Leitsatz (redaktionell)
Ein Erstattungsanspruch setzt in jedem Fall voraus, daß die Leistungen ganz oder teilweise zu Unrecht empfangen worden sind.
Unter Widerrufsvorbehalt bewilligte Rentenvorschüsse können nur dann als zu Unrecht gezahlt zurückgefordert werden, wenn der Widerruf rechtmäßig ausgeübt worden ist, dh wenn es pflichtgemäßem Verwaltungsermessen entsprochen hat, von ihm Gebrauch zu machen. Die in BSG 1958-06-19 11/9 RV 1108/55 = BSGE 7, 226 entwickelten Rechtsgrundsätze sind auf jeden Fall anzuwenden, in dem sich die Versorgungsverwaltung eine endgültige Feststellung in einem späteren Zeitpunkt vorbehalten hat.
Normenkette
KOVVfG § 47 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in München vom 26. Februar 1960 aufgehoben; das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29. April 1955 und der Bescheid des Versorgungsamts R vom 10. Januar 1953 werden abgeändert; der Beklagte wird verurteilt, hinsichtlich der Überzahlung von DM 1.200,- von der Rückforderung abzusehen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger war von 1941 bis 1945 Soldat und beantragte am 27. September 1948 bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Niederbayern-Oberpfalz - Abteilung Körperbeschädigte -, ihm wegen "wiederholender Zwölffingerdarmgeschwüre" Versorgung zu gewähren. Auf Grund der "vorläufigen und unverbindlichen Feststellung der Versehrtenstufe" (Zustand nach Magenresektion, Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - 50 v. H., WDB wahrscheinlich) durch den vertrauensärztlichen Dienst in R wurde dem Kläger mit Benachrichtigung der LVA vom 5. Januar 1949 "unter Vorbehalt eines späteren rechtsmittelfähigen Bescheides" vom 1. Februar 1949 an ein laufender Vorschuß von DM 25,- monatlich widerruflich zuerkannt; die Benachrichtigung enthielt den Hinweis, daß die endgültige Rente und eine Nachzahlung zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt und ausgezahlt würden; für den Fall, daß der Vorschuß zu Unrecht bezahlt worden sei, sei der Kläger zur Rückzahlung verpflichtet; eine etwaige Überzahlung werde aus der laufenden Rente einbehalten werden.
Auf Grund nachträglicher Ermittlungen und Erhebung ärztlicher Unterlagen sowie des Gutachtens des Internisten Dr. M in R vom 19./28. November 1952 stellte das inzwischen zuständig gewordene Versorgungsamt (VersorgA) R mit Benachrichtigung vom 31. Dezember 1952 die Zahlung des bis dahin gezahlten Rentenvorschusses mit Ende Januar 1953 ein, weil die durch das vorläufig anerkannte KB-Leiden bedingte MdE weniger als 30 v. H. betrage; einen endgültigen Bescheid werde der Kläger nach Abschluß der noch erforderlichen Feststellungen erhalten; eine Berufung gegen diese Benachrichtigung sei nicht zulässig, weil es sich nur um eine vorläufige Entscheidung handele. Am 10. Januar 1953 erging sodann der Bescheid nach dem Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) und dem Bundesversorgungsgesetz (BVG); mit ihm wurde - auf den Antrag vom 27. September 1948 - die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Schädigungsfolge abgelehnt, weil es sich bei den bestehenden Gesundheitsstörungen um anlagemäßig bedingte Leiden handele, für die Versorgung nicht gewährt werden könne; die für die Zeit vom 1. Februar 1949 bis 31. Januar 1953 gewährten Rentenvorschüsse, insgesamt DM 1.200,-, seien zu Unrecht gezahlt worden und unterlägen dem Einzug; hierüber werde der Kläger in einem späteren Zeitpunkt weiteren Bescheid erhalten.
Im Berufungsverfahren vor dem Oberversicherungsamt (OVA) - das Verfahren ist nach dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf das Sozialgericht (SG) Regensburg übergegangen - hat der Kläger beantragt, seine Magenerkrankung als Schädigungsfolge im Sinne der richtunggebenden Verschlimmerung anzuerkennen und ihm eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren. Das SG hat die Klage abgewiesen.
Während des Berufungsverfahrens vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG) in München hat der Beklagte mit Bescheid vom 26. September 1955 die von ihm als überzahlt festgestellten DM 1.200,- vom Kläger zurückgefordert, er hat diesen Bescheid jedoch durch den vom 17. September 1959 - vor Abschluß des Berufungsverfahrens - wieder aufgehoben, weil das Rechtsmittelverfahren noch nicht rechtskräftig beendet sei; der Kläger erhalte später weiteren Bescheid.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren vor dem LSG die von ihm geklagten Gesundheitsstörungen nicht mehr weiter geltend gemacht und sein Begehren - in den mündlichen Verhandlungen am 21. Juli 1959 und 26. Februar 1960 - ausdrücklich auf den Rückforderungsanspruch beschränkt; er hat beantragt, das Urteil des SG und den Bescheid vom 10. Januar 1953, "insoweit aufzuheben, als darin ein Betrag von DM 1.200,- zurückgefordert werde". Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Die Tatsache, daß der Beklagte die Überzahlung an den Kläger noch nicht zurückgefordert und diese Überzahlung sowie die Rückzahlungspflicht lediglich festgestellt habe, stehe einer gerichtlichen Entscheidung nicht entgegen; denn auch die Feststellung des Beklagten, daß die Vorschüsse zu Unrecht empfangen seien und zurückerstattet werden müßten, stelle eine Beschwer für den Kläger dar. Bei dem der Bewilligung der Vorschußzahlungen beigefügten Widerrufsvorbehalt habe es sich jedoch, da damals die für die endgültige Feststellung eines etwa bestehenden Rentenanspruchs notwendigen tatsächlichen Feststellungen der Versorgungsbehörde noch nicht abgeschlossen gewesen seien, um einen zulässigen Widerrufsvorbehalt gehandelt; mit seinem Widerruf habe im übrigen das VersorgA nicht die Grenzen seines pflichtmäßigen Ermessens überschritten, zumal es nicht durch eigenes Tun oder Unterlassen das Vertrauen des Klägers dahingehend erweckt habe, ihm stehe die Leistung nach Art und Umfang der Vorschüsse zu. Es könne vorliegend auch nicht die Rede davon sein, daß das auf dem Widerrufsvorbehalt beruhende Recht des Beklagten, die gezahlten Vorschüsse zurückzufordern, durch ein Tun oder Unterlassen verwirkt worden sei. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 26. April 1960 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 3. Mai 1960, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 4. Mai 1960, Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er rügt die Verletzung der §§ 47 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG), 54 Abs. 2 SGG und trägt vor, der Beklagte halte zu Unrecht insoweit an seinem Bescheid vom 10. Januar 1953 fest, als mit diesem festgestellt worden sei, der Betrag von DM 1.200,- (Rentenvorschüsse in der Zeit vom 1. Februar 1949 bis 31. Januar 1953) unterliege der Einziehung. Denn der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Benachrichtigung vom 5. Januar 1949, die die Vorschußzahlungen vom 1. Februar 1949 bis 31. Januar 1953 zum Inhalt gehabt habe, zu widerrufen. Daran ändere nichts, daß der Erlaß der Benachrichtigung - eines unter Widerrufsvorbehalt ergangenen Verwaltungsaktes - zulässig gewesen sei. Entscheidend sei hier, daß die Ausübung des Widerrufsrechts nicht pflichtmäßigem Verwaltungsermessen entsprochen habe und deshalb der Widerruf nicht als rechtmäßig anzusehen sei. Denn auch der vorbehaltene Widerruf gebe der Verwaltungsbehörde nicht das Recht, von ihm nach freiem Belieben Gebrauch zu machen. Die Bewilligung der Vorschußzahlungen sei nach ärztlicher Überprüfung mit Benachrichtigung vom 5. Januar 1949 erfolgt. Die endgültige Entscheidung über den Versorgungsanspruch sei erst mit Bescheid vom 10. Januar 1953 ergangen. Zwischen dem Erlaß beider Verwaltungsakte habe also ein Zeitraum von vier Jahren gelegen, währenddessen er, der Kläger, den Vorschuß laufend erhalten habe. Durch die jahrelange Gewährung des Vorschusses habe bei ihm der Eindruck erweckt werden müssen, daß er Anspruch auf Rente habe und ihm Rente in Höhe des gezahlten Vorschusses zustehe. Die frühere Fehlbeurteilung der Zusammenhangsfrage hinsichtlich des strittigen Versorgungsleidens falle in den ausschließlichen Verantwortungsbereich der Versorgungsverwaltung. Da der medizinische Sachverhalt klar und die Zusammenhangsfrage hier keineswegs problematisch gewesen sei, habe der Beklagte um so mehr darauf bedacht sein müssen, alsbald die endgültige Feststellung zu treffen. Unter diesen Umständen habe der Beklagte nicht erwarten können, daß er, der Kläger, damit rechnen werde, eines Tages eine etwaige, ihm auch nicht annähernd bekannte Überzahlung ausgleichen zu müssen. Das Vertrauen darauf, daß die Benachrichtigung vom 5. Januar 1949 durch die Feststellungen vom 10. Januar 1953 jedenfalls für die Vergangenheit nicht zu seinem Nachteil geändert werde, müsse geschützt werden. Der Rückforderungsanspruch, dessen sich der Beklagte "berühme", wenn er ihn auch zur Zeit nicht geltend mache, stehe diesem deshalb nicht zu.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29. April 1955 abzuändern und
1.) den Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 1953 insoweit aufzuheben, als darin festgestellt wird, daß die für die Zeit vom 1. Februar 1949 bis 31. Januar 1953 "zu Unrecht" gezahlten Rentenvorschüsse im Gesamtbetrage von DM 1.200,- "dem Einzug unterliegen",
2.) hilfsweise,
festzustellen, daß die gezahlten Rentenvorschüsse in Höhe von DM 1.200,- nicht dem Einzug unterliegen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt aus: Die im Schnellverfahren erlassenen Benachrichtigungen, mit denen die Zahlung von Rentenvorschüssen aufgenommen worden sei, seien Verwaltungsakte, die auf Grund des in ihnen enthaltenen Vorbehalts widerrufen werden könnten; ein solcher Widerruf sei auch für die Vergangenheit rechtmäßig, wenn er dem pflichtmäßigen Verwaltungsermessen entspreche. Unter Berücksichtigung aller Umstände im vorliegenden Falle habe die Versorgungsbehörde dieses Verwaltungsermessen nicht fehlerhaft gehandhabt, wenn sie die Erstattungspflicht des Klägers festgestellt habe. Nach Lage der Sache habe dieser während der Zahlung der an ihn damals bewilligten Vorschußzahlungen nicht annehmen können und dürfen, daß die von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen wahrscheinlich auf wehrdienstliche Schädigungen zurückzuführen seien, daß ihm wegen dieser Schäden eine Rente zustehe, und daß die Vorschußleistung der später festzustellenden Rente entspreche. Denn ein Magenleiden habe schon 1933 bestanden, ohne daß der Kläger diese Tatsache in seinem Rentenantrag und in einem späteren Fragebogen (vom 10. April 1951) angegeben habe. In seinem Rentenantrag habe er vielmehr "wiederholende Zwölffingerdarmgeschwüre" als Schädigungsfolge geltend gemacht und die Entstehung dieses Körperschadens in die Zeit nach seiner Einberufung verlegt. Die Bewilligung der Vorschußzahlungen beruhe somit auf dem Verschweigen wesentlicher Tatsachen durch den Kläger und wäre damals unterblieben, wenn die Versorgungsbehörde von diesen wesentlichen Tatsachen Kenntnis gehabt hätte. Der Kläger könne sich deshalb nicht auf einen ihm zustehenden Vertrauensschutz berufen, nachdem er selbst gegen Treu und Glauben verstoßen habe. Die gewährten Vorschüsse seien also zu Unrecht empfangen worden und deshalb, wie im Bescheid vom 13. Januar 1953 (muß heißen 10. Januar 1953) ausgesprochen, einzuziehen. Das LSG habe die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen.
Auf die Schriftsätze des Klägers vom 3. Mai und 10. August 1960 sowie auf den des Beklagten vom 1. Juli 1960 wird verwiesen.
Die Beteiligten haben sich gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist vom Kläger form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist daher zulässig.
Die Revision ist auch begründet.
Das LSG hat die - vom SG nicht ausdrücklich nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassene - Berufung des Klägers gegen das Urteil vom 29. April 1955 mit Recht als zulässig angesehen, da Berufungsausschließungsgründe im Sinne der §§ 144 ff SGG nicht vorlagen; insbesondere waren Gegenstand des Urteils des SG weder eine "Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume" im Sinne des § 148 Nr. 2 SGG aF noch ein Anspruch auf eine "einmalige Leistung", wie sie im § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG aF vorausgesetzt ist (vgl. BSG 3, 234, 236). Die Statthaftigkeit der Berufung - ohne Zulassung - kann deshalb nicht zweifelhaft sein.
Der Kläger hat, wie bereits dargelegt, in den mündlichen Verhandlungen vor dem LSG am 21. Juli 1959 und 26. Februar 1960 sein Klagebegehren auf die Frage der Rückforderung beschränkt und dabei ausdrücklich erklärt, daß ein Magen- und Gallenleiden als Schädigungsfolge nicht mehr geltend gemacht werde. Angefochten und damit im Streit stehend ist danach nur die im Bescheid vom 10. Januar 1953 festgestellte Erstattungspflicht des Klägers hinsichtlich der an ihn geleisteten Vorschußzahlungen vom 1. Februar 1949 bis 31. Januar 1953 in Höhe von DM 1.200,-. Dabei ist die Auffassung des Berufungsgerichts rechtlich nicht zu beanstanden, daß der die Erstattungspflicht des Klägers regelnde Teil des Bescheides vom 10. Januar 1953 für ihn eine das gerichtliche Verfahren rechtfertigende Beschwer darstellt, auch wenn die Versorgungsbehörde die von ihr festgestellten, als zu Unrecht geleisteten Vorschußzahlungen noch nicht zurückgefordert hat. Denn die Feststellung der Erstattungspflicht hätte, wenn sie ohne Anfechtung bindend würde bzw. bindend geworden wäre (§ 77 SGG), zur Folge, daß die Berechtigung des Beklagten zur Geltendmachung der Rückforderung grundsätzlich nicht mehr bestritten werden könnte.
Das LSG ist der Auffassung, daß der Widerrufsvorbehalt in der Benachrichtigung vom 5. Januar 1949 zulässig gewesen ist und der Kläger die Vorschüsse ohne den Rechtsgrund der Rentenberechtigung, also die Leistungen des Beklagten im Sinne des § 47 VerwVG zu Unrecht erhalten hat; der Erstattungsanspruch sei deshalb begründet, zumal er auch nicht verwirkt worden sei.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die mit Bescheid vom 10. Januar 1953 festgestellte Erstattungspflicht des Klägers - ein Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung - in § 47 VerwVG eine unmittelbare Rechtsgrundlage findet (vgl. BSG 3, 234, 237 ff; 6, 11, 15 f; 11, 44, 46 f), oder ob die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts, nach anderen Grundsätzen oder nach entsprechend anzuwendenden Vorschriften über die Erstattung zu Unrecht gezahlter öffentlich-rechtlicher Leistungen beurteilt werden muß. Denn in jedem Falle setzt ein Erstattungsanspruch voraus, daß die Leistungen ganz oder teilweise zu Unrecht empfangen worden sind.
Das LSG meint, der Kläger habe die Rentenvorschüsse in Höhe von DM 1.200,- zu Unrecht empfangen, weil das VersorgA mit dem Bescheid vom 10. Januar 1953 die für die Zahlungen (in der Zeit vom 1. Februar 1949 bis 31. Januar 1953) maßgebende Benachrichtigung vom 5. Januar 1949 habe widerrufen dürfen. Es hat dabei aber die für den vorbehaltenen Widerruf von Verwaltungsakten geltenden Rechtsgrundsätze verkannt, wie sie wiederholt in der Rechtsprechung des BSG und insbesondere auch in der - im übrigen auch vom LSG angeführten - Entscheidung vom 19. Juni 1958 (BSG 7, 226 f) dargelegt worden sind.
Die "Benachrichtigung", mit der dem Kläger vorbehaltlich der endgültigen Feststellung laufende Vorschüsse auf seine Versorgungsbezüge bewilligt worden sind, ist ein mit dem Vorbehalt des Widerrufs versehener Verwaltungsakt. Dagegen, daß die Versorgungsbehörde einen solchen Verwaltungsakt erlassen durfte, bestehen im vorliegenden Falle keine Bedenken, zumal im Zeitpunkt des Erlasses noch keine Möglichkeit bestand, eine Rente endgültig festzustellen. Der erklärte Vorbehalt, die endgültige Rentenfeststellung - auch für die zurückliegende Zeit - zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen, bedeutete, daß erst zu diesem späteren Zeitpunkt ermittelt werden sollte, ob und wieviel Rente das VersorgA zuviel oder zuwenig gezahlt habe. Der in der "Benachrichtigung" liegende Verwaltungsakt ist also von Anfang an rechtmäßig gewesen und später auch nicht dadurch rechtswidrig geworden, daß durch den Bescheid vom 10. Januar 1953 der Anspruch auf Rente abgelehnt worden ist, weil in jenem Verwaltungsakt die Bewilligung von Vorschüssen, aber nicht die Feststellung der Rente geregelt war (vgl. BSG 7, 226, 228, 229), die sich die Verwaltung gerade vorbehalten hatte.
Aber auch der vorbehaltene Widerruf gibt der Verwaltungsbehörde nicht das Recht, von ihm nach freiem Belieben Gebrauch zu machen; ebensowenig findet die Rechtmäßigkeit des Widerrufs lediglich am Willkürverbot ihre Grenze, denn auch ein unter dem Widerrufsvorbehalt stehender begünstigender Verwaltungsakt ist dazu bestimmt, Rechte und Rechtslagen des Betroffenen zu schützen. Der Widerruf, der sich auf einen Vorbehalt stützt, kann deshalb nur dann als rechtmäßig angesehen werden, wenn es pflichtmäßigem Verwaltungsermessen entsprochen hat, von ihm Gebrauch zu machen (BSG 7, 226, 229). Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist stets nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen; dabei sind im allgemeinen dem Ermessensspielraum umso engere Grenzen gezogen, je länger die Verwaltungsbehörde den mit einem Widerrufsvorbehalt versehenen Verwaltungsakt hat bestehen lassen. Wenn das LSG nun in seinem Urteil ausführt, der vorliegende Fall sei mit dem vom 11. Senat des BSG entschiedenen (BSG 7, 226 ff) nicht vergleichbar, weil sich der hier zu beurteilende Sachverhalt "ganz wesentlich von dem unterscheide", über den das BSG damals zu befinden gehabt habe, so kann dem nicht gefolgt werden. Zwar handelte es sich bei der Entscheidung in BSG 7, 226 ff nicht wie hier um die endgültige Feststellung des Anspruchs selbst, sondern um die endgültige Feststellung des Grades der MdE und der Höhe der Rente; die aus diesem Anlaß für die Ausübung des Widerrufsvorbehalts aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht entwickelten Rechtsgrundsätze haben jedoch unabhängig von diesem Einzelfall auch allgemeine Bedeutung. Die Entscheidung bietet jedenfalls keinen Anhalt dafür, daß diese Rechtsgrundsätze nur gelten sollen, wenn sich bei der endgültigen Feststellung die Höhe der Rente ändert. Sie sind vielmehr auf jeden Fall anzuwenden, in dem die Versorgungsverwaltung sich eine endgültige Feststellung in einem späteren Zeitpunkt vorbehalten hat. Diese Feststellung umfaßt daher auch die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Rente, sie betrifft nicht nur die von dem Grad der MdE abhängige Höhe der Rente, sondern den Anspruch selbst und kann auch in dessen Ablehnung bestehen. Daher muß auch im vorliegenden Falle, in dem die endgültige Feststellung der Versorgungsansprüche vorbehalten war, die Rechtmäßigkeit des in Ausübung des Vorbehalts ergangenen Widerrufs nach den erwähnten Grundsätzen beurteilt werden. Danach hat aber der Widerruf im vorliegenden Falle nicht dem pflichtmäßigen Ermessen der Verwaltung entsprochen.
Das LSG hat unangegriffen und damit bindend für das Revisionsgericht (§ 163 SGG) festgestellt, daß das VersorgA erst mit Bescheid vom 10. Januar 1953 endgültig über den vom Kläger bereits im September 1948 geltend gemachten Versorgungsanspruch entschieden und die Gewährung von Versorgungsbezügen abgelehnt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger laufend Vorschüsse erhalten. Dieser jahrelange Bezug der Zahlungen mußte bei ihm ohne weiteres den Eindruck erwecken, daß er einen Anspruch auf Rente habe. Je länger sich deshalb - aus welchen Gründen auch immer - die Zahlung der monatlichen Vorschüsse auf die Rente hingezogen hat, um so mehr hätte sich die Versorgungsverwaltung darum kümmern müssen, die Rente endgültig festzustellen, und um so weniger durfte sie erwarten, daß der Kläger damit rechne, eines Tages eine etwaige, ihm auch nicht annähernd bekannte Überzahlung ausgleichen zu müssen. In einem solchen Falle muß das Vertrauen des Klägers darauf geschützt werden, daß der ihm erteilte vorläufige Bescheid durch die endgültige Rentenfeststellung vom 10. Januar 1953 jedenfalls für die Vergangenheit nicht zu seinem Nachteil geändert werde. Wenn der Beklagte nunmehr trotzdem den in der Benachrichtigung vom 5. Januar 1949 liegenden begünstigenden Verwaltungsakt widerrufen hat, so entspricht dieser Widerruf - trotz des Vorbehalts - nicht mehr dem pflichtmäßigen Ermessen und ist deshalb rechtswidrig.
Wie bereits dargelegt, trägt der Beklagte jetzt im Revisionsverfahren dazu vor, der Kläger könne sich nicht auf einen ihm zustehenden Vertrauensschutz berufen, nachdem er durch das Verschweigen wesentlicher Tatsachen bei der Antragstellung und auch noch in einem späteren Fragebogen (er habe verschwiegen, daß schon im Jahre 1933 ein Magenleiden bei ihm bestanden habe) selbst gegen Treu und Glauben verstoßen habe. Aus diesem Grunde habe er auch nicht annehmen können und dürfen, daß die von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen wahrscheinlich auf wehrdienstliche Schädigungen zurückzuführen seien, daß ihm deswegen eine Rente zustehe, und daß die Vorschußleistung der später festzustellenden Rente entspreche. Bei diesem Vorbringen läßt der Beklagte unbeachtet, daß Feststellungen des Berufungsgerichts zu diesen Fragen nicht vorliegen; es hat solche weder getroffen noch hat es überhaupt Anlaß gehabt, sie zu treffen. Denn der Beklagte hat bis zum Abschluß des Berufungsverfahrens ein gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten des Klägers nicht geltend gemacht; in seinem Schriftsatz an das Berufungsgericht vom 6. Dezember 1957 hat er sogar ausdrücklich ausgeführt, daß der Kläger ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden treffe oder nicht, zur Rückerstattung der Überzahlung verpflichtet sei. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, fehlende tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts durch eigene Feststellungen zu ersetzen, besonders dann nicht, wenn wie vorliegend die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht angegriffen und in bezug auf fehlende Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind.
Nach alledem hat der Kläger die ihm bis zum 31. Januar 1953 gezahlten Vorschüsse in Höhe von 1.200,- DM nicht zu Unrecht empfangen, so daß der Beklagte von seiner Rückforderung Abstand nehmen muß. Aus den dargelegten Gründen ist die Revision des Klägers somit begründet; das angefochtene Urteil des LSG war deshalb aufzuheben und wie geschehen zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen