Leitsatz (amtlich)

Als bisheriger Beruf im Sinne des RVO § 1254 aF (RVO § 1246 nF) ist bei Pflichtversicherten nur die versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit zugrunde zu legen, nicht dagegen eine solche vor Eintritt in die Pflichtversicherung oder nach Ausscheiden aus ihr, selbst wenn während dieser Zeit freiwillige Weiterversicherung bestand.

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Frage, welche Tätigkeit unter Zugrundelegung der Vergleichstätigkeit zugemutet werden kann, kommt es allein darauf an, ob die gedachte Tätigkeit noch im Rahmen der verbliebenen Erwerbsfähigkeit liegt und unter Berücksichtigung der Ausbildung und des bisherigen Berufs keine für den Rentenbewerber fremde körperlich und geistig ungeeignete Arbeit darstellt. Die Frage, ob die langjährige Entwöhnung von abhängiger Lohnarbeit die Verweisung auf eine an sich zumutbare Tätigkeit verbieten kann, ist allgemein zu verneinen, jedoch können in besonderen gelagerten Fällen gewisse Arbeiten nicht mehr für zumutbar angesehen werden.

 

Normenkette

RVO § 1254 Fassung: 1934-05-17, § 1246 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 1956 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Die 1894 als Französin geborene Klägerin war nach Bestehen der erforderlichen Lehrerprüfungen zunächst in Frankreich als Lehrerin an einer privaten Volksschule tätig. Nach ihrer Eheschließung mit einem Deutschen erteilte sie in Deutschland von 1918 an bis in den zweiten Weltkrieg hinein französischen Sprachunterricht, ohne während dieser Zeit Beiträge zur Sozialversicherung zu leisten. In den Jahren 1940 bis 1942 trug sie Zeitungen aus und war während dieser Zeit invalidenpflichtversichert; anschließend übte sie keinen Beruf mehr aus, sondern versorgte lediglich ihren Haushalt, in dem sie mit ihrem 20 Jahre älteren, recht hilflosen Ehemann lebte; während dieser Zeit hielt sie ihre Versicherung freiwillig weiter aufrecht.

Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 19. Juni 1953 den Antrag der Klägerin auf Gewährung der Invalidenrente ab, weil sie die Klägerin - entgegen dem Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. K... vom 27. März 1953, der die Klägerin wegen Hypertonie, Aortensklerose und Stenocardie als über 50 v.H. erwerbsvermindert bezeichnete - nach dem Gutachten ihrer Vertrauensärztin Dr. v. E... -K... noch nicht für invalide hielt. Nach letzterem Gutachten bestand bei der Klägerin bei mäßiger Blutdruckerhöhung eine nervlich leichte Erregbarkeit, doch wurde sonst organisch kein Herzleiden festgestellt; eine neben diesen Beschwerden bestehende Arthrosis deformans im rechten Kniegelenk verursachte nach der Auffassung der Ärztin nur eine geringe Behinderung; sie kam daher zu dem Schluß, die Klägerin könne noch als Sprachlehrerin arbeiten und auch leichte Frauenarbeiten, wie die einer Packerin, Sortiererin oder Küchenhilfskraft, verrichten.

In dem Verfahren über die von der Klägerin vor dem Oberversicherungsamt Hamburg eingelegte Berufung, die nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes als Klage auf das Sozialgericht Hamburg überging, wurden weitere Gutachten von Dr. G... vom 7. Oktober 1953 und dem Gerichtsarzt Dr. L... vom 1. Juni 1954 eingeholt; diese Gutachten stimmen darin überein, daß entsprechend dem Gutachten der Vertrauensärztin nur ein ziemlich geringer Befund zu erheben sei, durch den die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin noch nicht entscheidend herabgesetzt werde. Während jedoch Dr. G... die Klägerin unter diesen Umständen nicht für invalide hielt, sie vielmehr auf Arbeiten als Dolmetscherin, Küchenhilfe oder Packerin verweisen zu können glaubte, bejahte Dr. I... im Ergebnis die Invalidität. Auch nach seiner Auffassung ist die Klägerin, wenn man nur ihre Tätigkeit als "einfache Zeitungsausträgerin" zugrunde legen wolle, zwar kaum invalide, da ihr eine Tätigkeit als Garderobenfrau oder Näherin noch zugemutet werden könne; unter Berücksichtigung ihres Alters und ihrer langfristigen rein haushaltlichen Tätigkeit sei sie jedoch kaum in der Lage, sich wieder auf eine geregelte Erwerbstätigkeit umzustellen.

Das Sozialgericht verurteilte am 1. Juni 1954 die Beklagte zur Zahlung der Invalidenrente; es verneinte die Zumutbarkeit der nach dem Gesundheitszustand der Klägerin für sie möglicherweise in Betracht kommenden Tätigkeiten.

In dem von der Beklagten gegen dieses Urteil eingeleiteten Berufungsverfahren holte das Landessozialgericht noch weitere Gutachten ein. Dr. S... kam am 16. Februar 1956 zu dem Ergebnis, es bestehe eine mäßige Hypertonie ohne Anhaltspunkte für eine Herzkreislaufdekompensation. Daneben vorhandene stärkere Beschwerden seien Ausdruck einer funktionellen Herzbeschwerde mit Pulsbeschleunigung bei vorhandener allgemeiner vegetativer Labilität. Außerdem stellte er eine reizfreie Kniegelenksarthrose, eine durch eine Brille weitgehend ausgleichbare Herabsetzung der Sehfähigkeit, eine gewisse Behinderung der Streckung des dritten Mittelfingers und eine leichte Blasenreizung fest, denen er jedoch insgesamt keine praktische Bedeutung beimaß. Der Klägerin sei nicht mehr zuzumuten, noch körperlich belastende Tätigkeiten zu verrichten, sie sei jedoch fähig, noch jede leichte, insbesondere sitzende Tätigkeit auszuüben; da ihre Intelligenz in keiner Weise herabgesetzt sei, könnten ihr auch geistige Arbeiten, wie die einer Dolmetscherin oder Privatlehrerin, zugemutet werden. Zu dem Ergebnis, daß die vorhandenen Befunde nicht ausreichten, Invalidität zu begründen, kam in dem Termin vom 12. April 1956 auch der Gerichtsarzt Dr. H..., wenn dieser auch bei Vergleich der Befunde von Dr. G... und Dr. S... eine mäßige Verschlechterung annahm. Der Gerichtsarzt des Sozialgerichts, Dr. L..., den das Gericht im Beweistermin vom 21. Juni 1956 schließlich erneut vernahm, hielt seine frühere Auffassung aufrecht; die Klägerin könne nach den erhobenen Befunden allein zwar die gesetzliche Lohnhälfte als Packerin oder Sortiererin verdienen, bei ihrem Alter könne sie jedoch nach der langen Arbeitspause nicht die genügende Spannkraft aufbringen, sich auf eine regelmäßige Tätigkeit umzustellen und sei deshalb invalide.

Durch Urteil vom 21. Juni 1956 hob das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts auf und wies die Klage ab. Es führt in seiner Entscheidung zunächst aus, ob Invalidität vorliege, sei in erster Linie eine medizinische Frage. Allerdings liege die Frage, auf welche Tätigkeiten die Versicherte noch verwiesen werden könne, außerhalb der rein medizinischen Betrachtungen. Aber auch hier handele es sich immer darum, wie das Reichsversicherungsamt mehrfach ausgeführt habe, die dem Versicherten verbliebenen Arbeitskräfte in Beziehung zu setzen zu den Arbeitskräften, die einem nicht durch körperliche oder geistige Mängel vermindert Arbeitsfähigen in der Regel zur Verfügung stehen, so daß also auch die Anlegung dieses Maßstabes und die darauf beruhende Bestimmung der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten in erster Linie Sache ärztlicher Beurteilung sei. Von Bedeutung für den Streitfall wären mithin die Sachverständigengutachten.

Auf Grund seiner Würdigung dieser Gutachten hält das Landessozialgericht die Klägerin noch für fähig, "sowohl durch eine Tätigkeit in ihrem Beruf als Lehrerin, als Privatlehrerin (Nachhilfeunterricht in Fremdsprachen) oder auch als Dolmetscherin, aber auch durch eine sitzende Tätigkeit als Packerin, Sortiererin u.ä. die gesetzliche Lohnhälfte zu verdienen", wobei es nach den insoweit übereinstimmenden Untersuchungsergebnissen davon ausgeht, daß die Klägerin an einer Tachycardie, einer Stenocardie und einer Hypertonie ohne Dekompensationszeichen des Kreislaufs leide, ferner eine vegetative Labilität ohne größeren Krankheitswert, eine geringe Arthrosis deformans des rechten Kniegelenks, eine Herabsetzung der Sehfähigkeit und eine Behinderung des 3. Mittelfingers habe. Der hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit abweichenden Beurteilung des behandelnden Arztes Dr. K... mißt das Landessozialgericht gegenüber den übrigen übereinstimmenden Beurteilungen keine ausschlaggebende Bedeutung bei.

Das Urteil lehnt alsdann die Auffassung des Dr. L... ab, daß bei der Beurteilung der Invalidität auch "der Umstand, daß ein Versicherter unter häuslich schwierigen Verhältnissen zu leben hat und eine Arbeitsaufnahme deshalb für ihn eine besondere Belastung bedeuten kann oder daß ein Versicherter, der viele Jahre lang nicht in Beschäftigung gestanden hat und sich deshalb im Falle einer Arbeitsaufnahme umstellen muß, bei der Prüfung der Frage, ob Invalidität gegeben ist", zu berücksichtigen sei. Bei der Klägerin sei also in erster Linie aus dem Gesundheitszustand abzuleiten, ob sie noch fähig sei, die gesetzliche Lohnhälfte zu erwerben. Diese Frage sei aber von allen Sachverständigen eindeutig bejaht worden. Die weitere Frage, ob der Klägerin nur Arbeiten in ihrem Berufe oder auch solche als Sortiererin, Packerin usw. zuzumuten seien, könne dahingestellt bleiben, weil die Klägerin nach dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung in Übereinstimmung mit den Gutachten der Sachverständigen Dr. G... und Dr. S... bei ihrem derzeitigen Gesundheitszustand noch in der Lage sei, sowohl durch eine Tätigkeit als Lehrerin oder Dolmetscherin als auch durch eine solche als Sortiererin oder Packerin die gesetzliche Lohnhälfte zu verdienen.

Das Landessozialgericht hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 13. Juli 1956 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. Juli unter Stellung eines Antrags Revision eingelegt und diese am 14. August 1956 begründet.

Sie rügt eine Verletzung des Begriffs der Invalidität nach § 1254 der Reichsversicherungsordnung (RVO) deswegen, weil als "bisheriger" Beruf billigerweise diejenige Tätigkeit zum Vergleich heranzuziehen sei, die der Versicherte auf der Höhe seines Arbeitslebens ausgeübt habe, auch wenn damals keine Pflichtversicherung bestanden habe; es hätte daher bei ihr von dem Beruf als Sprachlehrerin ausgegangen werden müssen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt demgegenüber Zurückweisung der Revision.

Da die Klägerin in allen ihr zumutbaren Berufen die Lohnhälfte noch verdienen könne, liege kein Verfahrensmangel in dem Fehlen der Ermittlung der einzelnen Lohnhöhen.

Zugrunde zu legen sei nicht der nie versichert gewesene Beruf der Sprachlehrerin, sondern der der Zeitungsausträgerin; im übrigen könne die Klägerin neben den aufgeführten Tätigkeiten auch noch auf die Fortsetzung ihrer Hausfrauenarbeiten verwiesen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt, sie ist vom Landessozialgericht zugelassen und daher statthaft.

Die Revision ist jedoch (sachlich) nicht begründet.

Die Klägerin vertritt mit ihrer Rüge die Ansicht, das Landessozialgericht habe als ihren "bisherigen Beruf" im Sinne des § 1254 RVO die Tätigkeit einer Sprachlehrerin zugrunde legen müssen.

Diese Rüge geht zunächst insofern fehl, als das Landessozialgericht in Wirklichkeit - durchaus der Auffassung der Klägerin entsprechend - von dem Beruf der Sprachlehrerin ausgegangen ist. Das Urteil läßt allerdings eine klare Trennung der beiden Fragen,

a) welche Tätigkeit als "bisheriger Beruf" der Klägerin unter billiger Berücksichtigung ihrer Ausbildung von ihm im anzustellenden Vergleich zugrunde zu legen ist, und

b) auf welche Tätigkeiten die Klägerin als ihr zumutbar verwiesen werden kann,

vermissen. Während die Frage der Zumutbarkeit der Verweisung auf eine Reihe im einzelnen aufgeführter Tätigkeiten eingehend erörtert wird, findet sich nur am Rande ohne besondere Begründung die Feststellung, daß als bisheriger Beruf die Tätigkeit als Lehrerin anzusehen sei (zweimalige Hervorhebung der Frage, ob die Klägerin noch "Arbeiten in ihrem Beruf" ausführen könne, wobei aus dem Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen des Urteils zu ersehen ist, daß das Landessozialgericht darunter die Lehrerinnentätigkeit verstanden wissen will). Trotzdem das Landessozialgericht somit entsprechend der Ansicht der Klägerin den Beruf der Sprachlehrerin als bisherigen Beruf zugrunde legt, kommt es zu einer Klagabweisung, weil es der Klägerin gleichartige Arbeiten auch fernerhin noch glaubt zumuten zu können und deshalb ihre Invalidität verneint.

Diese dem angefochtenen Urteil und der Klägerin gemeinsame Auffassung ist jedoch rechtsirrig. Die Klägerin, die sich im Anschluß an ihre Pflichtversicherung freiwillig weiter versicherte - zu einer Zeit, zu der sie das für die Selbstversicherung vorgeschriebene Alter von 40 Jahren bereits überschritten hatte - ist Sprachlehrerin nur vor dem Beginn ihrer Versicherungspflicht gewesen. Unter diesen Umständen scheidet die Sprachlehrerinnentätigkeit als "bisheriger Beruf" überhaupt aus, da unter diesem Begriff - gleichgültig, ob es sich um Pflicht- oder freiwillige Versicherte handelt - stets nur eine Tätigkeit verstanden werden kann, die zeitlich nach dem ersten Eintritt in die Rentenversicherung liegt. Für die Pflichtversicherung ist dieser Grundsatz nie in Zweifel gezogen worden (die G.E. des RVA. Nr. 1096 - AN. 1903 S. 599 -, die ausspricht, auch vor Beginn der Versicherungspflicht liegende Tätigkeiten seien bei der Feststellung des "bisherigen Berufs" zu berücksichtigen, widerspricht dieser Auffassung nur scheinbar, da es sich damals um den von dem vorliegenden Problem völlig verschiedenen Übergangsfall handelte, daß jene billigerweise zu berücksichtigenden früheren Tätigkeiten zu einer Zeit ausgeübt wurden, in der die Rentenpflichtversicherung noch nicht eingeführt war). Auch für die freiwillige Versicherung, gleichgültig, ob Weiterversicherung oder Selbstversicherung, ist bis 1938 stets davon ausgegangen worden, daß dem Vergleich nur derjenige Beruf zugrunde gelegt werden könne, der für die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsberechtigung maßgebend war (Hanow-Lehmann, Komm z. RVO, 3. Aufl., Anm. 19 S. 133; RVA. Urteil vom 10.2.1914, EuM. 4 S. 289; GE. vom 24.11.1936, EuM. 40 S. 328; Verb. Komm. Anm. 23 zu § 1254 S. 89).

Während sich für die Weiterversicherung hieran auch in der Folgezeit nichts änderte (siehe z.B. Koch-Hartmann, Komm. z. AVG, Anm. 4 f zu § 27 S. 297), führte die durch das Aufbaugesetz eingeführte, dem System der Sozialversicherung fremde und nur aus Gedankengängen der damaligen Zeit verständliche (durch die Rentenreform im übrigen wieder, und zwar vollständig, beseitigte) allgemeine Zulässigkeit der Selbstversicherung auf jenem Gebiet zu einer bis heute bestehenden Rechtsunklarheit. Da die bis dahin vorgeschriebenen, den versicherungspflichtigen Tatbeständen artverwandten Tätigkeiten, die allein ein Recht zur Selbstversicherung gaben, wegfielen, war damit eine völlige Lösung von den bisherigen versicherungsrechtlichen Vergleichsgrundlagen eingetreten (vgl. dazu die eingehende Darstellung BSG. 3 S. 201 [202, 203]). Das Reichsversicherungsamt hat in seiner Stellungnahme zu Fragen des Aufbaugesetzes (Rundschr. vom 3.10.1938 - AN. 1943 S. 289) die Frage, wann bei Selbstversicherung nunmehr Invalidität anzunehmen sei, bewußt der Rechtsprechung vorbehalten und damit unentschieden gelassen. Die wenigen Urteile, die sich mit Fragen diese für jeden zugänglichen Selbstversicherung befassen, lassen die Frage des Vergleichsmaßstabs völlig unerörtert (RVA. Urteil vom 28.11.1938, EuM. 45 S. 326; BSG. 3 S. 201), trotzdem die Grundsätzlichkeit der jeweiligen Ausführungen ein Eingehen darauf hätte erwünscht erscheinen lassen.

Auch aus der Sonderentwicklung der Selbstversicherung läßt sich daher kein Grund entnehmen, der gegen die Fortdauer des allgemeinen Grundsatzes spräche, daß als Vergleichsberuf jeweils der für die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsberechtigung maßgebende Beruf zugrunde zu legen ist.

Es ist demnach im vorliegenden Fall entgegen dem angefochtenen Urteil und der Auffassung der Klägerin nicht der Beruf einer Lehrerin zugrunde zu legen, sondern derjenige der Zeitungsausträgerin. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Klägerin während der Zeit der Weiterversicherung etwas anderes getan hat als während der für dieses Weiterversicherungsrecht maßgeblichen Pflichtversicherungszeit. Selbst wenn die Klägerin während der späteren Zeit einen nicht versicherungspflichtigen höherwertigen Beruf gegen Entgelt ausgeübt hätte, würde nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (vgl. EuM. 40 S. 328), von der abzuweichen kein Anlaß besteht, nichts anderes gelten; dann kann jedoch auch die Hausfrauentätigkeit hierauf keinen Einfluß haben (siehe hierzu schon Bayer. LVA., Urteil vom 29.10.1921, EuM. 14 S. 264 [267]).

Es verbleibt noch die Frage, welche Tätigkeit unter Zugrundelegung der Vergleichstätigkeit als Zeitungsausträgerin der Klägerin zugemutet werden kann. Für die Frage dieser Zumutbarkeit spielt es keine Rolle, ob ein Versicherter sich gehindert glaubt, seine derzeitige Tätigkeit aufzugeben, weil er. sich bei dieser für unabkömmlich hält, mag dies nun auf einer rechtlichen Pflicht oder auf wirtschaftlichen, sittlichen oder sonstigen persönlichen Gründen beruhen (vgl. RVA. GE. Nr. 1542 AN. 1911 S. 415; Bayer. LVA. s. oben EuM. 14 [266, 267]); es kommt vielmehr allein darauf an, ob die gedachte Tätigkeit noch im Rahmen der der Klägerin verbliebenen Erwerbsfähigkeit liegt und unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung und ihres bisherigen Berufs keine für sie fremde körperlich und geistig ungeeignete Arbeit darstellt (vgl. Bayer. LVA. 15.9.1919, EuM. 5 S. 258).

Die Frage schließlich, ob die langjährige Entwöhnung von abhängiger Lohnarbeit die Verweisung auf eine an sich zumutbare Tätigkeit verbieten kann, ist hier zu verneinen; es läßt sich schlechterdings kein Grund erkennen, weshalb in diesem Falle eine an sich zulässige Verweisung nicht vorgenommen werden sollte. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß in besonders gelagerten Fällen die auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellungen möglicherweise dazu führen können, gewisse Arbeiten nicht mehr für zumutbar anzusehen; an derartigen Feststellungen fehlt es jedoch im vorliegenden Falle.

Das Landessozialgericht hat, jedenfalls hilfsweise, auch die Feststellung getroffen, die Klägerin könne als Sortiererin und Packerin die für sie in Frage kommende Lohnhälfte (nach dem Inhalt des Urteils insoweit auf die Zeitungsausträgerin bezogen) verdienen. Diese Feststellung ist, wie oben ausgeführt, rechtlich nicht zu beanstanden; sie reicht aus, das angefochtene Urteil zu tragen.

Für die Zeit nach dem 1. Januar 1957 sind die Feststellungen gleichfalls ausreichend, die Abweisung als begründet erscheinen zu lassen, da insoweit die als noch zumutbar angesehenen Tätigkeiten der Berufsgruppe einer Zeitungsausträgerin, einer Beschäftigung mit einer einfachen ungelernten Arbeit, durchaus vergleichbar sind.

Die Revision ist daher unbegründet und mußte zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2340629

BSGE, 66

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