Entscheidungsstichwort (Thema)
Vormerkung beitragsloser Zeiten. Erteilung einer Zusicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf Anerkennung oder Feststellung einer beitragslosen Zeit nach Durchführung einer bereits gestatteten Beitragsnachentrichtung ist auf Erteilung einer Zusicherung gerichtet.
2. Art 2 § 9a Abs 2 und § 13a AnVNG (= Art 2 § 9a Abs 2 und § 13a ArVNG) erfordern nicht die Aufgabe einer außerhalb des Geltungsbereichs des AVG ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit.
Leitsatz (redaktionell)
Sinn der Zusicherung: 1. Die Zusicherung hat die Aufgabe, als verbindliche Zusage über das zukünftige Verhalten der Verwaltungsbehörde bei Erlaß eines Verwaltungsaktes zum Adressaten der Zusicherung, der seinerseits erst noch die Voraussetzungen für den Erlaß des ihn begünstigenden Verwaltungsaktes herbeiführen muß, die Gewißheit zu verschaffen, daß seine Aufwendungen auch zu dem von ihm beabsichtigten Erfolg führen.
Orientierungssatz
1. Eine Vormerkung beitragsloser Zeiten ist nur nach vorheriger Begründung eines Versicherungsverhältnisses durch (Nach-) Entrichtung von Beiträgen zulässig.
2. Ihrer Rechtsqualität nach ist die Zusicherung ein Verwaltungsakt. Zur Erteilung einer Zusicherung ist die Behörde im allgemeinen nicht verpflichtet. Vielmehr hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob eine Zusicherung abgegeben werden soll oder nicht.
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 9a Abs. 2 Fassung: 1978-07-25, § 13a Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art. 2 § 9a Abs. 2 Fassung: 1978-07-25, § 13a Fassung: 1972-10-16; SGB 10 § 34 Fassung: 1980-08-18
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Anrechenbarkeit von Ausfall- und Ersatzzeiten geführt.
Die im Jahre 1912 geborene Klägerin ist Verfolgte im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Sie erlernte von 1926 bis 1929 den Beruf der Schneiderin und war bis 1931 als Gesellin in ihrem erlernten Beruf tätig. Die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung für diese Zeiten ist nicht nachgewiesen. Von Februar 1931 bis Dezember 1938 war die Klägerin als Schneiderin selbständig erwerbstätig. Sodann wanderte sie verfolgungsbedingt in die USA aus und erwarb 1944 die dortige Staatsangehörigkeit. Sie ist auch heute noch an drei Tagen in der Wochen für jeweils ein bis zwei Stunden mit einem Verdienst von wöchentlich 50 Dollar als selbständige Schneiderin tätig.
Am 5. Dezember 1979 beantragte sie aufgrund des Art 16 der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens vom 7. Januar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit vom 21. Juni 1978 (BGBl II 1979, 567) die Zulassung zur Nachentrichtung 168 freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1960 bis 31. Dezember 1973 gemäß Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) in der Fassung des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 19. Oktober 1972 (BGBl I S 1965). Fernerhin begehrte sie die Anerkennung der Zeit ihres verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes von Dezember 1938 bis Dezember 1949 als Ersatzzeit und des nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden Teils ihrer Lehrzeit als Ausfallzeit gemäß Art 2 § 9a Abs 2, § 13a AnVNG. Die Beklagte ließ durch Bescheid vom 6. Mai 1981 die Beitragsnachentrichtung antragsgemäß zu. Zugleich führte sie aus, Art 2 §§ 9a, 13a AnVNG finde zur Zeit keine Anwendung, weil die Klägerin noch selbständig tätig sei. Insoweit sei die Rechtsauffassung geändert worden. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 1982).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. Oktober 1982) und das Landessozialgericht (LSG) Berlin die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 14. April 1983). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Die von der Klägerin erstrebte Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, im Falle der Beitragsnachentrichtung Ersatz- und Ausfallzeiten anzurechnen, sei als Feststellungsklage zulässig, wenn wie hier die Beklagte eine zukünftige Verpflichtung zur Anrechnung der fraglichen Zeiten substantiiert bestreite und die Klägerin bis zur abschließenden Klärung die Beitragsnachentrichtung zurückstelle. Die Klägerin könne jedoch die Anrechnung von Ersatz- und Ausfallzeiten nicht verlangen. Das erfordere nach Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG bis zum Eintritt des Versicherungsfalles die Aufgabe jeglicher und damit auch einer im Ausland ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit. Nach mehreren Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) müsse der Versicherte seine selbständige Erwerbstätigkeit endgültig aufgegeben haben und damit die Gewähr bieten, daß er sich aus dem Arbeitsleben zurückgezogen habe. Nur der ehemals Selbständige gebe in seiner Person Anlaß für die Eröffnung der besonderen Möglichkeiten zur Anrechnung von Ersatz- und Ausfallzeiten. Zwar betreffe diese Rechtsprechung nur Inlandsfälle. Die Vorstellungen des Gesetzgebers und die vom BSG daraus gezogenen Schlußfolgerungen seien jedoch gleichermaßen auf Auslandsfälle anwendbar. Die im Zuge der Eröffnung der Rentenversicherung für Selbständige durch das RRG denjenigen Selbständigen, die noch nicht einmal die Voraussetzungen der verkürzten Halbbelegung nach Art 2 § 9a Abs 1 AnVNG erfüllen könnten und sich durch die Aufgabe ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit als besonders schutzwürdig erwiesen hätten, eingeräumte Möglichkeit der fast voraussetzungslosen Anrechnung von Ersatz- und Ausfallzeiten setze mithin auch die Aufgabe jeglicher selbständigen Erwerbstätigkeit im Ausland voraus. Anderenfalls wäre die Klägerin nicht in dem Maße schutzbedürftig, daß ihr die besonderen Anrechnungsmöglichkeiten eröffnet werden müßten. Darauf, daß ihre selbständige Tätigkeit in den USA vergleichsweise geringfügig mit niedrigem Gewinn ausgeübt werde, könne sich die Klägerin nicht berufen. Auch sei ohne Bedeutung, daß sie zum Personenkreis der rassisch Verfolgten gehöre.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung des Art 2 § 9a Abs 2 und § 13a AnVNG. Die Rechtsprechung des BSG, wonach die Anrechnung von Ersatz- und Ausfallzeiten für ehemals Selbständige die Aufgabe jeglicher selbständigen Tätigkeit voraussetze, beziehe sich nur auf Inlandsfälle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei im Sozialversicherungsrecht eine differenzierende Rechtsanwendung für im Inland und im Ausland lebende Versicherte zulässig. Damit müsse die Aufgabe oder Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Inland nicht zwingend derjenigen einer solchen Tätigkeit im Ausland gleichgestellt werden. Von entscheidender rechtlicher Bedeutung sei, daß sie (Klägerin) aus verfolgungsbedingten Gründen im Dezember 1938 ihre inländische selbständige Tätigkeit endgültig aufgegeben habe. Dieser entschädigungsrechtliche Gesichtspunkt sei entgegen der Auffassung des LSG erheblich, weil das Sozialversicherungsrecht in zahlreichen Normen Bezug zum Entschädigungsrecht habe und sie (Klägerin) als amerikanische Staatsbürgerin allein aufgrund ihrer Verfolgteneigenschaft zur Beitragsnachentrichtung berechtigt sei. Die Wartezeit für das Altersruhegeld nach § 25 Abs 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) setze deutsche Sozialversicherungsbeiträge voraus. Die Begründung der Tatbestandsmerkmale für den Bezug einer deutschen Rente stelle damit ausschließlich auf deutsches Recht ab. Dann aber müsse auch eine im Ausland ausgeübte selbständige Tätigkeit für die Nachentrichtungsbefugnis ohne rechtliche Bedeutung sein.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 14. April 1983 und des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 1982 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 6. Mai 1981 sowie Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 1982 festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, nach erfolgter Beitragsnachentrichtung die Zeit vom 1. April 1928 bis 30. April 1929 als Ausfallzeit und die Zeit vom 1. Dezember 1938 bis 31. Dezember 1949 als Ersatzzeit anzurechnen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist der Ansicht, die von der Rechtsprechung des BSG zu Art 2 § 9a Abs 2 und § 13a AnVNG aufgestellten Grundsätze seien auch im vorliegenden Fall anzuwenden. Hinsichtlich des Erfordernisses der endgültigen Aufgabe jeglicher selbständigen Erwerbstätigkeit vor Eintritt des Versicherungsfalles könne kein Unterschied zwischen einer im Inland oder im Ausland verrichteten Tätigkeit gemacht werden. Eine weitergehende Ausnahmeregelung zugunsten ehemaliger Selbständiger, welche die Verfolgteneigenschaft besäßen, dahingehend, daß sie von der Aufgabe einer selbständigen Erwerbstätigkeit vor Eintritt des Versicherungsfalles befreit seien, sehe das insoweit allein maßgebliche Sozialversicherungsrecht nicht vor.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) erklärt.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Entscheidungen können keinen Bestand haben. Die Beklagte ist zur erneuten Bescheidung des Antrages der Klägerin, nach erfolgter Beitragsnachentrichtung die Zeit vom 1. April 1928 bis 30. April 1929 als Ausfallzeit und die Zeit vom 1. Dezember 1938 bis 31. Dezember 1949 als Ersatzzeit zu berücksichtigen, verpflichtet.
Dem Urteil des LSG kann schon in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht beigepflichtet werden. Nach Meinung des Berufungsgerichts ist von der Klägerin eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Anrechnung der vorgenannten beitragslosen Versicherungszeiten nach erfolgter Beitragsnachentrichtung erhoben worden und eine solche Feststellungsklage zulässig. Bereits ersteres trifft nicht zu. Ungeachtet der Formulierung ihrer Sachanträge im Berufungsverfahren und nunmehr auch in der Revisionsinstanz, deren Fassung jedoch für die Gerichte nicht bindend ist (§ 123 SGG), hat die Klägerin nach dem sachlichen Gehalt ihres Begehrens eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) erhoben. Unter verständiger Würdigung ihres Prozeßzieles erstrebt sie einmal die Abänderung des Bescheides vom 6. Mai 1981 und die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 1982, soweit darin die Beklagte eine "Anrechnung" beitragsloser Versicherungszeiten abgelehnt hat (Anfechtungsklage). Zum anderen begehrt sie den Erlaß eines Verwaltungsaktes in Form einer Zusicherung der Beklagten, nach Durchführung der Beitragsnachentrichtung die Zeit vom 1. April 1928 bis 30. April 1929 als Ausfallzeit und die Zeit vom 1. Dezember 1938 bis 31. Dezember 1949 als Ersatzzeit vorzumerken (Verpflichtungsklage). Nur ein solches Verständnis des Prozeßziels der Klägerin wird den Besonderheiten des vorliegenden Falles gerecht.
Sie hat mit ihren zunächst an die Landesversicherungsanstalt (LVA) Hamburg gerichteten Anträgen vom 5. Dezember 1979 und 9. Juni 1980 die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG und zugleich die "Anrechnung" bzw "Festsetzung und Anrechnung" von Ersatz- und Ausfallzeiten beantragt. Dabei ist es ihr - ebenso wie im nachfolgenden Rechtsstreit - ersichtlich darum gegangen, eine Entscheidung der Beklagten über die "Anrechenbarkeit" der beitragslosen Zeiten noch v o r der tatsächlichen Durchführung der Beitragsnachentrichtung zu erlangen. Damit kann es sich bei ihrem Antrag nicht um einen solchen auf Berücksichtigung der beitragslosen Zeiten bei der Berechnung einer Rentenleistung (§ 35 Abs 1 AVG) handeln. Dies würde nämlich gerade eine vorherige Beitrags(nach-)entrichtung erfordern. Die Gewährung einer Rente und damit deren Berechnung unter Berücksichtigung beitragsloser Zeiten setzt ungeachtet dessen, wegen welchen Versicherungsfalles sie beantragt wird, stets die Erfüllung einer Wartezeit (vgl § 23 Abs 3, § 24 Abs 3, § 25 Abs 7 AVG) und diese wiederum die Entrichtung von Beiträgen voraus, weil nur unter dieser Voraussetzung sowohl im allgemeinen (vgl § 28 Abs 2 AVG) als auch speziell bei dem durch Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG begünstigten Personenkreis auch Ersatzzeiten - Ausfallzeiten sind insofern ohne Belang (§§ 26, 27 Abs 1 Buchst b AVG) - auf die Wartezeit und zugleich bei der für die Rentenhöhe maßgebenden Ermittlung der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre (§ 35 Abs 1 AVG) angerechnet werden können. Der Antrag der Klägerin auf "Anrechnung" bzw "Festsetzung" von Ersatz- und Ausfallzeiten kann ebensowenig als auf die "Vormerkung" dieser Zeiten außerhalb eines Leistungsverfahrens (vgl hierzu zB BSGE 49, 258, 261 = SozR 2200 § 1251 Nr 75 S 196; BSGE 51, 275, 276 = SozR 2200 § 1251 Nr 84 S 223; BSG SozR aaO Nr 85 S 230) gerichtet angesehen werden. Auch eine solche "Vormerkung" ist nur nach vorheriger Begründung eines Versicherungsverhältnisses durch (Nach-) Entrichtung von Beiträgen zulässig. Die Klägerin möchte sich indes gerade vor Durchführung der ihr gestatteten Beitragsnachentrichtung Gewißheit darüber verschaffen, ob die von ihr geltend gemachten beitragslosen Zeiten nach erfolgter Beitragsnachentrichtung vorgemerkt und im Falle der Gewährung einer Rentenleistung berücksichtigt werden können. Hierfür ist die Zusicherung das geeignete verwaltungsverfahrensrechtliche Instrument.
Nach § 34 Abs 1 Satz 1 des ab 1. Januar 1981 und somit auch im Zeitpunkt des Erlasses der hier angefochtenen Bescheide geltenden Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren (SGB 10) vom 18. August 1980 (BGBl I S 1469) ist die Zusicherung eine von der zuständigen Behörde erteile Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Sie hat die Aufgabe, als verbindliche Zusage über das zukünftige Verhalten der Verwaltungsbehörde bei Erlaß eines Verwaltungsaktes dem Adressaten der Zusicherung, der seinerseits erst noch die Voraussetzungen für den Erlaß des ihn begünstigenden Verwaltungsaktes herbeiführen muß, die Gewißheit zu verschaffen, daß seine Aufwendungen auch zu dem von ihm beabsichtigten Erfolg führen (vgl Kommentar zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Stand Juli 1983, § 34 SGB 10, Anm 5). Ihrer Rechtsqualität nach ist die Zusicherung ein Verwaltungsakt. Zur Erteilung einer Zusicherung ist die Behörde im allgemeinen nicht verpflichtet. Vielmehr hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob eine Zusicherung abgegeben werden soll oder nicht (Verbandskommentar aaO, Anm 8 und 10; Engelmann bei Schroeder-Printzen ua, Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren, SGB X, 1981, § 34 Anm 1.1 und 1.3; Wolber WzS 1981, 262, 263 f).
Die Klägerin begehrt eine Zusage der Beklagten, daß diese nach Durchführung der Beitragsnachentrichtung eine Ausfallzeit vom 1. April 1928 bis 30. April 1929 und eine Ersatzzeit vom 1. Dezember 1938 bis 31. Dezember 1949 vormerken bzw im Falle der Bewilligung einer Rente bei deren Berechnung berücksichtigen werde. Sowohl die Vormerkung einer beitragslosen Versicherungszeit als auch die Bewilligung einer Rente erfolgen durch Verwaltungsakt. Das Begehren der Klägerin ist demnach auf den späteren Erlaß eines bestimmten Verwaltungsaktes und damit auf die Erteilung einer Zusicherung gerichtet. Die Beklagte hat dies abgelehnt. Die Ablehnung einer beantragten Zusicherung stellt ihrerseits einen Verwaltungsakt dar. Wird er in einem nachfolgenden Rechtsstreit angefochten und weiterhin die Erteilung der Zusicherung verlangt, so kommt insoweit als zulässige Klageart die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) in Betracht. Das gilt auch im vorliegenden Fall.
Auch in der Sache selbst kann den Urteilen der Vorinstanzen nicht zugestimmt werden. Die Ablehnung der von der Klägerin beantragten Zusicherung durch die Beklagte ist rechtswidrig. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Erteilung der Zusicherung sind erfüllt.
Maßgebende Rechtsgrundlage für die von der Klägerin nach erfolgter Beitragsnachentrichtung beanspruchte Vormerkung bzw Berücksichtigung beitragsloser Zeiten ist Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG. Nach dieser durch das RRG mit Wirkung vom 19. Oktober 1972 eingefügten und durch Art 2 § 4 Nr 1 des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes (21. RAG) vom 25. Juli 1978 (BGBl I S 1089) rückwirkend von ihrem Inkrafttreten an (Art 4 § 3 des 21. RAG) neugefaßten Vorschrift erhalten Personen, die vor dem 19. Oktober 1972 das 60. Lebensjahr vollendet und eine im Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit von wenigstens fünf Jahren spätestens bis zum Eintritt des Versicherungsfalles aufgegeben haben, Ersatzzeiten auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs 2 AVG höchstens bis zum Umfang der anrechenbaren Beitragszeiten angerechnet, wenn sie Beiträge nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG nachentrichtet haben (Satz 1). Eine selbständige Erwerbstätigkeit im jeweiligen Geltungsbereich des AVG steht einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich (Satz 2). Nach Art 2 § 13a Satz 1 AnVNG in der Fassung des RRG gilt für die Anrechnung von Ausfallzeiten, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs 3 AVG nicht vorliegen, Art 2 § 9a AnVNG entsprechend.
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind - abgesehen von der tatsächlichen Durchführung der Beitragsnachentrichtung - erfüllt. Die Klägerin hat ihre im Geltungsbereich des damaligen AVG von 1931 bis 1938 und damit länger als fünf Jahre selbständig ausgeübte Erwerbstätigkeit der Schneiderin aufgegeben. Die Zeit ihrer nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden abgeschlossenen Lehrzeit vom 1. April 1928 bis 30. April 1929 stellt eine Ausfallzeit (§ 36 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a AVG) und die Zeit vom 1. Dezember 1938 bis 31. Dezember 1949 eine Ersatzzeit des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes (§ 28 Abs 1 Nr 4 AVG) dar. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist allein, ob die Anwendbarkeit des Art 2 § 9a Abs 2 und § 13a AnVNG zusätzlich die Aufgabe auch einer im Ausland ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit erfordert. Das ist entgegen der Ansicht der Beklagten und der Vorinstanzen zu verneinen.
Unter der Geltung des Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG in seiner ursprünglichen Fassung des RRG ist neben der Frage, ob die Vorschrift angesichts der Differenz zwischen ihrer im Gesetzgebungsverfahren verabschiedeten und der verkündeten Fassung ordnungsgemäß zustande gekommen ist (vgl dazu BSGE 43, 211, 212 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 2 S 1 f; BSGE 45, 209, 210 = SozR aaO Nr 4 S 8), vor allem streitig gewesen, ob ihre Voraussetzungen auch mit der Aufgabe einer im Ausland ausgeübten, mindestens fünfjährigen selbständigen Erwerbstätigkeit haben erfüllt werden können. Dazu hat der 11. Senat des BSG in seinem Urteil vom 8. März 1977 (BSGE 43, 211 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 2) entschieden, die Anrechnung von Ersatzzeiten nach Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG sei nicht möglich, wenn die aufgegebene selbständige Erwerbstätigkeit außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes ausgeübt worden sei. Hierfür sei maßgebend, daß die Vorschrift durch das RRG zugleich mit § 2 Abs 1 Nr 11 AVG eingefügt worden sei, wonach nunmehr auch Selbständige auf Antrag pflichtversichert werden könnten, wenn sie nicht nur vorübergehend im Geltungsbereich des Gesetzes eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübten. Im Rahmen dieser Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige stelle ua Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG eine "flankierende Gestaltungsmöglichkeit" zugunsten derjenigen älteren Selbständigen dar, denen die Möglichkeit der Erfüllung der verkürzten Halbbelegung nach Abs 1 der Vorschrift verschlossen sei. Dies wie auch die gesamte Verknüpfung mit der neu ermöglichten Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 11 AVG machten deutlich, daß Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG nur Personen habe begünstigen wollen, die nach § 2 Abs 1 Nr 11 AVG hätten versicherungspflichtig werden können, wenn die Vorschrift schon während ihrer früheren Selbständigkeit gegolten hätte. Eine Versicherungspflicht auf Antrag hätte aber nur bei Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes eintreten können. Dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Inkrafttretens (19. Oktober 1972) durch das 21. RAG Rechnung getragen und nunmehr ausdrücklich die Aufgabe einer "im Geltungsbereich dieses Gesetzes" ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit von wenigstens fünf Jahren verlangt. Ebenso wie das BSG (vgl BSG SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 5) hat auch das BVerfG in seinem Beschluß vom 17. Januar 1979 (BVerfGE 50, 177 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8) sowohl das rückwirkende Inkrafttreten des Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG in der Fassung des 21. RAG als auch die darin sachlich vorgenommene Differenzierung danach, ob die selbständige Tätigkeit im jeweiligen Geltungsbereich des AVG oder im Ausland ausgeübt worden sei, für verfassungsgemäß erklärt. Es sei insbesondere am Maßstabe des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und liege innerhalb der dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit, wenn Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG als "flankierende Maßnahme" im Zuge der Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige ungeachtet der heutigen staatsrechtlichen Verhältnisse danach unterscheide, ob eine für die Anwendung der Norm maßgebliche Tätigkeit in einem der deutschen Sozialgesetzgebung damals unterliegenden Bereich ausgeübt worden sei.
Die Aufgabe einer außerhalb des jeweiligen Geltungsbereiches des AVG ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit kann somit selbst bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG nicht zu der nach dieser Vorschrift erleichterten Anrechnung von Ersatzzeiten (und Ausfallzeiten) führen. Dann aber kann umgekehrt bei Erfüllung der Voraussetzungen der Vorschrift insbesondere durch Aufgabe einer im Geltungsbereich des AVG für die Dauer von mindestens fünf Jahren ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit nicht zusätzlich auch noch die Aufgabe einer außerhalb dieses Geltungsbereiches ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit verlangt werden. Vielmehr ist im Rahmen des Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG eine solche Erwerbstätigkeit in jeglicher Hinsicht - was sowohl ihre Aufgabe als aber auch ihre weitere Ausübung anbetrifft - ohne Relevanz. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm. Sie erfordert einerseits und läßt damit andererseits ausreichen die Aufgabe einer "im Geltungsbereich dieses Gesetzes" ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit. Daß zusätzlich auch eine außerhalb dieses Geltungsbereiches ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit aufgegeben worden sein muß, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen und muß unter Berücksichtigung ihrer klarstellenden Neufassung durch das 21. RAG sogar ausgeschlossen werden. Das entspricht auch dem insbesondere vom 11. Senat des BSG und vom BVerfG herausgestellten Zusammenhang zwischen Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG und § 2 Abs 1 Nr 11 AVG in der Fassung des RRG. Letztgenannte Vorschrift knüpft die dort vorgesehene Antragspflichtversicherung für Selbständige an die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Geltungsbereich des AVG und läßt damit die Ausübung einer solchen Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereiches des AVG als Voraussetzung der Antragspflichtversicherung nicht genügen. Sie ist damit für die Begründung einer Antragspflichtversicherung ohne Belang. Dann aber ist kein sachgerechter Grund dafür ersichtlich, im Rahmen des Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG als einer der flankierenden Gestaltungsmöglichkeiten anders als innerhalb der "Basisregelung" des § 2 Abs 1 Nr 11 AVG einer außerhalb des Geltungsbereiches des AVG ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit rechtliche Relevanz beizulegen. Wenn einerseits die Ausübung einer solchen Tätigkeit den Selbständigen nicht durch Eröffnung der Möglichkeit zur Pflichtversicherung auf Antrag zu begünstigen vermag, kann ihn andererseits die Fortsetzung der Tätigkeit auch nicht durch den Ausschluß der Möglichkeit zur erleichterten Anrechnung beitragsloser Zeiten trotz Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des Art 2 § 9a Abs 2, § 13a AnVNG belasten. Die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit außerhalb des Geltungsbereichs des AVG steht nach alledem bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG der erleichterten Anrechnung von Ersatzzeiten und - über Art 2 § 13a AnVNG - von Ausfallzeiten grundsätzlich nicht entgegen. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn trotz eines zeitweiligen Aufenthaltes außerhalb des Geltungsbereichs des AVG gleichwohl eine selbständige Tätigkeit mit wirtschaftlichem Schwerpunkt innerhalb dieses Geltungsbereichs ausgeübt wird (vgl dazu Urteil des Senats in BSG SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 12 S 39). Darauf braucht indes nicht näher eingegangen zu werden. Ein solcher Fall ist nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts vorliegend nicht gegeben.
Zu Unrecht glaubt die Beklagte ihre gegenteilige Auffassung auf die Urteile des erkennenden Senats vom 14. Dezember 1978 (BSGE 47, 275, 276 f = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 7 S 17 f), vom 11. September 1980 (BSG SozR aaO Nr 10 S 30 f) und vom 17. Februar 1982 (BSG SozR aaO Nr 12 S 38 f) stützen zu können. Allerdings hat der Senat in diesen Urteilen ausgesprochen, daß Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG die endgültige Aufgabe jeglicher selbständigen Erwerbstätigkeit bis zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles erfordert und die Fortsetzung oder eine erneute Aufnahme sogar einer selbständigen Erwerbstätigkeit geringen Umfanges und mit geringfügigem wirtschaftlichen Erfolg die Entstehung des Anspruchs auf die erleichterte Anrechnung von Ersatz- und Ausfallzeiten verhindert. Indes haben - wie auch die Beklagte nicht verkennt - diesen Entscheidungen ausschließlich "Inlandssachverhalte" zugrundegelegen. Für "Auslandssachverhalte" hingegen hat der Senat im Urteil vom 17. Februar 1982 (BSG SozR aaO Nr 12 S 39) ausgeführt, der zeitweilige Aufenthalt eines selbständigen Unternehmers im Ausland brauche nicht notwendig dazu zu führen, daß er entgegen Art 2 § 9a Abs 2 Satz 1 AnVNG anspruchsschädlich nicht "im Geltungsbereich dieses Gesetzes" tätig geworden sei. Bereits damit ist angedeutet worden, daß im allgemeinen die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit außerhalb des Geltungsbereiches des AVG dem Anspruch aus Art 2 § 9a Abs 2 und § 13a AnVNG nicht entgegensteht. Mit der vorliegenden Entscheidung verdeutlicht und bekräftigt der Senat diesen Grundsatz (ebenso das weitere Urteil vom heutigen Tage in dem Rechtsstreit 1 RA 41/83).
Die von der Beklagten angeführten Gründe rechtfertigen nach alledem die Ablehnung der von der Klägerin beantragten Zusicherung nicht. Gleichwohl kann der Senat die Beklagte nicht zur Erteilung der Zusicherung verurteilen. Sie steht - wie bereits ausgeführt - im pflichtgemäßen Ermessen des Versicherungsträgers. Dieses kann erst nach seiner Ausübung in den Grenzen des § 54 Abs 2 Satz 2 SGG auf etwaige Ermessensfehler gerichtlich nachgeprüft werden. Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin schon wegen des angeblichen Fehlens der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG abgelehnt und damit das ihr bezüglich der Erteilung einer Zusicherung zustehende Ermessen noch gar nicht ausgeübt. Bei dieser Sachlage kann sie lediglich zur Erteilung eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats verpflichtet werden (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1662434 |
BSGE, 249 |