Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenrente nach § 42 Satz 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) aus der Versicherung des im März 1978 verstorbenen Versicherten Gerhard R.
Die Ehe der Klägerin und des Versicherten wurde 1951 aus dem alleinigen Verschulden des Versicherten geschieden. Dieser zahlte der Klägerin aufgrund eines Vergleiches vom November 1953 bis März 1963 Unterhalt in Höhe von monatlich 40,- DM und aufgrund eines Urteils vom Juni 1963 sodann bis zu seinem Tode von monatlich 75,- DM. Er erhielt zuletzt ein Ruhegehalt nach der Besoldungsgruppe A 12 von monatlich 2.627,16 DM; zur gleichen Zeit bezog die Klägerin ein Altersruhegeld von monatlich 617,- DM.
Die Beklagte zahlt der Beigeladenen Witwenrente. Die Gewährung einer Hinterbliebenenrente an die Klägerin lehnte sie mit der Begründung ab, daß die, Klägerin nicht unterhaltsbedürftig und der gezahlte Unterhaltsbetrag nur geringfügig gewesen sei. Die gegen die Ablehnung gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Zur Begründung seines Urteils. hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, zur Zeit des Todes des Versicherten habe weder der gezahlte Unterhaltsbetrag noch der nach § 58 Ehegesetz (EheG) a.F. zustehende Unterhaltsanspruch 25% des notwendigen Mindestbedarfs der Klägerin (Regelsatz 297,- DM + Miete 231,86 DM ./. Wohngeld 51,- DM = 477,86 DM : 4 = 119,46 DM) erreicht. Der nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessene Unterhalt ergebe sich aus den Verhältnissen zur Zeit der Scheidung sowie den üblichen oder doch voraussehbaren späteren Änderungen; wegen der absehbar gewesenen Einkommenssteigerung sei deshalb auf das Einkommen des Versicherten zur Zeit seines Todes abzustellen. Gemäß der Entscheidung des, Bundessozialgerichts (BSG) in SozR Nr. 16 zu § 1265 RVO betrage der angemessene Unterhalt, der geschiedenen Frau regelmäßig ein Drittel bis ein Viertel des Nettoeinkommens des Mannes. Da der Versicherte noch einem Sohne unterhaltspflichtig gewesen sei, sei für die Klägerin ein Viertel, des letzten Ruhegehaltes des. Versicherten; also ein Betrag von rd. 657,- DM, der angemessene Unterhalt gewesen; ziehe man davon den Betrag ihres Altersruhegeldes ab, so verbleibe lediglich ein. Unterhaltsanspruch von monatlich 10,- DM.
Mit der vom Senat. zugelassenen Revision rügt die Klägerin zunächst eine falsche Anwendung des § 58 Abs. 1 EheG a.F. Die Berechnungsmethode des LSG setze voraus, daß im Zeitpunkt der Scheidung nur der Mann Einkünfte gehabt habe. Das LSG habe die Entscheidung, BSGE 32, 197, übersehen, wonach bei beiderseitigen Einkünften der angemessene Unterhalt in der Regel ein Drittel bis drei Siebentel des Nettogesamteinkommens betrage. Demgemäß errechne sich (gemäß der früheren Zwickauer Formel) bei Ansatz eines Drittels aus den Einkünften des Versicherten und der Klägerin ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Klägerin von 464,39 DM. Verfahre man nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.1977), die in ihrer ersten Alternative den Unterhaltsanspruch auf ein Drittel des Unterschiedsbetrages beider Einkünfte bemesse, so ergebe sich eine Anspruchshöhe von 670,05 DM (nach der zweiten Alternative von 433,86 DM). Im übrigen sei selbst der gezahlte Betrag von 75,- DM nicht geringfügig gewesen, da er 10% ihrer eigenen Rente überstiegen habe.
Die Klägerin beantragt,die Urteile der Vorinstanzen. und den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente zu verurteilen.
Die Beigeladene beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Nach § 42 Satz 1 AVG wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist, nach dem Tode. des Versicherten Hinterbliebenenrente gewehrt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahre vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Ob diese Voraussetzungen in zumindest einer Alternative vorliegen oder ob sie sämtlich fehlen, kann der Senat nach den vom LSG getroffenen, Feststellungen nicht abschließend entscheiden.
Aufgrund des festgestellten Sachverhalts hat das LSG allerdings eine tatsächliche Unterhaltsleistung im Sinne der dritten Alternative dieser Vorschrift zu Recht verneint. Zwar hat der Versicherte der Klägerin im letzten Jahr vor seinem- Tode monatlich 75,- DM gezahlt. Einen Anspruch nach § 42 Satz 1 AVG können aber nur Zahlungen auslösen, die 25% des notwendigen Mindestbedarfs, der geschiedenen Frau erreicht haben (BSGE 40, 79, 81; SozR 2200 § 1265 Nr. 34). Diese Voraussetzung ist, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, hier nicht erfüllt. Für ihre Auffassung, es genüge auch eine Leistung in Höhe mindestens eines Zehntels der sonstigen Einkünfte der früheren Ehefrau, beruft sich die Klägerin, zu Unrecht auf Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 6. Aufl., Anm. 9 zu § 1265 Reichsversicherungsordnung (RVO), weil diese das Erreichen des genannten Zehntels zusätzlich zum Erreichen von 25% des Mindestbedarfs fordern. Davon abgesehen ist aber in der Rechtsprechung des BSG bereits geklärt, daß es auf das Verhältnis des Unterhaltsbetrages zu den sonstigen Einkünften nicht ankommt, die Frage der Geringfügigkeit des Unterhalts vielmehr allein nach dem Verhältnis zum notwendigen Mindestbedarf zu beurteilen ist (SozR, a.a.O.). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Damit kommt auch der von der Klägerin 1963 erlangte Unterhaltstitel nicht als "sonstiger Grund" (vgl. BSGE 209 1) einer Unterhaltsverpflichtung im Sinne der zweiten Alternative des § 42 Satz 1 AVG in Betracht.
Fraglich ist dagegen, wie es sich mit der ersten Alternative des § 42 Satz 1 AVG verhält. Insoweit hat das LSG zu Recht geprüft, ob die Klägerin - ungeachtet des 1963 ergangenen Unterhaltsurteils - zur Zeit des Todes nach der materiellen Rechtslage aufgrund des § 58 Abs. 1 EheG a.F. gegen den Versicherten einen Unterhaltsanspruch in ausreichender Höhe hatte (BSGE 41, 160). Nach dieser Vorschrift hat der schuldig geschiedene Ehemann seiner früheren Frau den nach den Lebensverhältnissen der Weggatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte der Frau aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Hierbei sind mit den Lebensverhältnissen " der Ehegatten" ihre Lebensverhältnisse zur Zeit der Scheidung - also noch während der Ehe - gemeint (SozR Nr. 16 zu § 1265 RVO; BGH, LM § 58 EheG Nr. 8; BGH, NJW 1980, 2083; 1981, 753, 754; BVerfG NJW 1981, 1771, 1773). Diese sind aber erkennbar unterschiedlich je nachdem, ob der Unterhaltsbedarf der Weggatten nur aus einem, Einkommen oder aus beiderseitigen Einkünften bestritten wird (BGH, NJW 1981, 1609, 1611). Dem hat das BSG in seiner Rechtsprechung zum angemessenen Unterhalt auch Rechnung getragen. Die vom LSG herangezogene Entscheidung SozR Nr. 16 zu § 1265 RVO betrifft, worauf schon BSGE 32, 197, 199, hingewiesen hat, nur den ersten Fall; für ihn (nur ein Einkommen) besagt sie, daß dann in der Regel ein Drittel bis ein Viertel des Nettoeinkommens des Mannes zur Zeit der Scheidung als angemessener Unterhalt der Frau anzusetzen ist; dies gilt unberührt davon, ob die Ehefrau nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt und dann ebenfalls Einkünfte erwirbt (BSGE a.a.O.; BGH, NJW 1981, 1609, 1611). Für den zweiten Fall, wenn schon zur Zeit der Scheidung beide Weggatten Einkünfte gehabt haben, ist nach BSGE 32, 197 (sowie SozR Nr. 64 zu § 1265 RVO; BSGE 41, 253, 256; 42, 60, 62f) dagegen als angemessener Unterhalt der geschiedenen Frau in der Regel ein Drittel bis drei Siebentel des Nettogesamteinkommens anzusetzen.
Das LSG hätte deshalb sein Urteil auf die Entscheidung SozR Nr. 16 zu § 1265 RVO nur stützen dürfen, wenn zur Zeit der Scheidung im Jahre 1951 allein der Versicherte Einkünfte erzielt hat. Ob das der Fall war, läßt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen (auch das Vorbringen der Klägerin läßt eine klare Aussage dazu vermissen). Dieser Mangel nötigt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG, weil die fehlende Feststellung entscheidungserheblich sein kann.
Hierbei geht. der, Senat davon aus, daß die Berechnung des Unterhaltsanspruchs mit nur- 40,- DM nicht zu beanstanden ist, falls zur Zeit der Scheidung allein der Versicherte Einkünfte besaß. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hält es dann für naheliegend, den angemessenen Unterhalt der Frau mit einer Quote des. Manneseinkommens zu bemessen und hiervon ein späteres Einkommen der Frau abzuziehen (NJW 1981, 1609, 1611). Bei dem Einkommen des Mannes sind dabei die z.Zt. der Scheidung voraussehbaren Einkommensentwicklungen und die seitdem eingetretenen Veränderungen der allgemeinen, Lohn- und Preisverhältnisse zu berücksichtigen (vgl. SozR Nrn. 16, 47, 62 zu § 1265 RVO; SozR 2200 § 1265 Nrn. 8, 15, 17; ferner BGH, NJW 1979, 1985, 1986). Dazu muß aber, nicht unbedingt erst der zur Zeit der Scheidung angemessene Unterhaltsbetrag errechnet und dann auf die Zeit des Todes "projiziert" werden. Eine solche Projektion kann entfallen, wenn die Einkommensentwicklung des Versicherten im wesentlichen der allgemeinen Entwicklung entsprochen hat, das spätere Einkommen mithin im großen und ganzen noch das eheliche Lebensniveau widerspiegelt. Das trifft in der Regel bei den zwischenzeitlich angepaßten Renten und BesoIdungsbezügen zu. Hiernach durfte das LSG der Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin zur Zeit des Todes des Versicherten, nachdem dieser inzwischen in den Ruhestand getreten war, das nach der Besoldungsgruppe A 12 berechnete Ruhegehalt des Versicherten, zugrunde legen. Der Ansatz eines Viertels hiervon als angemessener Unterhalt hält sich in den von SozR Nr. 16 zu § 1265 RVO gezogenen Grenzen.
Demgegenüber ist anzunehmen, daß das LSG im Falle beiderseitiger Einkünfte zur Zeit der Scheidung einen Unterhaltsanspruch der Klägerin zur Zeit des Todes des Versicherten in einer 119,46 DM übersteigenden Höhe wird feststellen müssen. Wahrscheinlich wird es dann auf seiten der Klägerin ebenfalls ohne eine besondere Projektion von dem zur Zeit des Todes des Versicherten bezogenen Altersruhegeld ausgehen können. Unter diesen Umständen spielt es wohl letztlich keine entscheidende Rolle, ob das LSG den Unterhaltseinspruch für diesen Fall nach den in BSGE 32, 197 aufgestellten Grundsätzen berechnet oder ob es nach der sogenannten Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.1977, NJW 1977, 289, 290) verfahren würde. Die erste Methode zählt beide Nettoeinkünfte zusammen, hält ein Drittel bis drei Siebentel hiervon als Unterhalt der Frau für angemessen und zieht deren eigene Einkünfte davon ab. Die zweite Methode gibt der Frau einen Unterhaltsanspruch in Höhe ca. eines Drittels des Unterschiedsbetrages der Nettoeinkommen (hilfsweise, falls dies günstiger ist, von zwei Fünftel des Manneseinkommens abzüglich des eigenen Einkommens).
Der erkennende Senat hat in BSGE 32, 197, 199 dargelegt, warum er der ersten vor der zweiten Methode den Vorzug gegeben hat. Es hat jedoch den Anschein, als ob der BGH, der erst seit neuerer Zeit eine Rechtsprechung hierzu entwickelt, bei beiderseitigem Einkommen die Berechnung des Unterhaltsanspruchs wie in der Düsseldorfer Tabelle nach einer Quote des Unterschiedsbetrages dieser Einkünfte für richtig hält (BGH, NJW 1979, 1985, 1986; 1980, 1217, 2248; 1981, 753, 754 und 1611). Dabei wird zwar in NJW 1979, 1986 die Entscheidung BSGE 32, 197 erwähnt, ohne daß sich jedoch der BGH näher mit ihr befaßt. Er stellt als Vorzug der sich am Unterschiedsbetrag orientierenden Berechnungsmethode heraus, daß die in der Praxis weitgehend angewandte Düsseldorfer Tabelle jedem mehr als die Hälfte seines Einkommens belasse, damit also den Erwerbsanreiz steigere. Dieser Wirkung entbehrt jedoch auch die in BSGE 32, 197 entwickelte Methode nicht.
Der Senat sieht deshalb noch keinen zwingenden Anlaß seine in BSGE 329 197 entwickelte Berechnungsmethode aufzugeben. Er hält zwar in bürgerlich rechtlichen Vorfragen einen Einklang mit der zivilgerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere der Rechtsprechung des BGH, für wünschenswert. Solange Entscheidungen des BGH fehlten, hat das BSG aus Gründen der Rechtssicherheit und vor allem einer gleichmäßigen Rechtsanwendung bei Hinterbliebenenrenten der vielfach unterschiedlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht folgen können (vgl. SozR Nr. 64 zu § 1265 RVO). Indessen haben auch die neueren Entscheidungen des BGH noch keine einheitlich im ganzen Bundesgebiet geltenden Grundsätze festgelegt; der BGH hat jedenfalls bisher nicht zu erkennen gegeben, daß nach seiner Auffassung allein das Verfahren nach der Düsseldorfer Tabelle dem Gesetz entspricht.
Aus seiner neuen Entscheidung wird das LSG über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzubefinden haben.
Fundstellen
BSGE, 83 |
Breith. 1982, 130 |