Beteiligte
Gemeinsamer Beschwerdeausschuß |
2. Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein |
1. AOK Schleswig-Holstein – Die Gesundheitskasse |
Tenor
Auf die Revision der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. November 1999 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit eines Arzneikostenregresses für das Quartal I/1995.
Die zu 1. beigeladene Krankenkasse beantragte im November 1995 die Festsetzung eines Schadensersatzes wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise gemäß § 10 der Prüfvereinbarung vom 11. November 1992 und die Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 13 dieser Prüfvereinbarung gegen den als praktischen Arzt zugelassenen Kläger. Ihren Antrag begründete sie mit einer Überschreitung der durchschnittlichen Verordnungskosten um 40,3 %. Zusätzlich machte sie geltend, der Kläger habe ohne erkennbares therapeutisches Konzept drogenabhängige Patienten behandelt und dabei unter Nichtbeachtung zahlreicher Vorschriften der Arzneimittelrichtlinien (AMR) in großem Umfang Verordnungen vorgenommen, die medizinisch nicht vertretbar seien und teilweise mit dem Betäubungsmittelgesetz nicht in Einklang stünden. Der Prüfungsausschuß sah die Voraussetzungen für einen Regreß aufgrund statistischer Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten bei einer von ihm mit 29,9 % berechneten Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts nicht als gegeben an, stellte aber fest, daß in größerem Umfang nicht verordnungsfähige Arzneimittel verschrieben worden seien. Deswegen erteilte er dem Kläger eine schriftliche Beratung.
Auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1. setzte der beklagte Beschwerdeausschuß einen Schadensersatzbetrag von 4.122,35 DM fest.
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid des Beklagten überwiegend aufgehoben. Unzulässige Verordnungen des Klägers seien nur hinsichtlich der Präparate Aspirin Plus C, Ponderax sowie Nizax und Pepdul festzustellen. Bei den zuletzt genannten Präparaten habe der Kläger zumindest hinsichtlich der Höhe der für einzelne Patienten verordneten Dosen die Grenze des medizinisch Vertretbaren überschritten. Im übrigen, dh vor allem hinsichtlich der Verordnung von Drogenersatzstoffen, habe der Kläger ausschließlich eine symptomatische Behandlung zur Bekämpfung von Schmerzen und Schlafstörungen durchgeführt, die ihrer Art nach nicht zu beanstanden sei (Urteil vom 23. September 1998).
Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1. hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil abgeändert. Es hat den Bescheid des Beklagten nur insoweit beanstandet, als ein höherer Schadensersatz als 1.227,77 DM festgesetzt worden ist. Zur Begründung hat es auf sein Urteil im Verfahren L 4 KA 37/98 vom gleichen Tag betreffend die Quartale III/1995 und IV/1995 Bezug genommen, das Gegenstand des Revisionsverfahrens B 6 KA 19/00 R (s Urteil vom heutigen Tag) ist. Einen Unterschied zu diesem Verfahren hat das LSG nur insoweit gesehen, als Rechtsgrundlage für die Feststellung eines sonstigen Schadens wegen der widersprüchlichen Regelung über das Inkrafttreten der neuen Prüfvereinbarung zum Quartal I/1995 hier noch die Prüfvereinbarung aus dem Jahr 1992 sei. In dieser sei den Prüfgremien für die Feststellung eines sonstigen Schadens eine weitergehende Kompetenz zugewiesen als in § 12 Abs 3 der ab 1995 geltenden Prüfvereinbarung. Dieser weitergehenden Kompetenz sei aber bereits für das erste Quartal 1995 durch die Neugestaltung des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) zum 1. Januar 1995 die rechtliche Grundlage entzogen worden. Deshalb sei auch für dieses Quartal die Schadensfeststellungskompetenz der Prüfgremien auf den in § 48 Abs 1 BMV-Ä umgrenzten Bereich beschränkt. Deshalb könne lediglich die Verordnung von Aspirin, Linola-Fett-Salbe, Ponderax, AN 1 [Amphetamin-Präparat] sowie von Vitaminpräparaten beanstandet werden. Im übrigen, dh vor allem hinsichtlich der verordneten Suchtersatzstoffe, sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig, weil es für die Festsetzung eines Regresses an einer wirksamen Rechtsgrundlage fehle (Urteil vom 3. November 1999).
Mit ihrer Revision rügt die zu 1. beigeladene Krankenkasse eine fehlerhafte Anwendung der §§ 82 und 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie der §§ 48, 49 und 50 BMV-Ä iVm § 12 der Gemeinsamen Prüfvereinbarung zur vertragsärztlichen Versorgung in Schleswig-Holstein. Dem LSG könne insofern nicht gefolgt werden, als es angenommen habe, diese Bestimmungen stünden der Festsetzung eines Schadensregresses auf der Grundlage des § 12 Abs 3 der Prüfvereinbarung entgegen. Es treffe nicht zu, daß die Verordnung von Medikamenten, deren Verabreichung nicht mit den Regeln der ärztlichen Kunst vereinbar sei, nicht im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern nur nach § 49 bzw § 50 BMV-Ä in einem speziellen Schlichtungsverfahren geltend gemacht werden könne. Rechtsgrundlage der Prüfvereinbarung, die in § 12 Abs 3 ausdrücklich die Festsetzung eines Schadensregresses im Falle der Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen seien, vorschreibe, sei § 48 Abs 1 BMV-Ä iVm § 106 SGB V. § 50 BMV-Ä befasse sich allein mit den Schadensersatzansprüchen der Versicherten im Falle von Behandlungsfehlern, die die Krankenkasse aus eigenem oder übergeleitetem Recht gegen einen Vertragsarzt geltend mache. Dem Kläger sei jedoch vorzuhalten, insbesondere bei der Verordnung von Drogenersatzstoffen gegen die Richtlinien über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden verstoßen zu haben.
Die Beigeladene zu 1. beantragt sinngemäß,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. November 1999 sowie des Sozialgerichts Kiel vom 23. September 1998 sind aufzuheben, soweit diese den Bescheid des Beklagten vom 21. März 1997 aufgehoben haben, und die Klage im vollem Umfang abzuweisen.
Der Beklagte schließt sich der Auffassung der Beigeladenen zu 1. an.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht durch einen vor dem Bundessozialgericht (BSG) vertretungsberechtigten Bevollmächtigten vertreten. Die zu 2. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung äußert sich im Revisionsverfahren nicht.
II
Die Revision der zu 1. beigeladenen Krankenkasse ist begründet. Das angefochtene Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht. Ob der vom beklagten Beschwerdeausschuß festgesetzte Arzneikostenregreß rechtmäßig ist, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Das führt zur Zurückverweisung der Sache (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind nach geltender Rechtslage berechtigt, Arzneikostenregresse wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise, zB bei Überschreiten von Durchschnittswerten, festzusetzen (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB idF des Gesundheitsstrukturgesetzes ≪GSG≫ vom 21. Dezember 1992 ≪BGBl I 2266≫). Sie sind auch befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln festzusetzen. Die Ermächtigung für die Normierung einer entsprechenden Rechtsgrundlage findet sich in § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V des GSG. Danach können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den KÄVen über die in § 106 Abs 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen (Auffälligkeitsprüfung, Zufälligkeitsprüfung) hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Von dieser Kompetenz haben die Partner der Gesamtverträge in Schleswig-Holstein mit dem Abschluß einer Gemeinsamen Prüfvereinbarung Gebrauch gemacht. Ob diese Prüfvereinbarung hier in der Fassung vom 11. November 1992 oder in der ab dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung Anwendung findet, kann der Senat offenlassen. Das LSG hat, ohne den Inhalt der alten Fassung der Prüfvereinbarung im einzelnen festzustellen, ausgeführt, die Kompetenz der Prüfgremien zur Festsetzung von Regressen wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel sei danach weitergehender gewesen als auf der Grundlage des § 12 Abs 3 der Prüfvereinbarung in der ab dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung. An diese Auslegung ist der Senat gebunden, weil die Prüfvereinbarung kein Bundesrecht iS des § 162 SGG darstellt. Wenn daher schon die nach Auffassung des LSG engere Neufassung der Prüfvereinbarung den streitbefangenen Regreßbescheid zu tragen vermag, gilt das für die alte Fassung erst recht. § 12 Abs 3 der neuen Prüfvereinbarung in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung bestimmt nach Feststellung des Berufungsgerichts: „Der Prüfungsausschuß entscheidet auf begründeten Antrag im Einzelfall auch über einen Anspruch auf Schadensersatz wegen unzulässiger Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen sind (hierunter fallen auch Verordnungen, die gegen die AMR verstoßen), oder fehlerhafter Ausstellung von Bescheinigungen”.
Die in der Vorschrift vorgenommene Zuweisung der Sanktionierung unzulässiger bzw rechtswidriger Verordnungen an die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben in § 106 SGB V, mit den Bestimmungen der §§ 48 ff BMV-Ä in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung (nF) sowie mit der langjährigen Rechtsprechung des Senats. Schon unter der Geltung des § 368n Abs 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) als gesetzlicher Grundlage der kassenärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung hat der Senat die Auffassung vertreten, die Verordnung von Arznei- bzw Heilmitteln, die in der kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnungsfähig sind, obliege den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung. So hat er im Urteil vom 5. Mai 1988 (BSGE 63, 163, 165 = SozR 2200 § 368p Nr 2) ausgeführt, die AMR konkretisierten das für die gesamte kassenärztliche Tätigkeit geltende Wirtschaftlichkeitsgebot. Das habe zur Folge, daß nicht die KÄV, sondern die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständig seien, die Einhaltung der dieses Gebot umsetzenden Vorschriften durch den Kassenarzt im Einzelfall zu überprüfen und ggf einen Regreß festzusetzen. Die Partner der Gesamtverträge seien sogar gehindert, für die Prüfung der Einhaltung der AMR die Zuständigkeit der KÄV vorzuschreiben. Im Urteil vom 21. Juni 1989 (BSGE 65, 154 f = SozR 2200 § 368e Nr 13) hat der Senat den Zusammenhang zwischen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise und der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel erneut präzisiert. Unter Regreßforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise iS des § 34 Abs 1 Buchst d BMV-Ä in der 1980 geltenden Fassung seien alle Regreßforderungen wegen Verordnungen zu verstehen, die nach § 368e RVO unzulässig seien. Denn der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt dürfe nach § 368e Satz 2 RVO keine Leistungen verordnen, die zur Erzielung des Heilerfolgs nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien. Es sei geboten, den Begriff der Unwirtschaftlichkeit in § 368e Satz 2 RVO und § 34 Abs 1 Buchst d BMV-Ä aF dahin auszulegen, daß er auch die Verordnung von Mitteln erfasse, die die Kasse aus anderen Gründen nach ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung nicht zu gewähren habe. Der Begriff der Unwirtschaftlichkeit sei in einem weiteren Sinne auszulegen. Im Urteil vom 10. Mai 1990 (BSGE 67, 36 ff = SozR 3-1500 § 12 Nr 1) hat der Senat im Ersatzkassenbereich die KÄV als Trägerin der bei ihr gebildeten, damals rechtlich unselbständigen Prüfungs- und Beschwerdekommission zur Festsetzung eines Regresses wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Haarwasch- und Sonnenschutzmittel für zuständig gehalten.
Für den hier speziell betroffenen Bereich der Behandlung von drogenabhängigen Patienten (ua mit Drogenersatzstoffen) hat der Senat im Ersatzkassenbereich die Zuständigkeit der Prüfungs- bzw Beschwerdekommission nach dem Arzt-/Ersatzkassenvertrag für die Festsetzung eines auf die Unzulässigkeit der Verabreichung von Kodeinpräparaten gestützten Verordnungsregresses ohne nähere Begründung als gegeben angesehen (BSG SozR 3-5550 § 17 Nr 2). Denselben Rechtsstandpunkt hat der Senat im Urteil vom 19. Juni 1996 – 6 RKa 27/95 – (USK 96169 = WzS 1997, 123) hinsichtlich eines Verordnungsregresses im Primärkassenbereich eingenommen. Er hat ausgeführt, nach § 368e Satz 2 RVO bzw § 12 Abs 1 Satz 2 SGB V dürften Ärzte keine Leistungen verordnen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien. Das gelte erst recht für solche Leistungen, die nicht von der Leistungspflicht der GKV erfaßt werden.
Die in der dargestellten Rechtsprechung bestätigte umfassende Zuständigkeit der Gremien der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Festsetzung von Arzneiregressen, die mit einem Verstoß gegen die AMR bzw damit begründet werden, daß der Vertragsarzt Medikamente verordnet habe, die nicht von der Leistungspflicht der GKV umfaßt sind, sind durch die zum 1. Januar 1995 in Kraft getretenen Änderungen der einschlägigen Regelungen des BMV-Ä (§§ 45 ff) nicht berührt worden.
Entgegen der Auffassung des LSG hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung Schadens- bzw Verordnungsregresse wegen eines Verstoßes gegen die AMR bzw generell wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nicht als Fall der Festsetzung eines „sonstigen Schadens” iS von § 38 Abs 3 BMV-Ä in der ab 1. Oktober 1990 (aF) geltenden Fassung beurteilt. Nach dieser Vorschrift haben die Prüfungseinrichtungen auch den sonstigen Schaden festzusetzen, den ein Kassenarzt infolge schuldhafter Verletzung kassenärztlicher Pflichten einer Krankenkasse verursacht hatte. Dieser Regelung sind Schadensfälle zuzuordnen gewesen, die der Krankenkasse etwa aufgrund der fehlerhaften Ausstellung einer Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit oä entstanden sind (vgl Clemens in Schulin ≪Hrsg≫, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd I, Krankenversicherungsrecht, 1994, § 36 RdNr 10 mit Fn 13). Nach einer – umstrittenen und inzwischen überholten – Entscheidung (Urteil vom 20. Juni 1983 = BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368n Nr 26) erfaßte § 38 Abs 3 BMV-Ä auch den ärztlichen Behandlungsfehler. Kennzeichnend für die in § 38 Abs 3 BMV-Ä aF angesprochenen Regreßfälle ist, daß der Arzt seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt haben muß (vgl Clemens, aaO, § 35 RdNr 177, 179; § 36 RdNr 51). Für die Festsetzung eines Regresses wegen Verstößen gegen die AMR bzw wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel hat der Senat dagegen zu keinem Zeitpunkt gefordert, daß den Arzt an den unzulässigen Verordnungen ein Verschulden treffen müsse. Schon aus diesem Grunde fallen Regresse wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nicht in den Anwendungsbereich des § 49 BMV-Ä nF, da diese Vorschrift ebenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung des Arztes voraussetzt. Nach ihr werden nämlich Schadensersatzansprüche, welche eine Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt aus der schuldhaften Verletzung vertragsärztlicher Pflichten geltend macht und für deren Prüfung und Feststellung nicht die Verfahren nach den §§ 45, 47 und 48 BMV-Ä vorgeschrieben sind, durch eine Schlichtungsstelle geprüft. Darüber hinaus bestimmt nunmehr § 50 BMV-Ä nF in bewußter Abweichung von dem bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Rechtszustand als Reaktion auf das Senatsurteil vom 20. Juni 1983 (BSGE 55, 144 ff = SozR 2200 § 368n Nr 26), daß Schadensersatzansprüche, welche eine Krankenkasse aus eigenem oder übergeleitetem Recht gegen einen Vertragsarzt wegen des Vorwurfs der Verletzung der ärztlichen Sorgfalt bei der Untersuchung oder Behandlung erhebt, nicht Gegenstand des Verfahrens vor den Prüfungseinrichtungen oder den Schlichtungsstellen sind. Die zum 1. Januar 1995 in Kraft getretenen Änderungen des BMV-Ä erschöpfen sich im wesentlichen darin, daß Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Pflichtverletzung bzw wegen Sorgfaltspflichtverletzung bei Untersuchungen und Behandlungen aus der Prüfungs- und Feststellungskompetenz der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung herausgenommen werden. Die Änderungen erstrecken sich mithin nicht auf Regresse wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen.
Im übrigen sind solche Regresse auch ihrem Gegenstand nach von Schadensregressen anderer Art zu unterscheiden. Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, daß sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und aushändigt werden durften. Der typische Schadensregreß außerhalb des Verordnungsverhaltens ist hingegen dadurch gekennzeichnet, daß das Verhalten des Arztes (zB ein Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) Folgekosten der Kasse ausgelöst hat (zB aufwendige Nachbehandlungen, Leistungen wegen Mutterschaft). Der hier zu ersetzende Schaden ist der Struktur nach einem Mangelfolgeschaden nach bürgerlichem Recht vergleichbar. Der „Schaden”, der durch einen Verordnungsregreß auszugleichen ist, entspricht dagegen demjenigen, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise iS von § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V verursacht wird. Der Unterschied besteht allein darin, daß ein Regreß wegen unzulässiger Verordnungen an einzelne Verordnungen des Arztes gegenüber bestimmten Patienten und nicht an sein Verordnungsverhalten in einem bestimmten Zeitraum insgesamt anknüpft.
Die fortbestehende Zuordnung der Regresse wegen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel zum Sachbereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung und zur Kompetenz der Prüfgremien nach § 106 SGB V kommt schließlich auch in § 48 Abs 1 BMV-Ä nF deutlich zum Ausdruck. Danach stellen die Prüfeinrichtungen nach § 106 SGB V ua den sonstigen durch einen Vertragsarzt verursachten Schaden fest, der einer Krankenkasse aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen sind, entstanden ist. Der Auffassung des LSG, diese Zuweisung erfasse nur ausdrückliche, auf bestimmte Arzneimittel oder auf Arzneimittelgruppen bezogene Verordnungsausschlüsse im Gesetz, in der Rechtsverordnung nach § 34 Abs 3 SGB V sowie in den Nrn 16 und 17 der AMR, kann nicht gefolgt werden. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die Vertragspartner des Bundesmantelvertrages die aufgrund der Rechtsprechung des erkennenden Senats seit Jahren bestehende Zuständigkeit der Prüfgremien zur Festsetzung von Schadensregressen auch in den Fällen, in denen ein Vertragsarzt Arznei- oder Heilmittel verordnet hat, die von vornherein nicht zur Leistungspflicht der GKV gehören, in Frage stellen wollten. Vielmehr erweist sich § 48 Abs 1 BMV-Ä gerade als Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Befugnis der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung zur Festsetzung von Schadensregressen bei unzulässigen Verordnungen. Wollte man hingegen der Rechtsauffassung des LSG folgen, zöge dies rechtlich nicht zu tolerierende Unterschiede bei der Sanktionierung unwirtschaftlicher und unzulässiger Verordnungen nach sich. Denn danach könnten seit dem 1. Januar 1995 Ärzte für die Kosten unzulässiger Arzneiverordnungen regelmäßig nicht mehr in Regreß genommen werden. Den Gesamtvertragspartnern wäre es nach dieser Ansicht nämlich nicht gestattet, eine entsprechende Zuständigkeit der Prüfgremien zu vereinbaren, und eine Zuständigkeit der Schlichtungsstelle nach § 49 BMV-Ä würde nicht praktisch werden, weil diese von vornherein nur bei schuldhaften Pflichtverletzungen eines Vertragsarztes tätig werden kann. Dies hätte zur Konsequenz, daß ein Vertragsarzt, der „nur” gegen eine bestimmte spezielle Regelung in den AMR verstößt, von den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung in Regreß genommen werden könnte, während ein Arzt, der systematisch Arzneiverordnungen tätigt, die erkennbar von der Leistungspflicht der GKV nicht umfaßt sind, oder bei drogenabhängigen Patienten medikamentengestützte Behandlungen durchführt, ohne die dafür in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen normierten Vorschriften einzuhalten, keinem Regreß ausgesetzt wäre. Zur Rechtfertigung solcher Differenzierungen sind sachliche Gründe nicht ersichtlich.
Nach allem sind die der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung – hier der beklagte Beschwerdeausschuß – für die Entscheidung über den Antrag der Beigeladenen zu 1. auf Festsetzung eines Schadensregresses gegen den Kläger zuständig. Der Senat vermag dennoch über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Beklagten nicht abschließend zu entscheiden. Der Kläger hat sich im Klage- und Berufungsverfahren gegen die auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung gestützten Vorwürfe gegen seine Behandlungsweise verteidigt. Das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich der Kläger bei seiner Behandlung an die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Methadon-Substitutionsbehandlung bei i.v.-Heroinabhängigen (Anlage 1 Nr 2 zu den NUB-Richtlinien in der 1995 geltenden Fassung; dazu BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6) gehalten hat bzw ob Gesichtspunkte dafür erkennbar sind, daß er Patienten vor der Eingliederung in ein Methadonprogramm sachgerecht behandelt hat (vgl dazu allgemein BSG SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8 f). Die dazu erforderlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht nunmehr zu treffen und bei seiner abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen