Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmereigenschaft von Fotomodellen
Normenkette
AFG §§ 13, 4
Beteiligte
Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg |
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 14.03.1990; Aktenzeichen L 5 Ar2480/88) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 25.10.1988; Aktenzeichen S 16 Ar 984/87) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. März 1990 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 1988 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Bundesanstalt für Arbeit (BA) der Klägerin die Vermittlung von Fotomodellen untersagen darf, weil es sich um Arbeitsvermittlung handelt, für die die Klägerin keine Erlaubnis besitzt (§§ 4, 13 und 23 des Arbeitsförderungsgesetzes –AFG–).
Die Klägerin eröffnete am 1. September 1986 unter dem Namen „J. a.” eine Agentur zur Vermittlung von Fotomodellen. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils stellt sich deren Tätigkeit wie folgt dar: Fotografen, Werbeagenturen oder auftraggebende Unternehmen richten – zumeist telefonisch – Anfragen nach namentlich bezeichneten Fotomodellen oder nach allgemein bestimmten „Werbetypen” an die Klägerin; dabei teilen sie den vorgesehenen Aufnahmetermin und -ort (Studio), die Art der geplanten Aufnahmen und die notwendigen Accessoires mit, die vom Modell zu stellen sind. Die Klägerin teilt daraufhin entweder direkt mit, ob das gewünschte Modell (bzw Modell des gewünschten Typs) bereitsteht oder setzt sich zunächst mit dem Modell in Verbindung, um festzustellen, ob Zeit und Interesse für den Auftrag besteht. Gegebenenfalls wird der Auftrag – falls noch Zeit dazu ist – dann mit einem Formular schriftlich bestätigt, indem die Rubriken: „Modell – Auftraggeber – Studio – Aufnahmetermin, Uhrzeit, Dauer – Honorar + …% Provision + ges. MWSt. – Spesen – Hotelreservierung – An- bzw. Abreisetag jeweils mit (einzutragender) An- und Abfahrtszeit – Art der Aufnahmen – Accessoires” enthalten sind. Das Honorar wird vom Modell bestimmt und dem Auftraggeber bei der Buchung mitgeteilt; es beträgt für einen Tag zumeist mehr als DM 1.000,–, für einen halben Tag etwa DM 700,– und für eine Stunde DM 300,–. Die Provision der Klägerin beträgt 10 %, ausnahmsweise 15 %. Die Abrechnung erfolgt mit der Klägerin, an die regelmäßig auch das Honorar gezahlt wird. Die Aufträge dauern in der weit überwiegenden Zahl einen Tag, seltener zwei oder mehr Tage.
Das Fotomodell trägt bei Modeaufnahmen die vorgegebenen Kleidungsstücke und bringt entsprechende Schuhe, Strümpfe und Schmuck mit, die es selbst gekauft hat und nur beruflich verwendet. Bei Werbeaufnahmen trägt es eigene Kleidung, deren Auswahl für den konkreten Termin es oft auch selbst bestimmt. Für Frisur und Make-up sorgt es ebenfalls zumeist selbst.
Zu Beginn des Termins wird zwischen Fotograf, Modell und (ggf) Auftraggeber die beabsichtigte Werbeaussage und -strategie besprochen. Die einzunehmende Grundposition richtet sich nach dem Layout, soweit ein solches – wie regelmäßig bei Katalog-Aufnahmen – vorliegt. Das Posieren im einzelnen erfolgt im Zusammenwirken von Modell und Fotograf, wobei die Thematik der Aufnahme bestimmend ist; der Fotograf gibt dabei die für Optik und Layout erforderlichen Direktiven, das Modell bringt die Gestik, Mimik und Bewegung von sich aus zur Darstellung.
Die Beklagte forderte die Klägerin mit Bescheid, vom 28. Oktober 1986 bei Androhung eines Zwangsgeldes von DM 1.000,– auf, die von ihr betriebene Arbeitsvermittlung ab sofort zu unterlassen. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. März 1987).
Während das Sozialgericht (SG) Stuttgart die Klage gegen diese Verwaltungsentscheidungen in seinem Urteil vom 25. Oktober 1988 abwies, hob das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das erstinstanzliche Urteil und die Bescheide der Beklagten auf (Urteil vom 14. März 1990). Zur Begründung seiner Auffassung, Fotomodelle seien nicht als Arbeitnehmer tätig, so daß die Klägerin keine unerlaubte Arbeitsvermittlung betreibe, führte es aus, die vermittelten Fotomodells seien weder in den Betrieb des Auftraggebers oder des Fotografen eingegliedert noch von diesem abhängig. Hinsichtlich Ort, Zeitpunkt und Dauer der Tätigkeit seien sie keinen Weisungen unterworfen, weil diese Umstände im voraus vertraglich festgelegt würden. Die Direktiven des Fotografen während der Aufnahmen seien keine Weisungen sondern Kommunikationselemente im Rahmen einer gleichrangigen Gemeinschaftsarbeit, wobei dem Fotografen von seiner Funktion her die Führungsrolle zufalle. Für selbständige Dienstverhältnisse der Fotomodelle spreche auch deren wirtschaftliches Risiko; sie müßten ständig darum bemüht sein, neue Aufträge zu erhalten und trügen etwa bei Erkrankungen das Risiko des Honorarverlustes. Dies müsse durch Honorare wettgemacht werden, die in der Höhe mit Entgeltansprüchen von Arbeitnehmern nicht vergleichbar seien.
Der Parteiwille bei Vertragsschluß sei nicht auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gerichtet. Ein Schutzbedürfnis der Modelle, das die Behandlung ihrer Dienstverhältnisse als unselbständig erfordere, sei nicht zu erkennen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte, das LSG habe die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) außer acht gelassen, wonach für die Annahme einer abhängigen Tätigkeit von Fotomodellen die Einbeziehung in eine übergeordnete Arbeitsorganisation ausreichend sei. Außerdem sei entscheidend, daß die Modelle Studios und sonstige technische Einrichtungen der Kunden (bzw von deren Beauftragten) benötigten. Der Fotograf führe die Regie und bestimme gegenüber dem Modell, wie die Produkte, für die geworben werde, präsentiert werden sollten. In diese kreative Aktivität des Fotografen, seinen „Betrieb”, müsse sich das Fotomodell durch Unterordnung eingliedern.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. März 1990 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 1988 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Das erstinstanzliche Urteil ist wiederherzustellen, weil der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 1987 entgegen der Auffassung des LSG rechtmäßig ist.
Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt hat die Beklagte die Klägerin aufgefordert, die von ihr „betriebene Arbeitsvermittlung … zu unterlassen”. Zutreffend hat das Berufungsgericht dies dahin ausgelegt, daß der Klägerin insgesamt untersagt worden ist, die von ihr betriebene Vermittlung von Fotomodellen weiterhin durchzuführen, weil es sich dabei um verbotene Arbeitsvermittlung handele.
Rechtsgrundlage ist § 4 des Arbeitsförderungsgesetzes vom 25. Juni 1969 (idF des Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 26. April 1985). Danach darf Arbeitsvermittlung nur von der Beklagten betrieben werden, soweit in §§ 18 Abs. 1 Satz 2, 23 Abs. 1 oder 29 Abs. 4 AFG nichts anderes bestimmt ist. Dieses der BA zustehende Monopol der Arbeitsvermittlung, das grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (BVerfGE 21, 245 ff; BSGE 43, 100, 102 f), kann – wie hier geschehen – mit einer Untersagungsverfügung durchgesetzt werden, wenn eine Privatperson Arbeitsvermittlung betreibt, ohne hierzu ausnahmsweise von der BA beauftragt zu sein. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 4 AFG, ist aber nach ständiger Rechtsprechung des BSG (SozR 4100 § 4 Nr. 2; BSGE 43, 100, 101) als sinnvolle und notwendige Ergänzung des § 228 Abs. 1 Nr. 2 AFG (Verfolgung der unbefugten Arbeitsvermittlung als Ordnungswidrigkeit) zulässig.
Ein Auftrag der Beklagten zur Arbeitsvermittlung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 AFG ist der Klägerin bislang nicht erteilt worden; hierüber war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch ein Rechtsstreit anhängig. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der Untersagung ist daher, ob die Klägerin überhaupt Arbeitsvermittlung betreibt. Dies trifft zu.
Arbeitsvermittlung ist gemäß § 13 Abs. 1 AFG eine Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung von Arbeitsverhältnissen zusammenzuführen. Dabei ist der Begriff des Arbeitsverhältnisses im arbeitsrechtlichen Sinn zu bestimmen, weil mit der Vermittlungstätigkeit gerade arbeitsrechtliche Rechtsfolgen herbeigeführt werden sollen (Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG, § 13 Anm. 16; Gagel, AFG, § 13 Anm. 2). Arbeitsverhältnis ist das Rechtsverhältnis, das zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber vertraglich begründet wird und den Arbeitnehmer verpflichtet, im Dienst des Arbeitgebers abhängige Arbeit zu leisten (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 6. Aufl, 1987, §§ 8 I 1, 29 II).
Zwischen welchen Personen im vorliegenden Fall Verträge abgeschlossen worden sind, ist vom LSG nicht endgültig geklärt worden; dies kann im Ergebnis aber auch offenbleiben. Als Vertragspartner der Auftraggeber kommen auf der Seite der Auftragnehmer entweder die Fotomodelle selbst oder die Klägerin in Betracht, die dann die Modelle den jeweiligen Auftraggebern zur Dienstleistung überlassen würde. Auch im letztgenannten Fall würde jedoch unzulässige Arbeitsvermittlung der Klägerin vorliegen, sofern die Modelle im Verhältnis zum Auftraggeber abhängige Arbeit leisten (so im einzelnen: BSG SozR 4100 § 13 Nr. 6; zustimmende Anmerkung hierzu von Becker in SGb 1983, 210 ff). Das ergibt sich aus Art. 1 § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG), wonach vermutet wird, daß derjenige, der Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überläßt, Arbeitsvermittlung betreibt, wenn er nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko übernimmt (BSG aaO). Dafür, daß die Klägerin im Verhältnis zu ihren Modellen derartige Pflichten oder Risiken übernommen hat, fehlt jeder Anhaltspunkt.
Denkbare Vertragspartner auf der Auftraggeberseite sind Kundenunternehmen (etwa Versandhäuser), Werbeagenturen und Fotografen. Auch hier ist eine nähere Aufklärung der vertraglichen Beziehungen nicht erforderlich; denn die Modelle arbeiten nach den Feststellungen des LSG in der Regel unmittelbar nur mit den Fotografen zusammen. Diese werden dabei entweder im Zuge ihrer eigenen vertraglichen Verpflichtungen als Auftraggeber tätig oder als Erfüllungsgehilfen von Unternehmen oder Agenturen, die ihrerseits Auftraggeber der Fotografen sind (vgl. insoweit auch BSG aaO, S 10) und denen die Arbeit im Fotoatelier zuzurechnen ist.
Die somit entscheidende Frage lautet, ob Fotomodelle bei der Ausführung ihres Berufes in den verschiedenen vertraglichen Varianten abhängig tätig und damit Arbeitnehmer sind.
Das Vorliegen von Arbeitsverhältnissen kann nicht durch eine allgemeingültige Definition, sondern nur typologisch unter Berücksichtigung aller Merkmale des jeweiligen Einzelfalles bestimmt werden (BAG AP Nr. 34 zu § 611 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB– Abhängigkeit). Maßgebliche Bedeutung kommt dabei – in Anlehnung an die gesetzliche Regelung des § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch –HGB– (vgl. BAG AP Nr. 45 zu § 611 BGB – Abhängigkeit) – der Frage zu, ob der Dienstleistende im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann oder hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung den Weisungen des Auftraggebers unterliegt; letzteres spricht für eine unselbständige (Arbeitnehmer-) Tätigkeit. Entscheidend ist das Gesamtbild der Tätigkeit, das unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten daraufhin zu untersuchen ist, ob die Merkmale eines abhängigen Arbeitsverhältnisses oder die eines freien Dienstverhältnisses überwiegen (BSG SozR 4100 § 13 AFG Nr. 6). Entscheidungsgrundlagen sind dabei in erster Linie die vertraglich getroffenen Abreden; gegebenenfalls kann sich ein abweichender Inhalt des Rechtsverhältnisses auch aus der praktischen Durchführung und Gestaltung der Vertragsbeziehungen ergeben, wenn sich daraus Schlüsse ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (BAG AP Nr. 21 zu § 611 BGB – Abhängigkeit; AP Nr. 32 zu § 611 BGB – Lehrer, Dozenten).
Für Fotomodelle hat das BSG entschieden, eine generelle Aussage sei nicht möglich, so daß es auf den Einzelfall ankomme. Für die Annahme einer abhängigen Tätigkeit von Fotomodellen sei die Integration in eine übergeordnete Arbeitsorganisation ausreichend, wobei maßgeblich vor allem sei, in welchem Maße sie Weisungen der Kunden oder ihrer Repräsentanten hinsichtlich der Arbeitsausführung in zeitlicher und fachlicher Hinsicht unterlägen und ob diese Weisungen typisch für ein Arbeitsverhältnis seien (SozR 4100 § 13 Nr. 6; s ferner SG Stuttgart, DBl BA R AFG § 13 Nr. 2185a; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Oktober 1985 – L 12 Ar 117/82 –; Bayerisches LSG, Urteil vom 15. März 1990 – L 9 Al 207/88 –).
Bei kurzfristigen Engagements können – weit mehr als bei längerfristig angelegten Vertragsbeziehungen – die Einzelheiten der vertraglichen Verpflichtungen des Modells festgelegt werden. In diesen Fällen kommt eine Eingliederung des Modells in den Betrieb des Fotografen oder des Unternehmens – die im Direktionsrecht ihren Ausdruck findet – nur dann in Betracht, wenn nach den von beiden Seiten verfolgten. Zwecken und Interessen die verbleibenden Varianten der Ausführung einseitig durch den Auftraggeber bestimmt werden können. Das BSG hat in einem vergleichbaren Fall diese Maßstäbe bereits verdeutlicht (Urteil vom 7. August 1974 – 7 RAr 6/72 – USK 74138). Es hat dort für eine Kapelle, die vorwiegend bei privaten Abendveranstaltungen auftrat, Arbeitsverhältnisse zu den Auftraggebern verneint, weil einerseits die in der Regel nicht fachkundigen Auftraggeber meist ein Interesse daran haben, daß die Kapelle ihnen die musikalische Gestaltung des Abends abnimmt, andererseits aber die Kapelle, die unter einem bestimmten Namen bekannt und geschätzt war, ein Interesse daran hatte, ihren Ruf mit einer bestimmten musikalischen Prägung zu erhalten und zu festigen. Das schloß zwar Absprachen und die Berücksichtigung von Bitten der Auftraggeber nicht aus, wohl aber einseitige Weisungen außerhalb der vertraglich festgelegten Bedingungen.
Anders ist es indes nach den Feststellungen des LSG bei den von der Klägerin vermittelten Fotomodellen. Anhaltspunkte dafür, daß sich darunter namhafte Fotomodelle befanden, die in der Branche durch eine spezielle Art ihrer Präsentation bekannt waren und diesen Ruf zu wahren hatten, sind nicht erkennbar. Es spricht auch nichts dafür, daß aufgrund überlegener Sachkunde der Fotomodelle die Verträge dahin zu interpretieren waren, daß sie den werbenden Unternehmen oder Fotografen die Ausgestaltung der Aufnahmen im einzelnen abnehmen sollten, also die vertraglichen Freiräume hinsichtlich der Ausgestaltung auszufüllen hatten. Vielmehr liegt grundsätzlich das Schwergewicht des Interesses an der Art der Ausführung und regelmäßig auch die Kompetenz hierzu beim Auftraggeber oder bei dessen Fotografen. Das schließt zwar partnerschaftliche Abstimmungen nicht aus; entscheidend ist aber, ob letztlich der Auftraggeber oder der Fotograf berechtigt wäre, seine Vorstellungen durchzusetzen. Davon ist auszugehen, weil eigene ausgeprägte Darstellungsinteressen der Fotomodelle fehlen. Hinzu kommt, daß die Fotomodelle bei ihrer Arbeit jedenfalls auf die technischen Einrichtungen und erforderlichenfalls auch auf die Studioräume des Fotografen angewiesen sind. Sie gliedern sich deshalb technisch-organisatorisch in den Betrieb desjenigen ein, der diese Produktionsmittel zur Verfügung stellt, sei es der selbständige Fotograf oder der Unternehmer, der den Werbeprospekt erstellen will und hierfür entweder selbst die technischen Bedingungen bereitstellt oder einen Fotografen damit beauftragt. Etwas anderes gilt nur, wenn das Modell selbständig nach eigener Planung und Gestaltung Aufnahmen erstellen läßt (BSG SozR 4100 § 13 Nr. 6) oder die Bilder sogar auf eigenes Risiko vermarktet (LSG Stuttgart, DBl BA R AFG § 13 Nr. 2185a).
Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung des LSG, daß die Fotomodelle generell ein hier bedeutsames wirtschaftliches Risiko tragen. Das Risiko der Arbeitslosigkeit ist ein typisches Arbeitnehmerrisiko, das sich bei unständiger Beschäftigung mit kurzfristigen Engagements nur häufiger stellt als bei längerfristigen oder unbefristeten Arbeitsverhältnissen. Unständig Beschäftigte sind deshalb aber nicht bereits aus diesem Grunde als Selbständige anzusehen (vgl. dazu BAG AP Nrn 12 und 14 zu § 611 BGB – Abhängigkeit; vgl. auch BSGE 16, 158, 160; Gagel, AFG § 13 Anm. 6). Das Risiko des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft kann für eine selbständige Tätigkeit allenfalls in besonderen Ausnahmefällen sprechen, nämlich dann, wenn der Betreffende seine Arbeitszeit investiert und offen bleibt, ob er hierfür ein Entgelt erhält (vgl. BSG Urteil vom 16. September 1976 – 12/3 RK 4/75 – USK 76196 zu einem Tennislehrer, der in einer Sportanlage auf Kunden wartet und nur die tatsächlich geleisteten Trainingsstunden vergütet erhält). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Zuweisung von Risiken an den Arbeitenden nur dann für Selbständigkeit spricht, wenn damit größere Freiheiten und größere Verdienstmöglichkeiten verbunden sind, die nicht bereits in der Sache angelegt sind, weil allein die Zuweisung zusätzlicher Risiken einen abhängig Beschäftigten noch nicht zum Selbständigen macht (BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 17).
Auch soweit das Fotomodell verpflichtet ist, eigene Kleidung bereitzuhalten und zur Verfügung zu stellen, begründet dies noch keine Selbständigkeit, solange nicht gerade diese Verpflichtung mit einem so großen finanziellen Aufwand verbunden ist, daß das damit einhergehende Risiko für das Verhältnis zum Vertragspartner prägend wird. Dafür bieten indes die vom LSG getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte.
Soweit die Vergütung zugleich ein Entgelt für die Bereitstellung von Garderobe und die Überlassung des Rechts am eigenen Bilde darstellt, handelt es sich lediglich um Berechnungsfaktoren der Vergütung, nicht aber um eine besondere Prägung des gegenseitigen rechtlichen Verhältnisses, da die getroffenen Feststellungen ausweisen, daß bei der Tätigkeit des Fotomodells der Einsatz der Arbeitszeit und der eigenen Fähigkeiten im Vordergrund stehen.
Entgegen der Auffassung des LSG ist auch ein soziales Schutzbedürfnis der Modelle zu bejahen, das bei Anwendung der §§ 4 und 13 AFG dafür spricht, ihre Tätigkeit als unselbständig zu qualifizieren. Zwar werden arbeitsförderungsrechtliche und arbeitsrechtliche Ansprüche der Modelle wegen der Kurzzeitigkeit ihrer Beschäftigungen nur selten zum Tragen kommen. Der Umstand, daß die Modelle notwendigerweise ständig ihre Auftraggeber wechseln müssen, führt aber zu einer verstärkten faktischen Abhängigkeit von der Auftragsvermittlung. Daraus entsteht die Gefahr, daß freie Vermittlungsagenturen ihre insoweit gegebene Machtstellung mißbrauchen und die Modelle wirtschaftlich ausnutzen könnten. Gerade dieser Gefahr sollte aber mit der Einführung des Arbeitsvermittlungsmonopols der Beklagten begegnet werden (BVerfGE 21, 245, 255).
Diese Erkenntnisse decken sich mit der überwiegenden Auffassung der ordentlichen Gerichte und der Verwaltungsgerichte zur Arbeitnehmereigenschaft von Fotomodellen, die sie zumeist aus deren Gebundenheit an die Weisungen der Fotografen herleiten (OLG Düsseldorf, DBl BA R AFG § 13 Nr. 2036a, hierzu zustimmend: Gagel, AFG, § 13 Anm. 17, Stichwort: Fotomodell; LG Osnabrück, NJW-RR 1989, 501; OVG Hamburg, DBl BA R AFG § 13 Nr. 2085a).
Demgegenüber sieht allerdings die Finanzgerichtsbarkeit im allgemeinen Fotomodelle als selbständig Tätige an. Der Bundesfinanzhof hat in ständiger Rechtsprechung (BFHE 74, 487, 489; 89, 219, 221) ihre Eingliederung in den Betriebszweck des Fotostudios unter Hinweis auf die regelmäßig nur ganz kurzzeitige Beschäftigung für wechselnde Auftraggeber verneint; zusätzlich soll gegen ihre Arbeitnehmereigenschaft sprechen, daß sie dem Fotografen ihr Recht am eigenen Bild überlassen.
Hierfür mögen praktische Überlegungen der Vereinfachung des Steuerabzugs bei einer gemischten Vergütung maßgeblich gewesen sein. Jedenfalls ist das BSG nicht an diese Entscheidungen gebunden und auch nicht gezwungen, diese Frage dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorzulegen, da der Arbeitnehmerbegriff im steuerlichen Sinne durchaus in Randbereichen abweichend von dem arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers ausgelegt werden kann. Auch der BFH hat nämlich darauf hingewiesen, daß unter steuerrechtlichen Aspekten im Einzelfall eine andere Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft als im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht in Betracht kommt (BFH, BStBl 1979 II S 188, 189).
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gemäß Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) war nicht erforderlich. Der EuGH hat bereits durch mehrere Entscheidungen klargestellt, daß es nicht gegen Vorschriften des EG-Rechts verstößt, insbesondere auch nicht gegen Art. 59 EWGV, der die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs sichert, wenn in einem Mitgliedsstaat die Eröffnung von Stellenvermittlungsbüros von einer Genehmigung abhängig gemacht wird. Er hat lediglich darauf hingewiesen, daß für Personen, die in einem anderen Mitgliedsstaat bereits eine Genehmigung erhalten haben, Einschränkungen hinsichtlich des erneuten Nachweises von Voraussetzungen gelten (vgl. Fall Wesemael, Urteil vom 18. Januar 1979, EuGHE 1979 S 35 und Fall Webb, Urteil vom 17. Dezember 1981, EuGHE 1981 S 3305). Dabei ist der Begriff „Genehmigung” nicht im technischen Sinne zu verstehen, sondern im Sinne der Zulassung zum Gewerbe der Arbeitsvermittlung für Künstler und ähnliche Gruppen, gleich auf welcher rechtlichen Grundlage. Da die Klägerin keine derartige „Genehmigung” besitzt und in diesem Verfahren auch nicht über die Erteilung eines Auftrags zur Arbeitsvermittlung zu entscheiden ist, wird die Niederlassungsfreiheit durch das Verbot der Arbeitsvermittlung nicht berührt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen