Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistung. Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung. Verwaltungsakteigenschaft der Zuweisung. öffentlich rechtlicher Erstattungsanspruch bei rechtsgrundlos erbrachter Arbeit. Anfechtungsklage. Leistungsklage. Klagehäufung
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn in einer Eingliederungsvereinbarung keine Konkretisierung über den Inhalt einer Arbeitsgelegenheit vorgenommen worden ist, erfolgen die dann noch notwendigen Festlegungen durch einseitige Regelung des Trägers der Grundsicherung als Verwaltungsakt.
2. Für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch kommt es wegen der Prüfung des Rechtsgrundes für die geleistete Arbeit nicht allein auf das Vorliegen einer Eingliederungsvereinbarung, sondern auch auf die Regelungen in diesem Zuweisungsbescheid an.
Orientierungssatz
Zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Arbeitsgelegenheit und der Leistungsklage gem § 54 Abs 5 SGG im Hinblick auf einen Wertersatz im Wege eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (Klagehäufung).
Normenkette
SGB 2 § 16 Abs. 3 S. 2 Fassung: 2006-07-20; SGB III § 261 Abs. 2 S. 1; SGB X § 31 S. 1; BGB § 812; SGG § 54 Abs. 1, 5
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. Februar 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Wertersatz für geleistete Arbeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung.
Der alleinstehende Kläger bezieht von dem Beklagten laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 28.11.2007 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung, nach der sich der Kläger verpflichtete, bei einem entsprechenden Angebot des Beklagten an einer öffentlich geförderten Beschäftigung teilzunehmen. Mit Schreiben vom 4.1.2008 schlug der Beklagte dem Kläger eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei der Gesellschaft für Arbeitsvermittlung und Qualifizierungsförderung eV (GAQ) für eine Tätigkeit bei der "Aktion 'Saubere Stadt' - Aufsammeln von Müll und Unrat im Stadtgebiet" vor. Gegen das Schreiben vom 4.1.2008 legte der Kläger mit Schreiben vom 9.1.2008 Widerspruch ein; den Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.7.2008 zum Az W 33/08 als unzulässig.
Nachdem der Kläger bei der GAQ am 7.1.2008 eine entsprechende Vereinbarung über seine Tätigkeit unterzeichnet hatte, nahm er am 8.1.2008 seine Tätigkeit dort auf. Am 2.4.2008 stellte er seine Tätigkeit im Rahmen der Arbeitsgelegenheit wieder ein. Daraufhin "kündigte" ihm der Maßnahmeträger mit Schreiben vom 9.4.2008. Mit Bescheid vom 17.7.2008 senkte der Beklagte wegen dieses Sachverhalts das Arbeitslosengeld II (Alg II) des Klägers für den Zeitraum von drei Monaten um 30 Prozent. Den Widerspruch hiergegen wies er mit Widerspruchsbescheid vom 22.7.2008 zum Az W 887/08 als unbegründet zurück.
Am 29.7.2008 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Oldenburg (S 45 AS 1464/08), mit der er (ohne den Sanktionssachverhalt darzulegen) die Feststellung beantragte, dass die Arbeitsgelegenheit rechtswidrig gewesen sei, sowie die Verurteilung des Beklagten, ihm auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für den Zeitraum 8.1.2008 bis 2.4.2008 den branchenüblichen Lohn zuzüglich Zinsen zu zahlen. Er bezog sich in der Klageschrift auf den Widerspruchsbescheid vom 22.7.2008 zum Az W 887/08, den er in Kopie beifügte.
Im laufenden Klageverfahren hob der Beklagte seinen Sanktionsbescheid vom 17.7.2008 mit Schreiben vom 8.9.2008 auf und erklärte, dem Klagebegehren werde damit in vollem Umfang entsprochen. Der Kläger widersprach dem. Das Verfahren wegen der Sanktion sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gewesen und bereits im Eilverfahren S 46 AS 1423/08 ER erledigt worden (Schreiben vom 6.10.2008, vom 23.10.2008 und vom 15.11.2008). Das Gericht wies den Kläger darauf hin, das Verfahren sei nach der Abhilfe durch den Beklagten für erledigt zu erklären. Es stehe dem Kläger aber frei, hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs "nach Durchlaufen des notwendigen Widerspruchsverfahrens" eine weitere Klage zu erheben. "Auf Empfehlung des Gerichts" nahm der Kläger daraufhin den Zahlungsantrag zurück, verlangte aber gleichwohl noch eine Entscheidung über den Feststellungsantrag.
Am selben Tag beantragte er bei dem Beklagten die Zahlung eines Erstattungsbetrages in Höhe von 3177 Euro zuzüglich Zinsen. Dies lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 14.1.2009; Widerspruchsbescheid vom 4.2.2009). Die daraufhin erhobene Klage (S 45 AS 483/09) hat das SG durch Beschluss vom 14.4.2009 mit dem Klageverfahren S 45 AS 1464/08 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Mit Urteil vom 24.2.2010 hat das SG die auf die (nachträgliche) Feststellung der Rechtswidrigkeit der Arbeitsgelegenheit sowie den Antrag auf Zahlung von 3177 Euro zuzüglich Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Dabei hat es den Feststellungsantrag bereits als unzulässig angesehen, weil insoweit kein Feststellungsinteresse (mehr) dargelegt sei. Soweit der Kläger die Zahlung auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs begehre, sei die Klage unbegründet. Dabei könne offenbleiben, ob der Beklagte durch die Leistung des Klägers überhaupt einen Vermögensvorteil erlangt habe. Dies erscheine bereits deshalb zweifelhaft, weil die konkrete Maßnahme der Heranführung der Teilnehmer an den ersten Arbeitsmarkt unter besonderer Berücksichtigung der Belange von Personen mit erheblichen Vermittlungshemmnissen und sonderpädagogischem Förderbedarf gedient habe und aus diesem Grund vom Beklagten mit insgesamt ca 400 000 Euro bezuschusst worden sei. Denn jedenfalls sei die Vermögensverschiebung nicht ohne Rechtsgrund erfolgt. Rechtsgrund sei vielmehr die am 28.11.2007 abgeschlossene Eingliederungsvereinbarung. Gründe für die Nichtigkeit dieser Eingliederungsvereinbarung seien nicht ersichtlich. Soweit der Kläger geltend mache, die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Arbeitsgelegenheit, wie etwa das Erfordernis der Zusätzlichkeit, hätten nicht vorgelegen, begründe dies keinen Mangel der Eingliederungsvereinbarung, weil die konkret durchgeführte Arbeitsgelegenheit gar nicht Gegenstand der Eingliederungsvereinbarung gewesen sei.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung der Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Rechtlicher Grund für die den Erstattungsanspruch begründende Vermögensverschiebung sei entgegen der Ansicht des SG nicht die Eingliederungsvereinbarung, sondern der "Heranziehungsbescheid" vom 4.1.2008 gewesen. Dieser Bescheid und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid seien Gegenstand des Klageverfahrens. Deswegen hätte das SG den Klageantrag in dem Sinne auslegen müssen, dass der Kläger zunächst die Aufhebung "dieses Bescheides" verlangt habe. Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Arbeitsgelegenheit ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass der Kläger hieraus einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch herleite. Dieser setze nicht voraus, dass der Rechtsgrund der Heranziehung nichtig sei. Im Übrigen sei nicht ausgeschlossen, dass noch ein Amtshaftungsprozess geführt werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. Februar 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 4. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für seine Tätigkeit in der Zeit vom 8. Januar 2008 bis 2. April 2008 den Betrag von 3177 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 15. Dezember 2008 zu zahlen,
hilfsweise festzustellen,
dass die dem Kläger vom Beklagten angebotene Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung rechtswidrig ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein Erstattungsanspruch setze voraus, dass die Eingliederungsvereinbarung als rechtliche Grundlage für die ausgeübte Tätigkeit nichtig sei. Dafür aber sei nichts vorgetragen.
Entscheidungsgründe
Der vom Kläger in der Revisionsinstanz gestellte Hauptantrag erweist sich als zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen als begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2, Abs 4 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
1. Der Kläger hat mit seiner zunächst erhobenen Klage (im Sinne der objektiven Klagehäufung) zum einen die Rechtswidrigkeit seiner Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit im Wege der "Feststellung" begehrt und zum anderen - im Wege der isolierten Leistungsklage - einen Wertersatz als öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch für im Rahmen dieser Arbeitsgelegenheit geleistete Arbeit. Nachdem er auf den unzutreffenden Hinweis des SG hin, die gerichtliche Geltendmachung seines Leistungsbegehrens setze ein Verwaltungsverfahren voraus, die Klage insoweit zurückgenommen hatte, konnte er dieses Begehren erneut klageweise geltend machen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 102 RdNr 11; BSGE 57, 184, 185 = SozR 2200 § 385 Nr 10). Diese zweite Klage hat das SG mit dem ursprünglich anhängig gemachten Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 113 SGG). Beide Klagebegehren sind damit Streitgegenstand des Revisionsverfahrens.
a) Statthafte Klageart hinsichtlich des ersten Klagebegehrens ist allerdings die Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) und nicht die ihr gegenüber nachrangige Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG). Entgegen der Auffassung des SG ist das Schreiben des Beklagten vom 4.1.2008 als Entscheidung der Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts gerichtet auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen zu qualifizieren (Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫). Insoweit richtet sich das klägerische Begehren in der Sache auf Aufhebung dieses Verwaltungsaktes in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.7.2008.
Soweit der Träger der Grundsicherung den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eine bestimmte Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II (hier in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 ≪BGBl I 1706≫; seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 ≪BGBl I 2917≫ zum 1.1.2009 in § 16d Satz 2 SGB II geregelt) zuweist, handelt es sich nach dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelungen regelmäßig um einen Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 SGB X. Die auf den Einzelfall bezogenen Anforderungen an solche Arbeitsgelegenheiten, die systematisch zum Katalog der Eingliederungsleistungen (vgl § 14 SGB II) gehören, und die daraus folgenden Obliegenheiten des Hilfebedürftigen lässt der maßgebliche Gesetzestext weder in § 2 Abs 1 Satz 2 SGB II ("Grundsatz des Forderns") noch in § 3 Abs 1 SGB II ("Leistungsgrundsätze") noch in §§ 14, 16 Abs 3 SGB II ohne weitere Umsetzungen ausreichend konkret erscheinen. Der Gesetzgeber gibt für den Einsatz von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei im öffentlichen Interesse liegenden zusätzlichen Arbeiten vielmehr einen weit gesteckten Rahmen vor, der im Einzelfall durch Festlegungen hinsichtlich des konkreten Inhalts der Arbeitsgelegenheit und der Erbringung der Mehraufwandsentschädigung auszufüllen ist (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 16d SGB II, RdNr 53 f, Stand 12/2010; Luthe in jurisPR-SozR 27/2005 Anm 1; Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II.4 RdNr 25, Stand 1. Februar 2009).
Jedenfalls wenn in einer Eingliederungsvereinbarung (oder einem sie ersetzenden Verwaltungsakt) keine Konkretisierung über eine Arbeitsgelegenheit vorgenommen worden ist, bedarf es dieser Festlegungen "im Nachgang", die - sofern keine ergänzenden Vereinbarungen zwischen Träger der Grundsicherung und Hilfebedürftigem geschlossen werden - durch einseitige Regelung des Trägers erfolgen. Anders als etwa ein Arbeitsangebot iS von § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (≪SGB III≫ vgl insoweit Bundessozialgericht ≪BSG≫ Beschluss vom 27.10.2003 - B 7 AL 82/03 B) oder ein Angebot einer Trainingsmaßnahme nach § 48 SGB III (vgl BSG Urteil vom 19.1.2005 - B 11a/11 AL 39/04 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 2) erschöpft sich die Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit regelmäßig nicht im Nachweis einer Gelegenheit zum Vertragsschluss mit einem Maßnahmeträger und bedeutet nicht lediglich behördliche Vorbereitungshandlungen, die einer eigentlichen Sachentscheidung (etwa einer Sanktion) vorangehen. Die Zuweisung bestimmt vielmehr abschließend gegenüber dem Hilfebedürftigen, welche Leistungen zu seiner Eingliederung in Arbeit vorgesehen sind, damit er auf dieser Grundlage seine Entscheidung über die Teilnahme an der Maßnahme treffen kann (BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R - BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, RdNr 31). Da mit der Zuweisung - auch - über die Gewährung einer Eingliederungsleistung entschieden wird (vgl § 3 Abs 1 SGB II), ist für die Verwaltungsaktqualität unerheblich, dass das vom Hilfebedürftigen erwartete Verhalten vom Träger nicht vollstreckt werden kann (Luthe in jurisPR-SozR 27/2005 Anm 1).
Vorliegend war in der am 28.11.2007 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung nicht näher festgelegt, welcher Art eine für die Förderung des Klägers geeignete Arbeitsgelegenheit sein müsste. Das in der Eingliederungsvereinbarung formulierte Angebot einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung "bei Verfügbarkeit und Eignung" war für sich genommen noch nicht ausreichend bestimmt, um die entsprechende Obliegenheit des Klägers, hieran teilzunehmen, auszulösen. Entgegen der Auffassung des SG erschöpft sich das Schreiben vom 4.1.2008 nicht lediglich in der Aufforderung, sich bei der GAQ vorzustellen, sondern enthält die notwendigen weitergehenden Konkretisierungen durch den Beklagten. Der Beklagte hat eine konkrete Maßnahme bezeichnet und Aussagen zur Art der Tätigkeit, dem Maßnahmeträger, dem Arbeitsort, dem zeitlichen Umfang, der Lage und Verteilung und dem Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit sowie der Höhe der Mehraufwandsentschädigung getroffen. Damit liegt ein Verwaltungsakt im oben dargestellten Sinne vor.
Die Anfechtungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Der Kläger hat den Bescheid vom 4.1.2008 zunächst mit dem Widerspruch angegriffen und innerhalb der Klagefrist, die mit Zugang des Widerspruchsbescheides vom 22.7.2008 zu laufen begann, Klage erhoben. Soweit er sich in der Klageschrift nicht auf den Widerspruchsbescheid vom 22.7.2008 zum Az W 33/08, sondern auf den Widerspruchsbescheid vom selben Tag zum Az W 887/08 bezogen hat, handelte es sich um eine offensichtliche Verwechslung. Es ergab sich aus der Klageschrift ausdrücklich, dass Streitgegenstand nur die behauptete Rechtswidrigkeit der Maßnahme und der daraus folgende öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch sein sollte. An keiner Stelle lassen dagegen die Sachverhaltsschilderungen oder die rechtlichen Ausführungen einen Bezug auf die Sanktionsentscheidung des Beklagten vom 17.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.7.2008 erkennen. Der Kläger hat schließlich mit seiner Klage das Schreiben vom 4.1.2008 zwar nicht ausdrücklich als Verwaltungsakt angegriffen, insoweit war er aber von dem Beklagten und dem Gericht unzutreffend dahin belehrt worden, ein Verwaltungsakt liege nicht vor. Sein Vorbringen ist damit bei zutreffender Auslegung als Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 4.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.7.2008 auszulegen. Das für die vorliegende isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 2 SGG notwendige Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich daraus, dass nach Aufhebung des Verwaltungsaktes wegen der behaupteten Rechtswidrigkeit der Zuweisung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Betracht kommt (dazu sogleich).
b) Das Klagebegehren, einen Wertersatz im Wege eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu erhalten, macht der Kläger zulässig im Wege der reinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend (vgl BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 11/08 R - FEVS 61, 385 = juris RdNr 9). Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 4.1.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.7.2008 ist dabei nicht iS des § 54 Abs 4 SGG mit der Leistungsklage kombiniert, weil der angefochtene Bescheid nicht den geltend gemachten Erstattungsanspruch betrifft. Es handelt sich um eine Klagehäufung.
2. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Anfechtung des Verwaltungsaktes vom 4.1.2008 und - daran anschließend - die allgemeine Leistungsklage des Klägers in der Sache Erfolg haben. Es fehlt insoweit an den notwendigen Feststellungen des SG.
a) Der Kläger macht hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des Zuweisungsbescheides in erster Linie geltend, es fehle an der Zusätzlichkeit der Maßnahme nach § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II. Die insoweit notwendige, an § 261 Abs 2 Satz 1 SGB III orientierte Prüfung (vgl dazu BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R - BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4 RdNr 27) hat das SG ausgehend von seiner Rechtsauffassung, ein anfechtbarer Verwaltungsakt liege nicht vor, vollständig unterlassen. Dies wird das LSG nachzuholen haben. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob sich die Rechtswidrigkeit der Zuweisung in die streitige Arbeitsgelegenheit aus anderen Gründen ergibt.
b) Anspruchsgrundlage für das klägerische Leistungsbegehren kann allein ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch als gewohnheitsrechtlich anerkanntes und aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut sein. Dieser Anspruch gleicht eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage aus und verschafft dem Anspruchsinhaber ein Recht auf Herausgabe des Erlangten, wenn eine Leistung ohne Rechtsgrund oder ohne eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung erfolgt ist (vgl zu allem nur BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 11/08 R - FEVS 61, 385 = juris RdNr 11 sowie grundlegend BSGE 16, 151 = SozR Nr 1 zu § 28 BVG). Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (vgl BSG aaO FEVS 61, 385 unter Hinweis auf BVerwGE 71, 85, 88; 87, 169, 172 f; 100, 56, 59; 112, 351, 353 f). Ein solcher Anspruch kommt im Anwendungsbereich des SGB II in Betracht, wenn vom Hilfebedürftigen nach Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung Arbeiten geleistet worden sind, die sich als rechtsgrundlos erweisen (dazu Urteil des Senats vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; zu Arbeitsgelegenheiten nach § 19 Bundessozialhilfegesetz ≪BSHG≫ bereits BVerwGE 105, 370; Bundesverwaltungsgericht DVBl 2005, 781).
Der Senat kann vorliegend auf Grundlage der Feststellungen des SG nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nach diesen Grundsätzen vorliegen, wie der Kläger meint. Entgegen der Auffassung des SG kann der Hilfebedürftige einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gerichtet auf Wertersatz für eine rechtsgrundlos erbrachte Arbeit nicht lediglich dann beanspruchen, wenn die Eingliederungsvereinbarung bzw ein entsprechender ersetzender Bescheid (vgl § 15 Abs 1 Satz 5 SGB II) an rechtlichen Mängeln leidet (zu einer solchen Konstellation vgl BSG aaO). Dort, wo die Eingliederungsvereinbarung für sich genommen keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Durchführung einer bestimmten Arbeitsgelegenheit darstellt (wovon auch das SG ausgeht), kommt es in der Konsequenz wegen der Prüfung des Rechtsgrundes für die geleistete Arbeit nicht allein auf das Vorliegen einer Eingliederungsvereinbarung, sondern auch auf die (hier im Bescheid vom 4.1.2008 getroffenen) weiteren Regelungen zu der konkret durchgeführten Maßnahme an. Insbesondere wenn eine solche Maßnahme zwar auf eine im öffentlichen Interesse liegende Arbeit im Sinne einer wertschöpfenden, fremdnützigen Tätigkeit gerichtet ist, sich aber nicht als zusätzlich iS des § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II darstellt, kann die erbrachte Arbeit rechtsgrundlos zugewandt sein (zum Ganzen Urteil des Senats aaO). Dabei kann der Senat vorliegend offen lassen, inwieweit ein Hilfebedürftiger sich auf die Rechtswidrigkeit der Maßnahme aus diesem Grund berufen und einen Wertersatz für geleistete Arbeit verlangen kann, wenn er einen entsprechenden Zuweisungsbescheid zunächst nicht angegriffen hat. Ebenso kann nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand offen bleiben, ob ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auch in Fällen in Betracht kommt, in denen sich die Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit aus anderen (zB personenbezogenen) Gründen als rechtswidrig erweist.
Die notwendigen Feststellungen zur Beurteilung der Maßnahme "Aktion 'Saubere Stadt' - Aufsammeln von Müll und Unrat im Stadtgebiet" wird das LSG bei Prüfung des Anfechtungsbegehrens nachzuholen haben. Sollte sich die Maßnahme danach als rechtswidrig erweisen und entsprechende Arbeiten ohne Rechtsgrund erfolgt sein, wird es Feststellungen zum zeitlichen Umfang der Maßnahme (Anzahl der täglichen Stunden), zur ortsüblichen Entlohnung einer entsprechenden Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und schließlich zu den Aufwendungen des Trägers der Grundsicherung zur Sicherung des Lebensunterhalts des Klägers, die einer ggf von ihm erbrachten Arbeitsleistung gegenüberstehen, zu treffen haben, bevor eine abschließende Entscheidung getroffen werden kann.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 2752373 |
FA 2012, 63 |
NDV-RD 2012, 5 |
info-also 2011, 278 |