Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszuschuß. Auslandsrentner
Orientierungssatz
Die gesetzliche brasilianische KV (INPS) ist annähernd mit der deutschen gesetzlichen KV vergleichbar. Die Einbeziehung eines in Brasilien lebenden Rentners in dieses staatliche Krankenversicherungssystem schließt deshalb die Gewährung eines Beitragszuschusses aus.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1967-12-21
Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 19.06.1975; Aktenzeichen S 74 Kr 137/75) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juni 1975 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung des Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der 1907 geborene, in Brasilien lebende Kläger erhält von der Beklagten seit 1. Dezember 1965 eine Rente. Er ist Pflichtmitglied der gesetzlichen brasilianischen Krankenversicherung (Instituto Nacional de Providencia Social - INPS -), die ihren Mitgliedern kostenfrei Krankenversicherungsschutz gewährt. Außerdem ist er seit 6. Mai 1974 freiwilliges Mitglied der privaten Krankenversicherung S. und erhält von dieser gegen Beitragsleistung ärztliche Behandlung und stationäre Heilbehandlung. Am 10. Juni 1974 beantragte er die Gewährung des Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 RVO. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Februar 1975 ab, weil die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen brasilianischen Krankenversicherung der Gewährung des Beitragszuschusses entgegenstehe. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat die in einem anderen Rechtsstreit eingeholten Auskünfte des deutschen Generalkonsulats in Rio de Janeiro vom 2. Dezember 1971 und der deutsch-brasilianischen Industrie- und Handelskammer in Sao Paulo vom 2. März 1973 beigezogen und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger ab 6. Mai 1974 den Beitragszuschuß zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen brasilianischen Krankenversicherung stehe der Gewährung des Beitragszuschusses nicht entgegen, weil diese Versicherung nicht als Versicherung nach anderen gesetzlichen Vorschriften i. S. des § 165 Abs. 6 RVO angesehen werden könne. Ihre Leistungen seien mit denen der deutschen Krankenversicherung nicht vergleichbar, denn sie seien nach den vorliegenden Auskünften des deutschen Generalkonsulats und der deutsch-brasilianischen Industrie- und Handelskammer unzureichend. Deshalb erscheine die private Versicherung des Klägers erforderlich, um eine Gleichstellung mit den in Deutschland wohnenden und hier pflichtversicherten Rentnern zu erreichen. Die Beklagte habe mithin dem Kläger für die Zeit seit Abschluß dieser privaten Versicherung den Beitragszuschuß zu zahlen.
Mit der - zugelassenen - Sprungrevision rügt die Beklagte Verletzung des § 381 Abs. 4 RVO. Sie meint, der gesetzlichen brasilianischen Krankenversicherung INPS sei zwar nicht dieselbe Effektivität bei der Gewährung von Leistungen beizumessen wie der deutschen Krankenversicherung. Das sei jedoch ohne Belang, weil die Leistungen nur so erwartet werden könnten, wie sie auch die einheimische Bevölkerung landesüblich entgegennehmen müsse. Entscheidend sei, daß die INPS im Kern einer deutschen Krankenversicherung entspreche. Deshalb habe der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung des Beitragszuschusses. Würde den tatsächlichen Gegebenheiten das entscheidende Gewicht beigelegt, dann hätte das eine Besserstellung der Auslandsrentner zur Folge, weil sie bei doppelter Versicherung eine finanzielle Unterstützung erhielten, auf die ein Inlandsrentner bei Schlechtleistung keinen Anspruch hätte. Auch müßte dann der Versicherungsträger prüfen, ob die gesetzliche Krankenversicherung eines ausländischen Staates ihren Leistungsverpflichtungen in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise tatsächlich nachkomme. Eine derartige Prüfung sei ihm aber nicht zumutbar.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet; der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung des Beitragszuschusses.
Nach § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO erhalten freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die Rentner oder Rentenbewerber sind, aber nicht der Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO unterliegen, auf Antrag einen Betrag zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag. Satz 2 dieser Vorschrift billigt den bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit Versicherten bei Erfüllung derselben Voraussetzungen ebenfalls einen solchen "Beitragszuschuß" zu. Der Auslandsaufenthalt des Rentners steht dem Anspruch auf Gewährung dieses Beitragszuschusses nicht entgegen (BSGE 31, 288). Welche Rechtsvorschriften Anwendung finden, falls der Rentner in einem Gebiet wohnt, für das ein sozialversicherungsrechtliches Abkommen abgeschlossen worden ist, kann hier unerörtert bleiben; denn der Kläger hat seinen Wohnsitz in Brasilien und mit diesem Staat besteht kein derartiges Abkommen. Die Schutzbedürftigkeit gegenüber dem Krankheitsrisiko kann aber für den Auslandsrentner im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung grundsätzlich nicht anders eingeschätzt werden als für den Inlandsrentner. Einem Auslandsrentner steht deshalb der Beitragszuschuß nur dann zu, wenn bei vergleichbarer Sachlage auch einem Inlandsrentner diese Leistung zu gewähren wäre (Urteil des erkennenden Senats vom 27. April 1977 - 3 RK 70/75 -; zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Anspruch auf Beitragszuschuß schließen sich aber gegenseitig aus; denn die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bezweckt, den Rentnern einen kostenfreien bzw. kostenbegünstigten Krankenschutz zu verschaffen, die gesetzliche Pflichtversicherung und der vertragliche Krankenschutz stellen aber lediglich verschiedene Wege dar, um dasselbe Ziel - eine Sicherung gegen Krankheit - zu erreichen. Die Einbeziehung eines im Ausland lebenden Rentners in ein dort bestehendes staatliches Krankenversicherungssystem schließt deshalb die Gewährung des Beitragszuschusses jedenfalls dann aus, wenn die ausländische gesetzliche Pflichtversicherung wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist. Das ist bei der INPS der Fall; denn diese gesetzliche Krankenversicherung gewährt dem Versicherten Ansprüche, die ihrer Art nach den von der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung gestellten Ansprüchen vergleichbar sind (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27. April 1977 - 3 RK 70/75 -).
Erwägungen über die Effektivität des Krankenschutzes können zu keinem anderen Ergebnis führen. Auch hierauf hat der erkennende Senat in dem vorstehend genannten Urteil vom 27. April 1977 bereits hingewiesen. Der Anspruch auf Beitragszuschuß wird im System der RVO immer dann ausgeschlossen, wenn der Rentner anderweitig hinreichend versichert ist. Dabei stellt das Gesetz nicht darauf ab, welchen faktischen Zustand die anderweitige Krankenversicherung aufweist und in welcher Art und Weise die medizinische Versorgung des Rentners im einzelnen durchgeführt wird. Diese Fragen regelt das Gesetz an anderen Stellen, z. B. im Kassenarztrecht. Auch ist es nicht Zweck des Beitragszuschusses, allen Rentnern denselben faktischen Krankenschutz, wie er in der Bundesrepublik Deutschland besteht, zukommen zu lassen. Diese Art der medizinischen Versorgung erwächst aus dem Sozialversicherungssystem der Bundesrepublik und kann deshalb auch nur in seinem Bereich zur Verfügung gestellt werden. Befindet sich ein Rentner im Ausland, so muß sich der Natur der Sache nach seine medizinische Versorgung - von Ausnahmefällen abgesehen - immer nach den medizinischen Gegebenheiten richten, die in seinem Aufenthaltsgebiet vorherrschen und von unterschiedlicher Art und Qualität sein können. Es ist nicht Aufgabe der deutschen Rentenversicherung, durch eine Nebenleistung zur Rente - den Beitragszuschuß - diese Unterschiedlichkeiten, auf die weder seitens des Rentenversicherungsträgers noch seitens des deutschen Sozialversicherungssystems Einwirkungsmöglichkeiten bestehen, auszugleichen. Der Beitragszuschuß soll lediglich dazu dienen, denjenigen Rentnern, die noch keinen Krankenschutz haben, den Abschluß einer privaten Krankheitssicherung durch finanzielle Zuwendung zu ermöglichen. Auch beim Umfang dieses privaten Krankenschutzes kommt es jedoch nicht darauf an, in welcher Art und Weise der bei einem privaten Versicherungsunternehmen Versicherte seine medizinische Versorgung erlangt, sondern lediglich darauf, daß das private Versicherungsunternehmen Vertragsleistungen zur Verfügung stellt, die der Art nach den Leistungen der deutschen gesetzlichen Krankenhilfe entsprechen (vgl. § 173 a Abs. 1 Satz 1 RVO). Insbesondere ist es für die Entstehung des Anspruchs auf Beitragszuschuß unerheblich, ob und in welcher Weise der (privat) Versicherte seine (vertraglichen) Leistungsansprüche wahrnimmt. Was unter "Krankenhilfe" zu verstehen ist, ergibt sich aus § 182 ff RVO. In diesen Vorschriften regelt das Gesetz aber ausschließlich Inhalt und Umfang der Ansprüche des Versicherten. Es besagt in diesem Zusammenhang nichts über die Art und Weise der Durchführung der medizinischen Versorgung. Dieses Kriterium vermag mithin keinen Beitragszuschuß zu begründen.
Nach alledem steht dem Kläger der Beitragszuschuß nicht zu. Auf die Revision der Beklagten ist deshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage muß abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen