Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Zulassung. Heilmittelerbringer. Alkoholabhängigkeit
Leitsatz (amtlich)
Einem Heilmittelerbringer darf die Zulassung zur Behandlung von Versicherten nicht erteilt werden, wenn er zwar die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen des § 124 Abs 2 SGB V erfüllt, aber nicht den mit der Tätigkeit für die Krankenkassen verbundenen besonderen Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit der Leistungserbringung gerecht wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ein Heilmittelerbringer alkoholabhängig ist und deswegen unter Betreuung steht.
Normenkette
SGB V § 2 Abs. 4, § 12 Abs. 1, § 70 Abs. 1, § 124 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1-4; MPhG § 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1; Ärzte-ZV § 27
Verfahrensgang
SG Wiesbaden (Urteil vom 29.08.2000; Aktenzeichen S 2 KR 64/99) |
Tatbestand
Es ist streitig, ob die Beklagten verpflichtet sind, den Kläger zur Abgabe von krankengymnastischen/physiotherapeutischen Leistungen zuzulassen.
Der 1941 geborene Kläger hat den Beruf des Krankengymnasten erlernt und ist Mitglied des Verbandes Physikalische Therapie - Vereinigung für die physiotherapeutischen Berufe (VPT) eV. Seit 1971 besitzt er die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Krankengymnast (Bescheid der Freien und Hansestadt Hamburg vom 1971). In der Zeit von 1979 bis Mitte 1998 betrieb er an verschiedenen Orten in H. und Schleswig-Holstein krankengymnastische Praxen mit Kassenzulassung.
Im Juni 1998 übernahm der Kläger eine krankengymnastische Praxis in N. Am 6. Juni 1998 beantragte er dafür die Kassenzulassung. Die Beklagten baten - wie bei jedem Antragsteller - um ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis. Das durch den VPT beschaffte Führungszeugnis vom 22. Juli 1998 wies für den Zeitraum von 1984 bis 1998 fünf Verurteilungen, nämlich wegen Trunkenheit im Straßenverkehr (drei Fälle), Unfallflucht (zwei Fälle), Diebstahl, Urkundenfälschung und Betrug (je ein Fall) auf. Die Beklagten lehnten daraufhin den Zulassungsantrag mit der Begründung ab, wegen der Vorstrafen sei die Zulassungsvoraussetzung der persönlichen Zuverlässigkeit nicht gegeben (Bescheid vom 5. August 1998; Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 1998).
Während des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Beklagten dem Kläger eine bis zum rechtskräftigen Abschluß dieses Rechtsstreits befristete vorläufige Abrechnungsgenehmigung ab 10. Dezember 1998 erteilt (Bescheid vom 10. Dezember 1998). Dennoch gab der Kläger die Praxis in N. Ende Dezember 1998 auf und zog wieder nach K. Seit Anfang 1999 ist er arbeitslos. Der Kläger ist alkoholabhängig. Er steht wegen der Folgen dieser Krankheit seit dem 18. November 1999 unter Betreuung, und zwar für die Bereiche Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung sowie Vertretung gegenüber Behörden und Institutionen. Gegenwärtig betreibt ein Bekannter des Klägers die Praxis. Der Kläger kann aber jederzeit wieder in den Mietvertrag eintreten und die Praxis übernehmen.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagten dürften die Zulassung nicht von der Vorlage eines Führungszeugnisses abhängig machen, zumal der als Rechtsgrundlage hierfür herangezogene Rahmenvertrag vom 14. Oktober 1970 zum 31. Dezember 1979 gekündigt und bis heute nicht durch einen neuen Vertrag ersetzt worden sei. Der Inhalt des Führungszeugnisses dürfe deshalb nicht zu seinen Lasten verwendet werden.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 29. August 2000) und die Sprungrevision zugelassen (Beschluß vom 7. November 2000). Es hat die Auffassung vertreten, die Zulassungsvoraussetzungen für Heilmittelerbringer seien abschließend in § 124 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geregelt. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Die Krankenkassen dürften die fachliche Eignung und persönliche Zuverlässigkeit eines Antragstellers nicht eigenständig prüfen, weil dies bereits im Verfahren über die Erteilung bzw die Entziehung der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung durch die zuständige Landesbehörde geschehe. Eine solche Erlaubnis besitze der Kläger nach wie vor.
Mit der Revision rügen die Beklagten eine Verletzung des § 124 Abs 2 SGB V. Sie machen geltend, daß sie wegen der besonderen Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit der Leistungserbringung bei einer Tätigkeit für die Krankenkassen ein eigenständiges Prüfungsrecht der fachlichen Eignung und persönlichen Zuverlässigkeit haben müßten, auch wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt sei. Wegen seiner Vorstrafen und der Alkoholabhängigkeit könne der Kläger nicht zugelassen werden.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des SG Wiesbaden vom 29. August 2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Revisionsverfahrens durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 124 Abs 2, 153 Abs 1, 165 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des SG haben sie den Zulassungsantrag des Klägers zu Recht abgelehnt.
1. Die in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt.
Dabei erübrigen sich Ausführungen zu der Frage, ob die Klage auch ohne Erteilung eines Widerspruchsbescheides zulässig war, wie das SG angenommen hat. Das SG hat übersehen, daß das Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 1998 einen - wenn auch nicht mit Rechtsmittelbelehrung versehenen - Widerspruchsbescheid darstellt, und jedenfalls aus diesem Grunde das Vorverfahren eingehalten worden ist.
Der Kläger ist gemäß § 71 Abs 1 und 6 SGG iVm § 53 Zivilprozeßordnung (ZPO) prozeßfähig. Er steht zwar seit dem 18. November 1999 wegen der körperlichen und geistigen Auswirkungen seiner Alkoholabhängigkeit nach den §§ 1896, 1901 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unter rechtlicher Betreuung, und zwar neben dem Bereich Gesundheitssorge auch in den hier betroffenen Bereichen Aufenthaltsbestimmung sowie Vertretung gegenüber Behörden und Institutionen. Da der Betreuer aber erklärt hat, in den Rechtsstreit nicht eintreten zu wollen (§ 1902 BGB), und der Kläger nicht geschäftsunfähig (§ 104 BGB) ist, gilt der Kläger trotz der Anordnung der rechtlichen Betreuung für den vorliegenden Rechtsstreit weiterhin als prozeßfähig (§§ 71 Abs 1 und 6 SGG, 53 ZPO), so daß er das Verfahren selbständig fortführen kann.
Auch die formellen Voraussetzungen des § 161 SGG für die Zulässigkeit der Sprungrevision sind erfüllt. Der Kläger hat der Einlegung der Sprungrevision mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2000 zugestimmt.
2. Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Zulassung zur Abgabe krankengymnastischer Leistungen an Versicherte der Beklagten. Nachdem er seinen Praxissitz verlegt hatte, war seine frühere Zulassung erloschen, da diese wegen der besonderen Anforderungen an die Praxisausstattung an die Betriebsstätte gebunden war (zur vergleichbaren Lage bei Hilfsmittelerbringern vgl BSGE 77, 108 = SozR 3-2500 § 126 Nr 1).
Allerdings scheitert der Anspruch nicht bereits an den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen des § 124 Abs 2 SGB V. Nach dieser Vorschrift ist als Leistungserbringer von Heilmitteln zuzulassen, wer die für die Leistungserbringung erforderliche Ausbildung sowie eine entsprechende zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigende Erlaubnis besitzt (Nr 1), eine berufspraktische Erfahrungszeit von mindestens zwei Jahren nachweist, die innerhalb von zehn Jahren vor Beantragung der Zulassung in unselbständiger Tätigkeit und in geeigneten Einrichtungen abgeleistet worden sein muß (Nr 2), über eine Praxisausstattung verfügt, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleistet (Nr 3), und die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen anerkennt (Nr 4).
Der Kläger erfüllt die Zulassungsvoraussetzungen des § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB V; darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Der Kläger besitzt, wie in Nr 1 gefordert, trotz seiner Vorstrafen, seiner Alkoholabhängigkeit und der Anordnung der rechtlichen Betreuung nach wie vor die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Krankengymnast. Die berufspraktische Erfahrungszeit ist ebenfalls gegeben. Die dauerhafte selbständige Tätigkeit als Krankengymnast in der Zeit ab 1979 steht dabei der in Nr 2 geforderten Berufserfahrung in unselbständiger Beschäftigung gleich (BSG SozR 3-2500 § 124 Nr 7). Der Kläger verfügt auch über die erforderliche Praxis und Praxisausstattung (Nr 3). Dazu reicht es aus, daß der Kläger, wie bindend (§ 161 Abs 4 SGG) vom SG festgestellt, jederzeit die bisher von einem Bekannten betriebene krankengymnastische Praxis in N. wieder übernehmen und in den Mietvertrag eintreten kann.
Die Beklagten erheben zu Unrecht den Einwand, der Kläger erkenne entgegen dem Gebot des § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen nicht an, weil er - wenn auch nur nachträglich - das Recht der Beklagten bestreite, von einem Antragsteller die Vorlage eines Führungszeugnisses zu verlangen und die darin enthaltenen Eintragungen zu seinen Lasten auszuwerten. Dieses Recht ergibt sich allerdings aus § 5 Nr 2 Buchst c des "Rahmenvertrags über die Versorgung Versicherter der Versicherungsträger durch Krankengymnasten" vom 14. Oktober 1970 idF vom 15. Oktober 1979. Obwohl dieser Rahmenvertrag zum 31. Dezember 1979 gekündigt worden ist, wird er von den Vertragsparteien einverständlich bis zum Inkrafttreten eines - noch nicht abgeschlossenen - neuen Rahmenvertrags weiter angewandt. Er stellt aber dennoch keine "geltende Vereinbarung" iS des § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V dar.
Denn nach Sinn und Zweck dieser Zulassungsregelung werden damit nur solche Vereinbarungen erfaßt, die sich mit den Modalitäten und Bedingungen der Leistungserbringung, insbesondere also mit Vergütungsregelungen, befassen. Mit dem Begriff "geltende Vereinbarungen" sind die in § 125 Abs 1 SGB V geregelten Rahmenempfehlungen der Spitzenverbände über die Heilmittelversorgung sowie die in § 125 Abs 2 Satz 1 SGB V beschriebenen Verträge "über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln sowie über Preise und deren Abrechnung" gemeint, die zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen einerseits sowie den Leistungserbringern bzw deren Verbänden andererseits abzuschließen sind (vgl Hess in Kasseler Komm zum Sozialversicherungsrecht, Stand: März 2001, § 124 SGB V RdNr 11 und § 125 SGB V RdNr 5; Kranig in Hauck, SGB V, Stand: September 1999, § 124 RdNr 18). Regelungen in Rahmenverträgen über die formellen und inhaltlichen Anforderungen an einen Zulassungsantrag werden von § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V hingegen nicht erfaßt. Alle sonstigen Vereinbarungen iS des § 125 SGB V sind vom Kläger jedoch anerkannt worden.
Die Beklagten sind auch nicht befugt, weitere Anforderungen an die Antragsteller als Voraussetzung für die Zulassung zu stellen. Sie berufen sich insoweit zu Unrecht auf die Regelung in § 6 Nr 1 Buchst a des Rahmenvertrags vom 14. Oktober 1970, wonach ein Krankengymnast die persönlichen Voraussetzungen "Zuverlässigkeit, Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte, geistige und körperliche Eignung für den Beruf" erfüllen muß. Unabhängig von der Frage, ob diese Rechtsgrundlage nicht bereits mit der Kündigung des Rahmenvertrags zum 31. Dezember 1979 entfallen ist, kann die Bestimmung jedenfalls spätestens seit dem 1. Januar 1989 nicht mehr angewandt werden. Zu diesem Zeitpunkt ist § 124 SGB V in Kraft getreten, der die Zulassungsvoraussetzungen in seinem Abs 2 abschließend regelt. Jeder Leistungserbringer von Heilmitteln, der die Zulassungsvoraussetzungen des § 124 Abs 2 SGB V erfüllt, hat einen Anspruch auf Zulassung (BR-Drucks 200/88 S 204, 205 zu § 133 E). Eine Erweiterung der Zulassungsvoraussetzungen durch Rahmenempfehlungen oder Verträge nach § 125 SGB V ist nicht vorgesehen. Zusätzliche Zulassungsvoraussetzungen solcher Art wären angesichts ihrer die Berufsausübung einschränkenden Wirkung mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art 12 Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig.
Die Befugnis zur eigenständigen Prüfung der Voraussetzungen zur Berufsausübung eines Antragstellers können die Beklagten auch nicht indirekt aus der Regelung des § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V ableiten, wonach ein Antragsteller die zur Führung der Berufsbezeichnung Krankengymnast bzw Physiotherapeut berechtigende Erlaubnis besitzen muß.
Nach § 2 Abs 1 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie (Masseur- und Physiotherapeutengesetz - MPhG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I S 1084) ist die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Physiotherapeut (§ 1 Nr 2 MPhG) auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller die vorgeschriebene Ausbildung abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden hat (Nr 1), sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt (Nr 2), und nicht wegen eines körperlichen Gebrechens, wegen Schwäche seiner geistigen oder körperlichen Kräfte oder wegen einer Sucht zur Ausübung des Berufs unfähig oder ungeeignet ist (Nr 3). Dabei gilt nach § 16 Abs 1 Satz 2 MPhG eine Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Krankengymnast als Erlaubnis nach § 1 Nr 2 MPhG zur Führung der Berufsbezeichnung Physiotherapeut; der Berechtigte darf aber auch stattdessen die alte Berufsbezeichnung Krankengymnast weiterführen (§ 16 Abs 4 Satz 1 MPhG). Die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung erteilt gemäß § 14 Abs 1 MPhG die zuständige Behörde des Landes, in dem der Antragsteller die staatliche Prüfung bestanden hat. Dem MPhG vergleichbare Regelungen finden sich auch in allen anderen Gesetzen für medizinische Hilfsberufe (zB Logopäden, Ergotherapeuten, Hebammen, Rettungsassistenten, Diätassistenten); die Prüfungskompetenz liegt auch dort allein bei den zuständigen Verwaltungsbehörden der Länder (in der Regel Regierungspräsident).
Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, daß die Kassenverbände nur formell das Vorhandensein der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung prüfen dürfen, die materielle Prüfung der berufsrechtlichen Voraussetzungen für die Führung der Berufsbezeichnung Krankengymnast/Physiotherapeut, also ua die Eignung und Zuverlässigkeit (§ 2 Abs 1 MPhG), aber allein den zuständigen Verwaltungsbehörden der Länder obliegt. An die berufsrechtlichen Wertungen und Entscheidungen der Verwaltungsbehörden sind die Kassenverbände im Zulassungsverfahren gebunden, mögen sie aus Sicht der Kassenverbände auch zweifelhaft sein. Den berufsrechtlichen Entscheidungen der Verwaltungsbehörden, und zwar positiver wie negativer Art gleichermaßen, kommt insoweit Tatbestandswirkung zu, wie der Senat in anderen Zusammenhängen bereits mehrfach entschieden hat (BSGE 77, 108 = SozR 3-2500 § 126 Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 124 Nr 2, 4, 5). Daran ist festzuhalten. Den Kassenverbänden steht allenfalls ein Initiativrecht in dem Sinne zu, daß sie an die zuständige Verwaltungsbehörde mit der Anregung herantreten können, ein Verfahren über die Entziehung der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung einzuleiten, wenn ihnen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die materiellen berufsrechtlichen Voraussetzungen für die Erlaubnis nicht mehr gegeben sein könnten.
Der Kläger besitzt nach wie vor die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Krankengymnast. Dennoch erweisen sich die ablehnenden Bescheide der Beklagten als rechtmäßig. Denn die berufsrechtliche Zulässigkeit der Berufsausübung bedeutet nicht, daß auch die Zulassung zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung erteilt werden muß. Die Vorstrafen des Klägers und seine Alkoholabhängigkeit stellen die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit und damit bereits eine Voraussetzung für die Erlaubnis zur allgemeinen Berufsausübung in Frage. Die zuständige Verwaltungsbehörde hat über einen Widerruf der Erlaubnis aus diesen Gründen noch nicht entschieden. Es kann offenbleiben, ob die Kassen die Befugnis haben, auch diese Frage eigenständig zu beurteilen, solange eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit nicht vorliegt. Denn jedenfalls sind sie nicht gehindert, diese Tatsachen daraufhin zu würdigen, ob der Kläger damit noch die besonderen Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung bei der Versorgung der Versicherten erfüllt.
Leistungserbringer müssen nämlich nicht nur allgemein zur ordnungsgemäßen, fachgerechten Ausübung ihres Berufs geeignet und in der Lage sein, was die Verwaltungsbehörden unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr zu überwachen haben. Die Tätigkeit für die Krankenkassen stellt über diesen rein berufsrechtlichen Aspekt hinaus, der von § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V erfaßt wird, besondere Anforderungen an die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit eines Leistungserbringers. Er muß jederzeit die Gewähr dafür bieten, die Versicherten bedarfsgerecht, zweckmäßig und wirtschaftlich in der fachlich gebotenen Qualität nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu versorgen, wobei er das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf (§§ 70 Abs 1, 12 Abs 1, 2 Abs 4 SGB V). In § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V ist diese Gewährleistungspflicht im Zusammenhang mit der Praxisausstattung ausdrücklich wiederholt worden. In dieser Hinsicht steht den Kassen ein eigenständiges Prüfungsrecht bezüglich der persönlichen Eignung und Zuverlässigkeit eines Heilmittelerbringers zu. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit bezüglich der besonderen Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit der Leistungserbringung (einschließlich der Leistungsabrechnung) bei einer Tätigkeit für die Kassen, die als allgemeiner Grundsatz an verschiedenen Stellen des Gesetzes Ausdruck gefunden hat (§§ 2 Abs 4, 12 Abs 1, 70 Abs 1, 124 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V, § 27 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte - Ärzte-ZV), der Zulassungsregelung des § 124 SGB V immanent. Die Kassen müssen wegen ihrer nur eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten weitgehend darauf vertrauen, daß die Leistungserbringer den beschriebenen besonderen Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit der Leistungserbringung jederzeit gerecht werden.
Grobe Pflichtverletzungen, zu denen insbesondere auch falsche Abrechnungen gehören, führen zu einer nachhaltigen Störung des besonderen Vertrauensverhältnisses, das mit der Zulassung zwischen den Kassen und dem Leistungserbringer entsteht, und berechtigen zur Entziehung der Zulassung. Dieser Grundsatz ist zwar ausdrücklich nur im Vertragsarztrecht geregelt (vgl § 27 Ärzte-ZV iVm § 95 Abs 6 SGB V), verkörpert aber einen allgemeinen Rechtsgedanken, der für das gesamte Leistungserbringerrecht von Bedeutung ist.
Die Gewähr für die jederzeitige Erfüllung der besonderen Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit der Leistungserbringung bietet der Kläger schon deshalb nicht, weil er alkoholabhängig ist und die körperlichen und geistigen Folgen dieser Sucht im Jahre 1999 die Anordnung der rechtlichen Betreuung, also die Beiordnung eines Betreuers, notwendig gemacht haben. Die Tatsachen der Alkoholabhängigkeit und der Anordnung der Betreuung sind zwar vom SG nicht festgestellt worden, durften aber dennoch zur Entscheidungsfindung im Revisionsverfahren verwertet werden, weil sie für die Frage der Prozeßfähigkeit von Bedeutung sind, sich die Anordnung der Betreuung aus einer dem Senat vorliegenden amtlichen Urkunde ergab und der Grund für die Anordnung, nämlich die Beeinträchtigungen durch die Alkoholabhängigkeit, unstreitig und unzweifelhaft waren (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 163 RdNr 5b, 5d mwN). Deshalb kam es auf die von den Beteiligten erstinstanzlich in den Vordergrund gerückte Frage, ob die Beklagten berechtigt waren, die Zulassung von der Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses abhängig zu machen und dessen Inhalt zu verwerten, nicht mehr an. Dasselbe gilt für die Frage, ob die Eintragungen in dem vorgelegten Führungszeugnis die Ablehnung des Zulassungsantrags gerechtfertigt hätten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
NZS 2002, 535 |
SozR 3-2500 § 124, Nr. 10 |