Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen des § 1266 RVO kann von Mieteinnahmen, die einem Ehegatten - ggf unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen - zugeflossen und für den Familienunterhalt verwendet worden sind, der steuerliche Betrag der Absetzung für Abnutzung (AfA) nicht abgezogen werden.
Normenkette
RVO § 1266 Abs 1 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 26.03.1980; Aktenzeichen L 14 Ar 138/78) |
SG München (Entscheidung vom 23.11.1977; Aktenzeichen S 7 Ar 436/74) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Witwerrente.
Der Kläger war mit der am 26. September 1973 verstorbenen Versicherten verheiratet, die sich seit Oktober 1972 wegen ihrer zum Tode führenden Krankheit wiederholt in stationärer Behandlung befunden hatte.
Die Eheleute gaben das seit 1956 gemeinsam betriebene Milchgeschäft in München Anfang September 1972 aus Altersgründen auf. Die Versicherte bezog ab März 1972 Altersruhegeld in Höhe von zunächst 242,-- DM und zuletzt (ab Juli 1973) von 270,-- DM monatlich. Der Kläger erhielt aus einer Pensionskasse monatlich 80,-- DM zuzüglich einer jährlichen Gewinnausschüttung von 480,-- DM. Soweit es sich um keine gemeinsamen Konten der Ehegatten handelte, entfielen während des vom Landessozialgericht (LSG) ab September 1972 angenommenen letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes an Kapitalerträgen auf die Versicherte 570,-- DM, auf den Kläger 522,-- DM. Während ein Miethaus in München beiden Ehegatten je zur Hälfte gehörte, war der Kläger bereits zu Lebzeiten der Versicherten Alleineigentümer eines Zweifamilienhauses in M (Niederbayern), aus dem er Mieteinnahmen von jährlich 2.539,-- DM erzielte.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. Februar 1974 den Antrag des Klägers auf Witwerrente ab, weil die Versicherte den Familienunterhalt nicht überwiegend bestritten habe. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat im Urteil vom 26. März 1980 ausgeführt: Für den Rechtsstreit entscheidend sei, daß dem Kläger die Mieteinnahmen aus seinem Zweifamilienhaus allein zugerechnet werden müßten; eine Ehegattengesellschaft habe hinsichtlich dieses Anwesens nicht bestanden. Entgegen der Ansicht des Klägers könne von den Mieteinkünften neben den tatsächlichen Werbungskosten von jährlich 459,-- DM nicht im Rahmen des § 1266 Reichsversicherungsordnung (RVO) der jährliche Absetzungsbetrag für Abnutzung in Höhe von 1.120,-- DM abgezogen werden. Es bleibe offen, ob die Absetzung für Anlagen und Einrichtungen in Höhe von jährlich 209,-- DM eine steuerrechtlich anerkannte Rücklagenbildung darstelle. Danach seien Mieteinnahmen von 1.908,-- DM während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes verblieben, wenn man zugunsten des Klägers den auf den steuerlichen Gewinn aus dem Zweifamilienhaus entfallenden Anteil der Einkommenssteuer in Abzug bringe. In diesem Zeitraum hätten die Gesamteinkünfte des Klägers 3.990,-- DM betragen und diejenigen der Versicherten um 182,-- DM übertroffen. Es sei davon auszugehen, daß die Gesamteinkünfte beider Ehegatten auch zur Bestreitung des Familienunterhalts gedient hätten. Wegen der überwiegenden Einkünfte des Klägers komme es auf den Wert der Haushaltsführung nicht mehr an. Bei Rentnerehepaaren sei von der hälftigen Aufteilung der Hausarbeit auszugehen; aus den vorliegenden Umständen habe sich sogar eine erhöhte Mitarbeitspflicht des Klägers ergeben.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, es habe eine Ehegattengesellschaft bestanden. Der Erwerb des Zweifamilienhauses sei aus den Erträgen des gemeinsam betriebenen Milchgeschäftes und des Mietshauses in München finanziert worden. Er - der Kläger - sei nur zufällig formal Eigentümer geworden, weil die Versicherte wegen des Geschäftsbetriebes nicht zur notariellen Beurkundung des Kaufvertrages nach Niederbayern habe mitreisen können. Folge man der Auffassung des LSG, so müsse die als Rücklage gedachte steuerliche Absetzung für Abnutzung auch im Rahmen des § 1266 RVO berücksichtigt werden. Im übrigen sei er nicht mehr als zur hälftigen Mitarbeit im Haushalt verpflichtet gewesen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom
26. März 1980 sowie des Sozialgerichts München vom
23. November 1977 aufzuheben und die Beklagte unter
Aufhebung ihres Bescheides vom 14. Februar 1974 zu
verpflichten, ihm für die Zeit ab 1. Oktober 1973
Witwerrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, daß dem Kläger keine Witwerrente zusteht.
Nach § 1266 Abs 1 RVO, der noch geltendes Recht ist (Urteil des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 12. März 1975 - BVerfGE 39, 169 = SozR 2200 § 1266 Nr 2), wird Witwerrente gewährt, wenn die verstorbene Ehefrau den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat. Da die Familie im vorliegenden Fall nur aus den in gemeinsamer Haushaltsführung lebenden Ehegatten bestand, hat derjenige den Unterhalt überwiegend bestritten, dessen Beitrag unter Einschluß der Haushaltsarbeit mehr als die Hälfte der gesamten Unterhaltsleistungen betrug (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG-, zB Urteil vom 27. Februar 1980 - 1 RJ 44/79 - = SozR 2200 § 1266 Nr 14 mwN). Maßgebender Zeitraum ist der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor dem Tode der Versicherten (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 24. April 1980 - 1 RA 3/79 - = SozR 2200 § 1266 Nr 15). Das Berufungsgericht hat den Beginn dieser Zeitspanne auf September 1972 festgelegt und dies damit begründet, damals sei das Milchgeschäft aufgegeben worden. Das ist nicht zu beanstanden.
Da das Renteneinkommen der Versicherten dasjenige des Klägers etwas überstieg und auch die der Versicherten zuzurechnenden Zinsen geringfügig höher lagen, und da die Kapitalerträge aus gemeinsamen Konten ebenso wie die Mieteinnahmen aus dem beiden Ehegatten je zur Hälfte gehörenden Mehrfamilienhaus in München das Verhältnis der beiderseitigen Unterhaltsbeiträge zueinander nicht verändern, ist es - wie das LSG zutreffend hervorgehoben hat - für die Höhe der jeweils zur Verfügung gestellten Mittel entscheidend, ob die Mieteinnahmen aus dem Zweifamilienhaus allein dem Kläger zuzuordnen und - bejahendenfalls - mit welchem Betrag sie als Leistungen für den Familienunterhalt anzusetzen sind.
Daß dem Kläger als Eigentümer des Zweifamilienhauses in M während der hier relevanten Zeit mangels anderweitiger Abreden auch die Nutzungen (Mieteinnahmen) zustanden, bedarf keiner Erörterung. Andererseits ist der Revision zuzugeben, daß Ehegatten im Innenverhältnis ihre Rechtsbeziehungen auf eine gesellschaftsrechtliche Grundlage stellen können, obwohl nach außen nur einer von ihnen in Erscheinung tritt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung schließt die Natur der Ehegemeinschaft nicht aus, daß Ehegatten durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung zwischen sich ein Gesellschaftsverhältnis begründen. Ein solches wird immer dann angenommen, wenn sich feststellen läßt, daß die Eheleute abredegemäß durch beiderseitige Leistungen einen über den typischen Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck verfolgen, indem sie durch Einsatz von Vermögenswerten und Arbeitsleistungen gemeinsam ein Unternehmen aufbauen oder eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit gemeinsam ausüben. Haben sich aber die Eheleute in den Dienst einer solchen gemeinsamen, über die Verwirklichung der eigentlichen ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Aufgabe gestellt, kann davon ausgegangen werden, daß stillschweigend ein Gesellschaftsvertrag geschlossen worden ist, der beiden ein Anrecht auf die Erträgnisse ihrer gemeinsamen Tätigkeit gibt. Dabei ist es nicht erforderlich, daß sich die Ehegatten bewußt geworden sind, ihre Beziehungen seien als gesellschaftsrechtliche zu beurteilen (zB BGHZ 8, 249; 31, 197; 47, 157; BGH in FamRZ 1975 S 35). Auch das BSG hat in Fällen eines gemeinsam betriebenen Geschäfts schon das Bestehen einer Innengesellschaft bejaht (zB Urteile vom 24. Oktober 1974 - 11 RA 112/73 - BSGE 38, 179 = SozR 2200 § 1266 Nr 1, vom 26. August 1975 - 1 RA 93/73 - = BSGE 40, 161 = SozR 2200 aaO Nr 3 und vom 23. April 1981 - 1 RA 13/79 -).
Indessen hat hier das LSG keine Feststellungen dahin getroffen, daß der Kläger und die Versicherte ausdrücklich oder stillschweigend eine Ehegatten(-Innen-)Gesellschaft vereinbart hätten. Was der Kläger in der Revisionsinstanz an Tatsachen, die einen stillschweigenden Gesellschaftsvertrag ergeben sollen, vorträgt, darf das Revisionsgericht nicht berücksichtigen (§ 163 SGG). Im übrigen reicht auch der Vortrag des Klägers, der Erwerb des Zweifamilienhauses sei mit Mitteln aus Erträgnissen des Milchgeschäfts und des gemeinsamen Anwesens in München finanziert worden, für die Annahme einer Innengesellschaft nicht aus. In diesem Zusammenhang bleibt zu beachten, daß die Ehegatten auch sonst gemeinsame und getrennte Vermögenswerte besaßen, und es fällt auf, daß das Mehrfamilienhaus in München der Versicherten und dem Kläger je zur Hälfte gehörte. Es ist insbesondere kein einleuchtender Grund ersichtlich, weshalb das Zweifamilienhaus in M der Kläger allein erwarb, obwohl gerade (auch?) dieses Grundstück Gegenstand einer Innengesellschaft gewesen sein soll. Die Erklärung des Klägers, er sei mehr zufällig formal Alleineigentümer des Anwesens geworden, weil seine Ehefrau wegen des gemeinsamen Geschäftsbetriebes nicht zur notariellen Beurkundung des Kaufvertrages habe mitreisen können, überzeugt nicht; so wäre es ohne weiteres möglich gewesen, mit einer Abschlußvollmacht der Versicherten zugleich deren Anteil zu erwerben. Die Nutzungen aus dem Zweifamilienhaus sind daher allein dem Kläger gutzubringen.
Nicht folgen kann der Senat auch der Ansicht des Klägers, es sei nur der steuerliche Überschuß aus dem Zweifamilienhaus von jährlich 751,-- bzw 754,-- DM zugrunde zu legen, der Betrag von jährlich 1.120,-- DM für "Absetzung für Abnutzung" (AfA) nach § 7 Abs 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) müsse von den Bruttoeinnahmen abgezogen werden. Denn § 1266 RVO stellt schon nach seinem Wortlaut (..."überwiegend bestritten hat") darauf ab, ob und in welcher Höhe tatsächlich ein Unterhaltsbetrag der Familienkasse beigesteuert wurde; es kommt auf das tatsächlich Gegebene und Empfangene sowie darauf an, in welchem Ausmaß die Familie durch den Tod der Versicherten einen tatsächlichen Einkommensverlust erlitten hat (BSG, Urteil vom 27. Februar 1980 - 1 RJ 44/79 - = SozR 2200 § 1266 Nr 14). Deshalb ist zwar Lohn- und Kirchensteuer nicht zum Familienunterhalt gerechnet, andererseits aber eine Einkommenssteuerrückzahlung diesem hinzugezählt worden mit der Begründung, es sei (nur) zugrunde zu legen, was der Familie effektiv zufließe (BSG Urteil vom 3. Februar 1977 - 11 RA 38/76 - BSGE 43, 186 = SozR 2200 § 1266 Nr 5). Deshalb blieben auch Ausgaben als Beitrag zum Familienunterhalt unberücksichtigt, die zwangsläufig mit einer Einnahmequelle verknüpft sind (BSG aaO).
Hiernach hat das LSG zu Recht die steuerlichen Werbungskosten (besser: tatsächlichen Aufwendungen) für das Zweifamilienhaus von den Mieteinkünften abgezogen und auch die auf den steuerlichen Überschuß entfallende Einkommenssteuer abgesetzt. Entgegen der Ansicht des Klägers gilt dies aber nicht auch für den AfA-Betrag von jährlich 1.120,-- DM. Denn dieser Betrag ist dem Kläger effektiv zugeflossen. Insbesondere aber sind die von den Ehegatten erzielten Einkünfte sämtlich - und dazu gehört auch der vorgenannte Teilbetrag von 1.120,-- DM nach den unangegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts für den Familienunterhalt verwendet worden. Diese im Rahmen des § 1266 RVO maßgebenden tatsächlichen Gegebenheiten würden auf den Kopf gestellt, wollte man nachträglich aufgrund einer steuerlichen Abschreibung versuchen, einen Betrag, der schon als Unterhalt verwendet worden ist, nicht als solchen gelten zu lassen. Es bedarf deshalb hier auch keiner Untersuchung mehr, ob bei der Ermittlung des "Gesamteinkommens" nach § 16 Sozialgesetzbuch IV von den Einkünften aus Vermietung die steuerlichen Absetzungen für Abnutzung vorgenommen werden dürfen (verneinend: BSG, Urteil vom 28. Oktober 1981 - 3 RK 8/81 -).
Damit hat nicht die Versicherte, sondern der Kläger den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten. Das ergibt sich im einzelnen aus dem im angefochtenen Urteil enthaltenen Zahlenwerk, gegen das von der Revision keine Einwendungen erhoben worden sind. Dabei ist noch offen geblieben, ob nicht auch die erhöhten Absetzungen für Anlagen und Einrichtungen von jährlich 209,-- DM dem Kläger zuzuordnen wären. Auf die Frage der Zuordnung des Wertes der Haushaltsarbeit kommt es hiernach insofern nicht an, als der Kläger selbst einräumt, zur Tragung der Hälfte dieser Arbeiten verpflichtet gewesen zu sein; er meint lediglich, die Annahme seiner erhöhten Mitarbeitspflicht sei nicht gerechtfertigt.
Nach alledem war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen