Leitsatz (redaktionell)
1. Allein aus dem Umstand, daß das LVersorgA im Vorverfahren einen Sachverständigen gehört hat, kann noch nicht geschlossen werden, daß die Verwaltungsbehörde einen neuen sachlichen Zweitbescheid erlassen hat oder erlassen wollte. Die Verwaltungsbehörde hat das Recht, im Rahmen ihrer Ermessensprüfung einen medizinischen Sachverständigen zu hören, ohne daß daraus ohne weiters zu schließen ist, daß sie nunmehr einen neuen sachlichen Bescheid erteilt hat. Ob der erteilte Bescheid als Ablehnung eines Zugunstenbescheides oder als sogenannter Zweitbescheid rechtlich zu werten ist, ergibt sich allein aus seinem Verfügungssatz und der von der Versorgungsbehörde gegebenen Begründung.
2. Der Umfang der Rechtskraft ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anders zu beurteilen als im Zivilprozeß und in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bei der Feststellung des Umfanges der Rechtskraft sind die Urteilsgründe nur insoweit bedeutsam, soweit sie von der Urteilsformel erfaßt werden (vergleiche BSG 1958-12-10 11/9 RV 1148/57 = BSGE 9, 17 und BSG 1961-03-16 8 RV 93/59 = BSGE 14, 99). Entschieden ist demnach nur in dem Umfang, der sich aus dem in der Urteilsformel enthaltenen Ausspruch ergibt. Deshalb ist die Feststellung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Entscheidung nicht der Rechtskraft fähig (vergleiche BSG 1961-03-16 8 RV 93/59 = BSGE 14, 101, 102).
3. Die Auffassung des LSG, bei dem früheren Rechtsstreit auf Anerkennung der "Schizophrenie" handle es sich um denselben Streitgegenstand, weil die "Schizophrenie" und der "Hirnkontusionsschaden" identisch seien, geht fehl. Beide Gesundheitsstörungen sind weder zwangsläufig miteinander verbunden noch handelt es sich dabei um "dieselbe" Gesundheitsstörung. Eine Schizophrenie kann nämlich ohne Hirnkontusionsschaden und dieser wiederum ohne eine Schizophrenie bestehen.
Normenkette
KOVVfG § 40 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27; SGG § 141 Fassung: 1953-09-03
Tenor
1) Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. November 1963 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
2) Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Der 1921 geborene Kläger, der von seiner Mutter als gerichtlich bestellter Pflegerin vertreten wird, war von Oktober 1941 bis zum Kriegsende Soldat. Er stellte im November 1949 wegen "Zerrüttung des Nervensystems" Antrag auf Versorgung. Bei der fachärztlichen Begutachtung (Gutachten vom 11. September 1952) stellte der Sachverständige bei dem Kläger eine Schizophrenie fest. Die Anerkennung dieser Gesundheitsstörung lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) mit Bescheid vom 6. Oktober 1952 mit der Begründung ab, daß das Leiden weder durch den Wehrdienst entstanden noch verschlimmert worden sei. Vor dem Sozialgericht (SG) beantragte der Kläger, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung "Schizophrenie" als Schädigungsfolge anzuerkennen und Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H. zu zahlen. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 9. Februar 1955 ab. Vor dem Landessozialgericht (LSG) beantragte der Kläger, die "Schizophrenie" als Schädigungsfolge im Sinne der richtunggebenden Verschlimmerung anzuerkennen und Rente zu gewähren. Das LSG wies die Berufung des Klägers mit Urteil vom 2. Mai 1958 zurück, nachdem es ein Gutachten der Universitätsklinik Heidelberg vom 25. Januar 1958 eingeholt hatte. Der 10. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) verwarf die Revision des Klägers mit Beschluß vom 9. Dezember 1960 als unzulässig.
Im April 1960 beantragte der Kläger, "im Wege des Zugunstenbescheides" gemäß § 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) die "vorliegenden Hirnkontusionsschäden" anzuerkennen. Hierbei bezog er sich auf eine ärztliche Bescheinigung des Landeskrankenhauses Meisenheim (Glan) vom 29. Mai 1959, in dem bei einer stationären Behandlung in der Zeit vom 31. März bis 10. April 1959 nach der Auffassung des behandelnden Arztes neben der Schizophrenie organische Hirnveränderungen festgestellt worden seien, die mit dem vom Kläger bereits früher vorgetragenen Flugzeugabsturz im Jahre 1944 in Zusammenhang stünden. Das VersorgA erteilte daraufhin den Bescheid vom 8. März 1961, in dem es auf den Beschluß des 10. Senats des BSG vom 9. Dezember 1960 und auf die nach § 141 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingetretene Rechtskraft der früheren Entscheidungen verwies. Es führte sodann wörtlich aus: "Wir sehen daher keine Möglichkeit, in eine erneute Prüfung einzutreten." Im Vorverfahren holte das VersorgA die Versorgungsärztliche Stellungnahme vom 18. September 1961 ein und wies sodann den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 1961 als unbegründet zurück. Es führte darin ua aus: "Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Versorgungsamt Koblenz Ihren Antrag vom 12.4.1960 auf Erteilung eines Zugunstenbescheides gemäß § 40 VerwVG unter Hinweis auf den Beschluß des 10. Senats des Bundessozialgerichts vom 9.12.1960 und § 141 Abs. 1 SGG ... ohne erneute sachliche Prüfung abgelehnt. ... Die nunmehr trotz des rechtskräftigen Urteils des Landessozialgerichts vom 2.5.1958 noch einmal vorsorglich durchgeführte sachliche Prüfung, die unter nervenfachärztlicher Beteiligung erfolgt ist, hat erneut ergeben, daß bei Ihnen Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG nicht vorliegen. Eine andere Beurteilung ist nach den vorliegenden umfangreichen Befundunterlagen und auch nach Kenntnis des Schreibens des Landeskrankenhauses Meisenheim vom 29.5.1959 ... jedenfalls nicht möglich. Bei dieser Sach- und Rechtslage hat das Versorgungsamt den Erlaß eines neuen Verwaltungsaktes zu Recht abgelehnt."
Vor dem SG hat der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 1961 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1961 das beklagte Land zu verurteilen, ihm einen Zugunstenbescheid zu erteilen. Das SG hat mit Urteil vom 29. November 1961 die Klage abgewiesen. Vor dem LSG hat der Kläger beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und ihm "Hirnkontusionsschaden" als unmittelbare und "Schizophrenie" als mittelbare Schädigungsfolge anzuerkennen und Versorgung nach einer MdE in einem noch festzustellenden Grad ab 1. November 1949 zu gewähren. Das LSG hat mit Urteil vom 8. November 1963 die Berufung gegen das Urteil des SG Koblenz vom 29. November 1961 zurückgewiesen.
Es hat ausgeführt, der Kläger begehre, Hirnkontusionsschaden und Schizophrenie als Folge von Flugzeugabstürzen während seines Wehrdienstes 1942 und 1944 anzuerkennen und Rente zu gewähren. Dieser Leistungsanspruch sei aber bereits in dem früheren Verfahren im Anschluß an den Bescheid vom 6. Oktober 1952 rechtskräftig abgewiesen worden. Somit seien die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden sei, gebunden. Eine erneute sachliche Prüfung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sei nicht möglich. Der Streitgegenstand sei mit dem des früheren Rechtsstreits identisch. Der Kläger habe jetzt wie damals vorgebracht, er habe sich durch die erlittenen Flugzeugabstürze eine Schizophrenie zugezogen. Es mache keinen Unterschied, daß er nunmehr das Leiden nicht unmittelbar auf die Flugzeugabstürze zurückführe, sondern dieses als mittelbare Folge eines Hirnkontusionsschadens ansehe. Auch in dieser Hinsicht sei der Sachverhalt in dem früheren gerichtlichen Verfahren bereits geprüft worden. In dem Urteil des LSG vom 2. Mai 1958 sei nämlich ausgeführt worden, es sei weder eine schwere körperliche Schädigung noch der eindeutige zeitliche Zusammenhang zwischen Schizophrenie und dem Flugzeugabsturz nachgewiesen worden. Es sei, so habe der Senat damals ausgeführt, auch bei dem Absturz im Jahre 1944 nicht zu einer schweren Gesundheitsschädigung des Klägers gekommen, vielmehr habe sich der Kläger hierbei nur eine Schnittwunde am linken Unterarm und eine kleine Schürfwunde am Hinterkopf zugezogen. Auch bei der Untersuchung des Klägers in der Landesnervenklinik in Andernach sei kein Anhalt dafür erbracht worden, daß es bei dem Kläger im Jahre 1944 zu einer schweren Hirn- oder Schädelverletzung gekommen sei. Aus diesen Ausführungen des LSG in dem Urteil vom 2. Mai 1958 ergebe sich, daß bereits rechtskräftig darüber entschieden worden sei, daß die angeschuldigten Unfälle Schädigungsfolgen mit Wahrscheinlichkeit nicht verursacht hätten. Auf diese Rechtskraft habe der Beklagte nicht verzichten können, auch nicht deshalb, um eine neue gerichtliche Entscheidung über den Streitgegenstand herbeizuführen. Indessen sei die Wirkung der Rechtskraft insoweit eingeschränkt, als die Versorgungsbehörde zugunsten des Berechtigten bei einer rechtlichen oder tatsächlichen Unrichtigkeit der früheren Entscheidung einen neuen Bescheid gemäß § 40 Abs. 1 VerwVG erlassen könne. Das habe aber der Beklagte abgelehnt. Das VersorgA habe sich in dem angefochtenen Bescheid vom 8. März 1961 ausdrücklich auf die Rechtskraft der früheren Entscheidung berufen. Auch im Widerspruchsbescheid vom 29. September 1961 sei ausgeführt worden, das VersorgA habe zu Recht die Erteilung eines neuen Bescheides abgelehnt. Damit werde zum Ausdruck gebracht, daß die Versorgungsbehörde an der früheren Entscheidung festhalten wolle. Habe aber die Versorgungsbehörde keine auf neuen Ermittlungen beruhende Neufeststellung vornehmen wollen und auch nicht vorgenommen, also lediglich den Erlaß des Zugunstenbescheides abgelehnt, dann bleibe nur zu prüfen, ob diese Entscheidung ermessenswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG sei. Ein Ermessensfehlgebrauch der Verwaltungsbehörde liege aber nicht vor. Dies könne nur dann angenommen werden, wenn die erneute Prüfung ergeben hätte, daß die frühere Entscheidung offensichtlich unrichtig gewesen sei. Dies lasse sich aber mit dem vom Kläger vorgelegten Arztbrief des Dr. R vom 29. Mai 1959 in Verbindung mit den in dem früheren Verfahren eingeholten Gutachten nicht nachweisen. Dr. R habe entgegen der Auffassung des Klägers zur medizinischen Kernfrage sogar zum Ausdruck gebracht, daß die Schizophrenie nicht als Folge eines traumatischen Hirnschadens aufgefaßt werden könne. Wenn die Stellungnahme des Dr. R allenfalls Zweifel an der Richtigkeit der früheren Entscheidung habe aufkommen lassen, so rechtfertige das den Erlaß eines Zugunstenbescheides jedoch noch nicht. In einem solchen Fall sei es der Versorgungsbehörde nach den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich versagt, einen neuen Bescheid zu erteilen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 7. Januar 1964 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10. Januar 1964, beim BSG am 13. Januar 1964 eingegangen, Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 7. April 1964 mit einem am 3. Februar 1964 beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom 31. Januar 1964 begründet.
Er beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger rügt eine Verletzung der §§ 77 und 141 SGG, 24 und 40 Abs. 1 VerwVG sowie der Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts. Er trägt hierzu vor, mit dem Bescheid vom 6. Oktober 1952 sei die Anerkennung der "Schizophrenie" als Schädigungsfolge abgelehnt worden. In dem gesamten früheren Verfahren, das mit dem Beschluß des 10. Senats des BSG am 9. Dezember 1960 seinen Abschluß gefunden habe, sei nur darüber gestritten worden, ob diese Gesundheitsstörung, also die Schizophrenie, durch schädigende Einwirkungen im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) verursacht worden sei. Demgegenüber habe er mit seinem Antrag vom 12. April 1960 unter Hinweis auf ein neues Beweismittel die Erteilung eines neuen Bescheides dahingehend begehrt, nicht die Schizophrenie, sondern eine organische Hirnschädigung, nämlich "Hirnkontusionsschaden" als Schädigungsfolge anzuerkennen. Von ihm sei also bei gleichbleibendem Schädigungstatbestand eine andere Gesundheitsstörung geltend gemacht worden. Dieser Antrag bilde die Grundlage des neuen Verwaltungsverfahrens. Die Verwaltungsbehörde habe also ein völlig neues Leiden zu beurteilen gehabt, ohne daß es dabei darauf ankomme, daß der Kläger einmal einen "Zugunstenbescheid" verlangt und weiterhin im Laufe des Berufungsverfahrens auch noch die Schizophrenie als Schädigungsfolge geltend gemacht habe. Da in dem früheren Verfahren über einen Hirnkontusionsschaden als Schädigungsfolge noch nicht entschieden gewesen sei, sei auch eine Bindung der Verwaltungsbehörde und der Gerichte im Sinne der §§ 77 und 141 SGG noch nicht eingetreten. Es handle sich also nicht um denselben Streitgegenstand im Sinne des § 141 SGG. Demnach habe es auch nicht im Ermessen der Verwaltungsbehörde gestanden, ob sie über den neuen Antrag einen Bescheid habe erteilen wollen oder nicht, vielmehr sei sie zum Erlaß eines neuen Bescheides über die neue geltend gemachte Gesundheitsstörung verpflichtet gewesen. Auch das LSG habe demnach nicht nur zur Frage des Ermessensfehlgebrauchs Stellung nehmen dürfen, sondern hätte in der Sache selbst entscheiden müssen. Zu diesem Ergebnis gelange man aber auch, wenn man sich diesen Erwägungen nicht anschließe. Gegenstand der richterlichen Prüfung sei gemäß § 95 SGG der Bescheid vom 8. März 1961 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1961. Das LSG habe hierbei übersehen, daß im Vorverfahren eine neue sachliche Prüfung durch die Versorgungsbehörde erfolgt sei; die Verwaltungsbehörde habe somit einen neuen sachlichen Zweitbescheid erlassen. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1961. In einem solchen Falle seien aber die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit verpflichtet, ebenfalls in eine vollständige sachliche Prüfung des Streitfalles einzutreten. Im übrigen wird auf die Revisionsbegründung verwiesen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er bezieht sich insoweit auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG), so daß sie zulässig ist. Sie ist auch begründet.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 8. März 1961 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1961. In diesen Bescheiden hat der Beklagte die vom Kläger mit seinem Antrag vom 12. April 1960 beantragte Anerkennung von Hirnkontusionsschäden mit der Begründung abgelehnt, daß die trotz der Bindungswirkung vorgenommene sachliche Prüfung des geltend gemachten Anspruchs ergeben habe, daß Schädigungsfolgen im Sinne des BVG nicht vorlägen und daher das VersorgA den Erlaß eines neuen Verwaltungsaktes zu Recht abgelehnt habe. Das LSG ist der Auffassung, eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides könne nur im Rahmen des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG erfolgen, weil es sich bei diesen Bescheiden um die Ablehnung der Erteilung eines Zugunstenbescheides gemäß § 40 Abs. 1 VerwVG handele. Der von dem Kläger erhobene Anspruch sei bereits mit Bescheid vom 6. Oktober 1952 verbindlich abgelehnt worden. Durch den Beschluß des 10. Senats des BSG vom 9. Dezember 1960 sei auch das gerichtliche Verfahren insoweit rechtskräftig abgeschlossen, so daß gemäß § 141 SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gehindert seien, in eine erneute sachliche Prüfung einzutreten. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden.
Nach § 141 SGG binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Wie das BSG in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, deckt sich der Begriff des "Streitgegenstandes" im Sinne des § 141 SGG mit dem Begriff des "erhobenen Anspruchs" im Sinne des § 322 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Der Umfang der Rechtskraft ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anders zu beurteilen als im Zivilprozeß und in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bei der Feststellung des Umfanges der Rechtskraft sind die Urteilsgründe nur insoweit bedeutsam, soweit sie von der Urteilsformel erfaßt werden (BSG 9, 17 ff; 14, 99 ff). Entschieden ist demnach nur in dem Umfange, der sich aus dem in der Urteilsformel enthaltenen Ausspruch ergibt. Deshalb ist die Feststellung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Entscheidung nicht der Rechtskraft fähig (BSG 14, 101, 102). Diese Grundsätze hat das LSG bei der Beurteilung der Rechtskraft im vorliegenden Fall verkannt. Bei dem Antrag des Klägers, der zur Erteilung des Bescheides vom 6. Oktober 1952 und dem anschließenden gerichtlichen Verfahren geführt hat, das mit dem Beschluß des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1960 beendet worden ist, war Streitgegenstand im Sinne des § 141 SGG und somit "erhobener Anspruch" im Sinne des § 322 ZPO ausschließlich die bei dem Kläger vorliegende Schizophrenie. Der Kläger hat nämlich gegenüber der Versorgungsbehörde in seinem Antrag vom November 1949 nur eine "Zerrüttung des Nervensystems" und vor dem SG und LSG in dem früheren Verfahren nur die Anerkennung der "Schizophrenie" als Schädigungsfolge begehrt. Die Auffassung des LSG, bei dem früheren Rechtsstreit auf Anerkennung der "Schizophrenie" handle es sich um denselben Streitgegenstand, weil die "Schizophrenie" und der "Hirnkontusionsschaden" identisch seien, geht fehl. Beide Gesundheitsstörungen sind weder zwangsläufig miteinander verbunden noch handelt es sich dabei um "dieselbe" Gesundheitsstörung. Eine Schizophrenie kann nämlich ohne Hirnkontusionsschaden und dieser wiederum ohne eine Schizophrenie bestehen. Wenn sich das LSG weiterhin zur Stütze seiner Auffassung auf die Gründe des rechtskräftigen Urteils vom 2. Mai 1958 bezieht, in denen ausgeführt war, daß die Flugzeugabstürze in den Jahren 1942 und 1944 zu keinen schweren Verletzungen, insbesondere Kopfverletzungen geführt hätten, und das LSG nunmehr daraus die Folgerung zieht, auch der jetzt vom Kläger erhobene Anspruch auf Anerkennung von "Hirnkontusionsschäden" sei damit rechtskräftig abgewiesen worden, so verkennt es den Umfang der Rechtskraft der früheren Entscheidung und damit den Begriff des "Streitgegenstandes" im Sinne des § 141 SGG. In der früheren Entscheidung vom 2. Mai 1958 hat das LSG allein darüber entschieden, ob die damals geltend gemachte "Schizophrenie" als Schädigungsfolge nach dem BVG anzuerkennen ist. Die hierzu in den Gründen dieses Urteils getroffenen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen betreffen daher nur den erhobenen Anspruch auf Anerkennung der "Schizophrenie", nicht aber auch einen in dem damaligen Rechtsstreit noch nicht, sondern erst nach Abschluß des Verfahrens geltend gemachten anderen Anspruch auf Anerkennung von "Hirnkontusionsschäden". Somit hat das LSG in seinem Urteil vom 2. Mai 1958 nicht darüber rechtskräftig entschieden, ob die jetzt als Schädigungsfolge geltend gemachten "Hirnkontusionsschäden" auf schädigende Einwirkungen im Sinne des BVG zurückzuführen sind. Danach ist der Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens ein anderer als im früheren rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren.
Es ist dabei unerheblich, daß der Kläger in seinem Antrag vom 12. April 1960 sein Begehren als Antrag auf den Erlaß eines "Zugunstenbescheides" bezeichnet hat; denn insoweit handelt es sich nur um eine falsche rechtliche Würdigung seines Begehrens. Tatsächlich handelte es sich dabei um einen neuen Antrag auf Erstanerkennung der bisher noch nicht geltend gemachten Hirnkontusionsschäden. Die Versorgungsbehörde war somit verpflichtet, zu diesem Antrag einen sachlichen Bescheid zu erteilen. Demzufolge war aber auch das LSG verpflichtet, eine sachliche Prüfung vorzunehmen. Die vom Kläger gerügte Verletzung des § 141 SGG durch das LSG liegt demnach vor. Die Revision ist somit begründet, so daß das angefochtene Urteil aufgehoben werden mußte.
Die Aufhebung war im vollen Umfange vorzunehmen, also auch insoweit, als das LSG es als rechtmäßig angesehen hat, daß die Verwaltungsbehörde die Erteilung eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 VerwVG wegen der Schizophrenie abgelehnt hat. Allerdings war das LSG nicht verpflichtet - wie der Kläger meint -, insoweit in eine neue sachliche Prüfung einzutreten, weil es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 8. März 1961 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1961 hinsichtlich der Schizophrenie nicht um einen sogenannten "Zweitbescheid" gehandelt hat. Die Verwaltungsbehörde hat - obwohl sie im Vorverfahren die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 18. September 1961 beigezogen hat - auch im Widerspruchsbescheid die Auffassung des VersorgA bestätigt, daß dieses "bei dieser Sach- und Rechtslage den Erlaß eines neuen Verwaltungsaktes zu Recht abgelehnt hat". Damit hat das Landesversorgungsamt (LVersorgA) - ebenso wie das VersorgA - eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß die Erteilung eines Zugunstenbescheides wegen der Schizophrenie abgelehnt wird. Allein aus dem Umstand, daß das LVersorgA im Vorverfahren einen Sachverständigen gehört hat, kann im vorliegenden Fall noch nicht geschlossen werden, daß die Verwaltungsbehörde wegen der Anerkennung der Schizophrenie einen neuen sachlichen Zweitbescheid erlassen hat oder erlassen wollte. Die Verwaltungsbehörde hat das Recht, im Rahmen ihrer Ermessensprüfung einen medizinischen Sachverständigen zu hören, ohne daß daraus ohne weiteres zu schließen ist, daß sie nunmehr einen neuen sachlichen Bescheid erteilt hat. Ob der erteilte Bescheid als Ablehnung eines Zugunstenbescheides oder als sogenannter "Zweitbescheid" rechtlich zu werten ist, ergibt sich allein aus seinem Verfügungssatz und der von der Versorgungsbehörde gegebenen Begründung. Im vorliegenden Fall ergibt sich aber aus der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1961 eindeutig, daß nicht nur das VersorgA, sondern auch das LVersorgA keine sachliche Entscheidung über die Anerkennung der Schizophrenie als Schädigungsfolge treffen wollte, sondern ausschließlich die Erteilung eines Zugunstenbescheides abgelehnt hat. Somit liegt - wie das LSG zutreffend angenommen hat - hinsichtlich der Anerkennung der Schizophrenie bereits eine rechtskräftige ablehnende Entscheidung vor; demzufolge konnte nur im Wege des Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 VerwVG die Schizophrenie anerkannt werden. Zwar hat die Versorgungsverwaltung einen Zugunstenbescheid abgelehnt, jedoch ist dies immer im Hinblick darauf erfolgt, daß die Schizophrenie als unmittelbare Folge der Flugzeugabstürze geltend gemacht wird. Darauf, ob der Erlaß eines Zugunstenbescheides auf Anerkennung der Schizophrenie auch dann abzulehnen ist, wenn die Schizophrenie nur eine Folge der etwa anzuerkennenden Hirnkontusionsschäden sein sollte, hat sich weder die Prüfung noch die Ermessensausübung der Verwaltungsbehörde erstreckt. Da somit im vorliegenden Fall die Ermessensprüfung über die Erteilung eines Zugunstenbescheides wegen der Schizophrenie erst dann zutreffend vorgenommen werden kann, wenn darüber entschieden worden ist, ob der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung des Hirnkontusionsschadens gerechtfertigt ist, mußte das angefochtene Urteil auch insoweit aufgehoben werden, als die Erteilung des Zugunstenbescheides wegen der Schizophrenie streitig ist. Da Feststellungen für eine abschließende Entscheidung des Senats durch das LSG nicht getroffen worden sind, mußte die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen