Leitsatz (amtlich)
Ein auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützter Anspruch gegen die BfA auf Ersatz des Geldwertes von Beitragsmarken der Angestelltenversicherung, die der Erwerber bei der Deutschen Bundespost gekauft, vor ihrer Verwendung zur Beitragsentrichtung aber infolge Vernichtung durch Feuer verloren hat, ist öffentlich-rechtlicher Natur und betrifft eine Angelegenheit der Sozialversicherung.
Für ihn ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben (SGG § 51 Abs 1).
Normenkette
RVO § 1409 Fassung: 1965-06-09, § 1410 Abs. 5 Fassung: 1957-02-23, Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; AVG § 131 Fassung: 1965-06-09, § 132 Abs. 5 Fassung: 1957-02-23, Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; SGG § 51 Abs. 1 Fassung: 1958-08-23, § 54 Abs. 1 Fassung: 1958-08-23; RVO § 1410 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 132 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; BGB § 812
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Juni 1972 und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. März 1971 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) den Gegenwert von Beitragsmarken der Rentenversicherung der Angestellten zu ersetzen hat, welche die Klägerin bei der Deutschen Bundespost (DBP) gekauft, aber infolge Verbrennung verloren hat. Hierbei geht es zunächst um die Zulässigkeit des Rechtswegs.
Die Klägerin erwarb nach ihren Angaben am 27. November 1968 bei einem Postamt in Füssen für 2.520 DM 12 Beitragsmarken der Angestelltenversicherung (AV) - der Klasse 1400 zu je 210,- DM -, um sie in ihrer Versicherungskarte zur Entrichtung freiwilliger Beiträge zu verwenden. Sie steckte die Marken in einen Briefumschlag, der am 18. Dezember 1968 versehentlich in den Papierkorb geworfen und von der Haushälterin mit dem übrigen Inhalt des Papierkorbes verbrannt wurde.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten, die vernichteten 12 Beitragsmarken als für das Kalenderjahr 1967 entrichtet anzuerkennen und die Beiträge auf ihrer Versicherungskarte Nr. 9 gutzuschreiben. Mit Bescheid vom 1. Oktober 1969 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 1970 - lehnte die Beklagte es ab, die 12 Beitragsmarken zu ersetzen oder sie als wirksame Beiträge anzuerkennen. Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Augsburg durch Urteil vom 18. März 1971 den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und die Streitsache auf Antrag der Klägerin an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht Berlin verwiesen. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 21. Juni 1972 unter Zulassung der Revision die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Es hat sich der vom SG vertretenen Auffassung angeschlossen, daß der Rechtsstreit keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung i. S. des § 51 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) betrifft.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt Verletzung des § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie des § 51 SGG und beantragt, das Urteil des Bayerischen LSG vom 21. Juni 1972 und das Urteil des SG Augsburg vom 18. März 1971 aufzuheben und den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile ist der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht - wie schon das SG - den zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt. Nach § 51 Abs. 1 SGG iVm § 54 Abs. 1 SGG ist für den in erster Linie erhobenen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 1. Oktober 1969 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 1970 die sachliche Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit schon deshalb gegeben, weil sich die Klage insoweit gegen einen von einem Versicherungsträger der Sozialversicherung erlassenen Bescheid richtet. Nimmt ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung es für sich in Anspruch, die zwischen ihm und einem anderen bestehende Rechtsbeziehung durch einen Verwaltungsakt zu regeln, weil er diese Rechtsbeziehung als eine seiner hoheitlichen Regelungsbefugnis unterworfene Angelegenheit des öffentlichen Rechts der Sozialversicherung ansieht, und erläßt er einen dementsprechenden Bescheid, so ist für die gegen diesen Bescheid erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) die sachliche Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 Abs. 1 SGG) begründet, weil ein Zivilgericht den in Ausübung öffentlich-rechtlicher Gewalt erlassenen Bescheid weder ganz noch zum Teil aufheben kann (Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur SGb, 4. Auflage Bd. 1, S. 102, 103). Zur Entscheidung über die Rechtsgültigkeit eines auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts in Angelegenheiten der Sozialversicherung ergangenen Bescheides, wie er hier vorliegt, sind nach § 51 Abs. 1 SGG ausschließlich die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit berufen.
Schon aus diesen Gründen hätten das SG und das LSG zumindest für die erhobene Anfechtungsklage ihre sachliche Zuständigkeit als gegeben ansehen müssen. Auch wenn sie der Auffassung waren, der im Klagewege gegen die BfA geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des verlangten Geldbetrages sei bürgerlich-rechtlicher Natur, so hätten sie gleichwohl über die Anfechtungsklage entscheiden und den Bescheid durch Urteil aufheben müssen. Aber auch der mit der Klage gegen die beklagte BfA verfolgte Anspruch auf Zahlung von 2520,- DM ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung, so daß eine Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht schon aus diesem Grunde entfällt.
Die Klägerin stützt die von ihr geltend gemachte Rechtsfolge der Zahlungspflicht der BfA darauf, sie habe am 27. November 1968 bei der DBP Beitragsmarken der AV im Betrage von 2520,- DM erworben. Der dafür der DBP gezahlte Geldbetrag sei an die beklagte BfA abgeführt worden und in deren Vermögen gelangt. Infolge Vernichtung der erworbenen Beitragsmarken sei der mit der Zahlung des Betrages von 2520,- DM an die DBP und mit dem Erwerb der Marken bezweckte Erfolg ihrer Verwendung zur Entrichtung von Versicherungsbeiträgen an die BfA nicht erreicht worden. Die BfA sei zu der mit der Zahlung beabsichtigten sozialversicherungsrechtlichen Gegenleistung auch nicht verpflichtet. Folglich habe sie nach den Grundsätzen über die ungerechtfertigte Bereicherung der §§ 812 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) den auf ihre - der Klägerin - Kosten erlangten Betrag von 2520,- DM herauszugeben.
Der Senat hat - wie das LSG bereits ausgeführt hat - in seinem Urteil vom 15. Dezember 1970 (BSG 32, 145) ausgesprochen, daß eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung i. S. des § 51 Abs. 1 SGG vorliegt, wenn die Möglichkeit gegeben ist, daß die aus dem von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt hergeleitete Rechtsfolge im materiellen Recht des Sozialversicherungsrechts seine Grundlage findet. Das LSG hat diese Möglichkeit verneint und die Auffassung vertreten, die Rechtsfolge habe das bürgerliche Recht primär in den §§ 812 ff BGB normiert. Obschon auch im öffentlichen Recht der Grundsatz gelte, daß ohne rechtlichen Grund erlangte Leistungen zurückzuerstatten seien, handele es sich gleichwohl nicht um einen öffentlich-rechtlichen Bereicherungsanspruch; denn der Kauf der Versicherungsmarken bei der DBP, aus dem die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten und der Bereicherungsanspruch abgeleitet würden, sei ein Rechtsgeschäft des bürgerlichen Rechts oder jedenfalls ein Vorgang, auf den bürgerlich-rechtliche Vorschriften entsprechend anzuwenden seien, wie auch das LSG Niedersachsen mit Urteil vom 31. Januar 1958 in DAngVers 1958, 120 entschieden habe. Das ergebe sich auch daraus, daß selbst Nichtversicherte Beitragsmarken erwerben könnten. Beurteile sich sonach die ohne Rechtsgrund stattgefundene Vermögensverschiebung nicht nach den Vorschriften des öffentlichen Rechts, so treffe dies auch nicht für den Anspruch zu, den die Klägerin erhebe, um diese Vermögensverschiebung rückgängig zu machen. Dem tritt die Revision mit Recht entgegen.
Die Rechtsbeziehungen und Rechtsfolgen, die sich aus dem Erwerb von Beitragsmarken der AV unmittelbar von der DBP und aus der Inhaberschaft der losen, zur Beitragsentrichtung noch nicht verwendeten Beitragsmarken im Verhältnis zur BfA als Träger der gesetzlichen AV ergeben, sind öffentlich-rechtlicher Natur; denn sie sind umfassend und erschöpfend im öffentlichen Recht der Sozialversicherung gestaltet. Eine solche Gestaltung der Rechtsbeziehungen liegt immer dann vor, wenn ein Hoheitsträger oder eines seiner Organe aufgrund besonderer, speziell sie berechtigender oder verpflichtender Rechtsvorschriften beteiligt ist (BSG in SozR Nr. 54 zu § 51 SGG und das dort angegebene Schrifttum). Die speziellen Rechte und Pflichten der DBP als Hoheitsträger zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben und der BfA als hoheitlicher Träger der gesetzlichen Rentenversicherung aus der Ausgabe, dem Verkauf und dem Umtausch der Beitragsmarken der AV sowie die besonderen Rechte des Markenerwerbers aus der Inhaberschaft und seiner Befugnis zur Benutzung der Beitragsmarken zur Beitragsentrichtung sind aber allein in den besonderen Rechtsvorschriften des Sozialversicherungsrechts (des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und der sie ergänzenden Gesetze, Verordnungen und Anordnungen) geregelt.
Nach dem geltenden Recht erfolgt die Entrichtung von Beiträgen, sofern sie durch die in § 127 Abs. 1 AVG genannten Personen sowie für die Weiterversicherung (§ 129 AVG) und Höherversicherung (§ 130 AVG) durch Verwendung von Beitragsmarken geschieht, durch Einkleben von Beitragsmarken in die Versicherungskarten der Versicherten (§ 131 AVG = § 1409 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Für die Gestaltung, die Ausgabe, den Verkauf und den Umtausch der Beitragsmarken der AV sind in § 132 AVG (= § 1410 RVO) besondere Vorschriften getroffen. Die Beitragsmarken enthalten die Bezeichnung der Beitragsklasse, des Geldwertes und des Kalenderjahres des Ankaufs, die Beitragsmarken der Höherversicherung außerdem den Aufdruck der Buchstaben "HV" (Abs. 1). Der Bundesminister für Arbeit bestimmt durch allgemeine Verwaltungsvorschriften die Unterscheidungsmerkmale der Beitragsmarken sowie die Zeitabschnitte, für die sie ausgegeben werden; er erklärt die Beitragsmarken nach Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer für ungültig (Abs. 4). Ungültig gewordene Beitragsmarken können binnen einem Monat nach Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer bei der DBP, binnen weiteren fünf Monaten bei der BfA umgetauscht werden (Abs. 5). Mit diesen Vorschriften der Neuregelungsgesetze ist - im wesentlichen in Übereinstimmung mit dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht - die mit der Ausgabe der Beitragsmarken verfolgte Zweckbestimmung der Marken gesetzlich umfassend und erschöpfend festgelegt.
Nach § 132 Abs. 2 AVG werden die Beitragsmarken durch die DBP verkauft; der Erlös ist an die BfA abzuführen; die BfA kann auch besondere Verkaufsstellen für Beitragsmarken einrichten. Die DBP erhält von der BfA für den Verkauf der Beitragsmarken eine Vergütung. Die Höhe der Vergütung setzt der Bundesminister für Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates fest (§ 132 Abs. 3 AVG). Wie den besonderen Verkaufsstellen für Beitragsmarken der BfA die Abgabe der Beitragsmarken als hoheitliche Maßnahme zwecks Erfüllung der ihr gesetzlich übertragenen öffentlich-rechtlichen Aufgabe der Durchführung der Sozialversicherung obliegt, so ist auch der DBP als Hoheitsträger mit dem Verkauf der Beitragsmarken der AV kraft Gesetzes die Durchführung einer einzelnen Maßnahme einer hoheitlichen Aufgabe übertragen und zu einer öffentlich-rechtlichen Pflicht gemacht. Die durch die Ausgabe und den Verkauf der Beitragsmarken geschaffenen Rechtsbeziehungen sind kraft Gesetzes öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. hierzu RGZ 154, 206; Peters/Sautter/Wolff aaO S. 123/3-3-).
Auch wenn für ungültig erklärte Beitragsmarken zum Umtausch aufgerufen sind, ist die Pflicht der DBP oder der BfA nach § 132 Abs. 5 AVG zum Umtausch in gültige Beitragsmarken öffentlich-rechtlicher Art. Die Umtauschpflicht gegenüber jedem Inhaber einer für ungültig erklärten Marke ergibt sich aus dem Gesetz als öffentlich-rechtliche Verpflichtung der zuständigen Umtauschstellen. Nach § 132 Abs. 5 AVG ist jedenfalls ein zivilrechtlicher Anspruch nicht gegeben; der Umtausch ist eine öffentlich-rechtliche Maßnahme der Sozialversicherung, so daß er nur Pflichten und Rechte öffentlich-rechtlicher Natur begründet (Koch/Hartmann/v. Altrock/Fürst, AVG § 175 AVG aF Anm. 4; Peters/Sautter/Wolff aaO S. 123/3-3-; RVA in EuM 25, 230).
Die nach ihrer Ausgabe jedem Inhaber der einzelnen losen Beitragsmarke zustehende Befugnis, die Marke zur Entrichtung des Versicherungsbeitrags der AV zu benutzen, ist keine sich aus der Beitragsmarke nach bürgerlichem Recht ergebende, sondern kraft Gesetzes nach dem öffentlichen Recht der Sozialversicherung begründete Berechtigung; denn die Rechtsbeziehungen, die sich nach dem Erwerb aus dem Eigentum und der Inhaberschaft an einer losen Beitragsmarke der AV für ihre Verwendung zur Beitragsentziehung ergeben, sind ebenfalls durch spezielle Rechtsvorschriften der Sozialversicherung hoheitlich gestaltet. Dies schließt nicht aus, daß im sonstigen Rechtsverkehr auf sie gewisse in den §§ 793 ff BGB für Inhaberpapiere entwickelten Grundsätze im öffentlichen Recht ebenfalls anzuwenden sind (Koch/Hartmann/v. Altrock/Fürst aaO § 175 AVG aF Anm. 1).
Der Anspruch des einzelnen gegen die DBP auf Verkauf und Abgabe der Beitragsmarken folgt unmittelbar aus dem Gesetz und ist ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur. Mit der Abgabe ("Verkauf") der Beitragsmarken genügt die DBP mithin einer öffentlich-rechtlichen Pflicht und erfüllt einen bereits kraft Gesetzes bestehenden öffentlich-rechtlichen Anspruch des Bürgers, ohne daß die DBP und der Markenerwerber als Parteien eines privatrechtlichen Vertrages des bürgerlichen Rechts beim "Kauf" der Beitragsmarken ihre Rechtsbeziehungen zueinander nach den Grundsätzen des bürgerlich-rechtlichen Kaufvertrages regeln. Das Verhältnis zwischen der Post und den Postbenutzern ist, wie der Bundesgerichtshof klargestellt hat, auch sonst öffentlich-rechtlicher Natur (BGHZ 20, 102 ff; Florian/Weigert, Komm. zur Postordnung 1969, S. 17). In gleicher Weise wird die DBP im Rahmen der ihr übertragenen öffentlichen Aufgaben des Gemeinwohls hoheitlich tätig, wenn sie in Erfüllung des ihr im Sozialversicherungsrecht kraft Gesetzes erteilten Auftrags Beitragsmarken der AV abgibt. Der vom Gesetz gebrauchte Ausdruck, daß die DBP die Beitragsmarken "verkauft", ist rechtstechnisch - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht i. S. der Pflicht zum Abschluß eines bürgerlich-rechtlichen Kaufvertrages mit dem "Käufer" der Marken zu verstehen, sondern soll nur besagen, daß die Abgabe der Beitragsmarken im Wege des Austausches gegen Geld zu erfolgen hat. Hieran ändert nichts, daß auch Nichtversicherte bei der DBP Beitragsmarken der AV erwerben können, und daß bereits bei der DBP oder den besonderen Verkaufsstellen der BfA erworbene Beitragsmarken bei ihrem weiteren Verkauf Gegenstand bürgerlich-rechtlicher Kaufverträge sein können. Der Erwerb von Beitragsmarken der AV gegen Zahlung von Geld bei der DBP vollzieht sich jedenfalls ausschließlich in Abwicklung hoheitlich geregelter und deshalb öffentlich-rechtlicher Rechte und Pflichten, so daß auf ihn die Vorschriften über den im BGB geregelten privatrechtlichen Kaufvertrag (§§ 433 ff) nicht unmittelbar anzuwenden sind. Ihre entsprechende Anwendung im öffentlichen Recht kann nur unter den auch sonst geltenden Voraussetzungen erfolgen und auch nur insoweit, als die ausdrückliche im öffentlichen Recht der Sozialversicherung getroffene Regelung über die Ausgabe und den "Verkauf" der Beitragsmarken der AV dem nicht entgegensteht.
Schon aus diesen Gründen kann dem Urteil des LSG Niedersachsen vom 31. Januar 1958 nicht zugestimmt werden, in dem im wesentlichen darauf abgestellt ist, Versicherungsmarken seien wie Briefmarken und Stempelmarken Kaufgegenstand und unterlägen als solche der Regelung des Gefahrenübergangs nach § 446 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es kann nur nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Sozialversicherungsrechts beurteilt und entschieden werden, ob derjenige, der Beitragsmarken zur Bezahlung von Versicherungsbeiträgen ausgibt, deren Wert zu ersetzen hat, wenn die bezahlten Marken infolge nachweisbarer Vernichtung nicht mehr zur Beitragsentrichtung benutzt werden können und der Versicherungsträger somit auf Kosten des "Käufers" der Beitragsmarken Vermögenswerte erhält, für die er keine Gegenleistung zu erbringen hat. Hierzu hat sich das Reichsversicherungsamt (RVA) in AN 1902, 400 bereits dahin geäußert, in dem Invalidenversicherungsgesetz sei eine Ersatzleistung von Beitragsmarken, die in den Händen des Käufers vor ihrer Verwendung durch einen Zufall vernichtet worden sind, zwar nicht vorgesehen. Die Sachlage sei auch in derartigen Fällen nicht durchweg die gleiche wie bei unverwendbaren, aber vorhandenen Marken, hinsichtlich deren ungeachtet des Mangels einer gesetzlichen Vorschrift die Einlösung aus Billigkeitsgründen als zulässig anerkannt worden sei. Gleichwohl hat das RVA die beabsichtigte Erstattung des Wertes durch Feuer vernichteter Beitragsmarken nicht im Aufsichtswege beanstandet, da sich immerhin erhebliche Billigkeitsgründe dafür geltend machen ließen, daß die Versicherungsanstalt sich nicht zum Schaden des Markenkäufers ohne Gegenleistung bereichere. Jedoch werde dabei vorausgesetzt, daß der Nachweis des Untergangs der Marken völlig überzeugend erbracht werde.
Zu Unrecht meint das LSG, seine Auffassung, daß der von der Klägerin erhobene Anspruch bürgerlich-rechtlicher Natur und deshalb der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben sei, werde durch die Entscheidung des RVA in AN 1942 II 19 gestützt. In dem hier vom RVA entschiedenen Fall verlangte das Finanzamt als Arbeitgeber Ersatz des Wertes von Beitragsmarken der AV, die durch das Versehen eines Beamten verbrannt waren. Das RVA hat hier nur ausgesprochen, daß es sich nicht um eine die "Beitragsleistung" betreffende Beitragsstreitigkeit i. S. des § 194 AVG aF handele, sondern um einen Anspruch des Arbeitgebers auf Ersatz des Schadens, der durch die versehentliche Verbrennung von Beitragsmarken entstanden sei. Zur Entscheidung über diesen Anspruch seien die Versicherungsbehörden nicht zuständig. Einen ähnlichen Standpunkt hatte das RVA bereits in EuM 22, 163 vertreten. Hier ging es um einen Schadensersatzanspruch wegen bereits geleisteter, aber durch den Arbeitgeber verlorener Beiträge, der bürgerlich-rechtlicher Natur (§ 823 Abs. 2 BGB) sei und in die sachliche Zuständigkeit der Zivil- oder Arbeitsgerichte falle. Diese Entscheidungen des RVA betreffen mithin keinen Fall, der dem gegenwärtigen vergleichbar wäre. Zudem trifft auch hier zu, was das Bundessozialgericht (BSG) bereits in SozR Nr. 54 zu § 51 SGG ausgeführt hat, diese Rechtsprechung des RVA sei daraus zu erklären, daß es vor Erlaß des Grundgesetzes im Jahre 1949 im Bereich des Sozialversicherungsrechts noch keine Rechtsprechungsorgane gegeben habe, die allen an eine unabhängige Gerichtsbarkeit zu stellenden Anforderungen genügten. Dieser Grund ist seit Errichtung der unabhängigen Sozialgerichtsbarkeit neben der allgemeinen Gerichtsbarkeit weggefallen.
Kraft der öffentlich-rechtlichen Regelung über die Ausgabe, den Verkauf und den Umtausch von Beitragsmarken der AV sowie über ihre Benutzung und Verwendung zur Beitragsentrichtung im Sozialversicherungsrecht kann somit demjenigen, der bei der Deutschen Bundespost gekaufte Beitragsmarken der AV infolge Vernichtung durch Feuer verloren hat, ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch auf Ersatz des Wertes der Marken gegen den Träger der Rentenversicherung der Angestellten nicht zustehen. Eine solche Rechtsfolge läßt sich nur aus einer öffentlich-rechtlichen Beziehung des Markenerwerbers zur BfA herleiten, so daß nur ein öffentlich-rechtlicher Anspruch in Frage kommt.
Danach ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit i. S. des § 51 Abs. 1 SGG gegeben, so daß unter Aufhebung der entgegenstehenden Urteile der Vorinstanzen der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen ist.
Das LSG wird den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Ersatz des Wertes der verbrannten Beitragsmarken nunmehr sachlich-rechtlich daraufhin zu prüfen haben, ob er auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Bereicherungs-, Ersatz- oder Erstattungsanspruches gegeben sein kann.
In seiner das Verfahren abschließenden Entscheidung wird das LSG auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen