Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 11.06.1987) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. Juni 1987 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist, wie der Einkommensverlust als Voraussetzung für einen Berufsschadensausgleich (BSA) zu ermitteln ist, wenn ein Schwerbeschädigter den erlernten Beruf eines selbständigen Handwerkers zwar nach der Schädigung weiterhin ausgeübt, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahres aufgegeben hat.
Der im März 1920 geborene Kläger, der das Schuhmacherhandwerk erlernt hatte, erlitt im Jahre 1941 eine Granatsplitterverwundung, die eine weitgehende Versteifung des linken Armes zur Folge hatte. Er legte dennoch im erlernten Beruf die Meisterprüfung ab und war bis 1962 als Schuhmachermeister abhängig beschäftigt. Danach betrieb er bis zur Aufgabe im November 1982 selbständig eine Schuhmacherei mit einem Schuhladen. Seit 1976 bezieht er eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 vH unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit, seit August 1980 außerdem Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von anfangs monatlich 205,– DM. Sein im September 1980 gestellter Antrag auf Gewährung von BSA wurde abgelehnt. Klage und Berufung blieben erfolglos (Bescheid vom 21. April 1983; Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 7. Juni 1984; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 11. Juni 1987). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe kein BSA zu, weil er keinen schädigungsbedingten Einkommensverlust erlitten habe. Für die Zeit bis zum Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben lasse sich kein auf die Schädigungsfolgen zurückzuführender Minderverdienst erkennen. Deshalb sei auch kein Schaden in der Rente eingetreten. Das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben sei nicht wesentlich auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen, da diese seit mehr als 30 Jahren unverändert geblieben seien. Welche Gründe im einzelnen zum Ausscheiden aus dem Erwerbsleben geführt hätten, insbesondere ob die allgemein schlechte wirtschaftliche Situation des Schuhmacherhandwerks den Ausschlag gegeben habe, könne offenbleiben.
Dagegen richtet sich die vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassene Revision des Klägers. Das LSG habe zu Unrecht angenommen, daß er während seines Erwerbslebens keinen schädigungsbedingten Einkommensverlust erlitten habe. Der Einkommensverlust errechne sich aus dem Unterschied zwischen dem Vergleichseinkommen entsprechend der Besoldungsgruppe A 9 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) und seinen tatsächlichen geringen Einkünften, wie sie sich aus den Steuerbescheiden ergeben. Für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben seien seine geringen Renteneinkünfte als derzeitiges Einkommen zugrunde zu legen. Das LSG habe auch zu Unrecht gefolgert, daß er aus schädigungsunabhängigen Gründen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei. Allein die Tatsache, daß sich an den Schädigungsfolgen selbst nichts Wesentliches geändert habe, lasse diesen Schluß nicht zu. Das LSG habe unberücksichtigt gelassen, daß er – wie durch die Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit von dem Beklagten zugestanden sei – seit Jahren nur unter Aufbietung besonderer Schaffensenergie erwerbstätig geblieben sei. Wenn ein Schwerbeschädigter diese Energie nicht mehr weiter aufbringe und aus dem Erwerbsleben ausscheide, könne ein schädigungsbedingtes Ausscheiden nicht verneint werden. Dafür spreche eine Vermutung, die – wenn nicht sogar unwiderleglich – so doch zumindest mit einer Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen zugunsten des Beschädigten verbunden sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 21. April 1983 den Beklagten zu verurteilen, ab 1. September 1980 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 9 zu gewähren, hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen LSG-Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein Anspruch auf BSA setze eine schädigungsbedingte Einkommenseinbuße voraus, die auch bei selbständig Tätigen nachzuweisen sei. Die Frage einer Einkommenseinbuße habe sich beim Kläger nie gestellt. Der Kläger sei auch in einem Alter aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, in dem die Mehrzahl der Arbeitnehmer und viele selbständig Tätige allein aus Altersgründen ihre Erwerbstätigkeit aufgeben. Hinzu komme, daß in dem Beruf des Schuhmachers seit Jahren die Erwerbsaussichten zurückgingen. Demgegenüber komme dem Kläger keine Beweiserleichterung zugute, daß er aus schädigungsbedingten Gründen ausgeschieden sei, selbst wenn eine besondere berufliche Betroffenheit anerkannt sei.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Mit der vom LSG gegebenen Begründung durfte der Anspruch des Klägers auf BSA nicht verneint werden. Dem Kläger kann ein solcher Anspruch zustehen. Der Senat kann darüber nicht abschließend entscheiden, weil es an ausreichenden Tatsachenfeststellungen fehlt. Diese sind von der Berufungsinstanz nachzuholen.
Mit der Feststellung des LSG, daß der Kläger noch nach seiner Kriegsverletzung in dem erlernten Beruf die Meisterprüfung abgelegt und seinen Beruf ausgeübt habe, ohne daß ihn die Schädigungsfolgen daran wesentlich gehindert hätten, läßt sich ein schädigungsbedingter Einkommensverlust nicht verneinen. Die Vorschriften über den Berufsschadensausgleich (§ 30 Abs 3 bis 9 Bundesversorgungsgesetz -BVG- sowie die Berufsschadensausgleichsverordnung -BSchAV- idF der Bekanntmachung vom 29. Juni 1984, BGBl I 861) gehen allerdings für den Regelfall davon aus, daß die Schädigung zu einem Berufswechsel geführt hat. § 2 Abs 1 Satz 1 BSchAV verlangt zur Ermittlung des Berufsschadens die Feststellung der Berufs-oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte „ohne die Schädigung” wahrscheinlich angehört hätte. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß der Beschädigte „nach der Schädigung” einer anderen Berufs- oder Wirtschaftsgruppe angehört. § 2 Abs 3 Satz 1 BSchAV stellt aber klar, daß die Vorschriften über die Ermittlung des Berufsschadens auch dann gelten, wenn der Beschädigte „die nach diesen Vorschriften in Betracht kommende Tätigkeit ausübt”. Das BSG hat unter Hinweis auf diese Vorschrift schon mehrfach entschieden, daß Anspruch auf BSA auch dann bestehen kann, wenn der Beschädigte in dem bisherigen oder angestrebten Beruf wegen der Schädigung nicht das Einkommen erzielt, das er als Gesunder hätte (vgl BSG SozR 3641 § 7 Nr 1; Urteil vom 13. August 1986 – 9a RV 12/84 -Hinweis in Der Versorgungsbeamte 1987, S 11; Urteil vom 12. Dezember 1990 – 9a/9 RV 24/89 – zur Veröffentlichung bestimmt).
Anspruch auf BSA kann aber auch dann bestehen, wenn der Beschädigte in dem Beruf, den er nicht gewechselt hat, sogar aufsteigt. Der berufliche Aufstieg kann zwar darauf hindeuten, daß sich die Schädigungsfolgen nicht besonders nachteilig ausgewirkt haben oder daß sie durch besonderen Willens-und Energieaufwand zu überwinden waren. Der Aufstieg im bisherigen Beruf allein, besonders dann, wenn er einer normalen beruflichen Laufbahn entspricht, schließt es aber nicht von vornherein aus, daß der Beschädigte ohne die Schädigung in dem tatsächlich ausgeübten Beruf größeren Erfolg gehabt hätte, also beruflich geschädigt ist. § 2 Abs 3 Satz 2 BSchAV, der die schädigungsbedingte Verhinderung des beruflichen Aufstiegs ausdrücklich als ausgleichspflichtig hervorhebt, ist nicht bereits erschöpft, wenn einmal ein beruflicher Aufstieg stattgefunden hat; auch wenn ein weiterer Aufstieg schädigungsbedingt unterblieben ist, kommt ein Ausgleich in Betracht.
Gerade der Fall des Klägers, der trotz eines weitgehend versteiften Armes in seinem Beruf als Schuhmacher verblieben und durch die Ablegung der Meisterprüfung weiter aufgestiegen ist, dann aber trotz dieser Leistung nur ein geringes Einkommen erzielt hat, läßt nicht ausgeschlossen erscheinen, daß er im wesentlichen durch die Schädigung daran gehindert war, mehr zu verdienen.
Es ist aber nahezu aussichtslos, einen positiven Nachweis dafür zu führen, daß die Armverletzung und nicht andere Umstände für die schlechte Einkommenssituation des Klägers verantwortlich zu machen sind. Insbesondere ist nicht ersichtlich, auf welche Weise konjunkturelle Einflüsse, falsche wirtschaftliche Entscheidungen, vielleicht auch fehlende Mobilität als Ursache für die schlechte finanzielle Lage des Klägers ausgeschlossen werden können. Eine Beweisführung erscheint selbst dann aussichtslos, wenn nur die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schädigung und beruflichem Schaden verlangt wird und man es ausreichen läßt, daß die Schädigung eine wesentliche Mitursache war. Insbesondere sind aber kaum überzeugende Feststellungen zur Schadenshöhe möglich. Es müßte dafür nämlich ermittelt werden, was der Kläger ohne die Schädigung verdienen würde und was er mit der Schädigung verdienen könnte. Unüberwindliche Beweisschwierigkeiten bestehen aber nur dann, wenn man die allgemeinen Grundsätze des Schadensersatzrechts und des Beweisrechts beachten müßte. Das Recht des BSA hat aber typisierende Regelungen geschaffen, die eine sachgerechte Entscheidung auch dann ermöglichen, wenn überzeugende Feststellungen zur genauen Schadenshöhe im Einzelfall nicht zu treffen sind.
Zunächst ist das maßgebliche Vergleichseinkommen zu ermitteln, das sich bei Selbständigen an der Beamtenbesoldung orientiert (§ 5 BSchAV). Für Selbständige mit abgelegter Meisterprüfung ist danach das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 zuzüglich des Ortszuschlages nach Anlage 2 BBesG maßgebend, wie der Kläger zutreffend vorträgt. Ob der Kläger so einzustufen ist, hängt davon ab, ob er auch als Unbeschädigter wahrscheinlich den Beruf eines selbständigen Schuhmachermeisters ausgeübt hätte. Das ist eine hypothetische Tatsachenfeststellung (vgl BSG SozR 1300 § 45 Nr 49; SozR 4100 § 44 Nr 47), die von der Tatsacheninstanz zu treffen ist, was das LSG aufgrund seiner abweichenden Rechtsauffassung bislang unterlassen hat.
Dem Vergleichseinkommen ist sodann das derzeitige Einkommen gegenüberzustellen. Es muß nach § 9 Abs 1 Nr 2 BSchAV festgestellt werden, was der Kläger als Unselbständiger trotz der Schädigungsfolgen auf dem Arbeitsmarkt noch hätte verdienen können (BSGE 64, 272, 275 = SozR 3100 § 30 Nr 76 und SozR 3100 § 30 Nr 77). Es ist zu ermitteln, welche Tätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in der privaten Wirtschaft er trotz der Schädigung noch hätte ausüben können und welches Durchschnittseinkommen, das wie das Vergleichseinkommen gemäß §§ 3 und 4 BSchAV aus den Besoldungsgesetzen oder den Tabellen des Statistischen Bundesamtes zu entnehmen ist, zu erzielen gewesen wäre. Für einen durch eine weitgehende Versteifung des linken Armes behinderten Schuhmachermeister, wie den Kläger, bietet sich die Prüfung an, ob er – wenn nicht im Handwerk – zumindest eine im wesentlichen aufsichtsführende Tätigkeit in der Schuhindustrie hätte ausüben können. Dies erfordert zunächst die Klärung, ob es derartige Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl gibt und welche körperlichen Anforderungen an den Arbeitnehmer gestellt werden; dabei ist davon abzusehen, daß er sich bereits im fortgeschrittenen Lebensalter befindet und eine Tätigkeit in der Industrie nie ausgeübt hat. Käme eine solche Tätigkeit für den Kläger nicht in Betracht, wäre nach weiteren Tätigkeiten angelernter und ungelernter Art zu suchen, die er mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen noch hätte ausüben könnte, und ihnen ein Einkommen entsprechend den Tabellen zuzuordnen.
Für die Zeit ab dem Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres ist der BSA in der Weise zu berechnen, daß nunmehr der ihm als derzeitiges Bruttoeinkommen zuzurechnende Tabellenwert auf 75 vH herabgesetzt wird. Selbst wenn also bis November 1982 kein Berufsschaden auszugleichen sein sollte, könnte er jedenfalls ab diesem Zeitpunkt vorliegen. Das Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben ist kein unbeachtlicher Nachschaden, sondern hat als schädigungsbedingt zu gelten, ohne daß dazu weitere Feststellungen zu treffen sind. Bei einem Schwerbeschädigten, der das 60. Lebensjahr bereits vollendet hat und aus dem Erwerbsleben ausscheidet, kann unterstellt werden, daß die Schädigungsfolgen für die vorzeitige Aufgabe der Erwerbstätigkeit wesentlich ursächlich waren. Das hat der Senat für abhängig Beschäftigte, die unter Inanspruchnahme vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, bereits mehrfach ausgesprochen (BSG SozR 3100 § 30 Nr 78; SozR 3642 § 8 Nr 7; Urteil vom 12. Dezember 1990 – 9a/9 RV 20/89 – zur Veröffentlichung bestimmt). Bei diesen ist es im Sinne von § 8 Satz 3 BSchAV immer als glaubhaft anzusehen, daß sie ohne die Schädigungsfolgen weiterhin erwerbstätig geblieben wären, so daß der mit dem Rentenbezug verbundene Einkommensverlust schädigungsbedingt ist. Denn ohne die – auf der Schädigung beruhende – Schwerbehinderung hätten sie im allgemeinen noch keinen Anspruch auf Altersruhegeld (§ 1248 Abs 1 Alternative 1 Reichsversicherungsordnung -RVO-). Nach den tatsächlichen Motiven für die Aufgabe der Erwerbstätigkeit braucht nicht geforscht zu werden.
Der für den BSA maßgebende Einkommensverlust errechnet sich bei Unselbständigen aus dem Unterschied zwischen dem ungekürzten Vergleichseinkommen und dem tatsächlichen Erwerbsersatzeinkommen iS des § 9 Abs 2 BSchAV. Da zur sachgerechten Ermittlung des Einkommensverlustes die für Unselbständige geltenden Regelungen entsprechend auf Selbständige anzuwenden sind, ist es geboten, auch ihnen die Möglichkeit einzuräumen, unter den gleichen Voraussetzungen die Erwerbstätigkeit vorzeitig aufzugeben, und die hierdurch bedingte Einkommenseinbuße durch den BSA auszugleichen. Da die Selbständigen für den BSA teilweise wie Beamte (für das Vergleichseinkommen) und teilweise wie abhängig Beschäftigte (für das derzeitige Bruttoeinkommen) behandelt werden, kommen auch ihnen die dort eingeführten Tatbestände für ein vorzeitiges Ausscheiden zugute, soweit damit pauschal einer krankheitsbedingten Minderleistung Rechnung getragen wird. Wenn selbständige Schwerbeschädigte nach Vollendung des 60. Lebensjahres die Erwerbstätigkeit aufgeben, ist bei ihnen wie bei Unselbständigen davon auszugehen, daß die Schädigungsfolgen dafür ursächlich sind, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft auf diesen Schädigungsfolgen beruht. Auf die Motive im einzelnen kommt es auch hier nicht an.
Da das derzeitige Einkommen bei Selbständigen entsprechend den Vorschriften über das Vergleichseinkommen für Unselbständige ermittelt wird, ist auch das Erwerbsersatzeinkommen entsprechend der Vorschrift festzusetzen, die für das Vergleichseinkommen beim Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt, nämlich § 8 Satz 1 BSchAV. Deshalb ist nicht etwa die Rente aus dem Einkommen zu ermitteln, das der Kläger in seinem Erwerbsleben tatsächlich verdient hat oder das ihm seit seiner Selbständigkeit als derzeitiges Einkommen zuzurechnen ist; das derzeitige Einkommen im Sinne des Gesetzes, also das erzielbare Einkommen, ist vielmehr auf 75 vH herabzusetzen.
Bei dem Kläger könnten das, wie oben ausgeführt, 75 vH des Einkommens eines in der Schuhindustrie Beschäftigten mit Aufsichtsfunktionen sein.
Das Vergleichseinkommen, das für den Kläger anhand der Beamtenbesoldung zu ermitteln ist, ist unter unmittelbarer Anwendung des § 8 Satz 1 Nr 1 BSchAV erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres auf 75 vH herabzusetzen. Das BSG hat allerdings in mehreren Entscheidungen (SozR 3642 § 8 Nrn 1, 3, 7) darauf hingewiesen, daß bereits bei Vollendung des 63. Lebensjahres zweifelhaft sein kann, ob noch im Sinne des § 8 Satz 3 BSchAV glaubhaft gemacht werden kann, daß ein Schwerbeschädigter als Gesunder in dem Vergleichsberuf weitergearbeitet hätte. Die Schwerbehinderung ist dann nämlich nicht mehr Voraussetzung für den Bezug von Altersruhegeld (vgl § 1248 Abs 1 Alternative 2 RVO). Schon bei Unselbständigen ist es aber schwierig, zu ihren Lasten die Feststellung zu treffen, sie wären, wenn sie nicht bereits wegen der Schädigungsfolgen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, spätestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres auch ohne die Schädigung ausgeschieden. Bei ihnen gibt es immerhin Anhaltspunkte aus der Höhe ihrer tatsächlichen Rentenbezüge, die neben dem Ausmaß der schädigungsunabhängigen Gesundheitsbeeinträchtigungen für einen solchen Entschluß herangezogen werden könnten. Bei Selbständigen wird es für eine solche hypothetische Betrachtungsweise in der Regel – so auch hier – an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten fehlen.
Das LSG wird nunmehr unter Beachtung der vorstehenden Rechtsausführungen die erforderlichen Feststellungen zu treffen und bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen