Leitsatz (amtlich)
Wird das gesamte Einkommen des Versicherten und seines Ehegatten zur Bestreitung des Familienunterhalts verwandt und wird der Haushalt von ihnen gemeinsam geführt, so hat der Versicherte seinen Ehegatten "bisher überwiegend unterhalten" (RVO § 182 Abs 1 Nr 2 S 2, RVO § 186 Abs 1 S 2, beide Vorschriften idF des ArbKrankhG), wenn er während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor Eintritt des Versicherungsfalls mehr als sein Ehegatte verdient und daher einen höheren Beitrag zum gemeinsamen Familienunterhalt geleistet hat.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Fassung: 1957-06-26, § 186 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1957-06-26; ArbKrankhG Fassung: 1957-06-26
Tenor
Auf die Sprungrevision des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 24. Juni 1959 und der Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 1958 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 16. September 1958 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Berücksichtigung der überwiegend unterhaltenen Ehefrau
a) für die Zeit vom 11. Februar bis 24. Februar und vom 30. April bis 20. Mai 1958 das erhöhte Krankengeld,
b) für die Zeit vom 22. Januar bis 10. Februar und vom 16. bis 29. April 1958 das erhöhte Hausgeld zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der Kläger und seine Ehefrau sind bei demselben Arbeitgeber versicherungspflichtig beschäftigt. Der Kläger verdiente im Dezember 1957 rd. 413 DM und im März 1958 rd. 424 DM; in den gleichen Zeiträumen hatte seine Ehefrau einen Bruttolohn von rd. 224 bzw. 226 DM. Sonstiges Einkommen ist nicht vorhanden. Die anfallenden Arbeiten im gemeinsamen - kinderlosen - Haushalt werden von beiden Ehegatten verrichtet. Der Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse versichert.
Vom 22. Januar bis zum 24. Februar 1958 und vom 16. April bis 20. Mai 1958 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er hat vom 22. Januar bis 10. Februar 1958 und vom 16. April bis 29. April 1958 Krankenhauspflege erhalten und Hausgeld bezogen. In den Zeiten der ambulanten Behandlung hatte er Krankengeld erhalten. Außerdem hat sein Arbeitgeber die im Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 26. Juni 1957 (BGBl I 649) - Erstes LeistungsverbesserungsG - vorgesehenen Zuschüsse gewährt.
Die Familienzuschläge zum Krankengeld nach § 182 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Ersten LeistungsverbesserungsG und zum Hausgeld nach § 186 Abs. 1 Satz 2 RVO i. d. F. des Ersten LeistungsverbesserungsG hat der Kläger jedoch nicht erhalten. Die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) hatte einen entsprechenden Antrag des Klägers mit der Begründung abgelehnt, dieser habe seine Ehefrau nicht - wie es die genannten Vorschriften voraussetzen - überwiegend unterhalten (Bescheid vom 1. Juli 1958). Mit der gleichen Begründung wies die Widerspruchsstelle der beklagten AOK den Widerspruch des Klägers zurück: Der Kläger habe bei seinen Einkommensverhältnissen unter Berücksichtigung seines eigenen Unterhaltsbedarfs nur etwas mehr als 100 DM monatlich zum Unterhalt seiner Ehefrau beisteuern können; da diese aber ein weit höheres eigenes Arbeitseinkommen im Zeitpunkt des Versicherungsfalls gehabt habe, sei deren Unterhalt überwiegend von ihr selbst bestritten worden (Bescheid vom 16. September 1958).
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag,
unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Juli 1958 idF des Widerspruchsbescheides vom 16. September 1958 die beklagte AOK zu verurteilen, Familienzuschläge zum Krankengeld für die Zeit vom 11. Februar bis 24. Februar 1958 und vom 30. April bis 20. Mai 1958 sowie zum Hausgeld für die Zeit vom 22. Januar bis 10. Februar 1958 und vom 16. April bis 29. April 1958 zu gewähren.
Nach der Auffassung des Klägers ist bei der Prüfung, ob er seine Ehefrau überwiegend unterhalten habe, davon auszugehen, daß jeder Ehegatte dem anderen die Hälfte seines eigenen Einkommens abzugeben habe. So gesehen, leiste er, der Kläger, einen Beitrag von etwa 200 DM für den Unterhalt seiner Ehefrau, während er selbst nur etwa 100 DM von ihr erhalte. Demnach werde seine Ehefrau überwiegend von ihm unterhalten. Die Arbeiten im gemeinsamen Haushalt brauchten hierbei nicht besonders gewertet zu werden, weil sie von beiden Ehegatten gemeinsam verrichtet würden.
Die beklagte AOK hat um
Klageabweisung
gebeten. Sie hält an ihrer Auffassung fest, daß die Ehefrau des Klägers bei einem eigenen Arbeitseinkommen von mehr als 200 DM und einem Unterhaltsbeitrag des Klägers in Höhe von etwa 100 DM sich überwiegend selbst unterhalten habe.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen; die Berufung wurde zugelassen (Urteil vom 24. Juni 1959). Das SG ist der Meinung, die beklagte AOK sei nicht zur Gewährung der Familienzuschläge zum Krankengeld nach § 182 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 RVO und zum Hausgeld nach § 186 Abs. 1 Satz 2 RVO - beide Vorschriften idF des Ersten LeistungsverbesserungsG - verpflichtet, weil der Kläger nicht seine Ehefrau überwiegend unterhalten habe.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Sprungrevision eingelegt. Die Einwilligungserklärung der beklagten AOK hat er nach Einlegung der Revision gesondert, aber noch innerhalb der Revisionseinlegungsfrist dem Bundessozialgericht (BSG) vorgelegt. Er hat beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des Bescheides der beklagten AOK vom 1. Juli 1958 idF des Widerspruchbescheides vom 16. September 1958 die beklagte AOK zu verurteilen, Familienzuschläge zum Krankengeld für die Zeit vom 11. Februar bis 29. Februar 1958 und vom 30. April bis 20. Mai 1958 sowie für die Zeit vom 22. Januar bis 10. Februar 1958 und vom 16. April bis 29. April 1958 Hausgeld unter Berücksichtigung der überwiegend unterhaltenen Ehefrau zu gewähren.
Zur Begründung der Revision hat der Kläger ausgeführt:
Bereits das Reichsversicherungsamt (RVA) sei in der Grunds. Entsch. Nr. 3379 (AN 1929, 145) davon ausgegangen, daß derjenige Ehegatte den Lebensunterhalt des anderen überwiegend bestreite, dessen eigener Arbeitsverdienst mehr als die Hälfte des Gesamtverdienstes beider Ehegatten betrage. Diese Auffassung sei durch die Umgestaltung des Unterhaltsbegriffs auf Grund des Gleichberechtigungssatzes (Art. 3 Abs. 2, Art. 117 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) nicht hinfällig geworden. Hätte früher die Ehefrau eigenes Erwerbseinkommen grundsätzlich für sich verwenden können, so sei sie nach Inkrafttreten des Gleichberechtigungssatzes - wie ihr Ehemann - zur Gewährung von Unterhalt an den Ehegatten verpflichtet. Demnach verwende bei kinderlosen Ehepaaren jeder Ehegatte die Hälfte seines Einkommens zur Befriedigung des Unterhaltsbedürfnisses des anderen Ehegatten. Somit werde der Ehegatte, der den geringeren Teil des Gesamteinkommens beisteuere, von dem anderen Ehegatten überwiegend unterhalten.
Die beklagte AOK hat beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Ihrer Auffassung nach hat sich der Gleichberechtigungssatz auf die Unterhaltsbeziehung der Ehegatten zueinander so ausgewirkt, daß überwiegender Unterhalt eines Ehegatten durch den versicherten Ehegatten dann vorliege, wenn der Versicherte mehr als die Hälfte des Unterhaltsbedarfs des Ehegatten bestreite, wobei der Unterhaltsbedarf mit der Hälfte des gemeinsamen Einkommens anzusetzen sei.
II.
Die Sprungrevision ist zulässig (§ 161 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Daß die schriftliche Erklärung der Einwilligung des Rechtsmittelgegners in die Sprungrevision nicht der Revisionsschrift "beigefügt" worden ist, wie § 161 Abs. 1 Satz 2 SGG nach seinem Wortlaut vorschreibt, ist unschädlich. Dem Zweck der genannten Vorschrift ist auch dann genügt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einwilligungserklärung erst nach der Revisionsschrift, aber noch innerhalb der für die Einlegung der Revision bestimmten Frist (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG) beim BSG eingeht (BSG, Beschluß vom 13. Dezember 1956 - 1 RA 9/56 - in SozR SGG § 161 Bl. Da 3 Nr. 6).
Die Sprungrevision ist begründet.
Nach § 182 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 RVO in der hier maßgebenden Fassung des Ersten LeistungsverbesserungsG erhöht sich das Krankengeld für einen Versicherten mit einem Angehörigen, den er bisher ganz oder überwiegend unterhalten hat und der mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebt, um einen Zuschlag von vier v. H. des Grundlohns. Von den Voraussetzungen für den Anspruch auf das erhöhte Krankengeld ist im vorliegenden Fall allein strittig, ob der Kläger seine Ehefrau bisher überwiegend unterhalten hat.
Was in diesem Zusammenhang unter "bisher" zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher umschrieben. Dem Wortsinn ist soviel zu entnehmen, daß nicht ein Zeitpunkt, sondern ein Zeitraum für die Beurteilung der Gewährung des überwiegenden Unterhalts maßgeblich sein soll. Im Hinblick auf die Unterhaltsersatzfunktion des Krankengelds kann dies nur der "letzte wirtschaftliche Dauerzustand" vor Eintritt des Versicherungsfalls sein (BSG 14, 129, 132; SozR RVO § 1266 Bl. Aa 3 Nr. 2 und Bl. Aa 4 Nr. 3 für eine ähnliche Fragestellung in § 1266 Abs. 1 RVO). Dieser Zustand war im vorliegenden Fall vor Eintritt des ersten Versicherungsfalls - 22. Januar 1958 - ungefähr der gleiche wie vor Eintritt des zweiten Versicherungsfalles - 16. April 1958 -: Der Familienunterhalt wurde aus dem Arbeitsverdienst des Klägers in Höhe von rd. 400 DM und dem der Ehefrau in Höhe von rd. 200 DM bestritten.
Weiterhin ist mit dem RVA davon auszugehen, daß überwiegende Unterhaltsgewährung im Sinne der Vorschriften, die Ansprüche eines Versicherten von der Gewährung überwiegenden Unterhalts an eine bestimmte Person abhängig machen, dann vorliegt, wenn der Versicherte mehr als die Hälfte des Lebensunterhalts dieser Person bestreitet (Grunds. Entsch. Nr. 1981, AN 1915, 386; Grunds. Entsch. Nr. 2881, AN 1925, 276; Grunds. Entsch. Nr. 3390, AN 1929, 161). Die Umschreibung "mehr als die Hälfte" entspricht in der Tat dem evidenten Sachsinn des Begriffs "überwiegend".
Eine Abschwächung dieses Erfordernisses dahingehend, daß schon ein "wesentlicher" Unterhaltsbeitrag genügt (vgl. dazu Dersch, Wege zur Sozialversicherung 1957, 307, 308), entspricht daher nicht dem Gesetz. Das gilt auch von der Regelung im Erlaß des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 20. April 1943 (AN S. 179) i. V. m. dem Erlaß des RAM vom 28. April 1944 (AN S. 131), wonach die - nach dem Wortlaut des Gesetzes von der Gewährung überwiegenden Unterhalts an Angehörige abhängenden - Ansprüche auf Hausgeld und Zuschläge zum Krankengeld nach den §§ 186, 191 RVO bereits dann begründet waren, wenn der Gesamtverdienst der Ehefrau den Arbeitsverdienst des Versicherten nicht um mehr als ein Viertel überstieg. Hiernach genügte schon ein verhältnismäßig geringer Verdienst des versicherten Ehemanns und dementsprechender Beitrag zum Lebensunterhalt der Angehörigen, der jedenfalls kleiner als der Arbeitsverdienst der mitverdienenden Ehefrau sein konnte, zur Erfüllung der Voraussetzungen für Ansprüche, die nach dem unverändert gebliebenen Wortlaut der Vorschriften (§§ 186, 191 RVO) die Gewährung überwiegenden Unterhalts durch den Versicherten voraussetzen.
Das SG hat die erwähnten Erlasse des RAM als für den vorliegenden Fall unmaßgeblich angesehen, weil sie andere Sachverhalte beträfen. In der Tat gehen diese Erlasse davon aus, daß - anders als im vorliegenden Fall - außer der Ehefrau noch sonstige in häuslicher Gemeinschaft mit dem Versicherten lebenden Angehörige unterhalten werden. Immerhin regelt der Erlaß vom 28. April 1944 ausdrücklich den Sachverhalt, daß der Lebensunterhalt der häuslichen Gemeinschaft nur von den beiden Ehegatten bestritten wird. Damit könnte der Sache nach auch der hier vorliegende Fall getroffen sein, in dem der Haushalt nur aus den beiden verdienenden Ehegatten besteht.
Selbst wenn man aber annimmt, die genannten Erlasse des RAM hätten sinngemäß auch den Fall der doppelverdienenden kinderlosen Ehegatten erfaßt, wären sie für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr anzuwenden. Das Erste LeistungsverbesserungsG (§ 8) hat den Begriff des "überwiegenden Unterhalts" in § 182 RVO neu eingeführt. Da er in diesem Zusammenhang ohne jede Einschränkung verwendet wird, muß davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber ihn hier nach seinem Wort- und Sachsinn - jedenfalls nicht im Sinne der offensichtlich auf die besonderen Kriegsverhältnisse zurückzuführenden Umdeutung der vorerwähnten Erlasse des RAM - verstanden wissen will. Sofern demnach diese Erlasse überhaupt auf die Regelung des § 182 RVO in der hier maßgebenden Fassung de Ersten LeistungsverbesserungsG bezogen werden könnten, wären sie nach der Generalklausel des § 11 Abs. 2 des Ersten LeistungsverbesserungsG als "entgegenstehende Vorschriften" außer Kraft getreten (ebenso Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: Sept. 1963, S. 394q). Damit ist klargestellt, daß die zutreffende Erläuterung des Begriffsmerkmals "überwiegend" durch das RVA für § 182 RVO ohne Einschränkung anwendbar ist, d. h. daß ein Versicherter einen Angehörigen überwiegend unterhalten hat, wenn er mehr als die Hälfte des Lebensunterhalts dieses Angehörigen bestritten hat.
Hieran anknüpfend hat das RVA in der Grunds. Ent. Nr. 3379 (AN 1929, 145, 146) geprüft, was bei einem kinderlosen Ehepaar, das den ehelichen Aufwand aus dem beiderseitigen Arbeitseinkommen bestreitet, als Unterhalt des einen Ehegatten und Unterhaltsbeitrag des anderen Ehegatten anzusehen ist. Dabei ist das RVA davon ausgegangen, daß der Verbrauchsanteil jedes Ehegatten am gemeinsamen Familienunterhalt gleich groß ist, d. h. die Hälfte des Gesamtverbrauchs der Familiengemeinschaft ausmacht. Diese Annahme entspricht der Lebenserfahrung. Sofern nicht besondere Umstände auf ein merkliches Übergewicht im Verbrauch des einen Ehegatten gegenüber dem anderen schließen lassen, kann angenommen werden, daß jeder Ehegatte aufs Ganze gesehen in etwa gleich viel verbraucht hat. Daß das SG dies im vorliegenden Fäll ohne nähere Ermittlungen festgestellt hat - daß nämlich auf den Lebensunterhalt des Klägers und seiner Ehefrau jeweils etwa 300 DM entfallen -, ist somit nicht zu beanstanden; ähnlich hat das Landessozialgericht in dem in BSG 14, 203, 205 behandelten Fall eine entsprechende Feststellung getroffen.
Wie bei der Ermittlung des Verbrauchsanteils jedes Ehegatten in der häuslichen Gemeinschaft ist dem RVA (aaO S. 146) auch bei der Prüfung zu folgen, von wem und in welcher Höhe der auf die Ehefrau entfallende Unterhalt - hier die Hälfte des gesamten Familienunterhalts - getragen worden ist. Zutreffend hat das RVA dabei berücksichtigt, daß die Frage, wer den Unterhalt der Ehefrau in diesem Fall überwiegend - d. h. zu "mehr als der Hälfte" - bestritten hat, nicht von deren Unterhaltsberechtigung, sondern von dem Verhältnis der beiderseitigen - tatsächlich erbrachten - Unterhaltsleistungen abhängt. Ohne Rücksicht auf die Unterhalts ansprüche der Ehegatten gegeneinander konnte es daher schon damals von der Lebenserfahrung ausgehen, daß bei Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft "das beiderseitige Einkommen in der Regel zusammengelegt und gemeinsam verbraucht" wird. Wie das RVA zutreffend sagt, "ist der Unterstützende zugleich ein Unterstützter insofern, als er seinen Verdienst in die Verbrauchsgemeinschaft einwirft und gleichzeitig mit von den Beträgen lebt, die der Unterstützte aus seinem Verdienst zu dem gemeinsamen Unterhalt beigesteuert hat". Hierauf gestützt ist es zu dem Schluß gekommen, daß derjenige Ehegatte den anderen überwiegend unterhalten hat, dessen Arbeitsverdienst mehr als die Hälfte des Gesamtverdienstes beider Ehegatten betragen hat.
Diese Entscheidung ist verschiedentlich als mit Inkrafttreten des Gleichberechtigungssatzes überholt angesehen worden (vgl. Dersch, WzS 1957, 308; Schmatz/Fischwasser, LeistungsverbesserungsG, 4. Aufl. S. 179). Diese Auffassung trifft nur bedingt zu. Richtig ist, daß sich die Umgestaltung des bürgerlichen Familienrechts durch den Gleichberechtigungssatz voll auf das Sozialversicherungsrecht ausgewirkt hat, wo immer dieses auf entsprechende Begriffe des bürgerlichen Rechts verweist. Das gilt uneingeschränkt auch für solche sozialversicherungsrechtlichen Regelungen, in denen die Unterhaltsbeziehung zwischen Ehegatten von Bedeutung ist (vgl. BSG 10, 28, 29 ff; 11, 198, 200). Hiernach kann bei der Bewertung der Unterhaltsleistungen von Ehegatten untereinander die Haushaltsführung nicht unberücksichtigt bleiben (BSG 19, 282, 283 unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1963), die das RVA in der genannten Entscheidung - nach dem damaligen Stand des bürgerlichen Unterhaltsrechts zutreffend - außer Betracht gelassen hatte.
Indessen ist diese Verfeinerung des Unterhaltsbegriffs für den vorliegenden Sachverhalt ohne Bedeutung. Nach der Erfahrung des täglichen Lebens kann bei voll im Arbeitsleben stehenden Ehegatten angenommen werden, daß sich beide in zweckgemäßer Arbeitsteilung ohne wesentliches Übergewicht der einen Leistung gegenüber der anderen an der Führung des Haushalts beteiligen, wie es das SG für den vorliegenden Fall ausdrücklich festgestellt hat. Mit Recht hat daher das SG die beiderseitige Haushaltsarbeit im Verhältnis der Ehegatten zueinander außer Ansatz gelassen. Ist aber nach der Gestaltung der Sachlage die Haushaltsführung der beiden Ehegatten - weil sich kompensierend - ohne Einfluß auf die Bewertung der beiderseitigen Unterhaltsleistungen, so steht der Anwendung der Grunds. Entsch. Nr. 3379 unter den veränderten Bedingungen des neuen Rechts auch nicht entgegen, daß sie die Haushaltsführung noch nicht als Unterhaltsleistung gewertet hat.
In ihrem Kernstück - daß nämlich die mitverdienende Ehefrau ihren Arbeitsverdienst nicht vorweg für sich allein verbraucht, sondern damit zum gemeinsamen Familienunterhalt beiträgt - ist die Grunds. Entsch. Nr. 3379 gerade durch die Umgestaltung des Unterhaltsrechts infolge des Gleichberechtigungssatzes bestätigt worden. Was früher nur der Niederschlag der Erfahrung des täglichen Lebens war, ist Leitbild des neuen Rechts geworden. An die Stelle der Unterhaltsansprüche auch der in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten gegeneinander (§ 1360 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - aF) ist die Verpflichtung beider Ehegatten getreten, gemeinsam zum angemessenen Familienunterhalt beizutragen (§ 1360 Satz 1 BGB nF). Dieser Verpflichtung entspricht es, wenn die mitverdienende Ehefrau - wie im vorliegenden Fall - mit ihrem Arbeitsverdienst zum gemeinsamen Familienunterhalt beiträgt. Hiernach ist es ausgeschlossen, diesen Unterhaltsbeitrag allein auf den Unterhalt der Ehefrau anzurechnen. Dann hätte nämlich dieser Ehegatte nichts zum gemeinsamen Familienunterhalt und damit dem Unterhalt des anderen Ehegatten beigetragen. Besonders deutlich wird dies in dem Falle, daß der Unterhaltsbeitrag des einen Ehegatten nicht in Geld, sondern in der Haushaltsführung besteht, was insbesondere dann gelten wird, wenn nur der andere Ehegatte berufstätig ist. Hier ist es augenfällig, daß dieser Unterhaltsbeitrag - anders als bei einem eingebrachten Arbeitsverdienst, bei dem immerhin die Annahme möglich ist, daß der Verdienende ihn vorweg für sich verbraucht - immer nur als Beitrag zum gemeinsamen Familienunterhalt gewertet werden kann und der seinen Beitrag zum Familienunterhalt in dieser Form leistende Ehegatte damit nicht nur sich selbst unterhalten hat. Wenn somit - wie im vorliegenden Fall - die Ehefrau 200 DM (= 1/3) und der Ehemann 400 DM (= 2/3) zum Familienunterhalt beigetragen hat, so sind die gesamten Haushaltsausgaben dieser Familiengemeinschaft zu 1/3 von der Ehefrau, zu 2/3 von dem Ehemann bestritten worden. Sowohl der auf die Ehefrau als auch der auf den Ehemann entfallende Verbrauch ist zu 1/3 von der Ehefrau, zu 2/3 vom Ehemann getragen worden. Der mehr verdienende Ehemann hat somit die Ehefrau überwiegend unterhalten (im wesentlichen hiermit übereinstimmend Peters, Handbuch der Krankenvers., 16. Aufl., § 182 Anm. 16 d i. V. m. § 186 Anm. 8 c; Kossow, Soziale Sicherheit 1963, 327, 329; a. A. Brackmann aaO S. 394 p und S. 688; Schmatz/Fischwasser aaO S. 179 f).
Der Anspruch des Klägers auf das erhöhte Krankengeld nach § 182 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 RVO idF des Ersten LeistungsverbesserungsG ist somit begründet.
Das gleiche gilt vom Anspruch des Klägers auf das erhöhte Hausgeld in den Zeiten seiner Krankenhauspflege (§ 186 Abs. 1 Satz 2 RVO idF des Ersten LeistungsverbesserungsG). Auch nach dieser Vorschrift hängt der mit der Klage geltend gemachte Anspruch davon ab, daß der Kläger seine Ehefrau bisher ganz oder überwiegend unterhalten hat. Damit ist auch für den Anspruch auf das erhöhte Hausgeld die Voraussetzung der Gewährung überwiegenden Unterhalts dadurch erfüllt, daß der Kläger mehr als seine Ehefrau zum gemeinsamen Lebensunterhalt beigesteuert hat.
Der 2. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 25. Mai 1961 (BSG 14, 203, 205) bei der Prüfung der Voraussetzungen der Witwerrente nach § 589 RVO aF die Frage der überwiegenden Unterhaltsleistung anders als der erkennende Senat beurteilt. Die genannte Regelung unterscheidet sich aber sowohl der Fassung als auch dem Inhalt nach von den im vorliegenden Fall anzuwendenden Vorschriften, so daß der Große Senat nicht nach § 42 SGG angerufen zu werden brauchte.
Die Sprungrevision ist demnach in vollem Umfange begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils war dem Klageantrag zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen