Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Februar 1974 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung der Waisenrente gemäß § 1267 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der am 30. Mai 1951 geborene Kläger befand sich als Assistenten-Anwärter ab 1. März 1969 bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Kaufbeuren im Vorbereitungsdienst für die mittlere Laufbahn der Krankenkassenbediensteten. Der Vorbereitungsdienst dauerte zwei Jahre und verlängerte sich bis zur Aushändigung des Zeugnisses über die bestandene Einstellungsprüfung. Nach Ablauf von zwei Jahren teilte die AOK dem Kläger mit, er werde, da er „den zweijährigen Vorbereitungsdienst am 28. Februar 1971 erfolgreich beendet” habe, „anschließend als volle Arbeitskraft eingesetzt” und den verschiedenen Abteilungen „zur Dienstleistung” zugeteilt. Während dieses „Beschäftigungsauftrags” erhielt der Kläger statt des ihm bis dahin gezahlten Unterhaltszuschusses als „Beschäftigungsvergütung” 90 % der Bezüge eines Verwaltungsassistenten. Am 16. Dezember 1971 wurde ihm das Zeugnis über die bestandene Einstellungsprüfung ausgehändigt; einen Tag später erfolgte seine mit der Zahlung der vollen Dienstbezüge verbundene Anstellung als Verwaltungsassistent auf Probe. Den Antrag, ihm die während der ersten beiden Jahre seines Vorbereitungsdienstes aus der Versicherung seines Vaters gezahlten Waisenrente auch für die Zeit seines Beschäftigungsauftrags bis zum 31. Dezember 1971 weiterzugewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 1971 ab, weil durch den erteilten Beschäftigungsauftrag der Ausbildungszweck eindeutig in den Hintergrund getreten sei und der entsprechend honorierte Einsatz der vollen Arbeitskraft im Vordergrund gestanden habe. Das Sozialgericht (SG) Augsburg hat durch Urteil vom 20. September 1972 die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 12. Februar 1974 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Der Kläger habe in der Zeit vom 1. März bis 31. Dezember 1971 nicht mehr in Berufsausbildung gestanden, weil seine Ausbildung als Assistenten-Anwärter seine Zeit und Arbeitskraft wegen des ihm erteilten Beschäftigungsauftrags nicht mehr überwiegend beansprucht habe. Es sei erwiesen, daß der Kläger damals zwar nicht als volle Arbeitskraft, wohl aber überwiegend als Arbeitskraft für Stellvertretungen, als Aushilfe oder zur Erledigung besonderer Dienstgeschäfte eingesetzt worden sei. Ein Anspruch auf Waisenrente stehe ihm deshalb für diese Zeit nicht zu.
Mit der – zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1267 i.V.m. § 1262 RVO. Er führt dazu aus: Es sei unrichtig, daß seit Erteilung des Beschäftigungsauftrags die Berufsausbildung seine Zeit und Arbeitskraft nicht mehr überwiegend beansprucht habe. Ein Beschäftigungsauftrag habe nicht zwangsläufig zur Folge, daß die Berufsausbildung in den Hintergrund trete. Ausbildung und Arbeitseinsatz hätten sich während seines Beschäftigungsauftrags zwar überschnitten, doch habe die Ausbildung auch weiterhin im Vordergrund gestanden. Sie sei vor Ablegung seiner Einstellungsprüfung nicht abgeschlossen gewesen.
Der Kläger beantragt,
die vorinstanzlichen Urteile sowie den Bescheid der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 28. Februar 1971 hinaus bis zum 31. Dezember 1971 Waisenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurück zuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß dem Kläger die Waisenrente für die Zeit seines Beschäftigungsauftrags vom 1. März bis 31. Dezember 1971 nicht zusteht.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Weitergewährung der Waisenrente über den 28. Februar 1971 hinaus hängt davon ab, ob auch für die spätere Zeit die Voraussetzungen des § 1267 Satz 2 RVO erfüllt waren. Nach dieser Vorschrift wird Waisenrente über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres u. a. einer Waise gewährt, die sich in Berufsausbildung befindet. Da bei dem Kläger die übrigen Voraussetzungen vorlagen, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits allein darauf an, ob auch die Zeit, in der der Kläger bei der AOK einen Beschäftigungsauftrag hatte, i.S. des § 1267 Satz 2 RVO „Berufsausbildung” gewesen ist. Denn nicht jede Ausbildung, der sich eine Waise nach Vollendung des 18. Lebensjahres unterzieht, ist in diesem Sinne als Berufsausbildung anzusehen (BSGE 21, 185; BSG SozR Nrn. 25 und 31 zu § 1267 RVO). Eine Berufsausbildung i.S. des § 1267 Satz 2 RVO liegt nur vor, wenn der Erwerb der Kenntnisse und Fertigkeiten, die für die Ausübung eines zukünftig gegen Entgelt auszuübenden Berufs erforderlich sind, sich nicht im Rahmen einer den vollen Lebensunterhalt sicherstellenden Erwerbstätigkeit vollzieht. Darüber hinaus muß sie auch die Zeit und die Arbeitskraft des Auszubildenden ganz oder doch überwiegend in Anspruch nehmen. Es muß ihm unmöglich sein, sich außerhalb der für den Erwerb dieser Kenntnisse und Fertigkeiten benötigten Zeit durch eine Erwerbstätigkeit den ausreichenden Lebensunterhalt zu verdienen (BSG SozR Nrn. 4, 7, 12, 14, 19, 25, 27, 28 und 44 zu § 1267 RVO sowie die Urteile vom 4. Februar 1965 – 11/1 RA 290/62 – SozEntsch BSG VI § 44 AVG n.F. Nr. 2; vom 10. Mai 1968 – 5 RKn 119/65 –; vom 11. Juli 1974 – 4 RJ 321/73 – SozR 2200 § 1267 Nr. 2; vom 30. Oktober 1974 – 5 RJ 77/73 – zur Veröffentlichung bestimmt – und vom 19. Dezember 1974 – 8/7 RKg 6/73 –, ebenfalls zur Veröffentlichung bestimmt). Diese Voraussetzungen waren bei dem Kläger nach dem 28. Februar 1971 nicht mehr erfüllt.
Allerdings befand sich der Kläger auch noch nach diesem Zeitpunkt im Vorbereitungsdienst. Denn dieser an sich für die Dauer von zwei Jahren vorgesehene Dienst verlängerte sich automatisch bis zur Aushändigung des Zeugnisses über die bestandene Einstellungsprüfung. Dieses Zeugnis wurde dem Kläger aber erst am 16. Dezember 1971 ausgehändigt. Schon ab 1. März 1971 nahm der Kläger jedoch einen „Beschäftigungsauftrag” wahr, der ihm mit dem ausdrücklichen Hinaus erteilt wurde, daß er nunmehr „als volle Arbeitskraft” eingesetzt und den verschiedenen Abteilungen „zur Dienstleistung” zugeteilt werde. Auch wurde der Kläger nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG während dieses Beschäftigungsauftrags überwiegend als Arbeitskraft für Stellvertretungen, als Aushilfe sowie zur Erledigung besonderer Dienstgeschäfte verwendet. Außerdem erhielt er anstelle des ihm bis dahin gezahlten Unterhaltszuschusses nunmehr eine „Beschäftigungsvergütung” von 90 % der Bezüge eines Verwaltungsassistenten. Dies alles zeigt, daß der Kläger sich damals nicht mehr in einem Ausbildungsverhältnis, sondern bereits in einem Beschäftigungsverhältnis befand. Die Ausbildung vollzog sich nunmehr innerhalb einer Beschäftigung, die den Kläger überwiegend beanspruchte und seinen vollen Lebensunterhalt sicherstellte. Angesichts der Höhe der Beschäftigungsvergütung und des überwiegenden Einsatzes als Arbeitskraft kann von einer „Berufsausbildung” i. S. des § 1267 Satz 2 RVO nicht mehr die Rede sein.
Nach alledem hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende sozialgerichtliche Urteil mit Recht als unbegründet zurückgewiesen. Die Revision des Klägers kann deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Unterschriften
Dr. Heußner, Bundesrichter Dr. Friederichs ist durch Urlaub verhindert, das Urteil zu unterschreiben Dr. Heußner, Dr. Reinhold
Fundstellen