Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
In dem Rechtsstreit um die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen streiten die Beteiligten, ob der Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Kläger zu 2) bis 4) H. W . S. (Versicherter) an den Folgen eines Arbeitsunfalls (Verkehrsunfalls) verstorben ist.
Der im Jahre 1951 geborene Versicherte war als Kraftfahrer beschäftigt. Nachdem er am 25. Mai 1987 ab 20.45 Uhr zusammen mit seinem Arbeitgeber 55 Bullen auf einen Lastkraftwagen (LKW) mit Anhänger verladen hatte, startete er gegen 22.30 Uhr zu einer Fahrt von H. nach Schleswig-Holstein. Gegen 0.30 Uhr (am 26. Mai 1987) kam der LKW auf einer Bundesstraße nach links von der Fahrbahn ab, überquerte die Gegenfahrbahn, einen daneben befindlichen Grünstreifen sowie einen Fahrradweg und kam nach einer Kollission mit der Grabenböschung im Straßengraben zum Stehen. Der herbeigerufene Notarzt Dr. I. berichtete der Beklagten, er habe den Versicherten gegen 1.00 Uhr eingeklemmt und klinisch tot in der Fahrerkabine des LKW vorgefunden. Reanimationsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Bis auf eine linksseitige Außenknöchelluxation habe er keine äußerlich sichtbaren Verletzungen festgestellt. Eine Obduktion des Versicherten erfolgte nicht. Hierzu hatte die Klägerin zu 1) aus religiösen Gründen ihre Einwilligung verweigert.
Die Beklagte lehnte es ab, den Klägern Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, weil nicht festgestellt werden könne, daß der Tod des Versicherten durch einen Arbeitsunfall verursacht worden sei (Bescheid vom 14. Oktober 1987 und Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 1988).
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. Oktober 1989). Der Versicherte habe zwar einen Arbeitsunfall erlitten. Jedoch lasse sich zwischen den durch den Arbeitsunfall verursachten Verletzungen und dem Tod des Versicherten nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein kausaler Zusammenhang feststellen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 3. Mai 1991). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Kläger sei schon wegen der fehlenden Feststellbarkeit des haftungsbegründenden Kausalzusammenhangs nicht begründet. Hier liege die Möglichkeit, daß auf die Lenkung des LKW durch einen nicht zur versicherten Tätigkeit zählenden Umstand, nämlich die Auswirkungen einer sogenannten inneren Ursache, eingewirkt worden sei, zumindest genauso nahe wie ein Lenkfehler aufgrund anderer, dem versicherten Bereich zuzurechnender Einflüsse. Als Indiz für das Wirksamwerden einer inneren Ursache müsse auch die Tatsache angesehen werden, daß sich dem feststellbaren Unfallablauf nicht entnehmen lasse, daß der Tod des Versicherten erst durch eine bei dem Unfall erlittene Verletzung eingetreten sei. Auch dies sei allenfalls möglich, nicht aber wahrscheinlich. Es könne daher nicht mit dem Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, daß das Abkommen des LKW von der Richtungsfahrbahn auf einem Umstand beruht habe, der dem versicherten Bereich zuzuordnen sei. Es sei vielmehr genauso gut möglich, daß der Versicherte wegen einer inneren Ursache, etwa wegen eines Herzinfarktes, gehindert gewesen sei, den LKW sachgemäß zu führen. Sei somit schon ein Ursachenzusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne zwischen versicherter Tätigkeit und Unfall nicht festzustellen, so könne es auf eine "Wertentscheidung" zur Bestimmung der Wesentlichkeit mehrerer konkurrierender Bedingungen nicht mehr ankommen. Die fehlende Feststellbarkeit der naturwissenschaftlichen Kausalität zwischen versicherter Tätigkeit und Unfall gehe als anspruchsbegründende Tatsache zu Lasten des Anspruchsstellers - hier also der Kläger -.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügen die Kläger eine Verletzung materiellen Rechts (§ 550 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO- i.V.m. § 548 RVO). Nach der - auch vom LSG angeführten - Entscheidung des erkennenden Senats vom 24. Februar 1988 - 2 RU 30/87 - (USK 8825) dürfe die Eigenschaft eines tatsächlichen Umstandes als Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die nicht wahrscheinlich sei, bei der weiteren Beurteilung des Ursachenzusammenhangs nicht mehr berücksichtigt werden. Hier nun bestehe nach den Feststellungen des LSG die Möglichkeit, daß sowohl ein bewußter oder unbewußter Lenkvorgang als auch eine innere Ursache das Unfallereignis ausgelöst habe. Ebenso wie die bestehende Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Verrichtung und dem Unfall die haftungsbegründende Kausalität nicht zu begründen vermöge, reiche auch die lediglich bestehende Möglichkeit des Zusammenhangs zwischen dem Unfall und einer inneren Ursache nicht aus, um die sonst gegebene haftungsbegründende Kausalität zu verneinen. Damit bleibe als festgestellte Bedingung des Unfalls allein die versicherte Tätigkeit des Verunglückten übrig; in dieser Eigenschaft sei sie im vorliegenden Fall zugleich als wesentliche Ursache des Unfalls festzustellen.
Die Kläger beantragen, das Urteil des Landessozialgerichts vom 3. Mai 1991 und das Urteil des Sozialgerichts vom 27. Oktober 1989 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Oktober 1987 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 1988 zu verurteilen, der Klägerin zu 1) Witwenrente einschließlich Überbrückungshilfe und Sterbegeld und den Klägern zu 2) bis 4) Waisenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nicht begründet.
Den Klägern steht ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu, weil der Tod des Versicherten am 26. Mai 1987 nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Verkehrsunfall (Arbeitsunfall) desselben Tages zurückzuführen ist. Dies hat das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden; der erkennende Senat kann jedoch den rechtlichen Darlegungen der Vorinstanz hierzu nicht in allen bedeutsamen Punkten folgen.
Der Versicherte befand sich am Unfalltag auf einem nach § 548 Abs. 2 Satz 1 RVO versicherten Betriebsweg, als er mit dem LKW von H. in Richtung Schleswig-Holstein fuhr. Den auf dieser Fahrt erlittenen Unfall (Luxation am linken Außenknöchel des Versicherten nach Aufprall des LKW im Straßengraben) hat der Versicherte auch "bei" der versicherten Tätigkeit auf diesem Betriebsweg erlitten, ohne daß es einer genauen Feststellung des Unfallhergangs bedurft hätte (BSGE 61, 127, 130; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). Das LSG hat dagegen die haftungsbegründende Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Verkehrsunfall verneint, weil der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall nicht wahrscheinlich, es vielmehr ebensogut möglich sei, daß der Ehemann der Klägerin zu 1) aus innerer Ursache, etwa wegen eines Herzinfarkts gehindert gewesen sei, den LKW sachgemäß zu führen. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Bei den sogenannten Unfällen aus innerer Ursache (dh infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des Betroffenen) ist die ursächliche Verknüpfung zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallgeschehen nicht gegeben, wenn die körpereigene Ursache zwangsläufig zu dem eingetretenen Unfallverlauf (Art und Schwere des Unfalls) geführt hat (BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 75 und 81; BSG Urteil vom 27. November 1986 - 2 RU 10/86 - HV-Info 1987, 334). Entscheidend hierfür ist allerdings, ob die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, daß die innere Ursache die allein wesentliche Bedingung des Unfalls gewesen ist (BSG Urteil vom 24. Februar 1988 - 2 RU 30/87 - USK 8825). Schon das hat das LSG nicht feststellen können. Das Berufungsgericht hat es vielmehr nur als möglich bezeichnet, daß auf die Lenkung des LKW durch einen nicht zur versicherten Tätigkeit zählenden Umstand, nämlich eine körpereigene innere Ursache, eingewirkt worden sei, und daß diese Möglichkeit zumindest genauso nahe liege wie ein Lenkfehler aufgrund anderer dem versicherten Bereich zuzurechnender Einflüsse. Diese nur mögliche Ursache zwischen dem Unfall und einer inneren Ursache reicht nicht aus, um die sonst gegebene haftungsbegründende Kausalität zu verneinen (BSG Urteil vom 24. Februar 1988 - 2 RU 30/87 - USK 8825; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Somit bleibt entgegen der Ansicht des LSG als festgestellte Bedingung des Unfalls allein die versicherte Tätigkeit des Ehemanns der Klägerin zu 1) übrig, worauf die Revision im Ergebnis zu Recht hinweist.
Selbst wenn man aber davon ausgeht, der Ehemann der Klägerin zu 1) sei infolge einer inneren Ursache verkehrsuntüchtig gewesen und habe dadurch die Herrschaft über den LKW verloren, könnte die versicherte Tätigkeit eine Mitursache des Unfalls sein, wenn die versicherte Tätigkeit entweder die innere Ursache selbst wesentlich mitbedingt hätte oder - was das LSG gänzlich außer Betracht gelassen hat - wenn die versicherte Tätigkeit eine wesentliche Bedingung für die Schwere der Unfallfolgen gewesen wäre, weil ohne die versicherte Tätigkeit dem Versicherten der Unfall nicht in derselben Art (Verkehrsunfall) oder derselben Schwere (Außenknöchelluxation links) zugestoßen wäre (s Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl., S. 480o I). Beide Alternativen können ohne weitere tatsächliche Feststellungen und mit einer darauf gestützten Beweiswürdigung zugunsten der Kläger unterstellt werden.
Das bedeutet jedoch nicht, daß auch alle im Anschluß an diesen Arbeitsunfall aufgetretenen Gesundheitsstörungen im Kausalzusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität ist vielmehr selbständig zu prüfen, ob die geltend gemachte Gesundheitsstörung, hier nicht nur die Luxation des linken Außenknöchels, sondern auch der für die Ansprüche der Hinterbliebenen des Versicherten maßgebende Tod des Versicherten mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist (BSGE SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). Das Unfallereignis ist nur dann eine Todesursache im Rechtssinne, wenn es eine wesentliche Bedingung des Todes war (vgl. dazu BSG Urteil vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 14/91 -Brackmann, a.a.O. S. 489e). Es besteht hierbei keine Rechtsvermutung des Inhalts, daß ein Versicherter, der auf der Betriebsstätte tot aufgefunden wird und bei dem die Todesursache nicht einwandfrei zu ermitteln ist, einem Arbeitsunfall erlegen sei. Das Gericht hat vielmehr in freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes SGG) zu entscheiden, ob der Tod mit der versicherten Tätigkeit ursächlich zusammenhängt (BSGE 19, 52, 54; Brackmann a.a.O. S. 480n I mwN; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 548 Anm. 21).
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß die Ursache des Todes des Versicherten nicht geklärt werden konnte. Nach den Ausführungen des LSG läßt sich dem feststellbaren Unfallablauf nicht entnehmen, daß der Tod des Vesicherten durch eine bei dem Unfall erlittene Verletzung eingetreten ist. Der seinerzeit herbeigerufene Notarzt konnte bei dem Versicherten - außer der linksseitigen Außenknöchelluxation - keine groben Verletzungen wie Blutungen oder Brüche feststellen, der Versicherte war bis zum Oberkörper frei beweglich, und es konnten keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer stumpfen Bauchverletzung gefunden werden. Die diesem Beweisergebnis zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen und die darauf beruhende Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) greifen die Kläger nicht substantiiert mit begründeten Verfahrensrügen an.
In diesem Zusammenhang hat das LSG zutreffend darauf hingewiesen, die Kläger könnten nicht verlangen, daß ein für sie in diesem Sinne positives Obduktionsergebnis unterstellt werde, weil sie einer Obduktion des Versicherten nur aus religiösen Gründen nicht zugestimmt haben. Aus dem Grundrecht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art 4 des Grundgesetzes) kann sich bei der Durchsetzung von Leistungsansprüchen durch die Befolgung religiöser Pflichten kein Vorteil gegenüber anderen Mitbürgern ergeben.
Ist damit entsprechend den Feststellungen des LSG eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und dem Tod des Versicherten nicht feststellbar, so treffen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit denjenigen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (BSG Urteil vom 15. Juni 1976 - 2 RU 135/75- USK 7684; BSG Urteil vom 29. März 1984 - 2 RU 21/83 - USK 8474; Brackmann a.a.O. S. 480n mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Das sind im vorliegenden Fall die Kläger, weil deren Entschädigungsanspruch von dem Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit des Ehemanns der Klägerin zu 1) und dem Eintritt seines Todes abhängig ist.
Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen