Leitsatz (amtlich)
Die Neuregelung über die grundsätzlich unbegrenzte Gewährung von Krankengeld (und damit auch von Krankenhauspflege) nach RVO § 183 Abs 2 nF gilt, wie insbesondere aus ArbKrankhGÄndG Art 6 Abs 3 folgt, auch für Versicherte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÄndG ArbKrankhG - 1961-08-01 - mit Krankengeld (Krankenhauspflege) bereits ausgesteuert waren, sofern die Krankheit in diesem Zeitpunkt noch ununterbrochen andauert.
Orientierungssatz
Wie im bürgerlichen Recht gilt auch im Sozialversicherungsrecht der Grundsatz, daß Tatbestände, die nach neuem Recht anspruchsbegründend sind, aber bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen vorliegen, von der Rechtsänderung nicht betroffen werden, wenn nicht das neue Recht selbst ausdrücklich oder dem Sinn nach deutlich seinen Geltungsbereich auf diesen Sachverhalt erstreckt.
Normenkette
RVO § 183 Abs. 2 Fassung: 1961-07-12; ArbKrankhGÄndG Art. 6 Abs. 3 Fassung: 1961-07-12
Tenor
Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. September 1961 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die beklagte Krankenkasse gewährte ihrem als Rentnerin bei ihr versicherten Mitglied Frau A. wegen einer progredienten chronischen Polyarthritis für 26 Wochen Krankenhauspflege. Nach dem Ablauf dieser Frist, d.h. der Aussteuerung der Frau A. am 21. Februar 1961, übernahm der klagende Landesfürsorgeverband die Kosten der Krankenhauspflege bis zu ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus am 9. August 1961. Während der ganzen Zeit war Frau A. wegen desselben Leidens krankenhauspflegebedürftig gewesen. Vom Zeitpunkt der Aussteuerung der Frau A. an (21. Februar 1961) zahlte die beklagte Krankenkasse an den klagenden Landesfürsorgeverband den Abgeltungsbetrag von täglich 1 DM nach Abschnitt III des Erlasses des Reichsarbeitsministers betr. Verbesserungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (KrV) vom 2. November 1943 (AN S. 485).
Der klagende Landesfürsorgeverband ist der Auffassung, daß die beklagte Krankenkasse auf Grund der Erweiterung ihrer Leistungspflichten (§ 183 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung -RVO- nF) durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12. Juli 1961 - BGBl I S. 913 - (LeistungsverbesserungsG) verpflichtet war, vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes an - 1. August 1961 - ihrem Mitglied Frau A. wieder Krankenhauspflege zu gewähren. Er beanspruchte von der beklagten Krankenkasse nach §§ 6, 8, 11 des Körperbehindertengesetzes vom 27. Februar 1957 -BGBl I S. 147 - (KBG) und § 1531 RVO
Ersatz seiner Aufwendungen für Krankenhauspflege für die Zeit vom 1. bis 9. August 1961 unter Zugrundelegung von 7/8 eines Grundlohns von 10,86 DM und unter Berücksichtigung des bereits gezahlten Abgeltungsbetrages
und beantragte vor dem Sozialgericht (SG) München, nachdem die beklagte Krankenkasse die Forderung des Klägers abgelehnt hatte, eine entsprechende Verurteilung der Beklagten.
Die beklagte Krankenkasse hat um Klageabweisung gebeten. Ihre Pflicht, Krankenhauspflege zu gewähren, sei mit der Aussteuerung der Frau A. am 21. Februar 1961 endgültig erloschen und nicht mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts am 1. August 1961 wiederaufgelebt. Wenn Art. 6 Abs. 3 LeistungsverbesserungsG vorschreibe, daß Zeiten des Bezuges von Krankengeld und Krankenhauspflege, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes lägen, auf die Bezugszeiten nach neuem Recht anzurechnen seien, falls es sich um dieselbe Krankheit handele, so sei dafür Voraussetzung, daß ein Anspruch auf Krankenhilfe überhaupt bestehe; auf einen untergegangenen Anspruch könnten frühere Zeiten des Leistungsbezuges nicht angerechnet werden.
Die Berufung wurde zugelassen (Urteil vom 21. September 1961). Das SG ist davon ausgegangen, daß der klagende Landesfürsorgeverband nach §§ 1531, 1533 Nr. 2, 1524 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 RVO von der beklagten Krankenkasse Ersatz verlangen könne, wenn der Versicherten A. in der Zeit vom 1. bis 9. August 1961 von der Beklagten Krankenhauspflege hätte gewährt werden müssen. Das sei zu bejahen. Die durch § 183 Abs. 2 RVO nF erweiterte Verpflichtung der beklagten Krankenkasse zur Gewährung von Krankenhauspflege gelte nach Art. 6 Abs. 3 LeistungsverbesserungsG auch für Versicherte, die vor dem 1. August 1961 bereits ausgesteuert, aber über den 31. Juli 1961 hinaus wegen der gleichen Krankheit arbeitsunfähig oder krankenhauspflegebedürftig geblieben seien. Nur seien nach der genannten Vorschrift die vor dem 1. August 1961 liegenden Bezugszeiten auf den Anspruch auf Krankenhauspflege anzurechnen.
Gegen dieses Urteil hat die beklagte Krankenkasse mit Zustimmung des klagenden Landesfürsorgeverbandes Sprungrevision mit dem Antrag eingelegt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß die Übergangsregelung des Art. 6 Abs. 3 LeistungsverbesserungsG nicht erkennen lasse, ob § 183 Abs. 2 RVO nF auch für Mitglieder gelten solle, die am 1. August 1961 bereits ausgesteuert waren. Demgemäß müsse auf den allgemein in der Sozialversicherung gültigen Grundsatz zurückgegriffen werden, daß neues Recht nur auf neue Versicherungsfälle Anwendung finde, wie dies auch in § 211 RVO und Art. 30 Einführungsgesetz (EinfG) zur RVO zum Ausdruck gekommen sei. Hiernach blieben grundsätzlich die in Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts noch schwebenden oder schon abgeschlossenen Versicherungsfälle von der Gesetzesänderung unberührt. Der Anspruch auf Krankengeld sei nach dem neugefaßten § 183 RVO ein selbständiger Anspruch geworden, der nicht zur "Krankenhilfe" gehöre, vielmehr allein vom Eintritt des neuen Versicherungsfalles der Arbeitsunfähigkeit abhänge. Versicherte, die am 1. August 1961 ausgesteuert gewesen seien, könnten daher Ansprüche nach neuem Recht nur erwerben, wenn sie nach dem 31. Juli 1961 erneut arbeitsunfähig bzw. krankenhauspflegebedürftig würden.
Der klagende Landesfürsorgeverband hat um Zurückweisung der Sprungrevision gebeten. Nach seiner Rechtsauffassung gilt der Grundsatz, daß Gesetzesänderungen auf laufende Versicherungsfälle Anwendung finden oder doch auf sie einwirken können, wenn diese Änderungen dem Berechtigten erhöhte Leistungen bringen. Das sei auch in der Übergangsregelung des Art. 6 Abs. 3 LeistungsverbesserungsG klar zum Ausdruck gekommen, wonach in laufenden Versicherungsfällen das neue Recht anzuwenden sei.
II
Die Sprungrevision ist zulässig. Die Berufung war nach § 149 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Das SG hat sie aber zugelassen (§ 150 Nr. 1 SGG). Somit ist, wie das Bundessozialgericht (BSG) entschieden hat (BSG 1, 69), die Sprungrevision statthaft (§ 161 Abs. 1 Satz 1 SGG). Sie ist auch in der vorgeschriebenen Form - unter Beifügung der schriftlichen Erklärung der Einwilligung des Rechtsmittelgegners (§ 161 Abs. 1 Satz 2 SGG) - eingelegt worden.
Die Sprungrevision ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG dem klagenden Landesfürsorgeverband einen Ersatzanspruch gegen die beklagte Krankenkasse nach § 1551 RVO zugesprochen. Hierbei kann offen bleiben, ob Frau A. "körperbehindert" gewesen ist und, wie es den Anschein hat, vom SG aber nicht geprüft worden ist, vom klagenden Landesfürsorgeverband Leistungen nach dem KBG erhalten hat. Auch in diesem Falle wäre der Ersatzanspruch des klagenden Landesfürsorgeverbandes nach § 1531 in Verbindung mit §§ 1533 Nr. 2, 1524 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 RVO zu beurteilen, da eine behandlungsbedürftige Körperbehinderung gleichzeitig eine Krankheit im Sinne des Zweiten Buches der RVO darstellt (BSG 13, 134).
Dieser Ersatzanspruch hängt nach § 1531 RVO, davon ab, daß die Versicherte A. in der Zeit vom 1. bis 9. August 1961 einem "Anspruch" auf Krankenhauspflege gegen die beklagte Krankenkasse hatte. Ein "Anspruch" in Sinne dieser Vorschrift ist auch dann als gegeben anzusehen, wenn die Krankenkasse die Krankenhauspflege nicht verweigern durfte, ohne die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens zu überschreiten (BSG 9, 112, 123, f; 13, 134, 139). Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung in dem genannten Zeitraum steht nach den Feststellungen des SG außer Zweifel. Die beklagte Krankenkasse beruft sich auch allein darauf, § 183 Abs. 2 RVO in der Fassung des LeistungsverbesserungsG, wonach Krankengeld - und demgemäß auch Krankenhauspflege (Erlaß des RAM vom 2. November 1943 Abschn. I Nr. 2 "zu § 184 RVO" AN S. 485, 4867) - grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung gewährt werde, könne im vorliegenden Fall nicht Anwendung finden, weil Frau A. bereits eine Reihe von Monaten vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts - dem 1. August 1961 (Art. 9 LeistungsverbesserungsG) - ausgesteuert gewesen sei.
Mit Recht sieht die beklagte Krankenkasse für die Beurteilung der Frage, ob § 183 Abs. 2 RVO nF im vorliegenden Streitfall anzuwenden ist, als ausschlaggebend an, ob das die Rechtsänderung enthaltende Gesetz seine Geltungskraft auf Versicherungsfälle erstreckt, die bereits vor seinem Inkrafttreten eingetreten sind. Wie im bürgerlichen Recht (vgl. RGZ 67, 202, 208) gilt auch im Sozialversicherungsrecht der Grundsatz, daß Tatbestände, die nach neuem Recht anspruchsbegründend sind, aber bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen vorliegen, von der Rechtsänderung nicht erfaßt werden, wenn nicht das neue Recht selbst ausdrücklich oder dem Sinne nach seinen Geltungsbereich auf diese Sachverhalte erstreckt (sog. Rückwirkung von Gesetzen; vgl. Scheerbarth, Die Anwendung von Gesetzen auf früher entstandene Sachverhalte, Berlin 1961). Im Sozialversicherungsrecht ist in diesem Sinne für die Frage der Anwendung alten oder neuen Rechts - vorbehaltlich einer anderen gesetzlichen Regelung - der Eintritt des Versicherungsfalls maßgebend, so daß hier der Grundsatz gilt, daß für Ansprüche aus Versicherungsfällen vor Inkrafttreten des neuen Rechts die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften bestimmend bleiben (Grunds. Entsch. des Reichsversicherungsamts -RVA- Nr. 2693 in AN 1922, 281; vgl. auch die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze: Art. 2 § 5 ArVNG; Art. 2 § 6 AnVNG). Demnach wird grundsätzlich der Anspruch, wie es das RVA in der angeführten Entscheidung im Hinblick auf einen Versicherungsfall aus dem Recht der Krankenversicherung formuliert hat, "seinem ganzen Umfang nach im Augenblick des Eintritts des Versicherungsfalls erworben". Er wird von späteren Rechtsänderungen nur berührt, soweit eine solche Einwirkung in den Gesetz vorgesehen ist.
Wenn demgegenüber der klagende Landesfürsorgeverband einen Grundsatz annimmt, daß Rechtsvergünstigungen des neuen Rechts auch für alte Versicherungsfälle gelten, so kann er sich zwar auf eine nicht selten in diesem Sinne geübte Gesetzgebungspraxis berufen. So hat Art. 30 EinfG zur RVO vorgeschrieben, daß für Versicherungsfälle, in denen bei Inkrafttreten der RVO die Leistungspflicht der Krankenkasse noch fortdauert, von diesem Tage an die Vorschriften der RVO gelten, soweit sie für die Berechtigten günstiger sind. Jedoch spricht die gesetzliche Regelung in diesem Falle gerade dafür, daß ohne sie die alten Versicherungsfälle an der Besserstellung durch das neue Recht nicht teilhaben würden. So wenig sozialpolitisch befriedigend es im Einzelfall auch sein mag, daß beim Zusammentreffen von altem und neuen Recht grundsätzlich ein Stichtag darüber entscheidet, ob der Sache nach gleiche Tatbestände an einer neu eingeführten Rechtsvergünstigung teilnehmen, so liegt es doch grundsätzlich im Ermessen des Gesetzgebers, den seitlichen Geltungsbereich seiner Rechtsänderung zu bestimmen, sofern die darin liegende Differenzierung - die Aufteilung der Versicherten in Gruppen verschiedenen Rechts - nicht etwa aus Erwägungen der Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt (vgl. BVerfG 3, 240). Es bedarf hier indessen keiner Prüfung dieser verfassungsrechtlichen. Frage, weil das LeistungsverbesserungsG in Art. 6 Abs. 3 erkennen läßt, daß der Gesetzgeber eine solche unterschiedliche Rechtsstellung der arbeitsunfähigen Versicherten nicht gewollt hat.
Zu Unrecht entnimmt die beklagte Krankenkasse in Anlehnung an Siebeck/Töns (Neues Leistungsrecht in der Krankenversicherung; vgl. S. 68 f, 85, 261 ff) dem LeistungsverbesserungsG, daß es den Anspruch auf Krankengeld aus seiner engen Beziehung zum Versicherungsfall der Krankheit gelöst und verselbständigt habe, so daß nunmehr der "Arbeitsunfähigkeitsfall" (bsw. der Fall der Krankenhauspflegebedürftigkeit, soweit es sich um die Leistung der Krankenhauspflege handelt) den Anspruch auf Krankengeld als selbständigen Anspruch auslöse, der nicht mehr als Bestandteil der "Krankenhilfe" aufzufassen sei (vgl. insbesondere Siebeck/Töns aa0 S. 265). Dem steht schon der klare Wortlaut des § 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF entgegen, der - insoweit wörtlich mit § 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO aF übereinstimmend - vorschreibt, daß "als Krankenhilfe" Krankengeld gewährt wird, wenn, die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht. Demnach ist die Arbeitsunfähigkeit gleich der Behandlungsbedürftigkeit nach wie vor nur eine der Erscheinungsformen, in denen sich die den Versicherungsfall auslösende Krankheit äußern kann (so der erkennende Senat in BSG 5, 283, 286). Wo immer das Gesetz im Bereich der Krankenversicherung auf den Eintritt des "Versicherungsfalls" als Anspruchsgrundlage verweist (vgl. z.B. § 214 Abs. 1 Satz 1 RVO), ist - abgesehen von den Sonderfällen der Geburt und des Todes - die Erkrankung gemeint, wie schon das RVA (angesichts der durch die Erlasse des Reichsarbeitsministers - RAM - vom 20. Mai 1941/ 2. November 1943 betr. Verbesserungen in der gesetzlichen Krankenversicherung AN 1941, 197 und 1943, 4857 geweckten Zweifel) unter Zusammenfassung der in seiner Rechtsprechung entwickelten Gedanken überzeugend dargetan hat (Grunds. Entsch. Nr. 5545 in AN 1944, 38). Zwar schließt der hieraus abgeleitete Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalls nicht aus, daß für die Berechnung des für das Krankengeld maßgebenden Grundlohns - nach dem Sinn und Zweck des Krankengeldes - auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit (und nicht des Versicherungsfalls der Erkrankung) abgestellt wird (BSG 5, 283, 286 ff; vgl. auch Grunds. Entsch. des RVA Nr. 5517, AN 1943, 145). Kommt hierin auch eine "weitgehende Verselbständigung der Arbeitsunfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung" (RVA in AN 1944, 39) zum Ausdruck, so betrifft sie doch nur die Höhe des Anspruchs, der seinem Grunde nach auf den Versicherungsfall der Krankheit zurückgeht und durch das Hinzutreten der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitsunfähigkeit zum konkreten Anspruch auf Krankengeld verdichtet wird.
Demnach ist auch bei der Entscheidung über die vorliegende Frage, ob Art. 183 Abs. 2 RVO nF auch für "alte" Versicherungsfälle gilt, als Versicherungsfall die Erkrankung (Eintritt der Behandlungsbedürftigkeit) des Versicherten anzusehen. Es ist also zu prüfen, ob und in welchem Umfange des LeistungsverbesserungsG die Leistungsverbesserung des Art. 183 Abs. 2 RVO nF den Versicherten gewährt, die schon vor dem 1. August 1961 erkrankt waren, aber erst nach dem 31. Juli 1961 - infolge der gleichen Erkrankung - arbeitsunfähig geworden oder - wenn sie schon vorher arbeitsunfähig gewesen sind - über diesen Tag hinaus arbeitsunfähig geblieben sind. Das genannte Gesetz hat in den "Übergangsvorschriften" die Frage der Rückwirkung des § 183 Abs. 2 RVO nF insofern geregelt, als nach Art. 6 Abs. 3 des Gesetzes Zeiten des Bezuges von Krankenhauspflege und Krankengold, die vor Inkrafttreten des Gesetzes liegen, auf die Bezugszeiten nach neuem Recht angerechnet werden, wenn es sich um dieselbe Krankheit handelt. An dieser Regelung ist soviel klar, daß sie für Versicherungsfälle gilt, die vor Inkrafttreten des LeistungsverbesserungsG eingetreten sind; denn es muß sich um dieselbe Krankheit und um Leistungen handeln, die wegen dieser Krankheit bereits vor Inkrafttreten des LeistungsverbesserungsG gewährt worden sind. Demnach haben die "alten" Versicherungsfälle grundsätzlich teil an der Leistungsverbesserung des § 183 Abs. 2 RVO nF, und zwar mit der - aus der Einheit des Versicherungsfalls folgenden - Beschränkung, daß Zeiten der Krankenhauspflege und des Bezuges von Krankengeld, die vor Inkrafttreten des LeistungsverbesserungsG liegen, auf die Leistungszeiten nach neuem Recht angerechnet werden.
Eine Einschränkung der Anwendung des neuen Rechts auf alte Versicherungsfälle ist dieser Übergangsregelung nicht zu entnehmen. Insbesondere fehlt jeder Anhalt dafür, daß innerhalb der "alten" Versicherungsfälle unterschieden werden soll zwischen solchen, bei denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des LeistungsverbesserungsG noch Leistungen (Krankenhauspflege oder Krankengeld) bezogen werden, und solchen, bei denen dies - etwa infolge Aussteuerung - nicht mehr der Fall ist. Hätte Art. 6 Abs. 3 LeistungsverbesserungsG auf das Bestehen eines Anspruchs auf Krankengeld bzw. Krankenhauspflege im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes abstellen wollen, so hätte es nahegelegen, dies ähnlich wie im Abs. 1 des Art. 6 klar zum Ausdruck zu bringen (Abs. 1: "Besteht bei Inkrafttreten dieses Gesetzes Anspruch auf Zahlung des Zuschusses nach...").
Im übrigen unterscheidet sich diese Regelung insofern deutlich von der des Abs. 3, als neben der Frage, ob die Vorschriften des neuen Rechts über die Höhe des Zuschusses (Art. 1 LeistungsverbesserungsG) für alte Leistungsfälle gelten sollen, auch die für die Verwaltung bei der Bearbeitung laufender Leistungsfälle gleichermaßen bedeutsame Frage geregelt ist, wie bei der Berechnung und Zahlung des Zuschusses vom Inkrafttreten des neuen Rechts an zu Verfahren ist Hingegen behandelt Art. 6 Abs. 3 LeistungsverbesserungsG nur die Frage, in welchen Ausmaß die zeitliche Leistungsverbesserung des § 183 Abs. 2 RVO nF auf alte Versicherungsfälle Anwendung finden soll. So ist mit Schmatz/Fischwasser (Das Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall 4. Aufl., 2. Abschn. Art. 6 der Novelle 1961, Anm. I S, 229) aus der Übergangsregelung des Art. 6 in ihrer verschiedenartigen Ausgestaltung der Schluß zu ziehen, daß der Gesetzgeber offenbar davon ausgegangen ist, daß vom Inkrafttreten des LeistungsverbesserungsG an die "materiellen" Neuregelungen - gemeint sind offenbar die Vorschriften über Höhe und Dauer der Leistungen - gelten sollen, daß die laufenden Fälle aber "formell" - damit dürften besonders die Modalitäten der Zahlung gemeint sein - nach altem Recht abzuwickeln sind. Demnach bestätigt der Zusammenhang, in dem Art. 6 Abs. 3 LeistungsverbesserungsG steht, den schon durch die Fassung dieser Vorschrift nahegelegten Schluß, daß diese Übergangsregelung für alle "alten" Versicherungsfälle unter Einschluß derer gilt, bei denen in Zeitpunkt des Inkrafttretens des LeistungsverbesserungsG ein Anspruch auf Krankengeld (Krankenhauspflege) nicht mehr bestand (in Ergebnis so auch Schmatz/Fischwasser aa0 Art. 6 der Novelle 1961 Anm. IV; BMA in einem ohne Angabe des Datums und Aktenzeichens mitgeteilten Erlaß [zitiert in Soziale Sicherheit 1962, 60]; a.A. Siebeck/Töns aa0 S. 264 ff).
Dieser Auffassung steht, wie schon das SG zutreffend erwogen hat, nicht entscheidend entgegen, daß in der Begründung zu dem mit Art. 6 Abs. 3 LeistungsverbesserungsG übereinstimmenden Art. 3 § 7 des Entwurfs eines Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes ausgeführt ist: "Die Verlängerung der Unterstützungsdauer für Krankenhauspflege und Krankengeld soll auch den Versicherten zugute kommen, die diese Leistungen bei Inkrafttreten dieses Gesetzes beziehen." (Dtsch. Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucks. Nr. 1540 S. 128). Damit ist nur zum Ausdruck gebracht, daß die Regierung in der ersten Phase des Gesetzgebungsverfahrens - der Entwurfsbearbeitung - über eine zwar textlich gleichlautende, aber in einem anderen Zusammenhang stehende Bestimmung des Entwurfs eines anderen Gesetzes eine bestimmte Vorstellung gehabt hat. Diese Äußerung ist nicht die Stimme des Gesetzgebers. Die in der Begründung des angeführten Gesetzentwurfs zum Ausdruck gebrachte Auffassung hat keinen Niederschlag im Gesetz gefunden. Gegenstand der Auslegung ist aber allein der im Gesetz selbst zum Ausdruck gelangte "objektivierte" Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt (BSG 6, 252, 254 f; 9, 158, 160 f). Danach gilt § 183 Abs. 2 RVO in der Fassung des LeistungsverbesserungsG für die "alten" Versicherungsfälle auch dann, wenn der Versicherte - wie im vorliegenden Rechtsstreit - im Zeitpunkt des Inkrafttretens des LeistungsverbesserungsG mit der Leistung der Krankenhauspflege bereits ausgesteuert war, dieselbe Krankheit aber noch andauerte.
Demnach hat der klagende Landesfürsorgeverband einen Ersatzanspruch gegen die beklagte Krankenkasse nach § 1531 Satz 1 in Verbindung mit §§ 1533 Nr. 2, 1524 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 RVO. Dieser Anspruch ist im Urteilsausspruch des SG (mit 7/8 des Grundlohns) auch der Höhe nach richtig bemessen (vgl. § 1524 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 RVO). Die Verurteilung "nur dem Grunde nach" (§ 130 Satz 1 SGG) war zulässig.
Die Sprungrevision der beklagten Krankenkasse ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Fundstellen