Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenersatz für Krankenhauspflege
Orientierungssatz
Die Kosten einer Krankenhauspflege können durch die knappschaftliche KV auch dann zu übernehmen sein, wenn zwar eine wirksame Einweisung nicht vorliegt, aber die Aufnahme in das Krankenhaus dringend erforderlich gewesen ist.
Darunter sind solche Fälle zu verstehen, in denen die Einweisung in das Krankenhaus so dringend notwendig war, daß der zuständige Knappschaftsarzt wegen der Ausstellung eines Einweisungsscheines nicht mehr angegangen werden konnte, weil eine Gefahr für Leib oder Leben des Versicherten bestand.
Normenkette
RVO § 184; RKG § 20
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 29.10.1962) |
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 14.12.1961) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 1962 geändert:
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Januar 1956 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 1956 verurteilt, der Klägerin einen neuen Bescheid über ihren Antrag auf Übernahme der Kosten der ambulanten Untersuchung durch Dr. J. am 24. und 25. November 1955 und der ....
Krankenhauspflege im E. Krankenhaus (F.-stift) in Gelsenkirchen-Buer während der Zeit vom 28. November bis zum 1. Dezember 1955 zu erteilen.
Im übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14. Dezember 1961 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin wurde vom 26. August 1955 bis zum 30. September 1955 wegen Herzbeschwerden im M. Gelsenkirchen-Buer stationär behandelt. Bereits einige Tage nach ihrer Entlassung traten abermals Herzbeschwerden auf. Der Knappschaftsarzt der Klägerin, Dr. G, konnte keinen Befund erheben; er wies die Klägerin nicht erneut in ein Krankenhaus ein. Nachdem die Klägerin in der Nacht vom 22. zum 23. November 1955 einen längeren Herzanfall erlitten hatte, begab sie sich als Privatpatientin zu dem leitenden Arzt des E. Krankenhauses (F.-stift) in Gelsenkirchen-Buer, Dr. J, der sie am 24. und 25. November 1955 ambulant untersuchte. Da kein Bett frei war, wurde die Klägerin erst am 28. November in das Krankenhaus aufgenommen und verblieb dort bis zum 30. Dezember 1955. Am 5. Dezember 1955 beschwerte sich die Klägerin bei der Beklagten darüber, daß sie nicht in das Krankenhaus eingewiesen worden sei und meldete sich zu dem Knappschaftsarzt Dr. R um. Diese Ummeldung wurde von der Beklagten genehmigt. Dr. R stellte einen Einweisungsschein aus, der der Krankenhausverwaltung von einem Bekannten der Klägerin überbracht wurde. Später ließ sich Dr. R diesen Einweisungsschein wieder zurückgeben, weil er annahm, daß er nicht der zuständige Knappschaftsarzt sei, da er noch keine Mitteilung über die genehmigte Ummeldung der Klägerin erhalten hatte.
Den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten des Krankenhausaufenthalts lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 20. Januar 1956 ab. Der gegen diesen Bescheid gerichtete Widerspruch der Klägerin wurde von der Widerspruchsstelle der Beklagten durch Bescheid vom 18. Mai 1956 zurückgewiesen.
Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat durch Urteil vom 15. Oktober 1959 diesen Bescheid aufgehoben und hat die Beklagte verurteilt, einen neuen Bescheid zu erteilen. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 23. März 1961 das Urteil des SG aufgehoben und hat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen. Durch Urteil vom 14. Dezember 1961 hat das SG die Klage abgewiesen. Das LSG hat durch Urteil vom 29. Oktober 1962 die Entscheidung des SG abgeändert und hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, der Klägerin einen neuen Bescheid hinsichtlich der Erstattung der durch den Krankenhausaufenthalt vom 23. November bis zum 30. Dezember 1955 entstandenen Kosten unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des LSG zu erteilen. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin könne aus dem von Dr. R ausgestellten Einweisungsschein keine Rechte herleiten. Denn die Klägerin sei in das Krankenhaus ohne knappschaftsärztliche Einweisung aufgenommen worden. Die spätere Vorlage des Einweisungsscheins sei ohne Einfluß auf das Rechtsverhältnis der Klägerin und des Krankenhausträgers geblieben. Der Einweisungsschein sei nämlich von Dr. R zurückverlangt worden, und Dr. J habe zu erkennen gegeben, daß er die Klägerin nicht als Kassenpatientin behandele. Die Klägerin könne auch einen Vertrauensschutz für sich nicht beanspruchen, weil sie um Aufnahme in das Krankenhaus als Privatpatientin gebeten habe und ihr daher bewußt gewesen sei, daß sie als solche aufgenommen worden sei. Von Seiten des Krankenhausträgers oder von Dr. J sei ihr niemals bedeutet worden, daß sie als Kassenpatientin behandelt werde. Allerdings entstehe nach § 15 Abs. 1 Buchstabe d der Krankenordnung der Beklagten auch ohne Einweisung ein Anspruch auf Übernahme der Krankenhauspflege durch die Beklagte, wenn die Aufnahme in das Krankenhaus dringend erforderlich gewesen sei. Ein solcher dringender Fall liege nicht nur dann vor, wenn der objektive (organische) Befund eine unverzügliche Krankenhauseinweisung gebiete - was hier unbedenklich nicht der Fall gewesen sei -, sondern auch dann, wenn dem Versicherten beispielsweise wegen glaubhafter starker subjektiver Beschwerden und seiner geistig-seelischen Gesamtverfassung nicht mehr zuzumuten sei, ohne Betreuung durch entsprechend geschultes Personal zu bleiben. Das müsse vor allem bei alleinstehenden Personen, wie der Klägerin, gelten. Zwar müßten auch hier solche Erscheinungen außer Betracht bleiben, die ausschließlich oder doch weit überwiegend auf dem bei zumutbarer Willensbetätigung unterdrückbaren Begehren beruhten, in das Krankenhaus aufgenommen zu werden. Bei Würdigung aller Umstände könne indes nicht angenommen werden, daß die Klägerin sich von solchen bloßen Begehrensvorstellungen habe leiten lassen. Wie der Bekundung des Dr. J entnommen werden müsse, sei der Zustand der Klägerin in den ersten vier Tagen der Behandlung schlechter gewesen als in der Folgezeit. Dr. J habe auch für wahrscheinlich gehalten, daß Anfälle von Angina Pectoris sich zu diesem Zeitpunkt gebessert haben könnten. Schließlich habe er eingeräumt, daß im Krankenhaus eine bessere psychologische Situation hinsichtlich der Behandlung einer Frau mit solchen Beschwerden denkbar sei, zumal bei Anfällen immer jemand zur Stelle sei. Berücksichtige man dabei noch, daß später von Dr. R ein Wirbelsäulenleiden festgestellt worden ist, das nach entsprechender Behandlung die Herzbeschwerden ebenfalls günstig zu beeinflussen vermochte - möge auch der akute Anlaß für die Aufnahme der Klägerin in die Chirurgische Klinik des Prof. R erst im März 1956 aufgetreten sein -, so verbiete es sich, wunschbedingte Vorstellungen für die subjektiven Beschwerden der Klägerin und ihre geistig-seelische Gesamtverfassung im Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme verantwortlich zu machen. Angesichts der Aussage des Dr. J sei es deshalb durchaus möglich, daß etwa die ersten vier Tage des Krankenhausaufenthaltes dringend erforderlich gewesen seien, um die glaubhaften subjektiven Beschwerden zu mildern und die geistig-seelische Gesamtverfassung zu heben. Die Untersuchung durch Dr. J am 24. und 25. November 1955 und die beruhigende Behandlung seien dringend erforderlich gewesen, um mögliche Gefahren für die Klägerin auszuräumen. Am vierten Tag sei aber ein Zustand erreicht worden, der die allein auf subjektive Momente sich stützende Dringlichkeit, aber auch die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung habe wegfallen lassen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), des § 184 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 20 Reichsknappschaftsgesetz (RKG), des § 30 ihrer Satzung und des § 15 Abs. 1 Buchstabe d ihrer Krankenordnung. Das Berufungsgericht habe ohne eigene Erforschung des Sachverhalts den 23. November 1955 als Aufnahmetag der Klägerin in das E. Krankenhaus F.-stift in Gelsenkirchen angesehen. Bei einer sorgfältigen Aufklärung des Sachverhalts hätte es aber zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die Klägerin zwar am 24. und 25. November 1955 von Dr. J in der Sprechstunde ambulant untersucht worden sei, daß sie aber erst am 28. November 1955 in das Krankenhaus aufgenommen worden sei.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, es habe sich bei der Aufnahme der Klägerin in das Krankenhaus um einen dringenden Fall (Notfall) gehandelt, beruhe auf einem Rechtsirrtum. Die Klägerin sei wegen ihres Herzanfalls vom 22. zum 23. November 1955 erst fünf Tage später, am 28. November 1955, in das Krankenhaus aufgenommen worden. Unter diesen Umständen könne nicht von einem Notfall im Sinne der Krankenordnung gesprochen werden. Die zur Sache gehörten Ärzte hätten zudem bekundet, daß der organische Befund der Klägerin eine stationäre Behandlung nicht als dringlich habe erscheinen lasse. Gewisse subjektive Angstzustände und das dadurch ausgelöste Aufsuchen des Dr. J am 23. November 1955 seien zwar begreiflich. Das könne jedoch nicht für die Krankenhauspflege vom 28. November 1955 an gelten. Aus dem Umstand, daß die stationäre Behandlung um fünf Tage aufgeschoben werden konnte, ergebe sich eindeutig, daß sie nicht dringlich gewesen sei. Im übrigen sei nicht darüber zu entscheiden, ob der Krankenhausaufenthalt der Klägerin notwendig, sondern ob er dringend im Sinne des § 15 der Krankenordnung gewesen sei. Im Regelfall entscheide der Knappschafts-Bezirksarzt über die Einweisung in das Krankenhaus. Die Geschäftsanweisung für die Knappschaftsärzte bevollmächtige diese, für Rechnung der Beklagten die Einweisung zur stationären Behandlung zu verfügen. Voraussetzung sei ein akuter regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, bei dem ambulante ärztliche Behandlung nicht ausreicht und Behandlung mit den medizinischen Mitteln des Krankenhauses geboten ist. Fehle es an dieser Voraussetzung oder sei das Krankenhaus selbständig in Anspruch genommen worden, erlösche die den Knappschaftsärzten erteilte Vollmacht, rechtsverbindliche Kostengarantien im Namen der Beklagten auszustellen. Der Knappschafts-Bezirksarzt Dr. G habe aber die Überweisung der Klägerin in ein Krankenhaus nicht für notwendig gehalten. Ärztlicherseits sei überhaupt nicht die Notwendigkeit stationärer Behandlung bescheinigt worden, so daß ein entsprechender Nachweis fehle. Das LSG habe nur subjektive Empfindungen der Klägerin als Grund für eine dringliche Inanspruchnahme des Krankenhauses berücksichtigt und demgemäß eine viertägige stationäre Behandlung für berechtigt gehalten, wobei es von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14. Dezember 1961 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es sei richtig, daß sie am 24. und 25. November 1955 von Dr. J untersucht und erst am 28. November 1955 in das Krankenhaus aufgenommen worden ist, erst zu diesem Zeitpunkt sei ein Bett freigeworden. Die Beklagte lege den Begriff der Dringlichkeit im Sinne des § 15 der Krankenordnung zu eng aus. Das LSG habe den einzig möglichen Standpunkt vertreten, daß eine Dringlichkeit auch dann gegeben sein könne, wenn nicht gerade ein lebensgefährlicher Zustand vorliege. Die Beklagte wolle dagegen die dringend notwendige Beseitigung unerträglicher Beschwerden jedoch nur berücksichtigen, wenn ein lebensgefährlicher Zustand vorliege.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist nur zum Teil begründet.
Streitig ist, wie im Revisionsverfahren nunmehr klargestellt worden ist, ob der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten der ambulanten Untersuchung durch Dr. J am 24. und 25. November 1955 und der Krankenhauspflege für die Zeit vom 28. November bis zum 30. Dezember 1955 zusteht. Die Beklagte macht zu Recht darauf aufmerksam, daß das Berufungsgericht, das sie verurteilt hat, hinsichtlich der Erstattung der "mit dem Krankenhausaufenthalt vom 23. November bis zum 30. Dezember 1955 zusammenhängenden Kosten" einen neuen Bescheid zu erteilen, von dem nunmehr klargestellten Klageantrag abgewichen ist. Das angefochtene Urteil muß schon aus diesem Grunde richtiggestellt werden.
Im übrigen hat das Berufungsgericht die angefochtenen Bescheide insoweit zu Recht aufgehoben, als sie die Zeit bis zum 1. Dezember 1955 einschließlich betreffen. Insoweit hat die Revision keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Umstände des vorliegenden Falles die Annahme gerechtfertigt erscheinen lassen, daß die Beklagte die Kosten der ambulanten Untersuchung durch Dr. J am 24. und 25. November 1955 und der Krankenhauspflege für die Zeit vom 28. November 1955 bis zum 1. Dezember 1955 einschließlich zu tragen hat. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Beklagten und nach § 13 Abs. 1 der Krankenordnung der Beklagten darf ein Versicherter ein Krankenhaus nur aufsuchen, wenn die Beklagte die Einweisung verfügt hat, und nach § 15 Abs. 1 Buchstabe d der Krankenordnung kann die Beklagte die Übernahme der durch Inanspruchnahme eines Krankenhausaufenthalts ohne Einweisung entstehenden Kosten ablehnen. Nur in dringenden Fällen kann nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung und § 13 Abs. 2 der Krankenordnung das Krankenhaus ohne Einweisung aufgesucht werden. Nach § 15 Abs. 1 Buchstabe d der Krankenordnung kann die Beklagte die Kosten der Inanspruchnahme eines Krankenhauses ohne Einweisung nicht ablehnen, wenn ein dringender Fall vorgelegen hat.
Die Klägerin hat das Evangelische Krankenhaus in Gelsenkirchen-Buer ohne wirksame Einweisung aufgesucht. Der Knappschaftsarzt Dr. G hat keine Einweisung vorgenommen. Der Knappschaftsarzt Dr. R hat zwar einen Einweisungsschein ausgestellt, dieser ist auch der Krankenhausverwaltung übergeben worden, aber Dr. R war zur Einweisung nicht ermächtigt. Es kann dahinstehen, wann Dr. R anstelle des Dr. G der für die Klägerin zuständige Knappschaftsarzt geworden ist und ob er den Einweisungsschein nach der durch die Beklagte genehmigten Ummeldung ausgestellt hat. Denn jedenfalls war er zu der Ausstellung dieses Scheines schon deshalb nicht ermächtigt, weil Knappschaftsärzte zur Einweisung in ein Krankenhaus nur ermächtigt sind, solange das Krankenhaus von dem Patienten noch nicht aufgesucht worden ist. Wird das Krankenhaus von dem Patienten ohne Einweisung aufgesucht, ist zwar eine nachträgliche Einweisung nicht ausgeschlossen. Diese kann aber wirksam nur von der zuständigen Knappschaftszahlstelle vorgenommen werden. Davon sind nicht nur die in Betracht kommenden Krankenhäuser, sondern auch die Knappschaftsärzte durch Rundschreiben der Beklagten unterrichtet worden. Da Dr. R zu einer Einweisung nicht ermächtigt war und die zuständige Knappschaftszahlstelle eine nachträgliche Einweisung nicht vorgenommen hat, ist zwischen der Beklagten und dem E. Krankenhaus Gelsenkirchen-Buer kein entsprechendes Vertragsverhältnis zugunsten der Klägerin zustande gekommen.
Die Klägerin kann auch nicht etwa einen Anspruch daraus herleiten, daß sie auf die von Dr. R vorgenommene - unwirksame - Einweisung vertrauen durfte. Da sie sich als Privatpatientin in das Krankenhaus begeben hat, kann nicht angenommen werden, daß sie dieses früher verlassen hätte, wenn sie gewußt hätte, daß diese Einweisung unwirksam war.
Die Kosten einer Krankenhauspflege können jedoch, wie bereits dargelegt, von der Beklagten ausnahmsweise auch dann übernommen werden, wenn zwar eine wirksame Einweisung nicht vorliegt, aber die Aufnahme in das Krankenhaus dringend erforderlich gewesen ist. Darunter sind solche Fälle zu verstehen, in denen die Einweisung in das Krankenhaus so dringend notwendig war, daß der zuständige Knappschaftsarzt wegen der Ausstellung eines Einweisungsscheines nicht mehr angegangen werden konnte, weil eine Gefahr für Leib oder Leben des Versicherten bestand. Dem ist der Fall gleichzustellen, in welchem der zuständige Knappschaftsarzt die Einweisung abgelehnt hat, der Versicherte sich deshalb an die Beklagte gewandt hat und wegen Gefahr für Leib oder Leben die Entscheidung der Beklagten nicht mehr abgewartet werden konnte.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, für die Zeit bis zum 1. Dezember 1955 einschließlich der vorhergehenden ambulanten Untersuchungen durch Dr. J gegeben. Wenn auch die Aufnahme in das Krankenhaus wegen eines objektiven Herzbefundes nicht dringend notwendig war - denn ein solcher lag nicht vor -, so doch wegen eines Halswirbelscheiben-Nervenreizsyndroms mit schmerzhaften Ausstrahlungen auf das Herz, das später von Prof. R festgestellt und mit Erfolg behandelt worden ist. Das Berufungsgericht hat zwar festgestellt, daß bei der Klägerin kein organischer Befund vorgelegen hat. Damit ist aber, wie sich aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe mit genügender Deutlichkeit ergibt, nur gemeint, daß kein objektiver Herzbefund vorgelegen hat. Denn das Berufungsgericht nimmt in den Gründen seines Urteils auf die Ausführungen des Prof. R Bezug. Prof. R spricht zwar in seinem Gutachten davon, daß dieses Leiden erst im März 1956 aufgetreten sei. Doch ist dem Berufungsgericht zu folgen, wenn es annimmt, daß Prof. R damit nur aussprechen wollte, daß in diesem Zeitpunkt das Leiden erst als solches objektiviert werden konnte; es war also vorher schon latent vorhanden. Wie aus den weiteren Ausführungen dieses Sachverständigen hervorgeht, hat er die schmerzhaften Ausstrahlungen auf das Herz auch schon vorher als vorliegend angesehen. Zu Recht hat das Berufungsgericht auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis daher zu folgen, wenn es wegen dieses Krankheitszustandes die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung und der vorhergehenden ambulanten Untersuchungen annimmt. Der Annahme des Berufungsgerichts, daß die Aufnahme in das Krankenhaus dringend notwendig gewesen ist, ist ebenfalls zuzustimmen. Es war der Klägerin, die in der Nacht vom 23. zum 24. November 1955 einen längeren schweren Anfall gehabt hat, nicht zuzumuten, weitere derartige Schmerzzustände ohne Krankenhausbehandlung auf sich zu nehmen. Da der Knappschaftsarzt Dr. G nicht in der Lage war, diesen Schmerzzustand zu beseitigen, war ihre Aufnahme in ein Krankenhaus dringend erforderlich, ohne daß die Entscheidung der Beklagten über die Einweisung abgewartet werden konnte. Denn diese schmerzhaften Ausstrahlungen auf das Herz, die ambulant, wie sich gezeigt hat, nicht zu beherrschen waren, konnten sich jederzeit wiederholen.
Der Umstand, daß die Klägerin nach der Untersuchung durch Dr. J nicht sofort, sondern erst einige Tage später, in das Krankenhaus aufgenommen worden ist, steht dieser Annahme nicht entgegen, weil auch noch einige Tage später mit der Wiederholung dieser schmerzhaften Anfälle gerechnet werden mußte.
Die Revision der Beklagten hat indessen Erfolg, soweit die angefochtenen Bescheide die Zeit vom 2. bis zum 30. Dezember 1955 betreffen.
Wenn auch die dringende Notwendigkeit der Einweisung der Klägerin in das Krankenhaus vorlag, so ist damit doch nur die fehlende Einweisung selbst ersetzt. Die Dauer des Krankenhausaufenthalts bestimmt der Krankenhausarzt. Das Berufungsgericht hat unangefochten und für das Revisionsgericht nach § 163 SGG daher bindend festgestellt, daß nach Ablauf von vier Tagen ein weiterer Aufenthalt im Krankenhaus nicht mehr notwendig war. Es muß daher angenommen werden, daß Dr. J die Klägerin nach vier Tagen entlassen hätte, wenn sie nicht als Privatpatientin zu ihm gekommen wäre. In solchen Fällen beschränkt sich die Verpflichtung zur Tragung der Kosten auf den Zeitraum, in welchem die Krankenhausbehandlung notwendig gewesen ist. Daher erweisen sich die angefochtenen Bescheide der Beklagten insoweit als rechtmäßig, als sie die Zeit vom 2. bis zum 30. Dezember 1955 betreffen. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts ist daher unter entsprechender Änderung des Urteils des Berufungsgerichts insoweit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen