Leitsatz (redaktionell)
Ein Verschweigen iS des KOVVfG § 47 Abs 3 Buchst a liegt nicht schon dann vor, wenn ein Antragsteller in seinem schriftlichen Antrag nicht alle ihm bekannten Tatsachen auch schriftlich niederlegt, obwohl er sie mündlich dem den Antrag entgegennehmenden Beamten des Versorgungsamtes offenbart hat. Denn im Recht der Kriegsopferversorgung hat stets gegolten, daß Anträge auch mündlich gestellt werden und alle erforderlichen Erklärungen auch mündlich abgegeben werden können (vgl jetzt KOV-VfG § 6). Nimmt darum der Beamte mündliche Erklärungen nicht in die Niederschrift auf, weil sie ihm nicht wesentlich oder unerheblich erscheinen, so geht dieser Umstand zu Lasten der Verwaltung; auf keinen Fall aber kann in solchem Fall gefolgert werden, daß der Antragsteller etwas verschwiegen habe.
Normenkette
KOVVfG § 47 Abs. 3 Buchst. a Fassung: 1960-06-27, § 6 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Mai 1965 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Die Klägerin zu 1) beantragte am 18. Oktober 1948 bei der Körper-Beschädigten-Abteilung (KB-Abt.) M bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen für sich, ihre Söhne C und H - Kläger zu 2) und 3) - sowie für den inzwischen verstorbenen Sohn Frank Hinterbliebenenbezüge. Sie gab an, ihr zum Kriegsdienst eingezogener Ehemann sei seit dem Januar 1946 verschollen, und erklärte in der dem Antrag beigefügten eidesstattlichen Versicherung vom 16. Oktober 1948, daß sie von ihrem im Jahre 1943 zum Kriegsdienst eingezogenen Ehemann die letzte briefliche Nachricht im Januar 1946 erhalten habe. Der Truppenteil habe ihr keine amtliche Vermißtenmeldung übersandt. Die KB-Abt. M erkannte daraufhin mit Bescheid vom 21. Oktober 1948 die Verschollenheit des Ehemannes der Klägerin als Leistungsgrund nach dem Hessischen Körperbeschädigten-Leistungsgesetz (KBLG) an und gewährte ab 1. Februar 1947 Witwen- und Waisenrenten. Die Umanerkennung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erfolgte mit Bescheid vom 19. Oktober 1951. Danach erteilte das Versorgungsamt (VersorgA) weitere Bescheide wegen der verschiedenen gesetzlichen Änderungen des BVG und wegen verschiedener Änderungen in den persönlichen Verhältnissen der Rentenberechtigten. Mit Schreiben vom 15. Juni 1958 teilte die Klägerin dem VersorgA mit, daß sie am 14. Juni 1958 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) in Berlin die Nachricht erhalten habe, daß ihr Ehemann in der Bundesrepublik lebe und berufstätig sei. Daraufhin stellte das VersorgA die Hinterbliebenenbezüge für die Kläger mit Ablauf des Monats Juli 1958 ein. Vor dem VersorgA am 17. Februar 1959 gab die Klägerin an, sie habe im Februar 1945 von ihrem Ehemann die letzte Feldpostnachricht erhalten und danach von ihrem Mann nichts mehr gehört und beim Roten Kreuz ohne Erfolg nach ihm geforscht. Im Januar 1946 sei in ihrer Wohnung in F eine Frau M-B erschienen und habe ihr erzählt, daß sie den Ehemann der Klägerin - der zur Waffen-SS eingezogen worden war- aus Sicherheitsgründen mit anderen Kameraden in Holland in Sicherheit gebracht habe. Frau M-B habe auch einen Brief von ihrem Mann übergeben, jedoch auf ihre Fragen nicht mitgeteilt, wo sich ihr Ehemann aufhalte. Auf Bitten von Frau M-B habe sie dieser dann Zivilkleidung und einen Brief für ihren Ehemann mitgegeben. Nach diesem Zusammentreffen habe sie weder von Frau M-B noch von ihrem Mann etwas gehört. Sie habe zunächst keinen Antrag auf Rente gestellt, da sie immer noch mit der Heimkehr ihres Mannes gerechnet habe. Erst im Oktober 1948 habe sie dann den Rentenantrag gestellt und dabei dem in F wohnenden Amtmann B, der bei der KB-Abt. M beschäftigt war, den gesamten Sachverhalt erzählt. Dieser habe ihr trotzdem dann geraten, einen Antrag zu stellen, da es sich nach seiner Ansicht bei der Frau M-B um eine Schwindlerin gehandelt haben dürfte. Das VersorgA erteilte daraufhin der Klägerin und deren Kinder (vier) Anfechtungs- und Rückforderungsbescheide vom 2. November 1960. In diesen Bescheiden führte das VersorgA aus, die Klägerin habe gemäß §§ 42, 43 und 47 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) für die frühere Entscheidung wesentliche Tatsachen wissentlich verschwiegen (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG); sie sei bei ihrer Antragstellung verpflichtet gewesen, dem VersorgA darüber Mitteilung zu machen, daß sie im Jahre 1946 durch einen Brief ihres Ehemannes Kenntnis davon erhalten habe, daß er lebend den Krieg überstanden hätte. Das VersorgA hob die voraufgegangenen Bescheide auf und forderte unter Bezugnahme auf § 47 Abs. 3 VerwVG die zu Unrecht gewährten Versorgungsleistungen zurück. Die Rückforderung der bis 31. Januar 1956 gewährten Bezüge für den verstorbenen Sohn F forderte es von der Klägerin als dessen Rechtsnachfolgerin zurück. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 28. Dezember 1960).
Das Sozialgericht (SG) hat die gegen diese Bescheide erhobenen Klagen mit Beschluß vom 19. Dezember 1963 zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden. Es hat als Zeugin über die Vorgänge im Januar 1946 Frau Dr. I Sch - früher M-B, die den Ehemann der Klägerin nach dessen Ehescheidung geheiratet hat - durch den ersuchten Richter des SG Kassel am 21. November 1963 eidlich vernehmen lassen und die Klägerin selbst in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Dezember 1963 gehört. In diesem Termin hat die Klägerin beantragt festzustellen, daß für die in den Bescheiden vom 2. November 1960 und den Widerspruchsbescheiden vom 28. Dezember 1960 geltend gemachte Rückerstattung von Leistungen keine Pflicht besteht. Das SG Marburg hat mit Urteil vom gleichen Tage "festgestellt, daß für die Kläger keine Pflicht besteht, die in den Bescheiden vom 12. November 1960 und den Widerspruchsbescheiden vom 28. Dezember 1960 zurückgeforderten Beträge zurückzuerstatten."
Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat in der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 1965 Frau Dr. Sch als Zeugin und die Klägerin informatorisch gehört. Es hat mit Urteil vom gleichen Tage auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG Marburg vom 19. Dezember 1963 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat dazu in der Begründung ausgeführt, der Beklagte habe zu Recht alle den Klägern zuvor erteilten Rentenbewilligungsbescheide aufgehoben und die zu Unrecht gezahlten Versorgungsbezüge zurückgefordert. Das SG sei zunächst unzutreffend davon ausgegangen, daß nur noch die Frage der Verpflichtung der Kläger zur Rückerstattung der ihnen gewährten Leistungen streitig ist. Zwar sei in der Sitzungsniederschrift des SG am 19. Dezember 1963 als Antrag aufgenommen worden, es solle festgestellt werden, daß für die in den angefochtenen Bescheiden geltend gemachte Rückforderung der Leistungen keine Pflicht bestehe. Demgegenüber hätten aber die Kläger in der Klageschrift beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Offenbar sei die Formulierung des Antrags in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem SG auf eine Anregung des SG zurückzuführen, das dabei die Rechts- und Interessenlage der Kläger verkannt habe. Es habe sich nämlich nicht um eine Feststellungs-, sondern um eine Anfechtungsklage gehandelt. Die Kläger machten nämlich nicht nur geltend, daß die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 VerwVG, sondern auch die des § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG nicht vorliegen. Sie hätten sich nämlich auch in der Berufungsinstanz gegen die Auffassung des Beklagten gewandt, daß sie die Leistungen durch unrichtige Angaben zu Unrecht erhalten hätten. Somit seien die Bescheide in vollem Umfang angefochten, so daß im Berufungsverfahren über die Rechtmäßigkeit insgesamt zu entscheiden sei.
Die Bescheide seien zu Recht ergangen, denn die Voraussetzungen der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG lägen vor. Es sei festgestellt, daß die Klägerin kurz vor Ende des Krieges noch ein an ihren Ehemann gerichtetes Päckchen mit einer Tabakpfeife erhalten habe, in dem sich ein Zettel befand, auf dem "meinem lieben Koni " oder ähnlich "von deiner Anni" oder ähnlich gestanden habe. Weiter habe sie im Januar 1946 von der Zeugin Dr. Sch erfahren, daß ihr Ehemann den Krieg überlebt habe, nicht in Gefangenschaft geraten, sondern von der Zeugin in Holland in Sicherheit gebracht worden sei; ebenso habe sie erfahren, daß ihr Ehemann von einem Fräulein P ein Kind habe. Aus diesem Grund sei der von der Klägerin der Zeugin mitgegebene Brief an ihren Ehemann entsprechend kühl abgefaßt worden. Schließlich habe die Klägerin angegeben, ihr Ehemann habe ihr in dem von der Zeugin mitgebrachten Brief nur mitgeteilt, daß er noch lebe, aber nicht wisse, ob und wann er zu seiner Familie zurückkehren könne. Daraus ergebe sich eindeutig, daß im Jahre 1946 eine Entfremdung zwischen den Ehegatten eingetreten gewesen sei. Wenn die Klägerin in den folgenden Jahren nichts mehr von ihm gehört habe, so habe sie daraus noch nicht den Schluß ziehen dürfen, er sei nicht mehr am Leben. Diesen Schluß habe sie offenbar auch selbst nicht gezogen, denn sie habe ausdrücklich erklärt, im Jahre 1946 zunächst noch keinen Versorgungsantrag gestellt zu haben, weil sie gewußt habe, daß ihr Ehemann noch lebte. Erst im Oktober 1948 habe sie sich auf Drängen des inzwischen verstorbenen Amtmanns B dazu entschlossen, da dieser der Ansicht gewesen sei, bei der damaligen Frau M-B habe es sich offenbar um eine Schwindlerin gehandelt. Die Klägerin habe jedoch niemals behauptet, selbst dieser Auffassung gewesen zu sein. Auch wenn sie selbst später darüber im Zweifel gewesen sein sollte, ob ihr Ehemann noch lebte, sei sie angesichts der geschilderten Ereignisse verpflichtet gewesen, der KB-Abt. von dem Besuch der Frau M-B, den ihr überbrachten Brief sowie über ihr gespanntes Verhältnis zu ihrem Ehemann Kenntnis zu geben und habe nicht von sich aus entscheiden dürfen, ob er als verschollen zu bezeichnen sei. Daß sie angeblich dem dieser Dienststelle angehörenden Amtmann B ihre Zweifel unterbreitet habe, genüge nicht. Abgesehen davon, daß dies nicht mehr nachweisbar sei, weil B nicht mehr lebe, hätte die Klägerin die für das Weiterleben ihres Mannes sprechenden Tatsachen der Behörde selbst in dem schriftlich gestellten Antrag oder in einer gesonderten Erklärung mitteilen müssen. Insbesondere aus dem Wortlaut ihrer eidesstattlichen Erklärung vom 16. Oktober 1948 habe die Versorgungsbehörde den Schluß ziehen müssen, daß ihr Ehemann aus dem Krieg noch nicht zurückgekehrt sei und seine letzte briefliche Nachricht aus einem Gefangenlager stamme. Damit habe sie der Versorgungsbehörde die Tatsache vorenthalten, daß ihr Ehemann den Krieg überlebt habe, nicht in Gefangenschaft geraten sei und jedenfalls nicht zu seiner Familie zurückkehren wollte. Da sie gewußt habe, daß das Überleben der Gewährung von Witwen- und Waisenrente entgegenstehe, habe sie bewußt eine für die Entscheidung als wesentlich erkannte Tatsache vorenthalten in dem Bewußtsein, etwas zu verheimlichen, was zu offenbaren ihre Pflicht gewesen sei. Damit seien die Voraussetzungen der §§ 42 Abs. 1 Nr. 3 und 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG erfüllt. Es bestehe somit die Verpflichtung der Klägerin, die ihr und ihrem verstorbenen Sohn Frank zu Unrecht gewährten Hinterbliebenenbezüge zurückzuerstatten. Gleichermaßen seien die Kläger zu 2) und 3) hierzu verpflichtet, da sie sich das Verhalten der Klägerin, als ihrer gesetzlichen Vertreterin, anrechnen lassen müßten. Ob gemäß § 47 Abs. 4 VerwVG auf Rückerstattung verzichtet werden könne, brauche das LSG nicht zu prüfen, weil insoweit ein Bescheid noch nicht erteilt worden sei.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Gegen das am 12. Juli 1965 zugestellte Urteil haben die Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juni 1965, beim Bundessozialgericht (BSG) am 18. Juni 1965 eingegangen, Revision eingelegt und diese mit einem beim BSG am 23. Juli 1965 eingegangenen Schriftsatz vom 12. Juli 1965 begründet.
Sie beantragen,
das angefochtene Urteil des LSG Darmstadt vom 19. Mai 1965 aufzuheben und das Urteil des SG Marburg in dieser Sache zu bestätigen.
In der Revisionsbegründung haben die Kläger nicht ausdrücklich eine Verfahrensnorm angegeben, die sie als verletzt ansehen. Sie rügen die Verletzung der §§ 47 Abs. 3 und 42 VerwVG und führen hierzu vornehmlich aus, daß die Feststellungen des LSG nicht ausreichten, um der Klägerin vorzuwerfen, sie habe für die frühere Entscheidung wesentliche Tatsachen wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen. Sie stützen ihre Auffassung im wesentlichen darauf, daß die Klägerin, wie sich aus ihren Erklärungen gegenüber dem VersorgA sowie bei ihrer Anhörung vor dem SG und dem LSG ergebe, den Versorgungsantrag im Oktober 1948 auf Drängen des Amtmanns B vor dem VersorgA gestellt habe. Diesem habe die Klägerin davon Mitteilung gemacht, daß Frau M-B, die jetzige Frau Dr. Sch, ihr im Januar 1946 den Brief ihres Ehemannes übergeben und gesagt habe, sie habe den Ehemann der Klägerin in Holland in Sicherheit gebracht. Damit habe die Klägerin aber die für eine Entscheidung der Versorgungsbehörde wesentlichen Tatsachen dem Amtmann B in vollem Umfang mitgeteilt. Daß Amtmann B bei der Antragstellung mitgewirkt habe, ergebe sich aus einem von ihm auf dem Antrag handschriftlich gemachten Vermerk und müsse auch daraus geschlossen werden, daß die Klägerin bereits wenige Tage nach Antragstellung einen positiven Bescheid erhalten habe. Dies sei für die damaligen Verhältnisse außerordentlich schnell gewesen. Auch die Schlußfolgerung des LSG über eheliche Spannungen seien unzutreffend. Da die Klägerin dem Amtmann B alle Tatsachen vollständig mitgeteilt habe, habe sie demgemäß keine Tatsachen bewußt verheimlicht. Im übrigen wird auf die Revisionsbegründung verwiesen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen LSG vom 19. Mai 1965 als unzulässig zu verwerfen.
Er ist der Auffassung, daß ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG nicht vorliegt.
Da das LSG die Revision nicht gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen hat und eine Gesetzesverletzung bei der Anwendung der in der Kriegsopferversorgung (KOV) geltenden Kausalitätsnorm im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG nicht vorliegen kann, weil das LSG nicht über den ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einer Schädigung im Sinne des BVG entschieden hat, ist die Revision nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt wird (BSG 1, 150).
Die Revisionsbegründung enthält zwar keine Angaben über verfahrensrechtliche Normen, die die Kläger als verletzt ansehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG genügt es jedoch bei der Rüge von Verfahrensmängeln, wenn sich aus den substantiiert vorgetragenen Tatsachen klar ergibt, welche Verfahrensvorschrift als verletzt angesehen wird (BSG 1, 227). Aus dem Vortrag der Kläger ergibt sich eindeutig, daß sie eine Verletzung des § 128 Abs. 1 SGG durch das LSG rügen wollen. Sie tragen nämlich vor, das LSG habe zu Unrecht die Feststellung getroffen, die Klägerin habe bestimmte, für die früheren Entscheidungen der Versorgungsbehörde wesentliche Tatsachen wissentlich falsch angegeben, und zwar in dem Bewußtsein, zur Offenbarung dieser Tatsachen verpflichtet zu sein. Diese Rüge greift auch durch. Nach § 128 Abs. 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es hat in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die Entscheidung leitend gewesen sind. Ein Mangel in bezug auf die freie richterliche Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Gericht die gesetzlichen Grenzen des Rechts, die Beweise frei zu würdigen, überschritten, insbesondere gegen Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder gegen Denkgesetze verstoßen hat (BSG 2, 236). Das LSG hat die Feststellung getroffen, die Klägerin habe im Jahre 1948 der damals zuständigen Versorgungsbehörde gegenüber wissentlich verschwiegen, daß sie im Januar 1946 einen Brief ihres Ehemannes erhalten und daraus entnommen habe, daß er den Krieg lebend überstanden habe; sie habe weiterhin verschwiegen, daß die Zeugin Dr. Sch - die damalige Frau M-B - ihr mitgeteilt habe, ihr Ehemann sei von der Zeugin als Mitglied der Waffen-SS in Sicherheit gebracht worden. Das LSG hat dabei die Auffassung vertreten, es habe nicht genügt, wenn die Klägerin diese Tatsachen dem bei der Versorgungsbehörde damals beschäftigten Amtmann B mündlich übermittelt hat, sie sei vielmehr verpflichtet gewesen, die vorgenannten Umstände in ihrem schriftlichen Antrag zu wiederholen oder zumindest gesondert schriftlich mitzuteilen.
Aus diesen Ausführungen geht hervor, daß das LSG von der materiell-rechtlichen Auffassung ausgegangen ist, ein wissentliches Verschweigen oder eine wissentlich falsche Angabe von Tatsachen im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 3 und § 47 Abs. 3 a VerwVG liege immer dann vor, wenn der Berechtigte die für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen bei der Antragstellung nicht schriftlich, sondern nur mündlich der Versorgungsbehörde mitteilte Es muß im Rahmen der Prüfung der Statthaftigkeit der Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG dahinstehen, ob diese materiell-rechtliche Auffassung des LSG zum Begriff des "wissentlichen Verschweigens" i. S. der genannten Vorschriften den §§ 42 und 47 VerwVG entnommen werden kann und daher zutrifft. Jedenfalls ist der Senat zunächst bei der Prüfung von Verfahrensmängeln i. S. des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG an diese sachlich-rechtliche Auffassung des LSG gebunden und muß bei der Prüfung der Statthaftigkeit der Revision von dieser materiell-rechtlichen Auffassung des LSG ausgehen. Soweit demnach das LSG die Feststellung getroffen hat, die Klägerin habe objektiv Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung waren, verschwiegen, hat es - entgegen der Auffassung der Kläger - den § 128 SGG nicht verletzt. Wie auch von den Klägern nicht bestritten wird, hat die Klägerin die vom LSG als für die Entscheidung wesentlich bezeichneten Tatsachen dem VersorgA gegenüber nicht "schriftlich" mitgeteilt, so daß das LSG auf Grund seiner sachlich-rechtlichen Auffassung hinsichtlich der Auslegung des Begriffs "Verschweigen" i. S. der §§ 42 Abs. 1 Nr. 3 und 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG zu der angegriffenen Feststellung gelangen durfte, ohne dadurch § 128 SGG zu verletzen. Soweit jedoch die Kläger die Feststellung des LSG angreifen, die Klägerin habe auch in subjektiver Beziehung "wissentlich" etwas verschwiegen, d. h. also in dem Bewußtsein etwas verschwiegen, was zu offenbaren ihre Pflicht gewesen wäre, führt diese Rüge einer Verletzung des § 128 SGG zum Erfolg. Das LSG hat nämlich nicht die Gründe angegeben, worauf es diese Feststellung stützt. Bei der sachlich-rechtlichen Auffassung des LSG, ein Verschweigen im Sinne des § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG liege schon dann vor, wenn die rechtserheblichen Tatsachen nur mündlich statt schriftlich mitgeteilt wurden, kann subjektiv ein "wissentliches" Verschweigen nur dann vorliegen, wenn der Berechtigte in dem Bewußtsein gehandelt hat, daß er alle erforderlichen Angaben der Behörde schriftlich machen müsse und daß seine mündlich abgegebenen Erklärungen nicht genügten und unerheblich seien. Daß die Klägerin in diesem Sinne wissentlich etwas verschwiegen hat, ist vom LSG nicht begründet worden. Das LSG hat nur eingehend seine Auffassung von der erforderlichen schriftlichen Offenbarungspflicht erörtert. Es ist dabei von der Tatsache ausgegangen, daß die Klägerin gegenüber dem Amtmann B seinerseits mündlich alles erzählt hat, was sie von und über ihren Ehemann erfahren hatte. Wenn auch einzelne Formulierungen des Urteils Bedenken da gegen aufkommen lassen können, ob das LSG eine derartige Feststellung hat treffen wollen, so spricht dafür doch, daß das LSG seine Ausführungen über das damalige Geschehen, das zur Stellung des Versorgungsantrags der Klägerin geführt hat, mit den Worten einleitet "Demgegenüber ist ... festzustellen" (Urteilsausfertigung S. 9 Mitte) und "Daraus ergibt sich eindeutig, daß ..." ( Urteilsausf . S. 10 Mitte). Bestätigt wird diese Auffassung, daß das LSG davon ausgegangen ist, daß die Klägerin dem Amtmann B alles erzählt und "sich auf Drängen des Amtmanns B dazu entschlossen hat, weil dieser der Ansicht gewesen sei, bei Frau M-B habe es sich offenbar um eine Schwindlerin gehandelt" ( Urteilsausf . S. 11 oben), durch den Umstand, daß das LSG seine Begründung fast ausschließlich darauf abgestellt hat, es habe eine Verpflichtung zur "schriftlichen" Offenbarung bestanden. All diese Ausführungen wären aber überflüssig gewesen, wenn das LSG hätte feststellen wollen, daß die Klägerin nicht einmal mündlich die ihr bekannten Tatsachen dem Amtmann B offenbart hat. Wenn von diesem Sachverhalt aus das LSG seine Ausführungen mit der Feststellung schließt, die Klägerin habe" der Versorgungsbehörde bewußt eine für die Entscheidung als wesentlich erkannte Tatsache vorenthalten in dem Bewußtsein, etwas zu verheimlichen, was zu offenbaren ihre Pflicht gewesen wäre" ( Urteilsausf . S. 12 Zeile 8 bis 12), so ist damit zwar dargelegt, was die Klägerin gewußt und nicht schriftlich erklärt hat, jedoch ist damit noch kein Wort zur Begründung dafür gesagt, daß die Klägerin "wissentlich" Tatsachen verschwiegen hat, d. h. in dem oben bereits erörterten Sinn ihre schriftlichen Erklärungen in dem Bewußtsein abgegeben hat, daß ihre mündlichen Erklärungen unbeachtlich seien und sie verpflichtet sei, diese ebenfalls schriftlich niederzulegen. Bei seiner Feststellung des "wissentlichen" Verschweigens hat das LSG somit nicht die Gründe angegeben, die für seine richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Die Rüge der Kläger einer Verletzung des § 128 SGG, die sie - ohne den § 128 SGG allerdings zu nennen - jedenfalls dem Sinn nach erhoben haben, greift somit durch. Die Revision der Kläger ist daher nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft.
Sie ist auch begründet, weil das Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruht (§ 162 Abs. 2 SGG), es ist nämlich nicht ausgeschlossen, daß das LSG bei richtiger Anwendung des § 128 SGG zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (BSG in SozR SGG § 162 Nr. 29). Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben. In der Sache konnte der Senat aber endgültig noch nicht entscheiden, weil letztlich noch Feststellungen dazu fehlen, ob die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide etwa auf § 47 Abs. 3 Buchst. a Halbs. 2 VerwVG - weil die Klägerin beim Empfang der Bezüge gewußt hat, daß sie ihr nicht in der Höhe zustehen - zu stützen ist.
Der Senat ist dem LSG zunächst insoweit gefolgt, als das LSG die Ansicht vertreten hat, daß es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Feststellungs-, sondern um eine Anfechtungsklage handelt. Jedoch ist der Senat der Auffassung, daß der Antrag der Klägerin vor dem SG in der Sitzung am 19. Dezember 1963 dahin auszulegen ist, daß die Kläger die Bescheide vom 2. November 1960 nur insoweit angefochten haben, als darin der Beklagte. Beträge zurückgefordert hat. Dieser Ansicht steht nicht entgegen, daß die Kläger sich gegen die Begründung der Bescheide gewehrt haben, nach denen sie wissentlich falsche Angaben gemacht oder Tatsachen verschwiegen haben sollen, weil die Kläger gegen diese Begründung auch im Rahmen der Anfechtung der Rückforderungsbescheide vorgegangen sind. Ausschlaggebend für die Ansicht, daß das Anfechtungsbegehren der Kläger sich nur auf die Rückforderung in den angefochtenen Bescheiden bezog, ist der Umstand, daß die Kläger sich nie gegen die Entziehung der Rente gewandt und nie deren Weiterzahlung beantragt haben. Wenn daher die Bescheide vom 2. Oktober 1960, die zwei selbständige Rechtsfolgerungen ausgesprochen hatten - nämlich einmal die Entziehung der Rente und damit die Aufhebung der Rentenbewilligungsbescheide (vom 21. Oktober 1948 u. f.) - und zum anderen die Rückforderung der überzahlten Beträge - nur hinsichtlich der Rückforderung angefochten wurden, so sind sie im übrigen - also hinsichtlich der Aufhebung der früheren Bewilligungsbescheide und der Entziehung der Rente - verbindlich geworden, so daß sie insoweit hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit nicht mehr vom LSG zu prüfen waren. Praktisch hat das LSG dies auch gar nicht getan, denn andernfalls hätte es dies logischerweise vor der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rückforderungsbescheide und zudem unter Erörterung der in § 43 VerwVG bestimmten Fristen tun müssen. Zu entscheiden ist daher nur noch über die Rechtmäßigkeit der Bescheide, soweit darin Beträge von den Klägern zurückgefordert sind.
Diese in Frage stehende Rechtmäßigkeit der Bescheide ist jedenfalls nicht nach dem ersten Halbsatz des § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG gegeben. Da es sich bei dem Rückforderungsanspruch der Beklagten um ein Recht handelt, welches der Beklagte gegenüber den Klägern geltend macht, so muß für die Rechtmäßigkeit der Bescheide erwiesen sein, daß die Klägerin die für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen wissentlich verschwiegen hat, und jede Nichterweislichkeit der Rückforderungsvoraussetzung muß sich zu Lasten der Beklagten und der Rechtmäßigkeit ihrer Bescheide auswirken. Der Senat brauchte bei seiner nunmehr maßgeblichen Rechtsauffassung auf die Frage, ob die Klägerin "wissentlich" etwas verschwiegen hat, nicht einzugehen. Nach Feststellungen des LSG hat die Klägerin mündlich alle ihr bekannten Tatsachen über und von ihrem Ehemann dem Amtmann B offenbart und damit nach Ansicht des Senats schon objektiv nichts "verschwiegen". Der Rechtsansicht des LSG, daß ein Verschweigen im Sinne des § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG schon dann vorliege, wenn ein Antragsteller in seinem schriftlichen Antrag nicht alle ihm bekannten Tatsachen auch schriftlich niederlege, obwohl er sie mündlich dem den Antrag entgegennehmenden Beamten des VersorgA offenbart hat, kann nicht gefolgt werden. Im Recht der KOV hat stets gegolten, daß Anträge auch mündlich gestellt werden und alle erforderlichen Erklärungen auch mündlich abgegeben werden können, (so insbesondere auch § 21 des Hess. KBLG vom 31. Mai 1947). Dieser Grundsatz ist für das derzeit geltende Recht in § 6 VerwVG hervorgehoben. Wenn ein Antragsteller einen schriftlichen Antrag einreicht und dazu einem Beamten des VersorgA mündlich Erklärungen abgibt, so ist es nicht Aufgabe des Antragstellers, auch dafür zu sorgen, daß der Beamte eine Niederschrift über alles mündlich Erklärte aufnimmt. Bei mündlichen Anträgen und Erklärungen gegenüber Beamten des VersorgA wird üblich der Beamte nicht jedes Wort des Antragstellers niederschreiben, sondern nur das, was ihm für die Bescheiderteilung wesentlich erscheint. Nimmt er - wie im vorliegenden Falle der Amtmann B - mündliche Erklärungen nicht in eine Niederschrift auf, weil sie ihm nicht wesentlich oder unerheblich erscheinen, so geht dieser Umstand zu Lasten der Verwaltung; auf keinen Fall aber kann in solchem Falle gefolgert werden, daß die Antragstellerin etwas verschwiegen habe, weil der den Antrag entgegennehmende Beamte mündliche Erklärungen der Antragstellerin nicht in einer Niederschrift festgehalten hat in der Annahme, sie seien unerheblich, und sich erst später bei einer Überprüfung durch andere Stellen herausstellt, daß die mündlichen und nicht zur Niederschrift aufgenommenen Erklärungen doch erheblich waren. Die Rückforderungsbescheide der Beklagten können somit nicht gemäß § 47 Abs. 3 Buchst. a Halbsatz 1 VerwVG aufrechterhalten werden, weil die Klägerin schon objektiv im Sinne der erwähnten Vorschrift nichts "verschwiegen" hat.
Die erwähnten Bescheide könnten daher nur aufrechterhalten werden, wenn sie sich auf den zweiten Halbsatz des § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG stützen lassen. Zu einer Entscheidung darüber aber fehlt es bisher an den entsprechenden Feststellungen des LSG, insbesondere also darüber, ob die Klägerin trotz ihrer mündlichen Offenbarung dennoch etwa gewußt hat, daß ihr Versorgungsansprüche nicht zustehen. Diese tatsächliche Feststellung, gleichgültig, ob sie den Umständen nach naheliegt oder nicht, kann jedenfalls das Revisionsgericht nicht selbst treffen, und es mußte daher der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden.
Sollte das LSG zu der erwähnten Feststellung gelangen oder etwa - was ebenfalls nicht ausgeschlossen ist - sonstwie hinsichtlich der Offenbarung der Klägerin zu anderweitigen tatsächlichen Feststellungen und damit zur Anwendbarkeit des § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG kommen, so wird es zu prüfen haben, ob sich auf diese Vorschrift auch die Rückforderung der Beklagten stützen läßt, soweit die Rückforderung auf Rentenleistungen zurückgeht, die den Klägern für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes gezahlt worden sind.
Fundstellen