Witwenrente in Anspruch nimmt, die aus dem Steueraufkommen der Allgemeinheit aufgebracht werden muß.
Schließlich kann der Klägerin auch nicht gefolgt werden, soweit sie meint, daß die aus der Lebensversicherung zu errechnenden Rentenbeträge für den gesamten Zeitraum deshalb nicht anzurechnen seien, weil ihr das Versicherungskapital wirtschaftlich nicht zugeflossen sei, denn sie habe dieses Kapital zur Deckung der Nachlaßverbindlichkeiten verbraucht. Der Betrag von 10.000 DM ist der Klägerin wirtschaftlich zugeflossen, auch wenn sie ihn bald darauf wieder ausgegeben hat. Wenn die Klägerin aber meinen sollte, der mit dem Zufließen der Versicherungssumme verbundene wirtschaftliche Vorteil sei ihr nicht auf die Dauer verblieben, so verkennt sie - unabhängig davon, daß rechtlich allein schon mit dem Zufließen der Versicherungssumme deren Anrechenbarkeit verbunden ist -, daß ihr auch insofern wirtschaftliche Vorteile verblieben sind, als sie durch die Begleichung der Schulden ihres Ehemannes mit der Versicherungssumme künftig nicht mehr für diese Schulden haftet, für die sie als unbeschränkt haftende Erbin sonst mit ihrem eigenen Vermögen gehaftet hätte.
Das LSG hat mithin im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Klägerin der monatliche Rentenbetrag von 44,80 DM auf die Witwenbeihilfe bzw. wiederaufgelebte Witwenrente im Sinne des § 44 BVG anzurechnen ist. Die Revision der Klägerin ist daher unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2347519 |
BSGE, 262 |