Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. Februar 1978 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, der spanischer Staatsangehöriger ist, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) hat.
Der Kläger war vom 15. November 1974 bis 31. Juli 1976 als Vertragslehrer beim Regierungspräsidenten in S. in C. beschäftigt. Er hatte eine bis zum 24. November 1977 befristete Aufenthaltserlaubnis, die außerdem nur für eine Tätigkeit als Lehrkraft in C. erteilt worden war. Die Ausländerbehörde hatte hierbei berücksichtigt, daß dem Kläger die Einreise nur zur Behebung des Mangels an ausländischen Lehrkräften für die Kinder der in C. ansässigen ausländischen Arbeitnehmer erlaubt werden konnte. Am 16. November 1976 ist der Kläger als Lehrer im Landkreis U. eingestellt worden.
Am 5. August 1976 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Das Arbeitsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. August 1976 idF des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 1976 mit der Begründung ab, der Kläger stehe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Der in § 103 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) genannte allgemeine Arbeitsmarkt beinhalte den für ihn erreichbaren Arbeitsmarkt. Dieser Arbeitsmarkt umfasse auch ein Gebiet außerhalb von C.. Da der Kläger jedoch aufgrund seiner Aufenthaltserlaubnis, die lediglich für eine Tätigkeit als Lehrkraft in C. gelte, nur an diesem Ort arbeiten könne, sei. er nicht verfügbar.
Das Sozialgericht (SG) Stade hat mit Urteil vom 22. Juni 1977 die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg für die Zeit vom 5. August bis 15. November 1976 zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 7. Februar 1978 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, von den Anspruchsvoraussetzungen für das Alg sei lediglich streitig, ob der Kläger der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, insbesondere, ob er eine zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben durfte. Dies sei der Fall gewesen, wie der Kläger durch seine Arbeitsaufnahme im Landkreis U. bewiesen habe. Der Ansicht der Beklagten, der Kläger stehe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, weil seine Aufenthaltserlaubnis auf eine Tätigkeit als Lehrkraft in C. beschränkt gewesen sei, könne nicht gefolgt werden. Zwar bedürften Ausländer nach § 2 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) vom 28. April 1965 einer Aufenthaltserlaubnis, die nach § 7 Abs. 1 und Abs. 3 sowohl räumlich beschränkt als auch mit Bedingungen und Auflagen versehen werden könne. Nach § 5 der Arbeitserlaubnisverordnung vom 2. März 1971 sei die Erteilung einer Arbeitserlaubnis grundsätzlich von einer Aufenthaltserlaubnis der Ausländerbehörde abhängig. Für Lehrpersonen an öffentlichen Schulen und an staatlich anerkannten privaten Ersatz schulen sei allerdings nach § 9 Nr. 6 Arbeitserlaubnisverordnung eine zusätzliche Arbeitserlaubnis nicht erforderlich. Es könne dahinstehen, ob die vom Ordnungsamt der Stadt C. erteilte massive Auflage und räumliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis ermessensfehlerhaft gewesen sei oder nicht. Jedenfalls seien andere deutsche Ausländerbehörden nicht gehindert, dem Kläger eine neue, auf seine Erfordernisse abgestellte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wie das inzwischen auch vom Landratsamt des A. D.-Kreises in U. tatsächlich geschehen sei. Die Erwägungen, die das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 27. Januar 1977 (SozR 4100 § 19 Nr. 2) zur Frage der Verfügbarkeit eines ausländischen Arbeitnehmers, der keine Arbeitserlaubnis besitze, angestellt habe, müßten auch hinsichtlich der Aufenthaltserlaubnis gelten, die im Regelfall Voraussetzung für die Erteilung der Arbeitserlaubnis sei.
Mit der Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen die §§ 100, 103 AFG. Sie ist der Auffassung, der Annahme der Verfügbarkeit gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG habe die Bindungswirkung der vom Ordnungsamt der Stadt C. erteilten Aufenthaltserlaubnis entgegengestanden. Danach sei der Kläger im fraglichen Zeitraum nicht berechtigt gewesen, irgendeine Tätigkeit außerhalb C. aufzunehmen oder auszuüben. Der für ihn rechtlich erreichbare Arbeitsmarkt habe sich auf die Stadt C. beschränkt und innerhalb dieses räumlichen Geltungsbereichs allein Tätigkeiten als Lehrkraft umfaßt, ohne daß es insoweit auf eine Unterscheidung zwischen arbeitserlaubnisfreien oder arbeitserlaubnispflichtigen Tätigkeiten ankäme. Daß dem Kläger zu einem späteren Zeitpunkt eine anderslautende bzw weiterreichende Aufenthaltserlaubnis durch eine andere Ausländerbehörde erteilt worden sei, sei insofern unbeachtlich, weil sie sich keine Rückwirkung für den streitbefangenen Zeitraum beilege. Die nach der Aufenthaltserlaubnis zulässige Tätigkeit in C. habe weder im Zeitpunkt der Antragstellung noch in der Folgezeit den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprochen. Nach den Feststellungen der Beklagten gab und gibt es im Bereich der Dienststelle C. keine besetzten und unbesetzten Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl, die für den Kläger in Frage gekommen wären. Der dargelegten Auffassung stehe nicht entgegen, daß der Kläger Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) entrichtet habe. Abgesehen davon, daß von diesen Beiträgen nicht nur Alg und Arbeitslosenhilfe (Alhi), sondern auch zahlreiche andere Leistungen der Bundesanstalt finanziert würden, sei die Versagung von Leistungen trotz Heranziehung zu Beitragszahlungen sowohl aus Gründen des § 103 AFG wie auch anderer Vorschriften systemgerecht. Der Hinweis des LSG auf das Schlußprotokoll des deutsch-spanischen Abkommens über Arbeitslosenversicherung vom 20. April 1966 (BGBl II 1967 S. 1945) gehe fehl. Zum einen sei die Beklagte an die unangefochtene Entscheidung eines anderen Hoheitsträgers gebunden, zum anderen seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die fragliche Entscheidung des Ordnungsamts der Stadt C. zum Zwecke des Ausschlusses des Klägers von einem Leistungsbezug erfolgt sei bzw aufrechterhalten wurde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nieder Sachsen vom 7. Februar 1978 und das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 22. Juni 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise
die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet.
Zutreffend ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger für die Zeit vom 5. August bis 15. November 1976 einen Anspruch auf Alg hatte und hat deshalb zu Recht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Anspruch auf Alg hat gemäß § 100 AFG wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war der Kläger in der hier streitbefangenen Zeit vom 5. August bis 15. November 1976 arbeitslos, er hatte sich arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Auch die Anwartschaftszeit für die Gewährung von Alg war gemäß § 104 AFG erfüllt. Der Kläger hat in den letzten drei Jahren vor dem 31. Juli 1976 wenigstens sechs Monate in einer die Beitragspflicht begründende Beschäftigung gestanden. Er war im Angestelltenverhältnis als Vertragslehrer gegen Entgelt seit dem 15. November 1974 ununterbrochen bis zum 31. Juli 1976 tätig und war deshalb gemäß § 168 AFG beitragspflichtig. Auch gegen die geltend gemachte Dauer des Anspruchs bestehen keine Bedenken. Gemäß § 106 Abs. 1 AFG richtet sich die Dauer des Anspruchs auf Alg nach der Dauer der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist. Der Kläger war in dieser Frist über 20 Monate als Vertragslehrer beschäftigt. Damit war eine Anspruchsdauer bis zu 234 Tagen begründet. Diesen Rahmen überschreitet die zeitliche Begrenzung des geltend gemachten Anspruchs nicht.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten stand der Kläger auch in dem hier in Betracht kommenden Zeitraum der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Der Arbeitsvermittlung steht gemäß § 103 Abs. 1 Satz 1 AFG zur Verfügung, wer 1. eine zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausüben kann und darf sowie 2, bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann. An der Arbeitsbereitschaft des Klägers bestehen keine Zweifel. Ebenso spricht nichts dagegen, daß er in dem fraglichen Zeitraum eine zumutbare Beschäftigung hätte ausüben können. Fraglich ist lediglich, ob er eine solche Beschäftigung ausüben durfte. Das ist zu bejahen.
Der Senat hat bereits im Anschluß an die Rechtsprechung des 12. Senats (SozR 4100 § 19 Nr. 2) entschieden, das Erfordernis des Dürfens in § 103 AFG sei nicht so zu verstehen, daß die Verfügbarkeit eines ausländischen Arbeitnehmers stets von dem Vorhandensein einer Arbeitserlaubnis abhängt (SozR 4100 § 103 Nr. 14). Im vorliegenden Fall bedurfte der Kläger schon deshalb keiner Arbeitserlaubnis gemäß § 19 Abs. 1 AFG, da er als Lehrkraft an öffentlichen Schulen tätig war (§ 9 Nr. 6 Arbeitserlaubnisverordnung). Voraussetzung für die Verfügbarkeit ist jedoch eine Aufenthaltserlaubnis. Das folgt aus § 2 AuslG. Spanische Staatsangehörige sind davon nicht ausgenommen. Insbesondere werden sie, wie der Senat bereits entschieden hat, nicht von der Notwendigkeit der Aufenthaltserlaubnis durch die Bestimmungen des Niederlassungsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat vom 23. April 1970 (BGBl II 1972, 1041) befreit (SozR 4100 § 103 Nr. 14). Nach Art. 2 Abs. 1 des Vertrages ist die Bundesrepublik Deutschland lediglich verpflichtet, spanischen Staatsangehörigen den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zu erleichtern. Ohne die Aufenthaltserlaubnis steht auch ein spanischer Staatsangehöriger der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis benötigt und keine besitzt, ist verpflichtet, die Bundesrepublik Deutschland unverzüglich zu verlassen (§ 12 AuslG). Eine solche Verpflichtung bestand jedoch für den Kläger nicht. Die Aufenthaltserlaubnis, die ihm die Stadt C. erteilt hatte, galt noch bis zum 24. November 1977. Sie war zwar nur für eine Tätigkeit als Lehrer in C. erteilt. Jedoch ist dieser Beschränkung nicht zu entnehmen, daß die Aufenthaltserlaubnis erlöschen sollte, wenn der Kläger seine Tätigkeit als Lehrer in C. verlor. Er hätte daher ohne weiteres eine entsprechende Tätigkeit dort wieder aufnehmen können. Ob es insoweit im Bereich des dortigen Arbeitsamts einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt gab, kann dahingestellt bleiben. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten kommt trotz der räumlichen Beschränkung in der Aufenthaltserlaubnis für den Kläger der Geltungsbereich des AFG als Arbeitsmarkt in Betracht. Es kann daher dahingestellt bleiben ob die Beklagte an die von der Ausländerbehörde vorgenommene Beschränkung der Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit durch den Kläger überhaupt gebunden ist. Es bestehen erhebliche Bedenken gegen eine Entscheidungsbefugnis der Ausländerbehörde darüber, ob der Ausländer hier eine unselbständige Tätigkeit aufnehmen darf und welche (vgl. Gagel/Jülicher, Kommentar zum AFG, RdNrn 3, 4 zu § 19; Hanau, Das Verhältnis von Arbeitsvertrag, Arbeitserlaubnis und Aufenthaltserlaubnis ausländischer Arbeitnehmer, in; 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S 169, 195).
Der Kläger hielt sich befugt im Geltungsbereich dieses Gesetzes auf. Eine gesonderte Aufenthaltserlaubnis war für die Arbeitssuche nicht erforderlich, sondern erst für eine Beschäftigung außerhalb von C.. Deshalb konnte und durfte das Arbeitsamt im Hinblick auf die in § 14 AFG der Beklagten auferlegte Verpflichtung eine entsprechende Vermittlung nicht nur auf das Gebiet von C. beschränken, sondern mußte auch Ermittlungen dahin anstellen, ob nach der Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt im gesamten Bundesgebiet für den Kläger geeignete Stellen in nennenswertem Umfang, sei es, daß sie frei oder besetzt waren, vorhanden waren und ob für den Fall, daß sie frei wären, dem Kläger eine neue oder erweiterte Aufenthaltserlaubnis erteilt worden wäre. Ob der Arbeitsmarkt dem Kläger insoweit verschlossen war, läßt sich entsprechend den zur Arbeitserlaubnis entwickelten Grundsätzen allerdings erst feststellen, wenn die Vermittlungsbemühungen längere Zeit gedauert haben (BSG SozR 4100 § 103 Nrn 10 und 14, § 19 Nr. 2). – Eine Ausnahme hierzu könnte nur dann gelten, wenn aus ausländerpolizeilichen Gründen eine Beschäftigung nicht möglich gewesen wäre, wofür im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte bestehen. – Abgesehen davon, daß das Arbeitsamt aufgrund seiner Rechtsansicht entsprechende Vermittlungsbemühungen nicht angestellt hat, ist auch ein Zeitraum von rund 3 1/2 Monaten zu kurz, um die Feststellung zu rechtfertigen, der Arbeitsmarkt sei für den Kläger verschlossen gewesen. Darüber hinaus spricht der Umstand, daß der Kläger nach Ablauf dieser Zeit eine Stellung gefunden hat und hierfür eine Aufenthaltserlaubnis bekam, gegen eine solche Annahme.
Die Revision kann daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen