Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlen einer Härtefallregelung. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Verfassungsmäßigkeit von Regelungen über eine Eigenbeteiligung an Krankenhauskosten.

 

Orientierungssatz

Das Fehlen einer Härtefallregelung nach § 184 Abs 3 S 1 RVO verstößt nicht gegen Art 3 GG.

 

Normenkette

RVO § 184 Abs 3 S 1 Fassung: 1982-12-20, § 184a Abs 2 S 4 Fassung: 1982-12-20; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 21.05.1987; Aktenzeichen L 16 Kr 107/86)

SG Münster (Entscheidung vom 19.08.1986; Aktenzeichen S 14 Kr 135/85)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten, der er als versicherungspflichtiges Mitglied angehört, die Freistellung von der Zahlung des Krankenhauskostenanteiles für die Zeit seiner stationären Behandlung im Westfälischen Landeskrankenhaus M. vom 10. April bis 19. April 1985.

Der im Jahre 1962 geborene Kläger wurde vom 10. bis 19. April 1985 im Westfälischen Landeskrankenhaus in M. , dessen Träger der Beigeladene ist, wegen neurologischer und psychischer Störungen bei chronischer Intoxikation und weil ambulante Behandlungen nicht ausreichend waren, stationär behandelt. Am 20. April 1985 wurde er ins St. Antonius-Krankenhaus, Fachkrankenhaus für Entgiftung in H. , verlegt. Für die 10-tägige stationäre Behandlung im Westfälischen Landeskrankenhaus wurde er seitens des Krankenhauses mit einem Betrag von 50, -- DM belastet (5, -- DM pro Aufenthaltstag). Zur Zeit der stationären Behandlung bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe in Höhe von 142,20 DM wöchentlich. Am 19. April 1985 beantragte der damalige Vormund des Klägers die Befreiung von der Zuzahlungspflicht. Die Beklagte hat den Antrag abgelehnt. Eine Härtefallregelung sehe § 184 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht vor; der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, daß während eines vollstationären Krankenhausaufenthaltes eine häusliche Ersparnis zumindest in Höhe des Zuzahlungsbetrages eintrete, die Entrichtung des Eigenanteils in Höhe von höchstens 70, -- DM jährlich also in jedem Fall zumutbar sei. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.

Auf die Klage des Versicherten hat das Sozialgericht (SG) den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger von der Zuzahlung zum Krankenhausaufenthalt in Höhe von 50, -- DM freizustellen. Zur Begründung wurde ausgeführt: In entsprechender Anwendung der §§ 182, 182c Abs 3, insbesondere 184a Abs 2 und 187 Abs 5 RVO sei die in diesen Bestimmungen enthaltene Härteregelung auf den normalen Krankenhausaufenthalt nach § 184 RVO auszudehnen. Das Argument, bei einem Krankenhausaufenthalt würden häusliche Ersparungen eintreten, sei nicht überzeugend, denn nach § 184a RVO sei in der gleichen Situation eine Härteregelung geschaffen worden. Bei dem Kläger liege ein Härtefall vor, denn er beziehe vom Sozialhilfeträger laufende Leistungen zum Lebensunterhalt.

Auf die zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen; die Revision wurde zugelassen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Zuzahlungspflicht nach § 184a Abs 2 Satz 4 RVO (Behandlung in Kur- und Spezialeinrichtungen). Jedenfalls gelte diese Befreiungsmöglichkeit nicht, wenn die konkret erbrachte Leistung mit Krankenhauspflege nach § 184 RVO vergleichbar sei; dann gelte § 184 Abs 3 RVO entsprechend. Hier habe es sich um eine Krankenhauspflege gehandelt; die Entziehungskur sei erst anschließend erfolgt. Zumindest sei die konkret erbrachte Leistung mit einer Krankenhauspflege vergleichbar, sodaß nach § 184a Abs 2 Satz 5 RVO auch insoweit § 184 Abs 3 RVO anzuwenden sei. Darin, daß hier eine Härtefallregelung nicht vorgesehen sei, liege keine unbewußte planwidrige Gesetzeslücke, sondern eine bewußte und gewollte Regelung des Gesetzgebers. Er habe die Zuzahlung insbesondere wegen der Einsparungen während des Krankenhausaufenthaltes als gerechtfertigt angesehen. Im Entwurf werde hervorgehoben, daß dadurch, weil die Zuzahlung auf 14 Tage begrenzt sei, kein Anlaß für eine Härtefallregelung bestehe. Insoweit bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Unterschiedlichkeit der Regelungen sei nicht willkürlich im Sinne des Art 3 des Grundgesetzes (GG); sie sei vielmehr durch nicht vergleichbare Sachverhalte gerechtfertigt. Die Zuzahlungspflicht von 10, -- DM pro Kalendertag zu Behandlungen in Kur- und Spezialeinrichtungen sowie zu Vorbeugungs- und Genesendenkuren sei nämlich zeitlich und die Eigenbeteiligung bei der Verordnungsblattgebühr, bei Zahnersatz und bei Arznei- und Heilmitteln der Höhe nach nicht begrenzt, sodaß hier Härteregelungen gerechtfertigt seien. Die Begrenzung der Zuzahlungspflicht bei Krankenhauspflege auf 5, -- DM kalendertäglich für längstens 14 Tage im Jahr enthalte dagegen gleichsam immanent eine Härtefallregelung und grenze darüber hinaus den "Härtefall" von den für alle Versicherten tragbaren Belastungen ab. Soweit die Befreiung dazu führen könne, daß der Versicherte gänzlich von der Eigenbeteiligung entbunden werde, während er bei § 184 Abs 3 RVO immer mit einem bestimmten Betrag, höchstens mit 70, -- DM jährlich belastet werde, sei diese Ungleichbehandlung durch die regelmäßig eintretende Einsparung von Ausgaben zum Lebensunterhalt während eines vollstationären Aufenthaltes im Krankenhaus gerechtfertigt. Diese Einsparung trete zwar auch bei den Kurbehandlungen auf. Das sei jedoch nicht verfassungswidrig, zumal unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers, die Beitragssätze zu stabilisieren und die Finanzierung der Krankenversicherung zu sichern (BT-Drucks 9/2074 S 99) auch bei der Behandlung der Härteregelungen in den übrigen Vorschriften dem gesetzgeberischen Anliegen aus § 184 Abs 3 RVO Rechnung getragen und eine gleiche Eigenbelastung als zumutbar angesehen werden könne. Auch ein Verstoß gegen Art 14, 20 GG liege nicht vor.

Der Kläger hat Revision eingelegt. Zur Begründung wurde ua ausgeführt: Mit der Revision werde insbesondere die Verletzung von Art 3 GG und der §§ 184, 184a RVO gerügt. Entgegen der Darstellung der Vorinstanzen sei im Westfälischen Landeskrankenhaus eine Spezialbehandlung iS des § 184a RVO, und zwar eine Entzugsbehandlung, durchgeführt worden. Da es sich aber um eine Behandlung iS des § 184a RVO gehandelt habe, sei die Befreiung nach der in § 184a Abs 2 Satz 4 RVO vorgesehenen Härtefallregelung zu erteilen. Das LSG gehe irrtümlich davon aus, eine Entziehungskur sei erst im Rahmen der anschließenden stationären Behandlung in H. erfolgt. Der Entzugsbehandlung habe sich eine stationär gewährte Entwöhnungsbehandlung angeschlossen. Ein normales Krankenhaus wäre damals mit dem Kläger nicht fertig geworden und wäre auch nicht berechtigt gewesen, den Kläger zwangsweise festzuhalten, dies sei nur in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus möglich gewesen. Die im Westfälischen Landeskrankenhaus durchgeführte Entziehungsbehandlung sei mit einer Krankenhauspflege nicht vergleichbar gewesen, sodaß eine entsprechende Anwendung des § 184 Abs 3 RVO - über § 184a Abs 2 Satz 5 RVO - ausscheiden müsse. Unabhängig hiervon sei die Entscheidung des LSG aber auch bei Anwendung des § 184 RVO rechtsfehlerhaft. Auch wenn es sich bei der Unterlassung einer Härtefallregelung im Rahmen des § 184 RVO nicht um eine planwidrige Unvollständigkeit handeln sollte, müsse sich diese Entscheidung an Art 3 GG messen lassen. Entgegen der Ansicht des LSG lasse sich kein vernünftiger Grund für die Ungleichbehandlung bei der Krankenhauspflege einerseits und der Behandlung in Kur- und Spezialeinrichtungen andererseits finden. Im Falle der finanziellen Beteiligung des Versicherten sei, wie aus mehreren gesetzlichen Bestimmungen hervorgehe, eine Befreiungsmöglichkeit aus Härtegesichtspunkten durchaus die Regel. Umso höher müsse bei der Frage, ob es einen sachlichen Grund für die Unterlassung einer Härtefallregelung gebe, der anzulegende Maßstab sein. Durch jede Eigenbeteiligung werde das Recht des Versicherten, insbesondere des Sozialhilfeempfängers, auf Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit in Frage gestellt. Auf die Höhe des Zahlungsbetrages komme es dabei nicht an, da für denjenigen, der mit einer Forderung konfrontiert werde, nicht deren Höhe zähle, sondern nur, ob er in der Lage sei, sie auszugleichen oder nicht. Wenn schon für die Verordnungsblattgebühr eine Härtefallregelung vorgesehen sei, so müsse dies erst recht für die Krankenhauspflege nach § 184 RVO der Fall sein. Bei der Zuzahlung nach § 184 RVO und der nach § 184a RVO handele es sich praktisch um identische Sachverhalte. Der Aspekt der häuslichen Ersparnis könne keine Ungleichbehandlung rechtfertigen; selbst wenn eine solche Ersparnis, was aber gar nicht der Fall sei, gegeben wäre, würde sie bei beiden Tatbeständen in gleicher Weise eintreten. Die Regelung verstoße nicht nur gegen Art 3, sondern auch gegen Art 20 GG. Bei einem Krankenhausaufenthalt entstehe nicht nur keine Einsparung, sondern regelmäßig ein Mehrbedarf. Die Versagung jeder Befreiungs- oder auch nur Stundungsmöglichkeit verstoße in eklatanter Weise gegen das Sozialstaatsprinzip. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land

Nordrhein-Westfalen vom 21. Mai 1987 - L 16 Kr

107/86 - aufzuheben und die Berufung der Beklagten

gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster

vom 19. August 1986 - S 14 Kr 135/85 - zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für rechtlich zutreffend.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das LSG hat festgestellt, daß es sich bei dem hier maßgeblichen Aufenthalt des Klägers im Westfälischen Landeskrankenhaus M. (vom 10. April bis 19. April 1985) um einen Krankenhausaufenthalt, nicht aber um einen Aufenthalt in einer Kureinrichtung oder in einer sonstigen krankenpflegerischen Spezialeinrichtung gehandelt hat, daß der einweisende Arzt eine stationäre Krankenhauspflege für erforderlich gehalten und während dieser Zeit die ärztliche Behandlung und Betreuung des Klägers insofern im Vordergrund gestanden hat, als die durchgehend erforderliche medikamentöse Therapie ständig ärztlich kontrolliert werden mußte. An diese tatsächlichen Feststellungen ist das Revisionsgericht gebunden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Der Kläger hat keine zulässigen Verfahrensrügen erhoben, um diese Feststellungen anzugreifen. Darin, daß er den Feststellungen des Berufungsgerichts anderweitige Argumente entgegenhält, kann eine solche Rüge nicht gesehen werden. Gegen welche prozessualen Vorschriften das LSG bei seinen Feststellungen verstoßen haben soll, wurde nicht dargelegt und es wurden auch nicht die Tatsachen bezeichnet, aus denen sich der Mangel ergeben soll (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Bei der Abgrenzung zwischen der Krankenhauspflege nach § 184 RVO und der Behandlung in einer Kur- oder Spezialeinrichtung nach § 184a RVO hat das LSG aber auch kein materielles Recht verletzt. Zutreffend hat es darauf abgestellt, ob während des stationären Aufenthaltes die ärztliche Behandlung und Betreuung tatsächlich im Vordergrund gestanden hat (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand: September 1987, Anm 3 zu § 184a RVO). Die vom LSG angewandten Abgrenzungskriterien wurden vom Kläger auch gar nicht angegriffen.

Zutreffend hat das LSG auch entschieden, daß die Eigenbeteiligungsregelung des § 184 Abs 3 RVO, wonach der Versicherte ohne Ausnahmemöglichkeit täglich für längstens vierzehn Tage im Jahr fünf Deutsche Mark zuzahlen muß, nicht gegen die Verfassung verstößt. Daß die Eigenbeteiligung schlechthin gegen das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) verstieße, wird auch vom Kläger nicht behauptet. Wie vom LSG eingehend und zutreffend begründet, verstößt das Fehlen einer Härtefallregelung bei der Eigenbeteiligungsvorschrift des § 184 Abs 3 RVO aber auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung (Art 3 GG). Mit Recht hat das LSG vorab eine analoge Anwendung der Härtefallregelung des § 184a Abs 2 Satz 4 RVO, wonach die Krankenkasse von der Zuzahlung im Falle der Unzumutbarkeit absehen kann, mit der Begründung abgelehnt, daß die unterschiedliche Regelung vom Gesetzgeber beabsichtigt ist (zum Ausschluß der Analogie, wenn durch sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers vereitelt werden würde, vgl BSGE 61, 146, 147 mwH). Ein Verstoß gegen den Grundsatz, wonach wesentlich gleiche Sachverhalte rechtlich nicht ungleich behandelt werden dürfen, liegt aber schon deshalb nicht vor, weil die hier maßgeblichen Rechtsfolgevoraussetzungen des § 184 Abs 3 RVO einerseits und des § 184a Abs 3 RVO (sowie anderer Härtefallregelungen) andererseits nicht gleich sind. Indem § 184a Abs 3 Satz 5 RVO die Zuzahlungsregelung des § 184 Abs 3 RVO dann für anwendbar erklärt, wenn die Behandlung nach § 184a RVO "der Krankenhauspflege (§ 184) vergleichbar ist oder sich an diese ergänzend anschließt", knüpfen die beiderseitigen Rechtsfolgen (im Ergebnis) an die verschiedenartigen Behandlungserfordernisse an, wie sie zur Abgrenzung zwischen § 184 und § 184a RVO oben beschrieben worden sind. Die Ungleichbehandlung dieser ungleichen Umstände kann zwar nicht dahin gehen, daß bei der primär eine ärztliche Behandlung erfordernden stationären Versorgung der Versicherte wesentlich stärker belastet wird als bei einem primär pflegerisch indizierten stationären Aufenthalt. Eine solche stärkere Belastung liegt hier aber selbst dadurch nicht vor, daß im ersten Fall im Gegensatz zum zweiten keine Befreiungsmöglichkeit besteht. Daß es bei solcher Überprüfung nach dem Maßstab des Art 3 GG nicht ausschließlich auf diesen (äußeren) Widerspruch ankommen kann, sondern zugleich das Ausmaß der Belastung berücksichtigt werden muß, von der befreit werden kann oder nicht, ist evident. Aus dieser Sicht gesehen erfährt der Versicherte durch das Fehlen einer Härteregelung im § 184 RVO gegenüber demjenigen Versicherten, bei dem nach § 184a RVO eine Härteregelung eingreifen kann, aber keine nach Art 3 GG relevante Stärkerbelastung. Die Selbstbeteiligung nach § 184a Abs 2 Satz 1 RVO beträgt nicht nur kalendertäglich das Doppelte der täglichen Beteiligung nach § 184 RVO, sie ist auch zeitlich unbegrenzt gegenüber einer Längstzeit von 14 Tagen bei der Krankenhauspflege. Das läßt eine Härtefallregelung schon im Ansatz als wesentlich dringender erscheinen. Freilich bleibt der Umstand, daß nach § 184a Abs 2 Satz 1 RVO auch von einem die Höchstsumme von 70, -- DM (§ 184) unterschreitenden Selbstbehalt befreit werden kann. Der Kläger übersieht jedoch, daß die Krankenkasse bei der Ausübung ihres Ermessens (§ 184a Abs 2 Satz 4 RVO) ebenfalls unter Beachtung des Gleichheitsgebotes nicht ohne weiteres die vom Gesetzgeber im § 184 Abs 3 RVO normierte Belastungsgrenze unterschreiten darf. Daß diese Grenze aber bei 5, -- DM kalendertäglich und bei 70, -- DM insgesamt liegt, verstößt nicht gegen das Sozialstaatsprinzip nach Art 20 Abs 1 GG. Der Versicherte darf zwar nicht durch unzumutbare Eigenleistungen gezwungen werden, auf die Inanspruchnahme der ihm zustehenden Krankenhauspflege zu verzichten, insbesondere darf der auf Sozialhilfe angewiesene Versicherte, der nach § 4 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein subjektives öffentliches Recht auf Fürsorge hat, durch die Krankenhauskostenbeteiligung nicht der durch die Sozialhilfe gewährten Absicherung des notwendigen Lebensunterhalts verlustig gehen. Das ist hier jedoch offensichtlich nicht der Fall; nicht nur, daß der Selbstbehalt von 5, -- DM täglich weit unter den (gegenwärtigen) Regelsätzen nach § 1 der Regelsatzverordnung (vom 20. Juli 1962) liegt, durch seine Begrenzung auf höchstens 14 Tagessätze im Jahr, also auf jährlich 70, -- DM, wird jene Gefahr gerade verhindert. Soweit der Kläger vorbringt, mit dem Krankenhausaufenthalt seien regelmäßig keine häuslichen Einsparungen, sondern im Gegenteil Mehrkosten, etwa bei der Kleidung, verbunden, vermag er damit keinen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip nach Art 20 Abs 1 GG zu begründen. Dieses Prinzip, das keine geeignete Grundlage für die Ableitung konkreter, einklagbarer Rechtsansprüche darstellt (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Komm GG, 1987, Bd II RdNr 28 zu Art 20), das also aus sich selbst heraus nicht "vollzugsfähig" ist (Altern Komm GG, 1984, Bd 1, RdNr 64 zu Art 20), darf "nicht dahin verstanden werden, daß mit seiner Hilfe jede Einzelregelung, deren Anwendung in bestimmten Fällen zu Härten oder Unbilligkeiten führt, modifiziert werden könnte" (BVerfGE 26, 44, 61 f; 34, 118, 136; 36, 73, 84). Sein Inhalt kann daher lediglich dahin gehen, daß es rechtswidrig ist, wenn die Ermessensentscheidung der Legislative offensichtlich unangemessen, die Regelung also eindeutig und ohne jeden vernünftigen Zweifel unsozial ist (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, aaO, RdNr 26). Der Kläger, dessen Vorbringen nach den obigen Ausführungen hier nur noch unter dem Gesichtspunkt zu beachten ist, daß die nach § 184 RVO geregelte Eigenbeteiligung zu hoch sei, hat nicht bestritten, daß durch den Krankenhausaufenthalt Einsparungen bei den Nahrungskosten entstehen. Mit der Behauptung, daß dabei zugleich auch anderweitige Mehrkosten entstehen können, kann die Höhe der im § 184 RVO geregelten Eigenbeteiligung jedoch nicht als offensichtlich unangemessen angesehen werden. Insbesondere bei der Beschränkung auf höchstens 14 Tagessätze - insgesamt 70, -- DM - und dem Umstand, daß der Tagessatz von 5, -- DM den allgemeinen Regelsatz der Sozialhilfe wesentlich unterschreitet, liegt es jedenfalls im Rahmen der Handlungsfreiheit des Gesetzgebers, wenn er unter bloßer Berücksichtigung der Kostenersparnis die hier streitige Regelung getroffen hat.

Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663849

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