Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragspflicht nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte vom 1957-07-27 (GAL)
Orientierungssatz
Auch wenn der nach § 1 Abs 4 GAL von der Landwirtschaftlichen Alterskasse festgesetzte Mindesteinheitswert nicht erreicht wird, kann doch eine dauerhafte Existenzgrundlage gegeben sein. Dann müssen aber ganz besondere, durch die Art des Besitzes oder durch die Nutzungsform bedingte außergewöhnliche Verhältnisse vorliegen, es genügt nicht, wenn wegen besonderer Verhältnisse nur die betroffene Familie und nicht auch jede andere bäuerliche Familie, ihr Auskommen findet.
Normenkette
GAL § 1 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27, § 8 Abs. 1 Fassung: 1957-07-27
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 09.07.1963) |
SG Bayreuth (Entscheidung vom 28.01.1960) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. Juli 1963 insoweit aufgehoben, als es sich um die Beitragspflicht für das Jahr 1962 handelt.
In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Die Beklagte zog den Kläger zur Beitragsleistung nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 - BGBl I 1063 - (GAL aF) heran. Demgegenüber machte der Kläger geltend, sein Unternehmen stelle keine dauerhafte Existenzgrundlage dar. Der Widerspruch wurde mit der Begründung zurückgewiesen, auch wenn das Unternehmen mit seinem Ertragswert von 4.480 DM die Mindestertragsgrenze von 5.100 DM (§ 1 Abs. 4 GAL aF) unterschreite, sei dennoch eine dauerhafte Existenzgrundlage anzunehmen. Das Sozialgericht (SG) hob die Bescheide der Beklagten auf, das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung, die sich auf die Zeit bis zum 31. Dezember 1962 beschränkte, zurück: Der Kläger sei nicht beitragspflichtig, weil bei einem Ertragswert von 4.480 DM der Mindestertragswert von 5.100 DM unterschritten sei und deshalb das Unternehmen nach § 1 Abs. 4, 2. Halbsatz GAL aF nicht als dauerhafte Existenzgrundlage gelte. Zwar könne auch bei Unterschreitung des Mindestwertes eine dauerhafte Existenzgrundlage vorliegen, das sei aber hier nicht der Fall. Denn es lägen keine konkreten Tatsachen in dieser Hinsicht vor. Es würden keine Sonderkulturen betrieben und nach Auskunft des Bürgermeisters wie des Landwirtschaftsamtes Staffelstein handele es sich um einen ausgesprochenen Nebenerwerbsbetrieb. Auch habe der Kläger sein ganzes Leben zusätzlich als Maurer gearbeitet. Revision wurde nicht zugelassen.
Die Beklagte legte gegen das Urteil Revision ein. Sie rügt Verletzung der §§ 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG): Das LSG habe nicht beachtet, daß nach einem Beschluß der Vertreterversammlung vom 29. Januar 1962 in Ausführung des § 1 Abs. 4 des Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 - BGBl I 845 - (GAL nF) der Meßwert auf 4.335 DM festgesetzt worden sei; die von dem Kläger bewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzfläche habe diese Mindesthöhe sogar überschritten. Darüber hinaus habe sich das LSG über die Erfahrungssätze der Beklagten hinweggesetzt, wonach auch bei Unterschreitung des Meßwertes von etwa 15 % noch eine Lebensgrundlage gegeben sei. Das Unternehmen des Klägers liege aber nur 12 % unter dem früher maßgebenden Wert.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen LSG vom 9. Juli 1963 und des SG Bayreuth vom 28. Januar 1960 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II.
Da die Revision vom LSG nicht zugelassen wurde, ist sie nur statthaft, wenn im Verfahren des LSG ein wesentlicher Mangel gerügt wird und auch vorliegt (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG und BSG 1, 150). Diese Voraussetzungen sind aber nicht erfüllt, soweit es sich um die Beitragspflicht für das Jahr 1962 handelt.
Da das Unternehmen des Klägers bis zum 31. Dezember 1961 den nach § 1 Abs. 4 GAL aF festgesetzten Mindestwert nicht erreichte, ist nicht kraft gesetzlicher Fiktion eine dauerhafte Existenzgrundlage gegeben. Das LSG hat deshalb zu Recht geprüft, ob trotz der Unterschreitung dieser Grenze eine Existenzgrundlage angenommen werden könne. Dafür standen ihm u. a. auch die Auskünfte des Gemeindeamtes und des Landwirtschaftsamtes zur Verfügung. Wenn es dabei für die Zeit bis zum 31. Dezember 1961 zu dem Ergebnis gekommen ist, eine dauerhafte Existenzgrundlage sei zu verneinen, so hat es weder gegen § 103 SGG noch gegen § 128 SGG verstoßen. Denn auf Grund der vorhandenen Unterlagen konnte es den Sachverhalt für genügend geklärt ansehen, und seine Schlußfolgerungen sind weder willkürlich noch verstoßen sie gegen Denkgesetze. Indem das LSG es bei seiner Prüfung auf die konkreten Verhältnisse des klägerischen Betriebes abstellte und keine dauerhafte Existenzgrundlage annahm, hat es damit auch überzeugend dargelegt, daß die Erfahrungssätze der Beklagten für den Fall des Klägers nicht zutrafen. Ein Verfahrensmangel ist daher, soweit es die Zeit bis zum 31. Dezember 1961 betrifft, zu verneinen; in diesem Umfang ist die Revision unzulässig (§ 169 SGG).
Anders ist es jedoch für das Jahr 1962. Hier hatte die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 10. September 1962 vorgetragen, daß nach dem Beschluß der Vertreterversammlung vom 29. Januar 1962 in Ausführung des § 1 Abs. 4 GAL nF der Meßwert nunmehr 4.335 DM betrage, also niedriger liege als der Wert des klägerischen Unternehmens ist. Dieses Vorbringen hat das LSG übergangen und nicht gewürdigt. Damit hat es, wie die Revision zutreffend rügt, sein Urteil nicht auf das Gesamtergebnis des Verfahrens gegründet und gegen § 128 SGG verstoßen.
Die Revision ist daher zulässig, soweit es um die Beitragspflicht für 1962 geht. Sie ist auch begründet, weil zumindest die Möglichkeit besteht, daß bei einem verfahrensmäßig richtigen Verfahren das LSG zu einem für die Beklagte günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Das Urteil des LSG muß daher, soweit es diesen Zeitraum betrifft, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden, da keine Feststellungen getroffen sind, die eine abschließende Entscheidung des Senats ermöglichen (§ 170 SGG).
Die abschließende Kostenentscheidung bleibt dem LSG überlassen.
Fundstellen