Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsklage bei beruflicher Bildungsförderung. Zeitliche Beschränkung der Maßnahme
Orientierungssatz
1. § 56 Abs 4 AFG enthält das rechtliche Verbot an die Bundesanstalt für Arbeit, eine länger als zwei Jahre dauernde geeignete Fortbildung oder Umschulung mit Leistungen zu fördern, wenn der Behinderte durch eine Fortbildung oder Umschulung eingegliedert werden kann, welche die Dauer von zwei Jahren nicht übersteigt.
2. Lediglich dann, wenn im Einzelfalle mit Hilfe derartiger Maßnahmen ein Rehabilitationserfolg nicht zu verwirklichen ist, soll ein weitergehender Mitteleinsatz durch die Bundesanstalt für Arbeit stattfinden. Ergibt sich objektiv, daß eine geeignete berufliche Fortbildung oder Umschulung des Behinderten innerhalb von zwei Jahren zu verwirklichen ist, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Förderungsleistungen für die Teilnahme an einer anderen, die Zwei-Jahres-Grenze überschreitenden Maßnahme (Anschluß an BSG 1980-07-31 11 RA 59/79 = BSGE 50, 184, 186 = SozR 2200 § 1237a Nr 15).
3. Der Gesetzeszweck des § 56 Abs 4 AFG gebietet es, daß die in § 56 Abs 1 S 2 AFG als berücksichtigungswürdig anerkannte Neigung des Behinderten zu einem bestimmten Bildungsziel unbeachtlich ist, wenn dieses nur um des Preises eines für die Eingliederung objektiv nicht erforderlichen Aufwandes zu verwirklichen ist.
Normenkette
AFG § 56 Abs 1 S 2; AFG § 56 Abs 4 S 2 Fassung: 1974-08-07; SGG § 54 Abs 4
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 11.02.1983; Aktenzeichen L 1 Ar 47/82) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 07.04.1982; Aktenzeichen S 6 Ar 156/81) |
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus Gründen der beruflichen Rehabilitation.
Die Klägerin, die verheiratet ist und zwei Kinder hat, war von 1973 bis 1980 in dem von ihr erlernten Beruf als Hauswirtschaftsleiterin beschäftigt, zuletzt von April 1979 bis Ende Dezember 1980 im Schullandheim G mit einem Durchschnittseinkommen von monatlich 3.000,--DM brutto. Ihre Beschäftigungszeit betrug insgesamt weniger als 180 Monate.
Am 19. Januar 1981 beantragte sie bei der Beklagten Leistungen für eine berufliche Rehabilitation, weil sie ihre bisherige Tätigkeit wegen einer hochgradigen Schwerhörigkeit habe aufgeben müssen. Von der Beklagten veranlaßte ärztliche Untersuchungen ergaben, daß die Klägerin an einer beidseitigen Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen leide, wodurch eine Neigung zu depressiven Verstimmungen bedingt sei. Ferner bestehe Schwachsichtigkeit des rechten Auges, die durch Brillengläser nicht voll korrigierbar sei. Das rechte Bein sei leicht verschmächtigt. Die Klägerin könne leichte bis kurzfristig mittelschwere Arbeiten verrichten, sofern damit kein ganztägiges Stehen verbunden sei. Ihren Beruf als Wirtschaftsleiterin könne sie nicht mehr ausüben.
Am 16. März 1981 begann die Klägerin in Hamburg ein dreijähriges Fachhochschulstudium der Oekotrophologie. Sie brach dieses Studium jedoch nach einem Semester aus finanziellen Gründen ab, begehrte gleichwohl von der Beklagten dafür Förderungsleistungen.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin ab, weil die von ihr angestrebte Förderung zwei Jahre überschreite und eine (andere) berufliche Eingliederung mit einer kürzeren Maßnahme zu erreichen sei (Bescheid vom 28. April 1981; Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 1981).
Durch Urteil vom 7. April 1982 hat das Sozialgericht (SG) Lübeck die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Leistungen im Rahmen der beruflichen Rehabilitation für ein Studium der Oekotrophologie zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 11. Februar 1983 die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Berufung sei zulässig, da von den geltend gemachten Rehabilitationsleistungen bisher allein Übergangsgeld und Sozialversicherungsbeiträge für die Dauer des beabsichtigten Studiums in Betracht kämen. Die Berufung sei begründet. Nach § 56 Abs 4 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) dürften Leistungen für die berufliche Fortbildung und Umschulung in der Regel nur gewährt werden, wenn die Maßnahme bei ganztägigem Unterricht nicht länger als zwei Jahre dauere, es sei denn, daß eine Eingliederung nur durch eine längerdauernde Maßnahme zu erreichen sei. Vorliegend handele es sich nicht um eine berufliche Ausbildung, sondern um Fortbildung oder Umschulung, wobei dahinstehen könne, welche Form der Berufsbildung hier vorliege. Die von der Klägerin angestrebte Bildungsmaßnahme, das Oekotrophologiestudium, dauere jedoch länger als zwei, nämlich drei Jahre. Stattdessen könne die Klägerin durch eine ebenfalls in Hamburg mögliche Umschulung zur Sozialversicherungsfachangestellten von zwei Jahren auf Dauer eingegliedert werden. Für diesen Beruf bestünden insbesondere im Bereich der Krankenversicherungsträger günstige Einstellungsaussichten, wie aus der Aussage des vom SG vernommenen sachverständigen Zeugen hervorgehe. Sowohl nach ihrem eigenen Vortrag als nach den ärztlichen Feststellungen sei die Klägerin den Ausbildungs- und Arbeitsbelastungen dieses Berufes gesundheitlich gewachsen. Sie wende lediglich ein, daß sie die von ihr schon erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in diesem Beruf nicht verwerten könne. Das treffe jedoch nicht zu. Die im Beruf der Wirtschaftsleiterin erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten planender, organisierender, koordinierender und kaufmännischer Art kämen der Klägerin auch zugute, wenn sie etwa zur Sozialversicherungsfachangestellten umgeschult würde. Mithin wäre ihre Eingliederung dadurch objektiv zu erreichen. Das sei entscheidend; denn Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit der Klägerin seien gem § 56 Abs 1 Satz 2 AFG lediglich angemessen zu berücksichtigen. Die subjektiven Angaben der Klägerin über ihre ausschließliche Neigung zum Oekotrophologiestudium müßten unter diesen Umständen unerheblich bleiben.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 56 AFG und trägt dazu im wesentlichen vor: Das LSG habe den Inhalt des § 56 Abs 4 AFG verkannt. Schon nach seinem Wortlaut sei darin nicht ein Verbot enthalten, länger als zweijährige Maßnahmen zu fördern, wenn kürzere Maßnahmen zu einem Rehabilitationserfolg führen könnten. Die Vorschrift besage lediglich, daß die Förderungsdauer in der Regel auf einen Zeitraum von zwei Jahren beschränkt sein solle. Ihr Verständnis als Sollvorschrift ergebe sich auch aus dem Zusammenhang des § 56 AFG in seiner Gesamtheit. Danach habe die berufliche Fortbildung oder Umschulung von Behinderten unter angemessener Berücksichtigung der Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit des Bewerbers zu erfolgen. Dies verbiete es bereits, allein darauf abzustellen, ob durch die Maßnahme eine Eingliederung in das Berufsleben erreicht werde oder nicht. § 56 AFG sei so zu verstehen, daß von mehreren in Betracht kommenden Maßnahmen zunächst jene auszuwählen seien, die in größtmöglicher Beziehung zum bisherigen Beruf und den Fähigkeiten und Neigungen des Bewerbers stünden. Von diesen seien dann jene auszuwählen, die eine Förderung von nur zwei Jahren regelmäßig benötigten und eine Eingliederung in das Berufsleben wahrscheinlich machten. Sollte es unter diesen so ausgewählten Maßnahmen keine mit nur zweijähriger Regelausbildung geben, so könne die Förderungsdauer auch drei Jahre betragen, wenn unter angemessener Berücksichtigung der Eignung, Neigung und der bisherigen Tätigkeit eine andere Eingliederung in das Berufsleben nicht erreicht werden könne. Keinesfalls könne § 56 AFG dahin verstanden werden, daß die Beklagte lediglich prüfe, welche Ausbildungsgänge zur Verfügung stehen und zwei Jahre dauern, ein amtsärztliches Gutachten einhole und dann bestimme, daß die Klägerin Sozialversicherungsfachangestellte werden müsse, also einen ihr völlig fremden, ihren Neigungen und Fähigkeiten überhaupt nicht entsprechenden Beruf ergreifen müsse.
Die Annahme des LSG und der Beklagten, § 56 Abs 4 AFG enthalte nur einen einzigen Ausnahmefall für eine über zwei Jahre hinausgehende Förderung, werfe auch besondere Probleme der Gesetzesauslegung und Gesetzesanwendung auf. Dem Bewerber werde in diesem Falle die Führung eines Negativbeweises auferlegt, daß er nämlich das angestrebte Eingliederungsziel nicht durch eine kürzere Maßnahme erreichen könne. Hierbei handele es sich um eine Prognose, die von den auf dem Arbeitsmarkt an sich schon herrschenden Unsicherheiten bestimmt werde. Infolgedessen könne ein Bewerber niemals zur vollen Überzeugung der Beklagten oder eines Gerichtes darlegen und beweisen, daß Maßnahmen mit nur zweijähriger Förderungsdauer völlig auszuschalten seien. Demgegenüber werde es der Beklagten mit der von ihr vorgeschlagenen Umschulung zB zur Sozialversicherungsfachangestellten sehr einfach gemacht. Es sei keineswegs überzeugend, daß in diesem Beruf gute Chancen bestünden. Jedenfalls sei der positive Beweis, nämlich, daß der von der Beklagten vorgeschlagene Beruf zu einer Eingliederung der Klägerin in das Berufsleben führen werde, in keiner Weise verlangt und in keiner Weise geführt worden. Die Auslegung des § 56 Abs 4 AFG durch das LSG führe damit zu einer grundsätzlichen Ungleichbehandlung der Parteien im Rahmen der Darlegungslast und Beweisführung. Es sei zwar nicht Sinn des AFG, dem Behinderten den beruflichen Aufstieg nach Belieben zu ermöglichen. Sinn des Gesetzes sei es aber auch nicht, ihm den Weg zu einem vertretbaren anderen Beruf mit durchaus vernünftigen Eingliederungschancen zu verbauen und ihn auf einen fremden Beruf zu verweisen, nur weil die Beklagte zufällig für diesen Beruf ganztägige Ausbildungsmöglichkeiten über nur zwei Jahre anzubieten habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, daß sie das angefochtene Urteil für zutreffend halte. Ergänzend weist sie auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Auslegung des § 14a Abs 3 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) hin.
Beide Beteiligte sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Gegenstand der Klage (§ 95 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 28. April 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1981, durch den es die Beklagte abgelehnt hat, für das von der Klägerin am 16. März 1981 in Hamburg begonnene Fachhochschulstudium der Oekotrophologie berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation zu erbringen. Die Klägerin hat dieses Studium zwar nach einem Semester aus finanziellen Gründen abgebrochen; ihrem Vorbringen ist jedoch als Klageziel zu entnehmen, laufende Förderungsleistungen für die Fortsetzung dieses Studiums zu erlangen. Es handelt sich mithin um eine hinreichend konkret bezeichnete Maßnahme, die besucht worden ist, bzw besucht werden soll, so daß prozessuale Bedenken dem Begehren zur Verurteilung der Beklagten auf Gewährung erst künftiger Leistungen nicht entgegenstehen. Allerdings hätte das SG die Beklagte keineswegs dazu verurteilen dürfen, der Klägerin Leistungen "für ein Studium der Oekotrophologie" zu gewähren. Ein der Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG stattgebendes Urteil setzt voraus, daß ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung besteht. Ob dies der Fall ist, kann wie bei der beruflichen Bildungsförderung allgemein auch bei bei der Förderung der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation nur beurteilt werden, wenn festgestellt ist, um welche Maßnahme es sich konkret handelt. Mit dem Begehren auf Förderung irgendeiner künftigen Maßnahme der dem Förderungsziel dienenden Art läßt sich eine Verurteilung zur Leistung deshalb nicht rechtfertigen (vgl BSG SozR 4100 § 41 Nr 33).
Vorliegend bedarf es hierzu aber keiner weiteren Erörterung, da das LSG die Entscheidung des SG ohnedies zu Recht aufgehoben hat. Der Klägerin steht nämlich ein Anspruch auf berufsfördernde Leistungen der Rehabilitation für das im März 1981 begonnene Studium der Oekotrophologie an der Fachhochschule Hamburg und dessen beabsichtigte Fortsetzung nicht zu. Im Ergebnis folgt der Senat auch der Auffassung des LSG, daß dieser Sachentscheidung nicht die Unzulässigkeit der Berufung iS des § 144 Abs 1 SGG entgegensteht, da das SG die Beklagte zur Gewährung von Leistungen für ein sechssemestriges Studium, mithin zu laufenden Leistungen von mehr als 13 Wochen verurteilt hat. Als Behinderte hat die Klägerin zwar Anspruch auf diejenigen Hilfen, die erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und sie möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern; dabei sind Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit angemessen zu berücksichtigen (§ 56 Abs 1 AFG idF des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes -RehaAnglG- vom 7. August 1974 - BGBl I 1881). Handelt es sich jedoch - wie hier - um den Anspruch auf Leistungen für eine berufliche Fortbildung oder Umschulung, so steht dem jedenfalls die mehr als zweijährige Dauer des von der Klägerin angestrebten Studiums entgegen. Nach § 56 Abs 4 Satz 2 AFG sollen Leistungen für Rehabilitationsmaßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung in der Regel nur gewährt werden, wenn die Maßnahme bei ganztägigem Unterricht nicht länger als zwei Jahre dauert, es sei denn, daß eine Eingliederung nur durch eine längerdauernde Maßnahme zu erreichen ist. Wie das LSG festgestellt hat, dauert das Studium der Oekotrophologie an der Fachhochschule Hamburg als Ganztagsmaßnahme in diesem Sinne drei Jahre. Die Klägerin könnte aber bereits durch eine zweijährige Umschulung zur Sozialversicherungsfachangestellten beruflich eingegliedert werden; sie ist den Ausbildungs- und Arbeitsbelastungen dieses Berufes, in dem günstigere Einstellungschancen bestehen, gesundheitlich gewachsen und könnte dafür auch bereits in ihrem bisherigen Beruf erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten planender, organisierender, koordinierender und kaufmännischer Art verwerten. Daß die entsprechende Eingliederung der Klägerin damit objektiv zu erreichen sei, wie das LSG gefolgert hat, wird von der Klägerin selbst nicht beanstandet.
Zu Unrecht meint die Klägerin demgegenüber, gleichwohl sei das Studium der Oekotrophologie zu fördern, weil § 56 Abs 4 AFG für die Förderung der Teilnahme an längerdauernden Maßnahmen keine einschränkende Mußvorschrift enthalte, es ihrer Neigung entspreche, eine größere Nähe zu ihrem bisherigen Beruf besitze und durchaus vernünftige Eingliederungschancen biete. Die Klägerin verkennt den rechtlichen Inhalt des § 56 Abs 4 AFG. Er enthält in der Tat das rechtliche Verbot an die Beklagte, eine länger als zwei Jahre dauernde geeignete Fortbildung oder Umschulung mit Leistungen zu fördern, wenn der Behinderte durch eine Fortbildung oder Umschulung eingegliedert werden kann, welche die Dauer von zwei Jahren nicht übersteigt.
Der Klägerin ist zuzugeben, daß sich dieser Inhalt aus dem Wortlaut des § 56 Abs 4 AFG nicht ohne weiteres ergibt. Vor allem der Gebrauch des Wortes "sollen" kann auf den ersten Blick durchaus zu der Annahme verführen, hier handele es sich nicht um eine Muß-Bestimmung. Indessen spricht die Formulierung, Leistungen "sollen in der Regel nur" für bis zu zweijährigen Maßnahmen gewährt werden, bereits für eine bindende Einschränkung; darauf weist auch die Anführung der Ausnahme hiervon im Gesetz selbst hin; diese wäre nicht nötig gewesen, wenn der Beklagten für die Anwendung der Einschränkung ein Handlungsermessen zustehen sollte. Schließlich ergibt sich sowohl aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift als auch aus ihrem Sinn und Zweck ihr Charakter eines rechtlich bindenden Verbots mit einer Ausnahmeregelung. Aus den Motiven des RehaAnglG folgt, daß bei Schaffung des § 56 Abs 4 AFG an weitere Ausnahmen als die in Satz 2 formulierten nicht gedacht war (vgl BT-Drucks VI/3742, zu § 11 Abs 3, S 49; BT-Drucks 7/2256, zu § 11 Buchst d, S 10). Nach § 56 Abs 1 AFG ist die Eingliederung der Behinderten zwar das erklärte Ziel der beruflichen Rehabilitation. Die Beklagte muß aber nur die dafür "erforderlichen" Hilfen gewähren, woraus gleichzeitig folgt, daß sie für dieses Ziel nicht erforderliche Hilfen nicht erbringen darf. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz eines durch seine Zweckbestimmung begrenzten Einsatzes der Mittel der Versichertengemeinschaft. § 56 Abs 4 AFG trägt dem auf zweifache Weise Rechnung: in Satz 1 wird die Förderung der individuellen Rehabilitation grundsätzlich auf die Dauer beschränkt, die für die Erreichung des Zieles vorgeschrieben oder allgemein üblich ist. In Satz 2 wird für Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen mit ganztägigem Unterricht die Förderung nach der Maßnahmeart allgemein eingegrenzt, nämlich auf solche, die binnen zwei Jahren zum Ziel führen. Lediglich dann, wenn im Einzelfalle mit Hilfe derartiger Maßnahmen ein Rehabilitationserfolg nicht zu verwirklichen ist, soll ein weitergehender Mitteleinsatz durch die Beklagte stattfinden. Ergibt sich deshalb objektiv, daß eine geeignete berufliche Fortbildung oder Umschulung des Behinderten innerhalb von zwei Jahren zu verwirklichen ist, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Förderungsleistungen für die Teilnahme an einer anderen, die Zwei-Jahres-Grenze überschreitenden Maßnahme. Der Senat schließt sich mit dieser Auffassung über den Inhalt des § 56 Abs 4 AFG den Ansichten des 1. und des 11. Senats des BSG zu der in im wesentlichen wortgleichen Regelung des § 14 Abs 3 AVG (= § 1237a Abs 3 RVO), ebenfalls idF des RehaAnglG, an (BSGE 46, 198, 200 = SozR 2200 § 1237a Nr 3; BSGE 49, 263, 265 = SozR 2200 § 1237a Nr 10; BSGE 50, 184, 186 = SozR 2200 § 1237a Nr 15).
Daraus folgt, daß die Klägerin die begehrte Förderung ihres Studiums nicht verlangen kann. Nach den Feststellungen des LSG war nicht nur durch dieses die Zwei-Jahres-Grenze des § 56 Abs 4 Satz 2 AFG überschreitende Studium eine Eingliederung zu erreichen, sondern bereits durch eine zwei Jahre nicht überschreitende und für die Klägerin nach Vorbildung und Leistungsfähigkeit geeigneten Fortbildung oder Umschulung zur Sozialversicherungsfachangestellten. Soweit die Klägerin dieses letztere Ergebnis in tatsächlicher Hinsicht in Abrede stellen möchte, kann sie nicht gehört werden; denn ihr Vorbringen enthält keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe, wie zB die Rüge verfahrensfehlerhafter Sachverhaltsermittlung oder Beweiswürdigung, die die Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gem § 163 SGG aufheben würde. Das LSG hat allerdings nicht festgestellt, daß der Beruf der Sozialversicherungsfachangestellten der Neigung der Klägerin entsprochen hätte; nach ihren Angaben habe sie vielmehr nur zum Oekotrophologiestudium eine Neigung besessen. Das führt jedoch zu keiner anderen Rechtsfolge. Nach § 56 Abs 1 Satz 2 AFG sind Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit der Behinderten bei den förderungsfähigen Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation nur angemessen zu berücksichtigen. Das bedeutet, daß diese Umstände für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Förderung keine absolut verbindliche Bedeutung besitzen. Inwieweit sie Bedeutung für das Recht des Behinderten haben, eine ihm angesonnene Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation ohne nachteilige Folgen für anderweitige Rechtsansprüche abzulehnen, bedarf hier keiner Entscheidung.
Daß insbesondere die Neigung als rein subjektiver Berufswunsch nicht ein abschließendes Merkmal für die Leistungspflicht der Beklagten sein kann, liegt auf der Hand (so schon BSGE 48, 92, 95, 96 = SozR 2200 § 1236 Nr 15; BSGE 49, 263, 267 = SozR 2200 § 1237a Nr 10). Dies gilt vor allem für den Anwendungsbereich des § 56 Abs 4 Satz 2 AFG. Käme es für die Frage, ob die Beklagte eine länger als zwei Jahre dauernde Maßnahme zu fördern hat, obwohl die berufliche Eingliederung des Behinderten bereits mit Hilfe einer objektiv geeigneten Maßnahme von bis zu zweijähriger Dauer zu erreichen ist, lediglich auf den vom Behinderten seiner Neigung entsprechend geäußerten Berufswunsch an, wäre die Regelung des § 56 Abs 4 Satz 2 AFG ihres Sinnes entkleidet. Inwieweit die Beklagte den ausschließlich von seiner Neigung bestimmten Wünschen des Behinderten bei der Auswahl zwischen mehreren objektiv gleichwertigen Maßnahmen von bis zu zweijähriger Dauer zu folgen hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Nach Auffassung des Senats gebietet es jedenfalls der Gesetzeszweck des § 56 Abs 4 AFG, daß die in § 56 Abs 1 Satz 2 AFG als berücksichtigungswürdig anerkannte Neigung des Behinderten zu einem bestimmten Bildungsziel unbeachtlich ist, wenn dieses nur um des Preises eines für die Eingliederung objektiv nicht erforderlichen Aufwandes zu verwirklichen ist. Mit ihrer gegenteiligen Argumentation übersieht die Klägerin, daß auch nach § 56 Abs 1 AFG die angemessene Berücksichtigung der Neigung des Behinderten nur in bezug auf solche Hilfen zur beruflichen Rehabilitation vorgeschrieben ist, die erforderlich sind, um den Behinderten beruflich einzugliedern. Für objektiv nicht erforderliche Hilfen sieht mithin schon § 56 Abs 1 AFG die Berücksichtigung subjektiver Wünsche nicht vor.
Schließlich vermag der Senat der Klägerin nicht darin zu folgen, diese Auslegung des § 56 Abs 4 AFG würde zu besonderen Problemen in der Gesetzesanwendung führen, abgesehen davon, daß sich daraus, wäre dem so, nicht ohne weiteres eine abweichende Rechtsfolge ergäbe. Die Frage, ob die Teilnahme eines Behinderten an einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation zu seiner beruflichen Eingliederung führen wird, ist bei deren Beginn immer nur im Wege der Prognose zu beantworten. Die rechtlichen Anforderungen an diese sind nicht verschieden danach, ob die Maßnahme weniger oder mehr als zwei Jahre dauert. Auch in tatsächlicher Hinsicht sind im Einzelfalle die Ergebnisse von beruflichen Bildungsmaßnahmen von daher kaum mit unterschiedlicher Sicherheit vorherzusagen (vgl zB BSGE 44, 54 = SozR 4100 § 36 Nr 16); die Klägerin räumt dies selbst ein. Kann aber mit derselben Vorhersehbarkeit, mit der der Erfolg einer dreijährigen Fortbildung oder Umschulung begründet wird, bejaht werden, daß eine andere, nur zwei Jahre dauernde Fortbildung oder Umschulung zur Eingliederung führen wird, ist nicht ersichtlich, daß eine Ungleichbehandlung stattfindet. Nach der Gesetzeslage wird von dem Behinderten, der eine bestimmte Fortbildung oder Umschulung anstrebt, die aber länger als zwei Jahre dauert, nicht verlangt, daß er zuvor den Nachweis erbringt, daß kürzere Maßnahmen eine Eingliederung nicht bewirken werden. Die erforderliche Prüfung in dieser Richtung obliegt der Beklagten als zuständigem Rehabilitationsträger. Führt diese Prüfung allerdings zu dem Ergebnis, daß kürzere geeignete Maßnahmen die Eingliederung (voraussichtlich) bewirken werden, muß sich der Behinderte dies entgegenhalten lassen, wenn er gleichwohl auf Förderung der längerdauernden Maßnahme besteht.
Da eine solche Sachlage auch im vorliegenden Falle gegeben ist, kann die Revision der Klägerin keinen Erfolg haben.
-16- Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen