Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattungsanspruch des Rechtsanwalts bei der Anhörung im Verwaltungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Aufwendungen für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt bei der Anhörung im Verwaltungsverfahren (§ 24 SGB 10) sind nicht zu erstatten (Ergänzung BSG vom 20.4.1983 - 5a RKn 1/82 zu BSGE 55, 92 = SozR 1300 § 63 Nr 1).
Orientierungssatz
§ 63 SGB 10 ist weder durch eine Rechtsfortbildung noch durch eine verfassungskonforme Auslegung nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) auf das Anhörungsverfahren anwendbar. Auch eine entsprechende Anwendung auf diese Fallgruppe scheidet aus.
Normenkette
SGB 10 § 63 Abs. 2, § 24; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte dem Kläger die Kosten von insgesamt 572,28 DM zu erstatten hat, die ihm durch die Tätigkeit eines bevollmächtigten Rechtsanwalts bei einer erfolgreichen Anhörung nach § 24 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) entstanden sind. Der Kläger wurde als Schwerbehinderter mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 vH (jetzt Grad der Behinderung -GdB- von 100) wegen verschiedener Behinderungen mit mehreren Merkzeichen anerkannt (Bescheid vom 24. Juni 1983). Aufgrund einer ärztlichen Überprüfung, die durch einen Antrag auf Pflegegeld veranlaßt wurde, kündigte das Versorgungsamt dem Kläger durch Schreiben vom 3. Juni 1988 an, die Behinderungen sollten zukünftig nur noch mit einem GdB von 90 bewertet und das Merkzeichen "H" (für Hilflosigkeit) solle nicht mehr zuerkannt werden; es gab dem Kläger Gelegenheit, sich zu diesem geplanten Verwaltungsakt zu äußern. Im Auftrag des Klägers richtete der von ihm bevollmächtigte Rechtsanwalt drei Schreiben zur Sache und zwei Anfragen zum Verfahren an das Versorgungsamt. Darauf ließ die Verwaltung den Kläger nervenärztlich begutachten. Aufgrund des Ergebnisses anerkannte sie eine weitere Behinderung, stellte den GdB weiterhin auf 100 fest und erkannte das Merkzeichen "H" weiterhin und zwei zusätzliche Merkzeichen zu (Bescheid vom 4. Januar 1989). Der Antrag auf Erstattung der Auslagen für den Rechtsanwalt, der Widerspruch des Klägers und die Klage hatten keinen Erfolg (Bescheid vom 24. Januar 1989, Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 1989, Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 1. Juni 1989). Das SG hat bestätigt, daß es für den geltend gemachten Anspruch keine gesetzliche Grundlage gebe, und hat eine entsprechende Anwendung des § 63 Abs 1 SGB X über die Erstattung von Vertretungskosten im erfolgreichen Vorverfahren abgelehnt. Insoweit bestehe keine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes. Vielmehr habe der Gesetzgeber bewußt diese Lücke gelassen, wie die Gesetzesentwicklung erkennen lasse. Eine Regelung über die Kosten für einen im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Rechtsanwalt, die durch die geplante Verwaltungsprozeßordnung eingeführt werden solle, sei noch nicht Gesetz.
Der Kläger vertritt mit seiner - vom SG zugelassenen - Sprungrevision die Auffassung, entweder müsse zu seinen Gunsten wegen langer Untätigkeit des Gesetzgebers das Gesetz fortentwickelt oder der bereits geregelte Kostenerstattungsanspruch auf die erfolgreiche Anhörung im Verwaltungsverfahren ausgedehnt oder § 63 SGB X auf diesen Fall entsprechend angewendet werden. Aus der vom SG aufgezeigten Rechtsentwicklung, insbesondere aus verschiedenen Regelungen des SGB X, könne nicht gefolgert werden, daß der Gesetzgeber eine Kostenerstattung für die Vertretung im erfolgreich beendeten Verwaltungsverfahren habe ausschließen wollen. Vermutlich habe er diesen Fall übersehen oder gerade auf ihn die Kostenregelung für das Vorverfahren erstrecken wollen. Die Gerechtigkeit verlange hier eine Gleichbehandlung gleicher Tatbestände, die beide durch die anwaltliche Hilfe zum Erfolg führten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide zu verurteilen, dem Kläger die anläßlich der Anhörung seit dem 3. Juni 1988 entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er begründet den Ausschluß einer entsprechenden Anwendung des § 63 SGB X vor allem damit, daß Anhörungs- und Widerspruchsverfahren unterschiedlichen Zwecken dienten. Im übrigen sei eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt hier nicht notwendig gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung der Sprungrevision ungeachtet dessen, ob das SG den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 161 Abs 2 Nr 1 iVm § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) zu Recht angenommen hat, gebunden (§ 161 Abs 2 Satz 2 SGG; BSG SozR 1500 § 161 Nr 15; zur Zulassung durch das LSG: BSG SozR 1500 § 160 Nr 21; vgl auch SozR 1500 § 161 Nr 23).
Der Beklagte hat dem Kläger die Aufwendungen für den als Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Rechtsanwalt (§ 13 SGB X vom 18. August 1980 - BGBl I 1469 -) nicht gemäß oder entsprechend § 63 SGB X zu ersetzen.
Diese Vorschrift, nach der die Verwaltung demjenigen, der erfolgreich Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt eingelegt hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu ersetzen hat (§ 63 Abs 1 Satz 1), und zwar auch Gebühren und Auslagen eines als Bevollmächtigten notwendig im Vorverfahren tätig gewordenen Rechtsanwalts (§ 63 Abs 2 SGB X), ist nach Wortlaut und nach Stellung im Gesetz - im fünften Abschnitt über das Rechtsbehelfsverfahren - nur auf einen förmlichen Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt (vgl § 62 SGB X), ua auf ein Vorverfahren nach den §§ 78 ff SGG, anwendbar. Die Vorschriften über die Einbeziehung von Kosten für eine notwendige Vertretung durch einen Rechtsanwalt (§ 63 Abs 2 SGB X wie § 193 Abs 3 SGG) kennzeichnen bloß den Umfang der Erstattung unter der Voraussetzung, daß nach dem jeweiligen ersten Absatz des Paragraphen dem Grund nach ein Anspruch besteht (zu § 80 Verwaltungsverfahrensgesetz -VwVfG-: BVerwGE 70, 58, 59 f). Dies hat bereits der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) für die Erstattung von Kosten für die Vertretung bei einem Antrag auf Rücknahme eines rechtsverbindlichen Bescheides und auf Neufeststellung zugunsten des Betroffenen (§ 44 SGB X) entschieden (BSGE 55, 92 = SozR 1300 § 63 Nr 1). Die Begründung des Urteils erstreckt sich aber auf alle Verwaltungsverfahren im engeren Sinn, die dem Erlaß eines Verwaltungsaktes vorausgehen und noch nicht ein durch Widerspruch ausgelöstes Vorverfahren, ein Verwaltungsverfahren im weiteren Sinn bis zum Abhilfe- oder bis zum Widerspruchsbescheid (vgl § 8 SGB X iVm § 85 SGG), umfassen. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an, insbesondere für ein Anhörverfahren - wie in diesem Fall -.
Die Gerichte können nicht durch eine Rechtsfortbildung diese klare Regelung allein deshalb, weil es wünschenswert wäre, auf Verfahrensabschnitte vor dem Erlaß eines Verwaltungsaktes erstrecken. Die Rechtsprechung darf grundsätzlich nicht über Gesetzeswortlaut und -sinn hinausgehen (st Rspr, zB BVerfGE 64, 180, 187; BSGE 39, 130, 136 = SozR 3200 § 81 Nr 2). Für eine ausdehnende, den Wortlaut berichtigende Auslegung, die ausnahmsweise zulässig sein kann, besteht in diesem Fall kein rechtfertigender Grund. Insbesondere ließe eine verfassungskonforme Auslegung nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz -GG-), die verschiedene Auslegungsmöglichkeiten voraussetzt (st Respr, zB BVerfGE 69, 1, 55; 70, 35, 63 f), die vom Kläger angestrebte Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht zu. Die vom Kläger begehrte Anspruchsgrundlage zu schaffen, wäre eine rechtspolitische Aufgabe des Gesetzgebers.
§ 63 SGB X kann auch nicht entsprechend auf diese Fallgruppe angewendet werden. Eine solche Analogie setzt nach gefestigter Rechtsansicht in allen Gerichtsbarkeiten und im Schrifttum eine Gesetzeslücke voraus, dh eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, gemessen am erkennbaren Zweck des Gesamtzusammenhanges, in dem eine ausdrückliche Regelung steht. Eine derartige Gesetzeslücke fehlt hier (ebenso BSGE 55, 94). Hier ist kein Fall gegeben, in dem durch eine nachträgliche Veränderung maßgebender Verhältnisse eine Gesetzeslücke entstanden ist und diese durch Analogie richterrechtlich geschlossen werden darf (dazu BVerfG, DVBl 1990, 690 = JZ 1990, 8, 11 = DRiZ 1990, 690).
Mit verschiedenen anderen Regelungen des SGB X haben die Gesetzgebungsorgane durch "beredtes Schweigen" zum Ausdruck gebracht, daß wohl verschiedene andere durch eine Beteiligung am Verwaltungsverfahren (§ 12 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGB X) entstandene Kosten zu ersetzen sind. Den Gesetzgebungsorganen mußte diese Rechtslage, die vorausgegangene Gesetzesentwicklung und die damit verbundene Rechtsprechung bekannt sein. Wenn sie dennoch die Bevollmächtigung außerhalb des Vorverfahrens nicht in die Regelung einbezogen haben, so ist dieses Schweigen als "beredt" zu deuten, dh iS der gewollten Verneinung eines Anspruches.
Nach dem ebenfalls durch das SGB X geschaffenen § 65a SGB Allgemeiner Teil -SGB I- (vorher idF vom 11. Dezember 1975 - BGBl I 3015 -; Art II § 28 Nr 5 SGB X) können auf Antrag - nicht: müssen - demjenigen, der Sachleistungen beantragt oder erhält und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers (§ 65a Abs 1 Satz 1) oder mit dessen nachträglicher Billigung (Abs 2) zur mündlichen Erörterung des Antrages oder zur Vornahme anderer für die Entscheidung über die Leistung notwendigen Maßnahmen persönlich erscheint (§ 61 SGB I) oder sich ärztlich oder psychologisch untersuchen läßt (§ 62 SGB I), seine notwendigen Auslagen und sein Verdienstausfall ersetzt werden. Diese Regelung ist nicht neu; sie war vorher in § 32 iVm § 17 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) vom 2. Mai 1955 (BGBl I 202) / 6. Mai 1976 (BGBl I 1169) enthalten. Dieser Erstattungsanspruch kann auch Aufwendungen für ein persönliches Erscheinen erfassen, bei dem eine Anhörung nach § 24 SGB X vorgenommen wird. Aber in diese neue Regelung ist nicht der Aufwand für einen Bevollmächtigten, der etwa bei dieser Verfahrenshandlung zur Sachaufklärung (§§ 20 ff SGB X) mitwirkt, einbezogen worden. Für diese Fälle mußte es sich den Gesetzgebungsorganen aufdrängen, zusätzlich zu überlegen, ob auch die Aufwendungen für einen Bevollmächtigten bei der Anhörung zu ersetzen sein sollen. Die Pflicht zur Anhörung wurde nicht zum ersten Mal eingeführt; sie war vorher in § 34 SGB I geregelt. Es besteht kein Anhalt dafür, daß die Gesetzesorgane dies übersehen hätten.
Nach § 15 Abs 3 Satz 1 SGB X sind einem von Amts wegen durch ein Vormundschaftsgericht bestellten Vertreter (§ 15 Abs 1 und 2 SGB X) durch den Rechtsträger der Behörde, die um die Bestellung ersucht hat, eine Vergütung zu gewähren und bare Auslagen zu erstatten. Um die Bestellung eines solchen Vertreters, der sich von einem gewillkürt durch einen Beteiligten beauftragten Bevollmächtigten (§ 13 Abs 1 bis 3 SGB X) unterscheidet, kann das Vormundschaftsgericht ua dann ersucht werden, wenn und weil ein Beteiligter infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen nicht selbst im Verwaltungsverfahren tätig werden kann (§ 15 Abs 1 Nr 4 SGB X). In diesem Rechtsstreit ist nicht festgestellt, daß diese Voraussetzung beim Kläger in bezug auf die Anhörung bestand. Dies braucht auch nicht geklärt zu werden; denn ein Vertreter des Klägers ist nicht nach dieser Vorschrift bestellt worden. Vermutlich fühlte sich der Kläger nur - wie viele mit dem Sozialrecht nicht hinreichend vertraute Personen - den Anforderungen an ein sachdienliches Prüfen und Vorbringen in der Anhörung nicht gewachsen. Das ist eine typische Lage, in der viele den Rat eines Rechtsanwalts und die Vertretung durch ihn zu suchen pflegen. Im Fall des § 15 SGB X wird aber gerade nicht vorausgesetzt, daß die Tätigkeit des Bevollmächtigten für eine ausreichende Rechtsverfolgung oder -verteidigung durch einen formal ordnungsmäßig vertretenen Bürgen notwendig war. Diese Vorschrift entlastet auch nicht den Vertretenen vollständig wirtschaftlich, wie wenn ihm Aufwendungen für die Tätigkeit eines Bevollmächtigten zu erstatten sind (§ 63 SGB X; für die Prozeßvertretung: § 193 Abs 1 bis 3 SGG). Vielmehr steht der Erstattungsanspruch allein dem amtlich bestellten Vertreter zu (§ 15 Abs 3 Satz 1 SGB X), der berufen werden muß, weil der Beteiligte sonst überhaupt nicht ordnungsmäßig vertreten wäre. Vom Vertretenen kann die Behörde sogar ihre Aufwendungen an den Vertreter ersetzt verlangen (§ 15 Abs 3 Satz 2 SGB X).
Als "Plan des Gesetzes", der unvollständig in ausdrücklichen Regelungen ausgeführt sein müßte, ist nicht etwa der uneingeschränkte Grundsatz über die Erstattung von Vertretungskosten zu erkennen, dh bezogen auf die Aufwendungen für die im Ergebnis erfolgreiche Tätigkeit eines Bevollmächtigten in allen Verwaltungs- und Gerichtsverfahrensabschnitten, soweit sie zur Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Ein solcher Grundsatz besteht nicht für alle Fälle unabhängig davon, ob ein Antrag verfolgt wird, unter Umständen gegenüber einem rechtsverbindlichen Verwaltungsakt, oder ob ein bestandskräftiger Verwaltungsakt gegenüber einer geplanten ungünstigen Regelung verteidigt oder ob ein Verwaltungsakt als rechtswidrig angegriffen oder die Ablehnung eines solchen angefochten wird. Aus der Gesetzesentwicklung und aus der sie begleitenden, teilweise auch anregenden Rechtsprechung und Erörterung im Schrifttum ist gerade - im Gegenteil - zu schließen, daß es einen solchen Rechtsgrundsatz nicht gibt (BVerwGE 40, 313, 321; BVerfG - 2. Kammer des 1. Senats - vom 4. Mai 1990 - 1 BvR 370/88 -).
Ursprünglich konnte allein in einem erfolgreich geführten Rechtsstreit ein Anspruch auf Erstattung derartiger Aufwendungen entstehen (§ 193 Abs 1 bis 3 SGG; für das Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten: §§ 154, 161, 162 Absatz 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Wohl waren und sind die Kosten des Vorverfahrens eingeschlossen (§ 162 Abs 1 und 2 Satz 2 VwGO, § 139 Abs 3 Satz 3 Finanzgerichtsordnung -FGO-; für das SGG-Verfahren: BSG SozR 1500 § 193 Nr 3; kritisch dazu Zeihe, Sozialgerichtsbarkeit 1977, 110 ff), soweit sich ein Gerichtsverfahren angeschlossen hat, dagegen nicht die Kosten des vorausgehenden Verwaltungsverfahrens (OVG Lüneburg, Juristisches Büro 1989, 534 mA). Die Erstattung von Aufwendungen für einen Bevollmächtigten in einem isolierten Verwaltungsverfahren einschließlich eines Vorverfahrens, dh in einem solchen, an das sich kein Prozeß anschloß, wurde herrschend abgelehnt (BSGE 24, 207; BVerwGE 22, 281; 40, 313; weitere Zitate im Urteil des Hessischen VGH, ESVGH 35, 5, 6). Diese Rechtslage wurde weithin, teilweise in den sie bestätigenden Entscheidungen, als derart unbefriedigend beurteilt, daß der Gesetzgeber durch § 63 SGB X und vorher schon für das allgemeine Verwaltungsverfahren durch das Vorbild, den entsprechenden § 80 VwVfG vom 25. Mai 1976 (BGBl I 1253), Abhilfe schuf. In der Begründung zum Entwurf eines VwVfG wurde zu dem Vorläufer des § 63 SGB X, dem § 80 VwVfG (§ 76 des Entwurfes), ausdrücklich auf die entsprechende Anregung des Bundestags-Rechtsausschusses, die jenen Mangel als untragbar bewertete (Bericht des Ausschusses zum Entwurf einer VwGO - BT-Drucks III/1094 S 8 zu §§ 73 bis 75), verwiesen (BT-Drucks 7/910 S 91 f zu § 76). Aber der Gesetzgeber beschränkte diese neuen Regelungen, wie schon dargelegt, ausdrücklich auf ein erfolgreiches isoliertes Widerspruchsverfahren, erstreckte sie also nicht auf jenen vorausgehenden Verwaltungsverfahrensabschnitt, in dem - anders als im Vorverfahren und im Gerichtsverfahren - noch kein Verwaltungsakt angegriffen wird.
Das Bundesverwaltungsgericht hat eine entsprechende Anwendung der Parallelvorschrift des § 80 VwVfG sogar auf Vorverfahren, die ohne eine Entscheidung über den Widerspruch erfolgreich abgeschlossen werden, mit der Begründung abgelehnt, die Gesetzesentwicklung auf dem Hintergrund der Rechtsprechung schließe eine notwendige Gesetzeslücke für solche Fälle aus (BVerwGE 62, 201, 203 ff; 62, 296, 298 ff; ebenso Hessischer VGH, ESVGH 35, 5, 8 f). Die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit lehnen auch eine entsprechende Anwendung des § 80 VwVfG oder der Kostenerstattungsvorschriften der VwGO auf andere Verfahrensabschnitte als ein isoliertes, erfolgreich abgeschlossenes Vorverfahren ab (BVerwG, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nrn 24 und 29; NVwZ 1983, 345; Anwaltsblatt 1983, 277; VGH Mannheim, DÖV 1983, 346; OVG Münster, DÖV 1982, 411; weitere Zitate bei Müller, Anwaltsblatt 1984, 291 f). Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht sogar eine Kostenerstattung nach § 80 VwVfG abgelehnt, wenn auf einen Widerspruch der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben wird, wenn aber den Widerspruch ein Dritter eingelegt hat (Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr 10).
Eine erst geplante Änderung des § 118 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte -BRAGO- (§ 191 Abs 7 Nr 4 des Entwurfes einer Verwaltungsprozeßordnung - BR-Drucks 100/82 -), auf die das SG hinweist, beträfe, falls sie Gesetz würde, allein das zivilrechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber (vgl § 1 Abs 1, § 13 BRAGO), also nicht einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des durch einen Rechtsanwalt vertretenen Bürgers gegen den Staat oder gegen einen anderen Träger der öffentlichen Verwaltung.
Nunmehr bleibt es dem Gesetzgeber vorbehalten, eine dem § 63 SGB X oder dem § 80 VwVfG entsprechende Regelung für das nicht durch ein Vorverfahren fortgesetzte Verwaltungsverfahren im engeren Sinn zu schaffen, falls er dies für geboten hält.
Der Senat hält den gegenwärtigen Rechtszustand, der einen Erstattungsanspruch des Klägers ausschließt, nicht für verfassungswidrig mit der Folge, daß er nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG das Verfahren aussetzten und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen müßte. Insbesondere ist er nicht von einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes überzeugt. Allein durch eine solche Vorlage an das Bundesverfassungsgericht könnte ein Fachgericht auf eine "anhaltende Untätigkeit" des Gesetzgebers, die als nicht mehr "zumutbar" empfunden wird, reagieren.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, daß - beim früheren Rechtszustand - der Ausschluß eines Erstattungsanspruches für die Vertretungskosten im Vorverfahren und - nach gegenwärtigem Recht - in anderen Verfahrensabschnitten den allgemeinen Gleichheitssatz (vgl dazu BSGE 65, 21, 26 = SozR 4100 § 137 Nr 12) nicht verletze (BVerfGE 27, 175, 178 ff; Anwaltsblatt 1968, 153, gekürzt in SozR Nr 66 zu Art 3 GG S Ab 58; ebenso: BSGE 24, 207, 211 ff; BVerwG, NVwZ 1983, 345; Anwaltsblatt 1983, 277; NVwZ 1990, 59 = Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr 29, bestätigt durch BVerfG - 3. Kammer des 1. Senats - vom 19. Dezember 1989 - 1 BvR 1336/89 -; Hessischer VGH ESVGH 35, 5, 9; aA Henrichs, Anwaltsblatt 1968, 137). Dem Kläger ist einzuräumen, daß einige Gesichtspunkte für eine Gleichbehandlung der Bevollmächtigung bei einer Anhörung und bei sonstigen Akten im Verwaltungsverfahren vor einem Vorverfahren mit der Bevollmächtigung im Vorverfahren und im Gerichtsverfahren sprechen. Eine Anhörung in diesem ersten Verfahrensabschnitt kann ebenso wie die in der Erstattungsvorschrift des § 65a SGB I behandelten Ermittlungsmaßnahmen der Sachaufklärung und einer richtigen Entscheidung dienen. Der Weg zu einer für den Betroffenen günstigen Entscheidung über eine Anhörung kann vom Ergebnis her im wesentlichen einem Abhilfebescheid im Vorverfahren (§ 85 Abs 1 SGG, § 72 VwGO) gleichen (vgl dazu Müller, Anwaltsblatt 1984, 291). In diesem Zusammenhang erscheint unerheblich, ob ein Verwaltungsverfahren von Amts wegen oder auf Antrag (§ 18 SGB X) oder durch Widerspruch (§ 83 SGG) eingeleitet wurde. Das Recht, sich in jedem Stadium des gesamten Verwaltungsverfahrens, ua bei einer Anhörung, durch einen fachkundigen Bevollmächtigten gegenüber der sachkundigen Verwaltung unterstützen zu lassen (§ 13 SGB X), das verfassungsrechtlich begründet ist (Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl 1990, § 14 Rz 1), mag erst vollkommen erscheinen, wenn auch die Kosten für eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren im engeren Sinn zu erstatten sind (zur Notwendigkeit einer Vertretung: Mallmann, NVwZ 1983, 338). Indessen darf der Gesetzgeber auch die Kosten berücksichtigen, die auf die öffentliche Hand zukämen, wenn jedes für den Bürger erfolgreiche Verwaltungsverfahren mit der Verpflichtung zur Erstattung der Anwaltskosten verbunden wäre. Deshalb vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, daß die bisherige Rechtsprechung zu dieser verfassungsrechtlichen Frage berichtigt werden müßte, weil die Unterscheidung zwischen den durch Rechtsbehelfe eingeleiteten Verfahren und vorausgehenden Verwaltungsverfahren bei der Erstattung von Vertreterkosten als willkürlich anzusehen sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen