Leitsatz (amtlich)
Die Rücknahme der Anerkennung einer Schädigungsfolge und die Entziehung der Versorgungsrente sind auch dann zulässig, wenn nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob entweder eine Änderung der Verhältnisse iS des BVG § 62 vorliegt oder ob der frühere Bescheid in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unrichtig iS des KOV-VfG § 41 gewesen ist, wenn aber feststeht, daß nur die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der einen oder der anderen Vorschrift vorliegen können (Wahlfeststellung). In einem solchen Falle müssen allerdings die Rechtsfolgen nach der für den Versorgungsberechtigten günstigeren Vorschrift des BVG § 62, also mit Ablauf des auf die Zustellung des Wahlfeststellungsbescheides folgenden Monats, ausgesprochen werden.
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem "Wahlfeststellungsbescheid" werden einem anderen bereits ergangenen Bescheid keine neuen rechtlichen Gründe nachgeschoben, vielmehr wird in dem "Wahlfeststellungsbescheid" die ausgesprochene Rechtsfolge von vornherein auf zwei Vorschriften gestützt, die beide die betreffende Rechtsfolge rechtfertigen, wobei lediglich nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt werden kann, ob die Tatbestandsmerkmale der einen oder der anderen Vorschrift gegeben sind . Es kommt daher im Gegensatz zum Nachschieben von Gründen für einen bereits angefochten Verwaltungsakt bei einem "Wahlfeststellungsbescheid" nicht darauf an, ob die Tatbestandsmerkmale der allein in Betracht kommenden Vorschriften einen unterschiedlichen Sachverhalt voraussetzen.
Normenkette
BVG § 1 Fassung: 1950-12-20, § 62 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20; KOVVfG § 41 Fassung: 1955-05-02
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Juni 1964 wird zurückgewiesen, soweit er begehrt, die "Lähmung des Speichennerven links nach Schulterdurchschuß" weiterhin als Schädigungsfolge anzuerkennen.
2. Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts vom 24. Juni 1964 und des Sozialgerichts vom 28. November 1958 sowie die Bescheide vom 23. März 1957, 29. Juni 1957 und 29. Februar 1960 abgeändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger über den 30. April 1957 hinaus bis zum 30. April 1960 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 v. H. weiterzuzahlen.
3. Im übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Juni 1964 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
4. Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Dem am 11. Februar 1923 geborenen Kläger wurden im Januar 1943 der linke Oberarm und die linke Schulter durchschossen; er wurde ferner durch Granatsplitter an den Beinen verwundet. Während seines Wehrdienstes zog er sich außerdem Erfrierungen an beiden Füßen zu. Nach dem Befund des Reservelazaretts Eickelborn vom 6. Dezember 1944 handelte es sich um eine vorwiegend psychogene Lähmung der linken Hand mit Bewegungseinschränkungen nach allen Richtungen und eine psychogene Analgesie im ganzen linken Arm. Die Ärzte des Lazaretts konnten jedoch nicht entscheiden, ob sich unter der Menge von psychogenen Bewegungsstörungen noch eine Radialislähmung verbarg. In dem Dienstunfähigkeitszeugnis vom 5. Dezember 1944 wurde angenommen, daß es sich bei dem Kläger um Bewegungseinschränkungen im linken Schultergelenk, Lähmung des Speichennerven links, Schwäche des linken Armes, Narben, Verkrüppelung des Nagelgliedes der ersten Zehe rechts und Durchblutungsstörungen beider Füße handelt. Daraufhin wurde der Kläger am 8. Dezember 1944 aus der Wehrmacht entlassen. Mit Bescheid vom 24. Februar 1945 erkannte das Versorgungsamt (VersorgA) S "Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks, Lähmung des Speichennerven links, Verkrüppelung des Nagelgliedes der ersten Zehe rechts, Durchblutungsstörungen beider Füße nach Erfrierung" als Körperschaden nach dem Einsatzfürsorge- und -versorgungsgesetz an und bewilligte dem Kläger Rente nach der Versehrtenstufe II. Die anerkannten Gesundheitsstörungen wurden durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt Westfalen vom 3. Oktober 1947 unverändert nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 übernommen und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 50 v. H. festgesetzt. In den versorgungsärztlichen Gutachten vom 6. Dezember 1950 und 13. Februar 1951 wurde neben den anderen Schädigungsfolgen weiterhin eine Lähmung des Speichennerven links angenommen. Mit Bescheid des VersorgA Soest vom 24. Mai 1952 wurde dem Kläger auch nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) Versorgung nach einer MdE um 50 v. H. gewährt und die Schädigungsfolgen dahin gefaßt: "Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk, Lähmung des Speichennerven links nach Schulterdurchschuß, Narben in rechter Leistenbeuge und linkem Unterschenkel nach Granatsplitterverletzung, Verkrüppelung des Nagelgliedes der rechten Großzehe."
Bei einer Nachuntersuchung am 1. Dezember 1956 kam Dr. B zu der Beurteilung, es stehe nach dem Befund fest, daß die Schußverletzung zu einem Oberarmschußbruch mit einer psychogenen Lähmung des linken Armes und der linken Hand geführt habe. Sollte früher tatsächlich eine Radialisparese bestanden haben, so habe sich diese völlig zurückgebildet und lediglich zu einer psychogenen Lähmung des linken Armes geführt. Die MdE auf neurologischem Fachgebiet betrage daher nur noch 20 v. H. Der Versorgungsarzt Dr. O hielt auf Grund des Gutachtens von Dr. B eine wesentliche Besserung insoweit für gegeben, als die früher anerkannte Lähmung des Speichennerven links jetzt nicht mehr bestehe. Die vom Kläger demonstrierten Bewegungseinschränkungen in sämtlichen Gelenken des linken Armes seien psychogener Natur. Dr. O schätzte die MdE auf 15 v. H. Mit Bescheid vom 23. März 1957 erkannte das VersorgA nur noch "Verkrüppelung des Nagelgliedes der rechten Großzehe, Narben in der rechten Leistenbeuge und am linken Unterschenkel nach Granatsplitterverletzung" als Schädigungsfolgen an und entzog nach § 62 BVG die Versorgungsrente mit Wirkung vom 1. Mai 1957, weil die MdE für die anerkannt gebliebenen Schädigungsfolgen 25 v. H. nicht mehr erreiche. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts - LVersorgA - Westfalen vom 29. Juni 1957).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) ein Gutachten des Chefarztes Dr. K vom Evangelischen Krankenhaus B in I vom 15. Januar 1958 beigezogen. Der Sachverständige hat ausgeführt, daß die vom Kläger gezeigte Funktionsminderung des linken Armes keine Folge einer Lähmung des linken Speichennerven, sondern psychogener Natur sei. Dem Ergebnis der elektrischen Untersuchung, die normal ausgefallen sei, komme insoweit volle Beweiskraft zu. Bei einer seit 15 Jahren bestehenden Lähmung des linken Speichennerven wäre auch eine hochgradige Verschmächtigung zumindest der vom Speichennerv versorgten Muskulatur nachzuweisen. Die vom Kläger demonstrierte Lähmung des linken Speichennerven mit Versteifung des linken Schultergelenks und Streckhemmung im linken Ellenbogengelenk sei als Folge der Verwundung am 8. Januar 1943 nicht zu objektivieren. Bereits im Jahre 1944 und im Jahre 1956 sei die psychogene Lähmung fachärztlich nachgewiesen worden. Die noch vorhandenen Schädigungsfolgen verursachten eine MdE von weniger als 20 v. H.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 28. November 1958 hat der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten erklärt, es habe bei ihm nach der Schädigung überhaupt keine Radialislähmung, sondern nur eine psychogene Bewegungsstörung vorgelegen. Auch heute liege nach den zutreffenden Gutachten der Dres. B und K eine Radialislähmung nicht vor. Da somit gegenüber den Befunden, die der bisherigen Bewertung zugrunde gelegen hätten, eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei, seien die Voraussetzungen des § 62 BVG nicht gegeben. Durch Urteil vom 28. November 1958 hat das SG Dortmund die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, daß bei der Entlassungsuntersuchung des Klägers am 5. Dezember 1944 zu Recht das Vorliegen einer Radialislähmung festgestellt worden sei und der Kläger damals richtige Angaben über seinen Gesundheitszustand gemacht habe. Demgegenüber erscheine seine jetzige Behauptung, daß seinerzeit nur eine psychogene Lähmung vorgelegen habe, nicht glaubwürdig, weil er sonst die damalige Erklärung in betrügerischer Absicht abgegeben haben würde. Da die Sachverständigen eine Ausheilung dieser Schädigungsfolge festgestellt hätten, seien die Voraussetzungen des § 62 BVG erfüllt.
Während des Berufungsverfahrens hat das VersorgA Soest im Anschluß an den angefochtenen Bescheid vom 23. März 1957 den "Wahlfeststellungsbescheid" vom 29. Februar 1960 erlassen und mit Zustimmung des LVersorgA Westfalen den Bescheid vom 23. März 1957, der auf § 62 BVG gestützt ist, nunmehr auch mit § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) begründet. Es hat die Bescheide vom 3. Oktober 1947 und 24. Mai 1952 geändert, weil eine Lähmung des Speichennerven links nach Schulterdurchschuß nicht vorgelegen und die MdE ab 1. Oktober 1950 unter 25 v. H. betragen habe. Die zu Unrecht gezahlten Versorgungsbezüge hat das VersorgA nicht zurückgefordert. Zur Begründung des Bescheides hat es ausgeführt, schon bei der neurologischen Fachuntersuchung im Reservelazarett E vom 6. Dezember 1944 sei festgestellt worden, daß es sich um eine vorwiegend psychogene Lähmung der linken Hand mit Bewegungseinschränkung nach allen Richtungen und psychogener Analgesie im ganzen linken Arm handle. Allerdings habe sich damals nicht genau feststellen lassen, inwieweit bei den verschiedenen psychogenen Bewegungsstörungen noch eine organische Lähmung des Speichennerven links vorhanden war. Auch nach den Gutachten vom 1. Dezember 1956 und 15. Januar 1958 liege keine organische Lähmung des Speichennerven, sondern eine psychogene Lähmung des linken Armes vor. Ob insoweit eine Besserung, also eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 BVG eingetreten ist oder ob die Anerkennung der Gesundheitsstörung "Lähmung des Speichennerven links" auf einer Fehldiagnose beruhte und der Bescheid vom 24. Mai 1952 im Zeitpunkt seines Erlasses unrichtig war, lasse sich nicht sicher feststellen. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, daß eine organisch bedingte Lähmung des Speichennerven links nicht vorliege. Es könne somit dahingestellt bleiben, welcher gesetzliche Tatbestand erfüllt sei. Der Bescheid vom 23. März 1957, der sich lediglich auf § 62 BVG stütze, werde daher nachträglich auch auf § 41 VerwVG gestützt. Dieser Bescheid werde in seinem Wesen und in seinem Ausspruch durch das Nachschieben eines anderen Rechtsgrundes nicht wesentlich verändert, so daß die Rente auch unter den Voraussetzungen des § 41 VerwVG mit Wirkung vom 1. Mai 1957 an einzustellen gewesen wäre.
Durch Urteil vom 24. Juni 1964 hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Dortmund vom 28. November 1958 und seine Klage gegen den Bescheid des VersorgA Soest vom 29. Februar 1960 zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen.
Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß es sich bei dem Bescheid vom 29. Februar 1960 nicht um einen nachgeschobenen selbständigen Berichtigungsbescheid, sondern um einen echten einheitlichen "Wahlfeststellungsbescheid" mit der Aberkennung einer Schädigungsfolge aus wahlweisem Grunde handle. Eine derartige Wahlfeststellung sei zulässig. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe unter bestimmten Einschränkungen eine Wahlfeststellung bejaht (BGHZ 14, 363) und auch das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Entscheidung vom 30. August 1960 (BSG 13, 51) eine Verurteilung aus wahlweisem Haftungsgrund für zulässig erachtet. Es sei nicht einzusehen, warum anderseits ein Leiden allein deshalb weiterhin als Schädigungsfolge anerkannt bleiben und eine Rente weitergewährt werden müsse, weil nicht mehr feststellbar sei, welcher von den mehreren allein in Frage kommenden und sämtlich einen Rentenentzug rechtfertigenden Geschehensabläufen tatsächlich stattgefunden hat, obwohl zur Überzeugung des Gerichts feststehe, daß ein Zustand vorliege, der die weitere Anerkennung eines Leidens verbiete und die Einstellung einer Versorgungsrente rechtfertige. Es sei daher nicht erforderlich, daß sowohl der Tatbestand des § 41 VerwVG als auch der des § 62 BVG für sich allein gesehen vorliegen müsse. Wesentlich sei vielmehr, daß der gegenwärtig feststellbare Zustand entweder unter den einen oder den anderen Tatbestand subsumiert werden könne und eine andere Entscheidung nicht denkbar sei. In medizinischer Hinsicht sei nach den eindeutigen fachärztlichen Feststellungen beim Kläger eine organische Nervenschädigung des linken Armes nicht mehr vorhanden. Ausgehend von dieser Feststellung seien zwei Verlaufsformen der "Lähmung" denkbar; entweder habe 1944 bei der Anerkennung dieser Erscheinungen und später eine organisch bedingte Lähmung überhaupt nicht vorgelegen oder es habe damals tatsächlich eine echte Lähmung bestanden, die nach dem Jahre 1952 abgeheilt sei und vom Kläger auf Grund einer seelischen Fehlhaltung bis heute nur demonstriert werde. Sofern bei der Anerkennung des Leidens eine echte Lähmung in Wirklichkeit nicht bestanden habe, seien die die Anerkennung als WDB aussprechenden Bescheide bei ihrem Erlaß zweifellos tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen; denn schon damals seien psychogene Reaktionsweise und Neurosen nicht ursächlich mit einem Unfallgeschehen oder einem versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand verbunden gewesen. Habe seinerzeit jedoch eine echte Lähmung bestanden, so müsse folgerichtig angenommen werden, daß sie inzwischen abgeheilt sei, weil sie heute eindeutig nicht mehr nachweisbar sei. Dann sei die Versorgungsverwaltung berechtigt, die Rente wegen einer wesentlichen Besserung der Verhältnisse nach § 62 BVG zu entziehen. Eine für den Kläger günstigere Entscheidung lasse sich bei diesem Sachverhalt auch aus dem Urteil des BSG vom 28. Juli 1959 (BSG 10, 209) nicht herleiten. Da die weiterhin anzuerkennenden Schädigungsfolgen keine MdE im rentenberechtigenden Grade mehr bedingten, sei die Rentenentziehung und Aberkennung der linksseitigen Speichennervenlähmung nicht zu beanstanden.
Gegen dieses am 13. August 1964 zugestellte Urteil des LSG hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18. August 1964, eingegangen beim BSG am 19. August 1964, Revision eingelegt und beantragt,
das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Dortmund vom 28. August 1958 und die Bescheide des Beklagten vom 23. März 1957, 29. Juni 1957 und 29. Februar 1960 aufzuheben.
Nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 13. November 1964 hat der Kläger die Revision mit Schriftsatz vom 10. November 1964, auf den Bezug genommen wird, begründet. Er hält den Erlaß eines alternativ auf die §§ 62 BVG, 41 VerwVG gestützten "Wahlfeststellungsbescheides" nicht für zulässig. Er trägt hierzu insbesondere vor, bindend gewordene Bescheide könnten von der Versorgungsverwaltung nur ganz oder teilweise zurückgenommen werden, wenn sie nach ihrem Erlaß fehlerhaft geworden oder schon im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig gewesen sind, soweit die Voraussetzungen der §§ 62 BVG und 41 VerwVG vorliegen. Lasse sich, wie im vorliegenden Falle, nicht nachweisen, ob die Voraussetzungen dieser Vorschriften gegeben sind, dann sei die Rücknahme der früheren, von Anfang an unrichtig gewesenen oder nachträglich unrichtig gewordenen Bescheide ausgeschlossen, weil dem in § 77 des Sozialgerichtsgesetzes zum Ausdruck gekommenen Grundsatz der Rechtssicherheit der Vorrang gegenüber der materiellen Gerechtigkeit gebühre. Das habe das Berufungsgericht verkannt, wenn es sich auch für den Fall der Rücknahme der bindend gewordenen rechtswidrigen Bescheide unter Berufung auf BSG 13, 51 für die Zulässigkeit einer sogenannten Wahlfeststellung ausspreche. In dem vom BSG entschiedenen Falle handle es sich um die Zubilligung eines Versorgungsanspruchs aus wahlweisem Haftungsgrund, hier dagegen um die nur unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen zulässige Beseitigung der Bindungswirkung begünstigender Verwaltungsakte. Da sich die Tatbestände des § 62 BVG und des § 41 VerwVG ausschlössen, das Berufungsgericht anderseits aber nicht feststellen könne, ob der Tatbestand der einen oder der anderen Vorschrift gegeben ist, bilde eine "Wahlfeststellung" der vorliegenden Art keine Rechtsgrundlage für die Rücknahme der früheren bindend gewordenen Bescheide. Im übrigen erscheine es im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Problem der Anerkennung psychogener Reaktionen als Schädigungsfolge nach Verwundung (BSG in SozR SGG § 162 Nr. 174 und SozR BVG § 1 Nr. 67) durchaus zweifelhaft, ob die früheren Bescheide, soweit darin "Lähmung des Speichennerven links" als Schädigungsfolge mit entsprechender Berentung anerkannt war, auch rechtlich zweifellos unrichtig waren, so daß sie nicht nach § 41 VerwVG zurückgenommen werden könnten. Wenn das Berufungsgericht den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Schußverletzung und der psychogenen Lähmung deshalb verneine, weil "schon damals psychogene Reaktionsweise und Neurosen nicht ursächlich mit einem Unfallgeschehen oder einem versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand verbunden gewesen sind", so habe es sich offenbar von dem irrigen Gesichtspunkt leiten lassen, daß schädigende Einwirkungen des Wehrdienstes, die keinen organischen Befund hinterlassen haben, nicht eine wesentliche Bedingung für ein neurotisches Zustandsbild sein könnten. Es habe insoweit die versorgungsrechtliche Kausalitätsnorm verkannt und wegen dieses Rechtsirrtums auch zu Unrecht die unzweifelhafte rechtliche Unrichtigkeit der aufgehobenen Bescheide i. S. des § 41 VerwVG angenommen. Die Voraussetzungen des § 62 BVG und des § 41 VerwVG seien somit nicht gegeben.
In seinem Schriftsatz vom 3. März 1965 nimmt der Kläger auf die Urteile des erkennenden Senats vom 24. Oktober 1962 - 10 RV 383/60 - und vom 11. Dezember 1964 - 10 RV 991/62 - Bezug und trägt vor, daß diese Urteile, die sich allerdings mit der Zulässigkeit des Nachschiebens von Gründen befassen, in ihren Grundsätzen auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden seien. Wie bei Urteilen, müsse auch bei Verwaltungsakten ein Sachverhalt festgelegt sein, von dem aus die Rechtsfolgen zu beurteilen sind. Die Festlegung des Sachverhalts müsse schon im Interesse der Rechtssicherheit gefordert werden, die nicht die Unterstellung unterschiedlicher oder widersprechender Tatsachen dulde, sofern davon unterschiedliche Rechtsfolgen abhängen. Bei der Unterstellung unterschiedlicher Sachverhalte könne auch, sofern ein Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist, gar nicht beurteilt werden, zu welchem Sachverhalt die Rechtsfolge ausgesprochen und verbindlich geworden ist.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision als unbegründet; er ist der Auffassung, daß das Berufungsurteil nicht zu beanstanden sei. Wenn es zulässig sei, die Gewährung von Versorgung auf alternative Haftungsgründe wahlweise zu stützen, so sei nicht einzusehen, warum nicht auch die Entziehung von Versorgung aus wahlweisen Rechtsgründen erfolgen könne. Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten spreche nicht dagegen, weil § 62 BVG und § 41 VerwVG die Bindungswirkung bewußt durchbrächen. Dabei sei es unerheblich, daß § 62 BVG ex nunc-Wirkung und § 41 VerwVG ex tunc-Wirkung habe; denn auch bei einem Vorgehen nach § 41 VerwVG stehe es im Ermessen der Verwaltungsbehörde, ob und von wann an sie dem Bescheid Wirkung beilege. Das Berufungsgericht habe auch nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Problem der Anerkennung psychogener Reaktionen und Neurosen als Schädigungsfolgen mißachtet; es habe auf die Grundsätze dieser Rechtsprechung gar nicht zukommen können, weil es eine psychogene Lähmung gar nicht habe feststellen können. Vielmehr sei es, dem Gutachten des Dr. K folgend, davon ausgegangen, daß eine organische Nervenlähmung nicht bzw. nicht mehr bestehe und daß der Kläger den linken Arm auch tatsächlich gebrauche und eine Bewegungsbehinderung nur demonstriere. Sollte früher eine psychogene Lähmung bestanden haben, so sei sie jedenfalls nach den Feststellungen des Berufungsgerichts heute nicht mehr vorhanden. Diese Feststellungen seien von der Revision nicht angegriffen worden. Die streitigen Bescheide gingen davon aus, daß heute eine Lähmung nicht vorliege. Dieser Standpunkt sei für beide Geschehensabläufe der gleiche, wobei nur der zugrunde gelegte Geschehensablauf, der hierzu führe, alternativ sei. Entweder habe die Lähmung schon im Zeitpunkt der Erstanerkennung nicht vorgelegen oder sie sei ausgeheilt. Ein solcher Sachverhalt lasse durchaus eine Beurteilung zu, ob die ausgesprochene Rechtsfolge, nämlich die Rentenentziehung ex nunc richtig oder falsch sei.
Der Kläger hat die vom LSG nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassene und somit statthafte Revision form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig begründet (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist daher zulässig, aber nur teilweise begründet.
Der Beklagte hat zunächst den auf § 62 BVG gestützten Bescheid vom 23. März 1957 erlassen, in dem die im Umanerkennungsbescheid vom 24. Mai 1952 ua aufgeführten Schädigungsfolgen "Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk, Lähmung des Speichennerven links nach Schulterdurchschuß" nicht mehr enthalten sind. Gleichzeitig ist dem Kläger durch diesen Bescheid die bisher gewährte Rente nach einer MdE um 50 v. H. mit Wirkung vom 1. Mai 1957 entzogen worden. Widerspruch und Klage gegen diesen Bescheid hatten keinen Erfolg. Während des Berufungsverfahrens ist "im Anschluß an den Bescheid vom 23. März 1957" mit Zustimmung des LVersorgA Westfalen der "Wahlfeststellungsbescheid" vom 29. Februar 1960 ergangen, durch den die im Bescheid vom 23. März 1957 vorgenommene Änderung in der Bezeichnung der Schädigungsfolgen und die Entziehung der Rente vom 1. Mai 1957 an auch auf § 41 VerwVG gestützt worden ist. Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil die Auffassung vertreten, daß es sich bei dem Bescheid vom 29. Februar 1960 nicht um einen nachgeschobenen selbständigen Berichtigungsbescheid, sondern um einen echten einheitlichen "Wahlfeststellungsbescheid" mit der Aberkennung einer Schädigungsfolge aus wahlweisem Grunde handelt. Es hat eine derartige Wahlfeststellung für zulässig gehalten, weil ein Zustand vorliege, der die weitere Anerkennung eines Leidens verbiete und die Einstellung der Versorgungsrente rechtfertige. Zwar sei nicht mehr feststellbar, welcher von den mehreren allein in Frage kommenden und sämtlich einen Rentenentzug rechtfertigenden Geschehensabläufen tatsächlich stattgefunden hat, es stehe aber fest, daß der gegenwärtige Zustand entweder unter den einen oder den anderen Tatbestand (§ 62 BVG oder § 41 VerwVG) subsumiert werden kann und eine andere Entscheidung nicht denkbar ist. Sofern bei der Anerkennung des Leidens eine echte Lähmung des Speichennerven in Wirklichkeit nicht bestanden habe, seien die eine solche Anerkennung aussprechenden Bescheide bei ihrem Erlaß zweifellos tatsächlich und rechtlich insofern unrichtig gewesen, als ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Schußverletzung und der vom Kläger gezeigten Lähmung angenommen wurde. Habe jedoch seinerzeit eine echte Lähmung bestanden, so sei sie inzwischen abgeheilt, weil sie heute eindeutig nicht mehr nachweisbar sei. In beiden Fällen sei die Aberkennung der bisher anerkannt gewesenen Schädigungsfolge "Lähmung des Speichennerven links" und die Entziehung der Versorgungsrente gerechtfertigt.
Der Auffassung des LSG, daß der Bescheid vom 29. Februar 1960, der nach § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, ein echter "Wahlfeststellungsbescheid" ist und gegen eine Wahlfeststellung im vorliegenden Falle keine rechtlichen Bedenken zu erheben sind, ist zuzustimmen. Der Bescheid vom 29. Februar 1960 ist vom VersorgA Soest ausdrücklich als "Wahlfeststellungsbescheid" bezeichnet worden und enthält in seiner Begründung eindeutige Ausführungen dahin, daß der Beklagte die Neubezeichnung der Schädigungsfolgen und die Entziehung der Rente nicht wie in dem Bescheid vom 23. März 1957 allein auf § 62 BVG stützen will. Der Bescheid vom 29. Februar 1960 läßt auch zweifelsfrei erkennen, daß er nicht nur einen Berichtigungsbescheid i. S. des § 41 VerwVG darstellt. Der Beklagte ist vielmehr in dem "Wahlfeststellungsbescheid" in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, es lasse sich nicht sicher feststellen, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 BVG dadurch eingetreten ist, daß die anerkannte Schädigungsfolge "Lähmung des Speichennerven links" nicht mehr vorliegt oder ob die Anerkennung der angeführten Gesundheitsstörung auf einer Fehldiagnose beruhte und der Bescheid vom 24. Mai 1952 schon im Zeitpunkt seines Erlasses unrichtig war. Jedenfalls liege eine Lähmung des Speichennerven links nicht mehr vor, so daß dahingestellt bleiben könne, welcher gesetzliche Tatbestand erfüllt sei. Damit hat der Beklagte in dem Bescheid vom 29. Februar 1960 hinreichend klar eine Wahlfeststellung getroffen und auch treffen wollen, obwohl der Bescheid auch einige mißverständliche Ausführungen enthält. So wird am Anfang des Bescheides vom 29. Februar 1960 ausgeführt, der Bescheid vom 23. März 1957, der sich auf eine wesentliche Änderung i. S. des § 62 BVG stützt, werde nunmehr auch mit § 41 VerwVG begründet. Am Schluß des Wahlfeststellungsbescheides wird ferner davon gesprochen, daß der Bescheid vom 23. März 1957 in seinem Wesen und in seinem Ausspruch durch das Nachschieben des anderen Rechtsgrundes nicht wesentlich verändert werde, so daß die Rente auch unter den Voraussetzungen des § 41 VerwVG mit Wirkung vom 1. Mai 1957 an einzustellen gewesen wäre. Diese Ausführungen in dem Bescheid vom 29. Februar 1960 könnten bei oberflächlicher Betrachtung dahin gedeutet werden, daß der Beklagte lediglich einen anderen Rechtsgrund - nämlich § 41 VerwVG - für den Bescheid vom 23. März 1957 nachschieben wollte. Das kann aber schon deswegen nicht zutreffen, weil das Nachschieben von Gründen nicht in einem neuen formellen Bescheid erfolgt, sondern lediglich in einem entsprechenden Vorbringen während des gerichtlichen Verfahrens besteht. Hinzu kommt, daß in dem Bescheid vom 29. Februar 1960 gegenüber dem Bescheid vom 23. März 1957 veränderte und mit diesem unvereinbare Feststellungen dahin getroffen worden sind, es lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen, daß eine Lähmung des Speichennerven bestanden habe, die inzwischen abgeheilt sei, daß vielmehr möglicherweise von Anfang an keine organisch bedingte Lähmung des Speichennerven vorgelegen habe, aber auf jeden Fall der eine oder der andere Geschehensablauf gegeben sei. Der Bescheid vom 29. Februar 1960 kann auch nicht allein als Berichtigungsbescheid nach § 41 VerwVG gedeutet werden, weil dem die Begründung des Bescheides eindeutig widersprechen würde. Der Beklagte ist vielmehr in dem "Wahlfeststellungsbescheid" davon ausgegangen, daß im vorliegenden Falle nach den tatsächlichen Umständen weder eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 BVG noch eine tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit der Bewilligungsbescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses i. S. des § 41 VerwVG festgestellt werden kann, daß aber entweder der Tatbestand des § 62 BVG oder der des § 41 VerwVG erfüllt ist, je nachdem ob eine organische Lähmung des Speichennerven links überhaupt nicht bestanden hat oder ob sie zwar anfangs bestanden hat, aber inzwischen abgeheilt ist. Das LSG hat somit zutreffend den Bescheid vom 29. Februar 1960 als einen echten "Wahlfeststellungsbescheid" angesehen.
Im Gegensatz zu der vom Kläger mit der Revision vorgetragenen Auffassung ist eine solche Wahlfeststellung auch zulässig. Wie das BSG in seinem Urteil vom 30. August 1960 (BSG 13, 51) bereits entschieden hat, kann eine Versorgungsrente nicht deshalb versagt werden, weil nicht feststellbar ist, welcher von mehreren allein in Frage kommenden und sämtlich einen Tatbestand des BVG erfüllenden Geschehensabläufen tatsächlich stattgefunden hat (vgl. hierzu auch BGHZ 14, 363). Im vorliegenden Falle handelt es sich allerdings nicht um die Bewilligung einer Rente, weil sämtliche in Betracht kommenden Geschehensabläufe einen zur Versorgung berechtigenden Tatbestand des BVG erfüllen; dem Kläger ist vielmehr aus wahlweisem Grunde die Versorgungsrente entzogen worden, weil entweder der Tatbestand des § 62 BVG oder der des § 41 VerwVG gegeben ist. Daß nur diese beiden Tatbestände, die zur Entziehung einer bindend festgestellten Rente berechtigen, im vorliegenden Falle in Betracht kommen, zieht auch der Kläger in der Revisionsbegründung nicht in Zweifel; er ist aber der Meinung, daß die Bestandskraft eines gemäß § 77 SGG bindend gewordenen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 62 BVG oder § 41 VerwVG aus Gründen der Rechtssicherheit nur dann durchbrochen werden könne, wenn sich eindeutig feststellen läßt, daß die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der einen oder der anderen Vorschrift gegeben sind. Dieses Vorbringen des Klägers ist jedoch nicht geeignet, die Unzulässigkeit von Wahlfeststellungen in solchen Fällen darzutun, in denen ein Bescheid nach § 62 BVG oder § 41 VerwVG zurückgenommen wird, weil auf jeden Fall die Tatbestandsmerkmale einer dieser Vorschriften vorliegen. Der Kläger übersieht, daß auch ein Anspruch auf Versorgung grundsätzlich nur dann besteht, wenn der Tatbestand einer zur Versorgung berechtigenden Vorschrift des BVG erfüllt ist. Gleichwohl hat das BSG in der angeführten Entscheidung ausgesprochen, daß es zur Bewilligung einer Versorgungsrente genügt, wenn feststeht, daß zwar mehrere Geschehensabläufe vorgelegen haben können, diese aber sämtlich einen zur Versorgung berechtigenden Tatbestand des BVG erfüllen. Nicht anders ist es im vorliegenden Fall, bei dem es sich nicht um ein Recht des Beschädigten, sondern um das Recht der beklagten Versorgungsverwaltung handelt, die Versorgung neu zu regeln. Entweder hat bei der Anerkennung der Lähmung des Speichennerven links tatsächlich eine organisch bedingte Lähmung vorgelegen, die jetzt nach den insoweit nicht angegriffenen und daher für das BSG bindenden Feststellungen des LSG nicht mehr besteht, dann ist der Tatbestand des § 62 BVG erfüllt, oder es hat von Anfang an keine organisch bedingte, sondern eine rein psychogene Lähmung vorgelegen, dann war die Anerkennung einer organisch bedingten Lähmung durch die Schußverletzung zweifelsfrei unrichtig und die Rücknahme dieser Anerkennung wäre somit nach § 41 VerwVG gerechtfertigt. Ebenso wie bei dem in BSG 13, 51 entschiedenen Falle läßt sich aber auch hier in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr feststellen, welcher der beiden allein in Betracht kommenden Geschehensabläufe vorgelegen hat. Es ist daher kein Grund ersichtlich, in einem solchen Falle eine Wahlfeststellung nicht als zulässig anzusehen.
Dem steht nicht entgegen, daß der erkennende Senat in seinem Urteil vom 24. Oktober 1962 - 10 RV 383/60 - ein Nachschieben von Gründen für einen angefochtenen Verwaltungsakt dann als nicht möglich angesehen hat, wenn zur Anwendung der Vorschrift, die zur Begründung nachgeschoben wird, Tatsachen unterstellt werden müssen, die denjenigen widersprechen, welche dem angefochtenen Verwaltungsakt bei Erlaß zugrunde gelegt worden sind. In diesem Fall waren einem auf § 62 BVG gestützten Bescheid auf § 41 VerwVG beruhende Gründe nachgeschoben worden. Auch für den umgekehrten Fall, daß einem auf § 41 VerwVG gestützten Bescheid Gründe nachgeschoben werden, die den Tatbestand des § 62 BVG betreffen, hat der erkennende Senat die Zulässigkeit des Nachschiebens von neuen Tatsachen für eine anderweitige rechtliche Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts verneint (vgl. SozR VerwVG § 41 Nr. 25). Diese Entscheidungen beruhen auf der Erwägung, daß das Wesen eines einmal ergangenen Verwaltungsakts nicht durch das Nachschieben einer neuen rechtlichen Begründung verändert werden darf, wenn die nachgeschobenen Gründe einen anderen, dem ergangenen Verwaltungsakt widersprechenden Sachverhalt voraussetzen. Bei einem Wahlfeststellungsbescheid werden einem anderen bereits ergangenen Bescheid keine neuen rechtlichen Gründe nachgeschoben, vielmehr wird in dem Wahlfeststellungsbescheid die ausgesprochene Rechtsfolge von vornherein auf zwei Vorschriften gestützt, die beide die betreffende Rechtsfolge rechtfertigen, wobei lediglich nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt werden kann, ob die Tatbestandsmerkmale der einen oder der anderen Vorschrift gegeben sind. Es kommt daher im Gegensatz zum Nachschieben von Gründen für einen bereits angefochtenen Verwaltungsakt bei einem Wahlfeststellungsbescheid nicht darauf an, ob die Tatbestandsmerkmale der allein in Betracht kommenden Vorschriften einen unterschiedlichen Sachverhalt voraussetzen. Daß hinsichtlich einer Wahlfeststellung im übrigen zwischen Bewilligungs- und Entziehungsbescheiden grundsätzlich kein Unterschied bestehen kann, ergibt sich auch aus der Erwägung, daß bei der Bewilligung einer Versorgungsleistung die Person des Beschädigten im Vordergrund steht, der durch die Bewilligung der Leistung aus wahlweisem Haftungsgrund zu ihrem Recht verholfen wird, während es sich bei der Entziehung einer Versorgungsleistung um ein der Versorgungsverwaltung zustehendes Recht handelt, das Versorgungsverhältnis mit dem Beschädigten neu zu regeln. Auch hier muß folgerichtig die wahlweise Zugrundelegung der die Entziehung rechtfertigenden Vorschriften zulässig sein, sofern nach den tatsächlichen Verhältnissen, die nicht mehr genau festgestellt werden können, auf jeden Fall der Tatbestand der einen oder der anderen Vorschrift erfüllt ist.
Bei einer solchen Wahlfeststellung dürfen nur diejenigen Rechtsfolgen ausgesprochen werden, die nach beiden Rechtsgrundlagen gerechtfertigt sind. Das bedeutet, daß bei der Entziehung einer Rente als Zeitpunkt der Entziehung lediglich der für den Versorgungsberechtigten günstigste in Betracht kommt. Nach § 41 VerwVG kann die Rente auch für einen Zeitpunkt entzogen werden, der vor Erlaß des Berichtigungsbescheides liegt, während bei § 62 BVG die Entziehung der Rente erst mit Ablauf des Monats ausgesprochen werden kann, der auf die Zustellung des die Änderung aussprechenden Bescheides folgt. Wird also in einem Wahlfeststellungsbescheid die Entziehung der Rente wahlweise auf § 41 VerwVG und auf § 62 BVG gestützt, so kann die Entziehung erst mit Ablauf des auf die Zustellung des Wahlfeststellungsbescheides folgenden Monats ausgesprochen werden.
Die Anwendung der vorstehend dargelegten Rechtsgrundsätze hat zur Folge, daß der Wahlfeststellungsbescheid des Beklagten vom 29. Februar 1960 insofern zu Recht erfolgt ist, als die Anerkennung einer Lähmung des Speichennerven links nach Schulterdurchschuß zurückgenommen worden ist. Die Entziehung der Versorgungsrente schon mit Wirkung vom 1. Mai 1957, die in dem Wahlfeststellungsbescheid vom 29. Februar 1960 ausdrücklich aufrechterhalten worden ist, ist demgegenüber nicht gerechtfertigt, weil der Beklagte in dem Wahlfeststellungsbescheid selbst zum Ausdruck gebracht hat, daß nicht festgestellt werden könne, ob eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 BVG vorliegt oder ob § 41 VerwVG Anwendung findet. Der Bescheid vom 23. März 1957 geht aber im Gegensatz hierzu davon aus, daß eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 BVG nachgewiesen ist und demgemäß die Rente mit Wirkung vom 1. Mai 1957 entzogen werden kann. Durch den Wahlfeststellungsbescheid vom 29. Februar 1960 ist somit der Sache nach der Bescheid vom 23. März 1957 wegen eines anderen, nunmehr unterstellten Sachverhalts gegenstandslos geworden, ohne daß der Beklagte allerdings bisher diesen Bescheid ausdrücklich zurückgenommen hat. Jedenfalls kann die im Bescheid vom 29. Februar 1960 getroffene Regelung frühestens mit Ablauf des auf die Zustellung dieses Bescheides folgenden Monats ausgesprochen werden. Da dieser Bescheid nach dem Akteninhalt im März 1960 zugestellt worden sein muß, können die im Umanerkennungsbescheid vom 24. Mai 1952 zugesprochenen Rechte, die Anerkennung einer Schädigungsfolge wie auch die Bewilligung einer Versorgungsrente, frühestens mit Wirkung vom 1. Mai 1960 entzogen werden. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. Juni 1964 mußte daher zurückgewiesen werden, soweit er begehrt, die "Lähmung des Speichennerven links nach Schulterdurchschuß" weiterhin als Schädigungsfolge anzuerkennen, weil - wie oben ausgeführt - die Anerkennung dieser Schädigungsfolge durch den Wahlfeststellungsbescheid zu Recht zurückgenommen worden ist. Ferner mußten auf die Revision des Klägers die Vorentscheidungen und die angefochtenen Bescheide abgeändert und der Beklagte verurteilt werden, dem Kläger bis zum 30. April 1960 Rente nach einer MdE um 50 v. H. weiterzuzahlen.
Soweit der Kläger über diesen Zeitpunkt hinaus die Weitergewährung der Rente wegen einer bisher nicht anerkannten psychogenen Lähmung des linken Armes begehrt, hat das LSG dazu in dem angefochtenen Urteil festgestellt, daß bei dem Kläger eine solche Lähmung vorliegt, wobei nicht mehr klargestellt werden kann, ob von Anfang an lediglich eine psychogene Lähmung und keine organisch bedingte Lähmung des Speichennerven vorgelegen hat oder ob zunächst eine organische Lähmung des Speichennerven bestand, die abgeheilt ist, während eine Lähmung des linken Armes trotzdem auf psychogener Grundlage fortbesteht. Der Kläger macht hierzu mit der Revision geltend, das LSG habe zu Unrecht den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Schußverletzung und der psychogenen Lähmung deshalb verneint, weil "schon damals psychogene Reaktionsweise und Neurosen nicht ursächlich mit einem Unfallgeschehen oder einem versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand verbunden gewesen sind". Damit habe das LSG die unrichtige Auffassung vertreten, daß schädigende Einwirkungen des Wehrdienstes, die keinen organischen Befund hinterlassen haben, nicht eine wesentliche Bedingung für ein neurotisches Zustandsbild sein können. Diese Rüge greift durch.
Das LSG hat seine Auffassung, es seien für den Fall, daß die eine Anerkennung der Lähmung als Schädigungsfolge aussprechenden Bescheide bereits bei ihrem Erlaß zweifellos tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen sind, schon damals psychogene Reaktionsweise und Neurosen nicht ursächlich mit einem Unfallgeschehen oder einem versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand verbunden gewesen, offenbar darauf gestützt, daß eine organisch bedingte Lähmung des Speichennerven links niemals vorgelegen hat und infolgedessen im Anschluß an eine organisch bedingte Gesundheitsstörung auch keine psychogene Lähmung auftreten konnte. Das Berufungsgericht übersieht hierbei jedoch, daß es sich bei dem Kläger um einen Oberarm- und Schulterdurchschuß gehandelt hat, der zunächst auch zu einer Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk geführt hat, wie bereits in dem Bescheid vom 24. Februar 1945 und den folgenden Bescheiden nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 und dem BVG anerkannt worden ist. Auch wenn eine organisch bedingte Lähmung des Speichennerven nicht vorgelegen haben sollte, kann es sich also hinsichtlich der Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk zumindest anfänglich um eine organisch bedingte Störung durch Schußverletzung gehandelt haben, in deren weiteren Verlauf sich eine psychogene Lähmung des linken Armes eingestellt hat. Im übrigen ist das VersorgA in seinem Wahlfeststellungsbescheid vom 29. Februar 1960, den das LSG bestätigt hat, wahlweise auch davon ausgegangen, daß eine organisch bedingte Lähmung des Speichennerven zunächst vorgelegen hat, die aber später abgeheilt ist. Da der Kläger selbst das Vorliegen einer psychogenen Lähmung des linken Armes nicht bestreitet, aber mit seinen Anträgen auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide offenbar das Ziel verfolgt, nunmehr diese psychogene Lähmung bei einer MdE um 50 v. H. als Schädigungsfolge anerkannt zu bekommen, hätte das LSG - wie der Kläger zutreffend in der Revisionsbegründung rügt - prüfen müssen, ob die psychogene Lähmung des linken Armes anstelle der bisher anerkannt gewesenen organisch bedingten Lähmung des Speichennerven links als Schädigungsfolge mit einer entsprechenden MdE anerkannt werden muß. Das BSG hat hierzu in seinem Urteil vom 28. Juli 1959 (BSG 10, 209) ausgesprochen, daß die Frage, ob neurotische und psychogene Reaktionen noch Folgen des Wehrdienstes sind, der besonderen Prüfung bedürfe, wenn solche Reaktionen an wehrdienstbedingte organische Störungen, die noch nicht abgeklungen sind, anknüpfen und sich mit ihnen vermischen. Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil diese Entscheidung am Schluß der Entscheidungsgründe zwar angeführt, aber lediglich zum Ausdruck gebracht, daß sich eine für den Kläger günstigere Entscheidung aus diesem Urteil nicht herleiten lasse. Damit hat das LSG anscheinend zum Ausdruck bringen wollen, diese Entscheidung habe für den vorliegenden Fall keine Bedeutung, weil die psychogene Reaktion des Klägers sich nicht an eine wehrdienstbedingte organische Störung, die noch nicht abgeklungen war, angeschlossen hat. Dieser Auffassung des LSG kann nicht ohne weiteres gefolgt werden, weil es nicht darauf ankommt, daß die organischen Störungen jetzt abgeklungen sind, sondern darauf, ob damals, als psychogene Störungen erstmals auftraten, organische Störungen wie die Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk und Lähmung des Speichennerven links noch nicht abgeklungen waren. Auch wehrdienstbedingte Einflüsse, die keinen organischen Befund hinterlassen haben, können eine wesentliche Bedingung für ein neurotisches Zustandsbild sein (vgl. BSG 19, 275 und SozR BVG § 1 Nr. 67). Da das LSG in dem angefochtenen Urteil die Frage, ob die beim Kläger bestehende psychogene Lähmung des linken Armes als Schädigungsfolge angesehen werden kann, nicht hinreichend i. S. der angeführten Rechtsprechung des BSG geprüft und entsprechende Feststellungen getroffen hat, mußte das Urteil des LSG insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Revision des Klägers hat zwar insoweit keinen Erfolg gehabt, als er begehrt, die Lähmung des Speichennerven links weiterhin als Schädigungsfolge anzuerkennen. Demgegenüber mußte der Beklagte verurteilt werden, dem Kläger über den 30. April 1957 hinaus bis zum 30. April 1960 weiterhin Rente nach einer MdE um 50 v. H. zu gewähren. Infolge der Zurückverweisung der Sache im übrigen ist noch offen, ob der Kläger mit dem von ihm geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung der psychogenen Lähmung des linken Armes Erfolg haben wird. Bei dieser Sachlage hielt der Senat es nicht für angebracht, schon jetzt über einen Teil der Kosten zu entscheiden; es erschien vielmehr angezeigt, die Kostenentscheidung dem abschließenden Urteil vorzubehalten.
Fundstellen
BSGE, 22 |
NJW 1967, 461 |
MDR 1967, 343 |