Leitsatz (amtlich)
Gegenstand der Feststellungsklage nach SGG § 55 Abs 1 Nr 1 können nicht die einzelnen Faktoren sein, aus denen die spätere - möglicherweise - zu zahlende Rente zu errechnen ist.
Normenkette
SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 24. Mai 1955 und das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Dezember 1954 werden aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger schrieb am 10. Dezember 1951 an die Landesversicherungsanstalt (LVA.) Schleswig-Holstein, sie möge ihm bestätigen, daß er bei Eintritt des Versicherungsfalles den vollen Grundbetrag der Angestelltenversicherung (AV.) erhalte. Er sei auf Grund der SVD Nr. 3 verpflichtet gewesen, nach Vollendung des 50. Lebensjahres von der Lebensversicherung zur AV. überzugehen. Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum Handwerkerversorgungsgesetz vom 13. Juli 1939 (RGBl. I S. 1255), wonach der Grundbetrag nicht gewährt werde, wenn die Versicherungsfreiheit nach Vollendung des 50. Lebensjahres ende, sei auf ihn daher nicht anzuwenden. Die LVA. antwortete ihm am 28. April 1952, diese Vorschrift finde auch auf ihn Anwendung, so daß er mit dem Grundbetrag nicht rechnen könne. Vor dem Sozialgericht Schleswig beantragte der Kläger festzustellen, "daß die Beklagte bei Eintritt des Versicherungsfalles verpflichtet ist, dem Kläger den Grundbetrag aus der AV. zu zahlen, sofern die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft erhalten ist". Durch Urteil vom 9. Dezember 1954 stellte das Sozialgericht fest, daß "die Beklagte bei Eintritt des Versicherungsfalles vorbehaltlich einer neuen anderweitigen gesetzlichen Regelung verpflichtet ist, dem Kläger den Grundbetrag aus der AV. zu gewähren, sofern die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft erhalten ist". Das Landessozialgericht Schleswig wies am 24. Mai 1955 die Berufung der Beklagten zurück und ließ die Revision zu. Es führte zur Zulässigkeit der Klage aus, im Streit sei ein bedingter öffentlich-rechtlicher Anspruch, der Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung sein könne.
Die Beklagte lege form- und fristgerecht Revision ein. Sie beantragte, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen: Der Kläger begehre nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses , sondern eine Auskunft über die später zu gewährende Rente. Seine Klage sei daher unzulässig. Sie sei auch unbegründet, weil § 23 Abs. 1 der Verordnung vom 13. Juli 1939 nach seinem Wortlaut und Sinn immer dann anzuwenden sei, wenn ein Handwerker nach Vollendung des 50. Lebensjahres von der Lebensversicherung zur AV. übergehe.
Der Kläger beantragte, die Revision zurückzuweisen: Im Streit sei ein bedingtes Rechtsverhältnis, an dessen Feststellung er ein berechtigtes Interesse habe. Die Klage sei daher zulässig und nach den zutreffenden Ausführungen des Landessozialgerichts auch begründet.
II
Die Revision ist zulässig und begründet.
Das Gericht kann in eine sachliche Prüfung des Rechtsstreits nur dann eintreten, wenn die Klage zulässig ist; nach § 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist aber eine Feststellungsklage nur in vier Fällen zulässig. Von diesen kommt hier lediglich § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG in Betracht, wonach mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden kann. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht angenommen, daß ein Rechtsverhältnis im Streit sei.
Ob ein Rechtsverhältnis Gegenstand der Feststellungsklage ist, ist nach der rechtlichen Natur des prozessualen Anspruchs zu beurteilen. Die Feststellungsklage des Klägers betrifft weder einen bedingten Anspruch auf Rente noch ein besonderes, von der SVD Nr. 3 vom 14. Oktober 1945 (Arbeitsblatt für die britische Zone 1947, S. 12) erst geschaffenes Versicherungsverhältnis der Handwerker. Der Kläger begehrt nur die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, bei Eintritt des Versicherungsfalles in die Berechnung seiner Rente den vollen Grundbetrag einzusetzen. In diesem Sinn ist auch das Urteil des Sozialgerichts ergangen, das vom Landessozialgericht bestätigt worden ist. Der Kläger will mit seiner Feststellungsklage also erreichen, daß seine künftige Rente in einer bestimmten Weise berechnet wird. Der Streit betrifft deshalb lediglich einen Bestandteil seiner künftigen Rente.
Die Feststellungsklage setzt nun nicht voraus, daß ein Rechtsverhältnis im Ganzen festgestellt werden soll. Es kann auch eine einzelne Beziehung oder Berechtigung aus diesem Verhältnis gerichtlich festgestellt werden (vgl. die Urteile des RG. vom 10.1.1918, RGZ 92/7, vom 19.12.1924, Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht, 1925, S. 210, vom 6.7.1926, Warneyer, 1926, S. 202 und vom 27.2.1934, RGZ 144, S. 57; Schönke-Schröder-Niese, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., S. 201; Rosenberg, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., S. 388; Stein-Jonas, Kommentar zur ZPO, 18. Aufl., Anm. II 1 a zu § 256). Um eine einzelne Beziehung oder Berechtigung handelt es sich indes hier nicht; der Kläger greift vielmehr aus einer einzelnen Beziehung - der Anwartschaft auf Rente - eine einzelne Rechtsfrage, nämlich die Frage nach der Berücksichtigung des Grundbetrages bei der Rentenberechnung, heraus und verlangt eine Feststellung hierüber. In dieser Weise kann das Rechtsverhältnis jedoch nicht zerrissen werden. Die Feststellungsklage ist nicht dazu da, einzelne Faktoren , aus denen die später - möglicherweise - zu zahlende Rente zu errechnen ist, gerichtlich festzustellen (vgl. für ähnliche Fälle die Urteile des RG. vom 19.12.1924 und vom 6.7.1926 a. a. O.).
Die Feststellungsklage ist demnach unzulässig, weil sie kein Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung des von ihm beanspruchten Grundbetrages hat. Die Revision der Beklagten ist begründet; ihrem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen, ist stattzugeben (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).
Fundstellen