Leitsatz (amtlich)
1. Verwaltungsakte ausschließlich begünstigender Natur, wie zB Bescheide über die Bewilligung von Rente, werden in dem Zeitpunkt bindend iS von SGG § 77 und KOV-VfG § 24 indem sie dem Begünstigten zugehen.
2. Auch in der Kriegsopferversorgung bedeutet jeder Bescheid, der wiederkehrende Leistungen wegen einer wesentlichen Änderung in den "für die Feststellung der Leistungen maßgebenden Verhältnissen (BVG § 62) entzieht, rechtlich zugleich, daß der Bescheid, durch den die Leistungen bewilligt worden sind, von der Wirksamkeit der Entziehung an als rechtswidrig angesehen und deshalb als nunmehr fehlerhaft zurückgenommen wird.
3. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von BVG § 62 liegt nur vor, wenn sich die Verhältnisse, die beim Erlaß des Verwaltungsakts in Wirklichkeit (objektiv) vorgelegen haben, geändert haben; es kommt nicht darauf an, von welchen Verhältnissen die Behörde , die den Verwaltungsakt erlassen hat, ausgegangen ist, was also subjektiv für sie beim Erlaß des Verwaltungsakts maßgebend gewesen ist.
4. Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die rechtliche Begründung, die ihm von der Verwaltung beigegeben ist, nicht zutrifft.
Ein Verwaltungsakt, durch den ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ganz oder teilweise zurückgenommen wird, ist ein Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung. Für die Frage, ob ein solcher Verwaltungsakt, dessen Aufhebung mit der Klage begehrt wird, rechtmäßig oder rechtswidrig ist, kommt es auf die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt an, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung ergangen ist, nicht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
6. Zur zeitlichen Geltung der SVA 11 Nr 26 (vergleiche BSG 1956-09-04 10 RV 70/54 = BSGE 3, 251-263).
7. Zur Bedeutung der Pflicht, Änderungen in den tatsächlichen Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs anzuzeigen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein "Nachschieben " von Gründen durch die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, ist jedenfalls dann zulässig, wenn der Verwaltungsakt durch die andere Begründung nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen nicht etwas wesentlich anderes wird; in solchen Fällen wird durch eine nachträglich andere Begründung kein anderer Verwaltungsakt geschaffen, sondern nur der bestehende Verwaltungsakt auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt. Unter den gleichen Voraussetzungen ist ein Verwaltungsakt der eine unzutreffende Begründung enthält, aber auf andere rechtliche Vorschriften gestützt werden kann, auch vom Gericht als rechtmäßig zu werten.
2. Der Versorgungsempfänger hat iS des KOV-VfG § 47 gewußt, daß ihm Versorgung in der gewährten Höhe nicht zustand, wenn er wiederholt darauf hingewiesen worden war, daß er Änderungen der Verhältnisse unverzüglich anzuzeigen habe. Um ein wissentliches Verschweigen iS des KOV-VfG § 47 handelt es sich auch dann, wenn der Versorgungsempfänger es hat darauf ankommen lassen, ob die Verwaltung von einer Änderung der Verhältnisse erfahre.
3. BVG § 62 Abs 1 ermächtigt nur zur Zurücknahme solcher Verwaltungsakte, die nach ihrem Erlaß fehlerhaft geworden sind. Bei Verwaltungsakten, die schon im Zeitpunkt ihres Erlasses ganz oder für einen Teil der Zeit, auf die sich ihre Wirkung erstreckt, fehlerhaft waren, ist eine Zurücknahme auf Grund des BVG § 62 Abs 1 nicht möglich. Für die Rückforderung von Leistungen ist in allen beim Inkrafttreten des KOV-VfG anhängigen Fällen KOV-VfG § 47 maßgebend.
Normenkette
SGG § 54 Fassung: 1953-09-03, § 77 Fassung: 1953-09-03, § 123 Fassung: 1953-09-03; KOVVfG § 24 Abs. 2 Fassung: 1955-05-02, § 41 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02; BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20; SVAnO 11 Nr. 26; KOVVfG § 47 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. September 1955 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Die Klägerin beantragte im März 1948 Witwenrente, weil ihr Ehemann vermißt sei und sie außer einer Wohlfahrtsunterstützung über kein Einkommen verfüge. Durch Bescheid vom 30. November 1949 bewilligte die Landesversicherungsanstalt (LVA.) Rheinprovinz - Außenstelle Aachen - nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 vom 2. Mai 1947 (ArbBl. für die brit. Zone 1947 S. 155 ff.) eine Witwenrente von 30,-- DM monatlich; der Bescheid enthielt den Hinweis, daß die Klägerin verpflichtet sei, jedes den Freibetrag übersteigende Einkommen oder jede Änderung ihres Einkommens "sofort unaufgefordert" mitzuteilen. Entsprechende Hinweise enthielten eine Benachrichtigung vom September 1950 und der von der Klägerin im Mai 1951 ausgefüllte Erhebungsbogen für die Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), im letzteren Falle mit dem besonderen Vermerk, daß auch Änderungen der dargestellten Verhältnisse vor Bescheiderteilung "unverzüglich" mitzuteilen seien. Durch Bescheid vom 13. Dezember 1951 - Umanerkennung - bewilligte das Versorgungsamt (VersorgA.) der Klägerin nach dem BVG Grundrente und eine Ausgleichsrente in Höhe von 30,-- DM vom 1. Oktober 1950 an; auch dieser Bescheid enthielt den Hinweis auf die Verpflichtung zur "unverzüglichen" Anzeige von Änderungen in den Einkommensverhältnissen, ferner den üblichen Vermerk, daß unrechtmäßig empfangene Versorgungsbezüge zurückgezahlt werden müssen; dieselben Hinweise enthielt eine Neufeststellung vom 29. Mai 1952. Am 6. Oktober 1952 nahm das VersorgA. einen Vermerk zu seinen Akten, nach dem die Klägerin in einer Jahresbescheinigung für 1951, die sie am 28. März 1952 unterzeichnet hatte, angegeben hatte, daß sie seit 1. August 1951 an Arbeitslohn "150 bis 160,-- DM" monatlich erhalte; die Stadt Aachen bestätigte als Arbeitgeber, daß die Klägerin als Küchenhilfe seit 1. August 1951 monatlich brutto 174,74 DM, seit 1. Januar 1952 166,30 DM verdiente. In einem Bescheid vom 10. November 1952, den das VersorgA. als Neufeststellungsbescheid bezeichnete und auf § 62 BVG stützte, berechnete das VersorgA. die Ausgleichsrente der Klägerin unter Berücksichtigung des Arbeitseinkommens neu und setzte sie ab 1. August 1951 auf monatlich 3,-- DM, ab 1. Januar 1952 auf 9,-- DM und ab 1. April 1952 auf 14,-- DM fest; der Bescheid verglich die der Klägerin zustehenden und die ihr gezahlten Betrage an Grund- und Ausgleichsrente seit 1. August 1951 und stellte als "zuviel gezahlt" einen Betrag von 342,-- DM fest, der ab Januar 1953 bis zur Tilgung in monatlichen Raten von den laufenden Bezügen einbehalten werde. Den Einspruch der Klägerin wies der Beschwerdeausschuß zurück. Sie legte hierauf Berufung beim Oberversicherungsamt (OVA.) Aachen ein, die mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) am 1. Januar 1954 als Klage auf das Sozialgericht (SG.) Köln überging, das durch Urteil vom 10. Mai 1954 die Klage abwies. Die Klägerin legte Berufung beim Landessozialgericht (LSG.) Nordrhein-Westfalen ein: sie habe schon bei Erteilung des Umanerkennungsbescheids vom 13. Dezember 1951 Arbeitseinkommen bezogen, zwischen diesem Bescheid und dem "Neufeststellungsbescheid" vom 10. November 1952 hätten sich also die Verhältnisse nicht geändert, eine Neufeststellung nach § 62 BVG sei daher nicht zulässig gewesen. Der Beklagte beantragte, die Berufung zurückzuweisen. Durch Urteil vom 7. September 1955 wies das LSG. die Berufung zurück: für eine Neufeststellung nach § 62 BVG sei zwar kein Raum gewesen, der Bescheid vom 10. November 1952 könne aber als Rückforderungsbescheid aufrechterhalten werden, es sei unerheblich, daß dieser Rechtsgrund in dem Bescheid nicht aufgeführt sei; der Rechtskraft des Bescheids vom 13. Dezember 1951 seien schon nach den Grundsätzen des allgemeinen Verfahrensrechts Grenzen gesetzt, wie sich aus § 580 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ergebe; die Rückforderung verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben; die in § 47 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung vom 2. Mai 1955 (VwVG) zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken seien schon vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes anwendbar; auch eine besondere Härte im Sinne von § 47 Abs. 4 VwVG liege nicht vor. Das LSG. ließ die Revision zu.
Die Klägerin legte am 21. Oktober 1955 gegen das Urteil, das am 11. Oktober 1955 zugestellt worden ist, Revision ein mit dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der diesem zugrunde liegenden Vorentscheidung den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin den auf Grund des Bescheids vom 10. November 1952 rückgeforderten und daher einbehaltenen Betrag in Höhe von 342,-- DM zu erstatten,
hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Am 5. Mai 1956 erließ das VersorgA. Aachen einen "Berichtigungsbescheid" gemäß § 41 VwVG, in dem, gestützt auf § 47 Abs. 3 dieses Gesetzes, der Bescheid vom 13. Dezember 1951 geändert und unter Berücksichtigung des Arbeitseinkommens der Klägerin seit 1. August 1951 eine Überzahlung von 342,-- DM errechnet wurde, die zwischenzeitlich bereits getilgt sei; der Neufeststellungsbescheid vom 10. November 1952 sei durch diesen Bescheid überholt.
Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II.
Der Bescheid vom 5. Mai 1956, der den angefochtenen Bescheid vom 10. November 1952 ersetzt und den Bescheid vom 13. Dezember 1951 nach § 41 VwVG "berichtigt", ist erst während des Revisionsverfahrens ergangen; er gilt deshalb als mit der Klage beim SG. angefochten (§ 171 Abs. 2 SGG). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist weiterhin nur der Bescheid vom 10. November 1952. Das LSG., dessen Urteil diesen Bescheid betrifft, hat die Revision zugelassen; sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden und sonach zulässig. Die Revision ist aber nicht begründet.
1.) Das LSG. hat die Berufung mit Recht als zulässig angesehen; das Urteil des SG. betrifft nicht "Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume" im Sinne des § 148 Nr. 2 SGG, sondern die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Rente; in einem solchen Falle ist die Berufung zulässig (vgl. BSG. 3 S. 234 [236, 237]).
2.) Das angefochtene Urteil befaßt sich nur mit der Frage, ob der Beklagte berechtigt gewesen ist, auf Grund des Bescheids vom 10. November 1952 von den laufenden Rentenbezügen der Klägerin 342,-- DM einzubehalten; auch die Klägerin wendet sich mit der Revision nur gegen die Einbehaltung dieses Betrags, sie hat beantragt, ihr diesen Betrag wieder "zu erstatten"; sie begehrt damit die Aufhebung des Bescheids vom 10. November 1952, weil sie ihn für rechtswidrig hält. Das LSG. hat den Bescheid als "Rückforderungsbescheid" angesehen; es hat die Rückforderung für rechtlich möglich gehalten, weil die Klägerin auf die Ausgleichsrente in Höhe von 342,-- DM keinen Anspruch gehabt habe.
Die Klägerin hat diese Leistungen auf Grund des Bescheids vom 13. Dezember 1951 erhalten. Dieser Bescheid ist ein Verwaltungsakt (VA.) mit Dauerwirkung und ein VA. ausschließlich begünstigender Natur; er ist deshalb nach den §§ 77 SGG, 24 VwVG ebenso wie nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen in dem Zeitpunkt, in dem er der Klägerin zugegangen ist, für die Beteiligten in der Sache bindend geworden, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist (vgl. Haueisen, Die Ortskrankenkasse 1956 S. 189 ff., Text zu Anm. 13 - 17).
Die Leistungen, die der Beklagte nach diesem Bescheid gewährt hat, hat er nur zurückfordern können, wenn der Bescheid von einem bestimmten Zeitpunkt an auf Grund einer Ausnahmevorschrift zurückgenommen worden ist (vgl. §§ 77 SGG, 2. Halbsatz und 24 VwVG, 2. Halbsatz). Als Vorschriften, die zu Gunsten der Berechtigten ergangen sind, erfassen die 77 SGG und 24 Abs. 1 VwVG nach ihrem zeitlichen Geltungswillen auch Verwaltungsakte, die vor ihrem Inkrafttreten erlassen worden sind (vgl. BSG. 2 S. 188; 3. S. 234 [237]; BGHZ. 9 S. 101 ff. und BVerwGE 4 S. 161 [166]; Haueisen, Die Ortskrankenkasse 1957 S. 488 Anm. 8). Bevor über die Berechtigung der Rückforderung entschieden werden kann, muß deshalb geprüft werden, ob der "Neufeststellungsbescheid" vom 10. November 1952 auch eine teilweise Rücknahme des Bescheids vom 13. Dezember 1951 enthält und ob diese Rücknahme rechtswirksam ist (vgl. auch Haueisen, NJW. 1954 S. 977 ff. [978]; Dickmann, DÖV 1957 S. 278 ff. [282, 283]).
a) Wie in der Rentenversicherung so bedeutet auch in der Kriegsopferversorgung jeder Bescheid, der wiederkehrende Leistungen wegen einer wesentlichen Änderung in den "für die Feststellung maßgebenden Verhältnissen" entzieht, rechtlich zugleich, daß der Bescheid, durch den die Leistungen bewilligt worden sind, von der Wirksamkeit der Entziehung an als rechtswidrig angesehen und deshalb als nunmehr fehlerhaft zurückgenommen wird (BSG. 2, S. 188 ff. [190]). Hiernach enthält auch der Bescheid vom 10. November 1952 eine teilweise Rücknahme des Bescheids vom 13. Dezember 1951; es fragt sich aber noch, ob der Bescheid zu Recht ergangen ist.
b) Das LSG. hat zutreffend ausgeführt, daß der Bescheid vom 10. November 1952 jedenfalls nicht auf § 62 BVG gestützt werden kann. Der Bescheid vom 13. Dezember 1951, durch den der Klägerin die volle Ausgleichsrente nach dem BVG vom 1. Oktober 1950 an bewilligt worden ist, ist zunächst, soweit sich seine Wirkung auf die Zeit bis zur Arbeitsaufnahme der Klägerin (1.8.1951) erstreckt hat, rechtmäßig gewesen, weil der Klägerin vor der Arbeitsaufnahme die volle Ausgleichsrente nach § 41 Abs. 3 BVG zugestanden hat; der Bescheid ist jedoch schon im Zeitpunkt seines Erlasses insoweit rechtswidrig gewesen, als er der Klägerin die volle Ausgleichsrente auch für die Zeit vom 1. August 1951 an bewilligt hat und das Arbeitseinkommen, das die; Klägerin von diesem Zeitpunkt an bezogen hat, entgegen § 41 Abs. 4 BVG nicht als "sonstiges Einkommen" nach den damals maßgebenden Anrechnungsvorschriften berücksichtigt worden ist. Um eine Änderung der "Verhältnisse, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind" (§ 62 Abs. 1 BVG) hat es sich aber insoweit nicht gehandelt. Hierunter dürfen nur die Verhältnisse verstanden werden, die beim Erlaß des VA. in Wirklichkeit (objektiv) vorgelegen haben, es kommt nicht darauf an, von welchen Verhältnissen die Behörde, die den VA. erlassen hat, ausgegangen ist, was also subjektiv für sie beim Erlaß des VA. maßgebend gewesen ist (ebenso Vorberg, Die Kriegsopferversorgung, 1955 S. 129; Düsseldorf, Der Versorgungsbeamte, 1956 S. 29 ff.; Thannheiser-Wende-Zech. 3. Aufl., Bd. I zu § 62 BVG; vgl. auch Stein-Jonas, ZPO, 18. Aufl., Anm. II 3 a und 4 zu § 323 ZPO, an den sich § 62 BVG sinnentsprechend anschließt, sowie RGZ. 5 S. 98). Der Gesetzgeber ist bei § 62 Abs. 1 BVG von dem Regelfall ausgegangen, daß die Versorgungsverwaltung - wie das auch der Grundsatz der Amtsermittlung, der die gesamte Versorgung beherrscht (vgl. § 12 VwVG), erfordert - vor der Feststellung der Bezüge die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse geprüft und die notwendigen Erhebungen angestellt hat, daß diese Verhältnisse somit der Wirklichkeit entsprechen und daß der VA. deshalb zur Zeit seines Erlasses rechtmäßig gewesen ist (ebenso Vorberg a.a.O.). Ein ursprünglich rechtmäßiger VA. mit Dauerwirkung kann sich zwar in einen rechtswidrigen VA. verwandeln, wenn die Sach- und Rechtslage sich nach seinem Erlaß geändert hat (vgl. Haueisen, NJW. 1956 S. 201 ff., Bettermann, NJW. 1958 S. 81 [84 unter III 3]); dieser veränderten Sach- und Rechtslage soll durch die Rücknahme des VA. nach § 62 Abs. 1 BVG Rechnung getragen werden können. § 62 Abs. 1 BVG ermächtigt aber nur zur Rücknahme solcher Verwaltungsakte, die nach ihrem Erlaß, und sei es auch nur für einen Teil der Zeit, auf die sich ihre Dauerwirkung erstreckt, fehlerhaft geworden sind. Verwaltungsakte, die schon in dem Zeitpunkt, in dem sie erlassen worden sind, ganz oder für einen Teil der Zeit, auf die sich ihre Wirkung erstreckt, rechtswidrig gewesen sind, können nicht auf Grund von § 62 Abs. 1 BVG zurückgenommen werden.
c) Der Rücknahmebescheid vom 10. November 1952 ist aber aus anderen Gründen rechtlich aufrechtzuerhalten. Der Beklagte hat sich im Revisionsverfahren zur Begründung des Bescheids u.a. auch auf § 42 VwVG berufen; er hat also für den Fall, daß er den angefochtenen Bescheid zunächst unrichtig begründet hat, nachträglich andere rechtliche Gründe geltend gemacht. Ein solches "Nachschieben" von Gründen durch die Behörde, die den VA. erlassen hat, ist jedenfalls dann zulässig, wenn der VA. durch die andere Begründung nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen nicht etwas wesentlich anderes wird; in solchen Fällen wird durch eine nachträgliche andere Begründung kein anderer VA. geschaffen, sondern nur der bestehende VA auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt (BVerwGE. 1 S. 12 ff., S. 311 ff. [313]; grundsätzlich ebenso auch BSG. 3, 209 ff. [216] OVG. Rh.-Pf., AS. Rh.-Pf. Bd. 2 S. 301 und S. 323; Beuster, Recht im Amt, 1956 S. 338 ff.). Unter den gleichen Voraussetzungen ist ein VA., der eine unzutreffende Begründung enthält, aber auf andere rechtliche Vorschriften gestützt werden kann, auch vom Gericht als rechtmäßig zu werten; ein VA. ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die rechtliche Begründung, die ihm von der Verwaltung beigegeben ist, nicht zutrifft (Klinger, MRVO Nr. 165, 3. Aufl., S. 455 mit ausführlichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Schrifttum; OVG. Rh.-Pf., AS. Rh.-Pf. Bd. 2 S. 323).
d) Für die Frage, ob ein VA. ohne Dauerwirkung, dessen Aufhebung mit der Klage begehrt wird, rechtmäßig oder rechtswidrig ist, kommt es auf die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt an, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung, unter Umständen also, die Entscheidung im Vorverfahren, ergangen ist, nicht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. auch BVerwGE. 1 S. 35 ff. und 2 S. 55; ferner im Ergebnis auch mehrfach das BSG., z.B. BSG. 1 S. 56; 3 S. 252 ff.; Urteile vom 26.6.1957 - 8 RV 121/55 -, vom 3.7.1957 - 6 RKa 6/55 -, vom 17.9.1957 - 9 RV 146/54 - und vom 6.2.1958 - 8 RV 473/56 -; außerdem Bettermann, NJW. 1958 S. 84 unter III 3). Zu den Verwaltungsakten ohne Dauerwirkung gehört hinsichtlich der teilweisen Rücknahme des Bescheids vom 13. Dezember 1951 auch der angefochtene Bescheid vom 10. November 1952; er ist ein VA. ohne Dauerwirkung, obwohl er sich - wie z.B. auch ein Bescheid über die Entziehung der kassenärztlichen Zulassung - auf einen VA. mit Dauerwirkung bezieht; solche Verwaltungsakte erschöpfen sich in der (vollständigen oder teilweisen) Aufhebung des VA. mit Dauerwirkung, sie selbst haben keine Dauerwirkung.
Dieser Bescheid hat zwar nicht in § 42 VwVG (erst in Kraft getreten am 1.4.1955, § 51 VwVG), wohl aber in Ziff. 26 der Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 11 vom 5. Juli 1947 (Amtsbl. für die brit. Zone 1947 S. 234) eine rechtliche Gründlage; nach dieser Vorschrift konnte ein rechtskräftiger Bescheid aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen der Bescheiderteilung sich als unzutreffend erwiesen.
Wie das Bundessozialgericht (BSG. 3 S. 251 ff. [262]) bereits entschieden hat, ist der Präsident des Zentralamts für Arbeit durch § 22 SVD Nr. 27 zum Erlaß der Ziff. 26 der SVA. Nr. 11 ermächtigt gewesen; die Vorschrift verstößt auch nicht gegen die §§ 1, 2 SVD Nr. 27; bei der SVA. Nr. 11 handelt es sich um Recht, das sich auf das ganze Gebiet der ehemals britischen Zone und damit über den Bereich des Berufungsgerichts hinaus erstreckt; das VersorgA. hat der Klägerin auch einen neuen berufungsfähigen Bescheid erteilt (Ziff. 26 SVA. Nr. 11 Abs. 1, 2. Halbsatz). Die Ermächtigung zur Rücknahme eines begünstigenden VA., die der Verwaltung durch Ziff. 26 der SVA. Nr. 11 erteilt worden ist, ist auch nach dem Inkrafttreten des BVG nicht auf rechtskräftige Bescheide beschränkt, die noch auf Grund der SVD Nr. 27 erlassen worden sind. Dies ergibt sich aus Nr. 2 der SVD Nr. 31 vom 22. Dezember 1950 (Bundesarbeitsblatt 1951 S. 44), in der bestimmt ist, daß mit Wirkung vom 1. Oktober 1950, also vom Inkrafttreten des BVG an, "die Bestimmungen der SVD Nr. 27 ... mit Ausnahme der Absätze 19, 20 und 22 (g) und (h) widerrufen" werden; die SVA Nr. 11 ist, wie das BSG. (BSG. 3 S. 262) schon dargelegt hat, im Rahmen der durch Abs. (§) 22 SVD Nr. 27 erteilten Ermächtigung erlassen worden, auch sie ist deshalb durch die SVD Nr. 31 nicht "widerrufen" worden. In der SVD Nr. 31 (Abs. 3) ist ferner ausdrücklich bestimmt, daß "die vorübergehende Beibehaltung der oben erwähnten Absätze [das sind die Absätze 19, 20 und 22 (g) und (h)] der SVD Nr. 27 ... dem § 84 Abs. 3 des Bundesgesetzes" (d.i. das BVG) entspricht; es sollten also auch in der britischen Zone die Vorschriften "hinsichtlich des Verwaltung- und Spruchverfahrens" (§ 84 Abs. 3 BVG) bis zu einer anderweitigen gesetzlichen Regelung aufrecht erhalten werden; Ziff. 26 der SVA Nr. 11 ist, unbeschadet der Frage, wie weit diese Bestimmung auch materiellrechtlichen Inhalt hat, jedenfalls insoweit, als sie eine Ermächtigung für das Verwaltungshandeln enthält, auch eine Vorschrift des "Verwaltungsverfahrens" i.S. von § 84 Abs. 3 BVG, sie ist auch jedenfalls bis 31. Dezember 1952 in Kraft gewesen (Ziff. 26 Abs. 2 SVA Nr. 11), also noch in dem Zeitpunkt, in dem der Beklagte den Bescheid vom 10. November 1952 erlassen hat. Der Sinn der SVD Nr. 31 kann deshalb nur gewesen sein, entsprechend § 84 Abs. 3 BVG die bisherigen Vorschriften des Verwaltungs- und Spruchverfahrens, damit also auch die Ziff. 26 SVA Nr. 11, auch für die Bescheide, die auf Grund des BVG ergangen sind, vorläufig aufrecht zu erhalten; dies ergibt sich auch daraus, daß die aufrecht erhaltenen Vorschriften erst durch weitere Sozialversicherungsdirektiven (Nr. 32 vom 9. März 1951; Nr. 33 vom 23. Dezember 1953) aufgehoben worden sind; erst durch die Bundesgesetze, auf die diese Sozialversicherungsdirektiven sich beziehen (Gesetz über die Errichtung von Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung - SVD Nr. 32 - und Sozialgerichtsgesetz - SVD Nr. 33 -) sind die "noch in Kraft befindlichen Bestimmungen der SVD Nr. 27 überflüssig" geworden (SVD Nr. 33, 2. Absatz).
Die Voraussetzungen, unter denen der Beklagte nach Ziff. 26 SVA Nr. 11 die Möglichkeit gehabt hat, einen rechtskräftigen Bescheid aufzuheben, sind auch gegeben gewesen. Das VersorgA. hat beim Erlaß des Bescheids vom 13. Dezember 1951 nicht gewußt, daß die Klägerin seit 1. August 1951 Arbeitseinkommen erzielt; es hat, weil die Klägerin die neuen Einkommensverhältnisse nicht mitgeteilt hat, davon ausgehen müssen, daß sie kein Einkommen hat; die vom VersorgA. angenommenen Voraussetzungen haben sich erst später als unzutreffend erwiesen. Zwar ist der Bescheid vom 10. November 1952 als "Neufeststellungsbescheid" bezeichnet, wesentlich ist jedoch nur der Inhalt des Bescheids, nämlich in erster Linie die teilweise Rücknahme des Bescheids vom 13. Dezember 1951; dieser Inhalt ist trotz der unrichtigen Bezeichnung des Bescheids und trotz seiner unrichtigen Begründung auch von Anfang an für die Klägerin ohne weiteres erkennbar gewesen. Der angefochtene Bescheid hat durch den Vermerk "Im Anschluß an den Bescheid vom 13. Dezember 1951", durch die Gegenüberstellung der auf Grund dieses Bescheids gezahlten und der der Klägerin nach ihrem Arbeitseinkommen in Wirklichkeit zustehenden Bezüge sowie durch die Feststellung, daß 342,-- DM "zuviel gezahlt" seien, erkennen lassen, daß es sich in der Sache um eine teilweise Rücknahme des Bescheids vom 13. Dezember 1951 handelt.
f) Schließlich ist auch die Rückforderung des überzahlten Betrages von 342,-- DM, die ebenfalls in dem Bescheid vom 10. November 1952 enthalten ist, rechtlich möglich gewesen; es ist unerheblich, daß der Beklagte nicht einen besonderen "Rückforderungsbescheid" erlassen hat. Die Absicht der Rückforderung ergibt sich eindeutig daraus, daß in dem Bescheid eine Überzahlung festgestellt und zugleich verfügt worden ist, der überzahlte Betrag sei von der laufenden Rente einzubehalten. Für die Rückforderung ist in allen beim Inkrafttreten des VwVG anhängigen Rückforderungsfällen § 47 VwVG maßgebend (vgl. - zu § 47 Abs. 1 und 2 VwVG - BSG. 3 S. 234 und - zu § 47 Abs. 3 VwVG - Urt. des BSG. vom 17.9.1957, 9 RV 146/54, SozR, Nr. 3 zu § 47 VwVG). Zwar schließt § 47 Abs. 3 Satz 1 VwVG die Rückforderung grundsätzlich aus, wenn sie sich aus einer Rücknahme nach den §§ 41 oder 42 VwVG ergibt; die Rückforderung ist nur in den in § 47 Abs. 3 Satz 2 (Nr. 1 und 2) VwVG erwähnten Ausnahmefällen rechtlich möglich. Soweit die Rücknahme nicht unmittelbar nach den §§ 41, 42 VwVG zulässig ist, tritt in § 47 Abs. 3 VwVG anstelle von § 41 VwVG die Ziff. 26 SVA Nr. 11; diese knüpft die Möglichkeit der Rücknahme jedenfalls nicht an engere Voraussetzungen als § 41 VwVG.
Der Rückforderungsanspruch ist nach § 47 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VwVG auch begründet. Die Klägerin ist in den ihr zugegangenen Bescheiden vom 30. November 1949, 13. Dezember 1951 und 29. Mai 1952 und in der Benachrichtigung vom September 1950 immer wieder darauf hingewiesen worden, daß sie Änderungen ihrer Einkommensverhältnisse "unverzüglich" oder "sofort" anzugeben habe; sie ist in dem von ihr im Mai 1952 ausgefüllten Erhebungsbogen noch besonders darauf hingewiesen worden, daß auch solche Änderungen, die zwischen dem Antrag und der Erteilung des ersten Bescheids über diesen Antrag eintreten, "unverzüglich" anzuzeigen sind. Unter diesen Umständen hat das LSG. die Grenzen seines Rechts, über das Gesamtergebnis des Verfahrens nach freier Überzeugung zu entscheiden (§ 128 SGG), nicht überschritten, wenn es angenommen hat, die Klägerin habe gewußt, daß die Aufnahme von Arbeit und das aus dieser Arbeit erzielte Einkommen auf die Höhe ihrer Versorgungsbezüge von Einfluß sind; wenn sie trotzdem dem VersorgA. hiervon keine Anzeige gemacht hat, hat sie Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich verschwiegen. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, daß sie das Arbeitsentgelt in der Jahresbescheinigung für 1951 angegeben habe; auch diese Jahresbescheinigung hat sie erst am 28. März 1952 unterzeichnet, also erst acht Monate nach Aufnahme der Arbeit; um ein "wissentliches" Verschweigen handelt es sich im übrigen auch dann, wenn die Klägerin es hat darauf ankommen lassen wollen, ob und wann der Beklagte von der Arbeitsaufnahme erfahre. Der soziale Rechtsstaat, wie er nach Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG in der Bundesrepublik Gestalt und Ausdruck findet, hat nicht nur die Pflicht, alle seine Bürger sozial und gerecht zu betreuen, er darf auch erwarten, daß der einzelne Bürger sich ihm gegenüber sozial und gerecht verhält; dazu gehört aber auch, daß er, wenn er von der öffentlichen Verwaltung wiederkehrende Leistungen erhält, die Pflicht, Änderungen wesentlicher Umstände anzuzeigen, ernst nimmt und voll erfüllt (vgl. Haueisen, NJW. 1956 S. 204 Anm. 24). In diesem Sinn lassen auch die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts, die zur Anwendung kommen, wenn besondere gesetzliche Vorschriften fehlen, die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte und die Rückforderung zu Unrecht bezogener Leistungen zu, sofern die Rechtswidrigkeit des VA. darauf beruht, daß der Berechtigte der Behörde, von der der VA. erlassen worden ist, wesentliche Umstände nicht mitgeteilt hat, obwohl ihm die Bedeutung dieser Umstände für den Erlass des VA. bekannt gewesen ist (vgl. Urteil des BVerwG vom 28.6.1957, DÖV. 1957 S. 911 = NJW. 1958 S. 154 = DVBl. 1958 S. 56).
3.) Das LSG. hat hiernach die Berufung der Klägerin im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen; die Revision der Klägerin ist deshalb unbegründet, sie ist nach § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen