Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung der Einzugsstelle
Orientierungssatz
Wirkt sich die zu treffende Entscheidung über die konkursrechtliche Einstufung der aus § 160 Abs 1, § 166a AFG hergeleiteten Forderungen der Bundesanstalt für Arbeit unmittelbar auf die Beitragsforderungen der Einzugsstelle aus, ist diese notwendig beizuladen.
Normenkette
AFG § 160 Abs 1, § 166a Fassung: 1979-07-23, § 117 Abs 4; SGG § 75 Abs 2 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 18.08.1983; Aktenzeichen L 9 Ar 92/82) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 24.06.1982; Aktenzeichen S 15 Ar 49/81) |
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma T in G , über das am 7. Mai 1980 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Die Beklagte gewährte einem Arbeitnehmer dieser Firma, B S (B.S.), Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 7. Januar bis 30. Juni 1980 und entrichtete für diesen Zeitraum auch die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung der Arbeitslosen. Währenddessen bestand das Arbeitsverhältnis des B.S. mit der Firma T fort, ohne daß Arbeitsentgelt gezahlt wurde.
Mit Bescheid vom 23. Februar 1981 machte die Beklagte ua die aufgewendeten Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung gemäß § 160 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) als Masseschuld geltend. Mit seinem Widerspruch wandte der Kläger ein, daß er für die Zeit nach der Konkurseröffnung die Sozialversicherungsbeiträge bereits an die zuständige Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) K entrichtet habe; für die Zeit vom 7. Januar bis 7. Mai 1980 habe die AOK die Sozialversicherungsbeiträge ebenfalls als Masseschuld im Konkurs geltend gemacht. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. März 1981); dagegen hatte der Kläger mit seiner Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf teilweise Erfolg (Urteil vom 24. Juni 1982). Die angefochtenen Bescheide wurden insoweit aufgehoben, als die Erstattung der für die Zeit vor Konkurseröffnung geleisteten Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge als Masseschuld geltend gemacht worden sind; im übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. August 1983). Das LSG hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die streitige Forderung der Beklagten aufgrund des § 59 Abs 2 Satz 1, 2. Alternative der Konkursordnung (KO) nicht als Masseschuld geltend gemacht, sondern nur mit dem Rang des § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e KO berichtigt werden könne.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e, Abs 2 KO, §§ 160, 166a AFG und führt aus, das LSG habe den Masseschuldcharakter ihrer - originären - Beitragsansprüche aus §§ 155, 157, 160 AFG zu Unrecht verneint.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. August 1983 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24. Juni 1982 dahin abzuändern, daß die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger nimmt auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 SGG); denn der Träger der Krankenversicherung, der für den Einzug der Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung bezüglich des im streitigen Zeitraum fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses des B.S. zuständig ist, war zum Verfahren notwendig beizuladen (§ 75 Abs 2 SGG). Dies ist bisher unterlassen worden. Der hierin liegende Verfahrensmangel ist von Amts wegen zu beachten (BSG SozR 1500 § 75 Nrn 1 und 21).
Die Beiladung ist nach § 75 Abs 2, 1. Alternative SGG notwendig, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist der Fall, wenn die im Rechtsstreit zu erwartende Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingreift (ständige Rechtsprechung, ua Bundessozialgericht -BSG- SozR 1500 § 75 Nrn 8, 15, 21, 34 mwN; zuletzt Urteil des 2. Senats vom 31. August 1983 - 2 RU 65/82 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Gegenstand des Rechtsstreits und damit des streitigen Rechtsverhältnisses iS des § 75 Abs 2, 1. Alternative SGG ist die konkursrechtliche Einstufung der Ansprüche der Beklagten wegen der von ihr zur Kranken- und Rentenversicherung eines arbeitslosen Arbeitnehmers im Falle des § 117 Abs 4 AFG entrichteten Beiträge im Konkurs des Arbeitgebers. Eine Entscheidung hierüber greift notwendig in die Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber/Konkursverwalter und der für das Beschäftigungsverhältnis zuständigen Einzugsstelle ein, jedenfalls wenn diese - wie im vorliegenden Fall - die Beiträge aus dem Beschäftigungsverhältnis selbst als Masseschuld beim Konkursverwalter geltend gemacht hat. Würde nämlich - im Sinne der Revision - entschieden, daß die Ansprüche der beklagten Bundesanstalt (BA) aus §§ 160 Abs 1, 166a AFG den Beitragsansprüchen der Sozialversicherungsträger iS des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO gleichstehen, also im Konkurs des Arbeitgebers als Masseschuld vorab zu befriedigen sind, bedeutete dies für die Träger der Sozialversicherung zwangsläufig, daß sie bzw die Krankenkasse, die als Einzugsstelle auch mit dem Einzug der dem Rentenversicherungsträger zustehenden Beiträge beauftragt ist (§ 1399 Abs 1 RVO, § 121 Angestelltenversicherungsgesetz -AVG-, § 176 AFG), insoweit ihre Beitragsansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht ebenfalls als Masseschuld geltend machen können. Dies ist ausgeschlossen, weil die Konkursmasse nicht doppelt für die vom Arbeitgeber geschuldeten Beiträge in Anspruch genommen werden kann. Dies ergibt sich aus der Konstruktion der §§ 117 Abs 4 AFG, 160 Abs 1, 166a AFG.
Danach kommt es im Falle der Gleichwohlgewährung von Alg während einer Zeit, in der das Beschäftigungsverhältnis/Arbeitsverhältnis fortbesteht, wegen des Überschneidens von zwei Versicherungspflicht begründenden Tatbeständen (AFG-Leistungsbezug und Beschäftigungsverhältnis) zu einem beitragsrechtlichen Rückabwicklungsverhältnis, an dem auch die für das Beschäftigungsverhältnis zuständige Einzugsstelle beteiligt ist. Der Arbeitgeber hat der BA die von ihr zur Kranken- und Rentenversicherung des Arbeitslosen aufgewendeten Beiträge in der Höhe zu ersetzen, die er aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses zu entrichten hat (§§ 160 Abs 1, 166a AFG). Er wird insoweit von seiner Verpflichtung befreit, Beiträge an die Krankenkasse zu entrichten (§§ 160 Abs 1 Satz 2, 166a AFG). Danach bleibt der Arbeitgeber zwar verpflichtet, der für das Beschäftigungsverhältnis zuständigen Einzugsstelle die aus diesem Verhältnis geschuldeten Beiträge abzuführen, aber nur insoweit, als nicht ein Erstattungsanspruch der BA aus §§ 160, 166a AFG entstanden ist. Nur soweit die aus dem Beschäftigungsverhältnis geschuldeten Beiträge höher sind als die bereits von der BA aufgrund des Alg-Bezugs entrichteten Beiträge, kann die für das Beschäftigungsverhältnis zuständige Einzugsstelle vom Arbeitgeber noch Beiträge fordern und im Konkurs als Masseschulden geltend machen. Aus einer Entscheidung, daß der Arbeitgeber der BA gemäß §§ 160 Abs 1, 166a AFG die im Falle des § 117 Abs 4 AFG entrichteten Beiträge zu ersetzen hat und diese Schuld im Konkurs Masseschuld ist, folgt daher für die für das Beschäftigungsverhältnis zuständige Einzugsstelle zwangsläufig, daß sie insoweit Masseschulden nicht selbst geltend machen kann. Die Entscheidung kann daher auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen.
Das gleiche gilt, wenn die Revision abgewiesen, dh das angefochtene Urteil bestätigt würde. Wären nämlich - wie das LSG angenommen hat - die Ansprüche der BA aus §§ 160 Abs 1, 166a AFG im Konkurs des Arbeitgebers gemäß § 59 Abs 2 KO iVm § 141n Abs 2 AFG (in der ab 1. August 1979 geltenden Fassung) nur als Konkursforderungen iS von § 61 Abs 1 Nr 1 KO zu berichtigen, weil diese Erstattungsansprüche den Beitragsansprüchen der Sozialversicherungsträger iS von § 141n Abs 1 AFG gleichstehen und daher vorrangig aus der Konkursausfallversicherung zu befriedigen sind, ergibt sich daraus notwendig, daß die zuständige Einzugsstelle nicht ihrerseits in diesem Umfang Berichtigung ihrer Beitragsansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis mit entsprechendem Rang verlangen kann. Dies folgt wiederum aus § 160 Abs 1 Satz 2 AFG. Wird danach der Arbeitgeber mit der Entstehung des Erstattungsanspruchs der BA von seiner Verpflichtung gegenüber den Sozialversicherungsträgern zur Beitragszahlung aus dem Beschäftigungsverhältnis frei, geht der Beitragsanspruch der Einzugsstelle aus der Beschäftigungsversicherung insoweit unter; er besteht nur noch hinsichtlich des überschießenden Restbetrages. Nur hinsichtlich dieses Restbetrages könnten Ansprüche der Einzugsstelle im Rahmen der Kaug-Regelung nach § 141n iVm § 141e AFG geltend gemacht werden, die dann der Rangrückstufung nach § 59 Abs 2 KO unterlägen. Hingegen könnte die Einzugsstelle bezüglich des von § 160 Abs 1 Satz 2 AFG betroffenen Teils ihrer Beitragsansprüche die konkursrechtlichen Sicherungen des § 141n Abs 2 nF iVm § 59 Abs 2 KO nicht mehr in Anspruch nehmen, wenn diese Sicherungen nunmehr der BA - aufgrund einer Gleichstellung ihrer Ansprüche aus §§ 160 Abs 1, 166a AFG mit den Beitragsansprüchen der Einzugsstelle iS von § 141n AFG - zustehen.
Mithin kann wegen der auf § 160 Abs 1 Satz 2 AFG beruhenden Auswirkungen der zu erwartenden Entscheidung auf die Beitragsansprüche der Einzugsstelle und ihrer Durchsetzung im Konkurs der Rechtsstreit auch ihr gegenüber nur einheitlich entschieden werden; sie ist daher notwendig zum Verfahren beizuladen.
Da es im Revisionsverfahren unzulässig ist, die unterbliebene Beiladung nachzuholen (§ 168 SGG), muß das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen werden.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen