Leitsatz (amtlich)
1. Auch ab 1.1.1982 besteht der Anspruch auf das Kindergeld für ein behindertes Kind iS des § 2 Abs 2 S 1 Nr 3 BKGG nur, wenn das Kind vor der Vollendung des 27. Lebensjahres unfähig geworden ist, sich selbst zu unterhalten (Fortführung von BSG 23.6.1977 8/12 RKg 7/77 = BSGE 44, 106 = SozR 5870 § 2 Nr 5).
2. Der Begriff des Außerstandeseins, sich selbst zu unterhalten, ist entsprechend dem Begriff der Erwerbsunfähigkeit in § 1247 Abs 2 S 1 RVO auszufüllen.
Normenkette
BKGG § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1975-01-31, Abs. 4 Fassung: 1975-01-31; RVO § 1247 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 02.03.1983; Aktenzeichen S 7 Kg 2486/82) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Kindergeld für seinen Sohn zusteht, dessen Krankheit ihn unfähig macht, sich selbst zu unterhalten.
Der Kläger beantragte für seinen am 4. Januar 1952 geborenen Sohn Wolfgang im November 1981 die Wiedergewährung des Kindergeldes, weil sein Sohn seit Oktober 1981 als Schwerbehinderter mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vom Hundert (vH) anerkannt sei; er sei außerstande, sich selbst zu unterhalten.
Die Beklagte lehnte durch den Bescheid vom 20. Januar 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 1982 den Antrag ab: Sowohl nach der bis zum 31. Dezember 1981 als auch nach der seither geltenden Fassung des § 2 des Bundeskindergeldgesetzes -BKGG- (idF der Bekanntmachung vom 21. Januar 1982 -BGBl I 13-) sei ein Kind, das erst nach der Vollendung des 27. Lebensjahres infolge des Eintrittes einer Behinderung außerstande werde, sich selbst zu unterhalten, nicht zu berücksichtigen.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 2. März 1983 die Klage abgewiesen: Wolfgang B. sei erst nach der Vollendung seines 27. Lebensjahres infolge seiner Krankheit nicht mehr fähig, sich selbst zu unterhalten. Aus dem Zweck des § 2 BKGG ergebe sich auch unter Berücksichtigung des Wegfalles der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Regelung des § 2 Abs 4 BKGG (idF der Bekanntmachung vom 31. Januar 1975 -BGBl I 412-) -aF-, daß ein nicht zum eigenen Unterhalt fähiges Kind nur dann über das 27. Lebensjahr hinaus zu berücksichtigen sei, wenn seine Erkrankung schon vor der Vollendung des 27. Lebensjahres zum Verlust der Fähigkeit, sich selbst zu unterhalten, geführt hat.
Gegen dieses Urteil richtet sich die - durch Beschluß des Vorsitzenden des SG vom 21. April 1983 zugelassene - Sprungrevision des Klägers: Das SG habe verkannt, daß sein Sohn nach § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG, zumindest aber nach dem Wegfall des § 2 Abs 4 BKGG aF zu berücksichtigen gewesen sei, weil er infolge seiner über das 27. Lebensjahr hinaus andauernden Ausbildung nie im Erwerbsleben gestanden und seine kindhafte Bindung an das Elternhaus auch bis zum Eintritt seiner vollen Erwerbsunfähigkeit nicht aufgegeben habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg von 2. März 1983 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 1982 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab November 1981 Kindergeld zu zahlen, hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Tatsacheninstanz zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision des Klägers ist statthaft. Zwar hat das SG dieses Rechtsmittel fehlerhaft durch Beschluß des Vorsitzenden - statt der vollbesetzten Kammer - zugelassen. Das Bundessozialgericht (BSG) ist jedoch an diese Entscheidung gebunden (BSGE 51, 29 = SozR 1500 § 161 Nr 27). Das Rechtsmittel ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; es ist damit zulässig.
Die Sprungrevision des Klägers führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Tatsacheninstanz; der Senat hält die Zurückverweisung an das Landessozialgericht (LSG) für zweckmäßig (§ 170 Abs 4 SGG).
Die Tatsachenfeststellung des SG reicht nicht aus zu entscheiden, ob dem Kläger das begehrte Kindergeld für das Kind Wolfgang zusteht. Das SG ist davon ausgegangen, daß Wolfgang B. nach dem Bescheid des Versorgungsamtes Freiburg vom 20. November 1981 seit dem 15. Oktober 1981 zu 100 vH in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert sei und die Krankheit daher erst nach der Vollendung seines 27. Lebensjahres ein Ausmaß erreicht hat, das ihn hinderte, sich selbst zu unterhalten.
Bei dieser Sachlage steht dem Kläger für seinen Sohn Wolfgang Kindergeld nicht gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG zu. Der Anspruch auf das sogenannte Ausbildungskindergeld (§ 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG) endet grundsätzlich mit der Vollendung des 27. Lebensjahres; einer der in § 2 Abs 3 BKGG erschöpfend aufgeführten Ausnahmefälle liegt hier nach den unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen des SG nicht vor. Eine krankheitsbedingte Verzögerung des Abschlusses der Ausbildung des Kindes über das 27. Lebensjahr hinaus führt nicht zu einer Verlängerung des Kindergeldbezuges (s dazu ausführlich Urteil vom 22. Mai 1984 - 10 RKg 13/83 -, zur Veröffentlichung bestimmt).
Ob der Anspruch gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG begründet ist, hängt von der Nachholung weiterer tatsächlicher Feststellungen ab. Der erkennende Senat hat zu der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG iVm § 2 Abs 4 BKGG (idF der Bekanntmachung vom 31. Januar 1975 -BGBl I 412-, aF; § 2 Abs 4 BKGG aF inhaltlich aufgehoben durch Art 1 Nr 1 Buchst g des Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 22. Dezember 1981 - BGBl I 1566-) entschieden, daß gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG iVm § 2 Abs 4 BKGG aF ein Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes für ein behindertes Kind nach Vollendung des 27. Lebensjahres nur dann besteht, wenn die Behinderung vor der Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist (BSGE 44, 106 = SozR 5870 § 2 Nr 5). Der Senat hat diese Abgrenzung nicht nur aus dem Wortlaut des § 2 Abs 4 BKGG aF, sondern in erster Linie aus der historischen Entwicklung des Normgehalts von § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG, der Zielsetzung des Kindergeldes für behinderte Kinder sowie aus einem Vergleich mit dem System der Leistungen für Kinder in anderen öffentlich-rechtlichen Leistungsbereichen, insbesondere dem der gesetzlichen Unfallversicherung, der Rentenversicherungen und des Bundesversorgungsgesetzes hergeleitet. Er hat insbesondere darauf hingewiesen, daß diese Rechtslage das Ergebnis einer längeren kontinuierlichen Rechtsentwicklung bezüglich der behinderten Kinder war. Hiernach sollte zwar für Kinder, die von Geburt an schwerbehindert waren oder innerhalb der Regelleistungszeit schwerbehindert geworden sind, das Kindergeld über den Zeitpunkt des ohne die Behinderung sonst eintretenden Leistungswegfalles hinaus gezahlt werden. Dagegen sollte der Anspruch gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG nicht neu entstehen oder wiederaufleben, wenn ein Kind, nachdem es sich aus der elterlichen Familie gelöst hatte, außerstande wurde, sich selbst zu unterhalten (BSGE 44, 106, 110). Dazwischen ist der Fall angesiedelt, daß ein Kind, dessen Ausbildung über das 27. Lebensjahr angedauert hat, das noch nicht aus dem Familienverband ausgeschieden war und das vor Eintritt in das Erwerbsleben unfähig geworden ist, sich selbst zu unterhalten. Für diesen Fall hat der erkennende Senat (aaO) für die durch § 2 Abs 4 BKGG aF geregelte Rechtslage die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung offengelassen (BSGE 44, 106, 114). Die entsprechende Anwendung des § 2 Abs 4 BKGG aF auf die Fälle des Verlustes der Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes nach der Vollendung des 27. Lebensjahres, jedoch vor Eintritt in das Erwerbsleben ist jedoch zu verneinen, weil sie im Ergebnis zu einem eigenständigen Leistungsgrund führen würde, dessen Umfang sowohl über den des Ausbildungstatbestandes (§ 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG iVm § 2 Abs 3 BKGG) als auch den des Behinderungstatbestandes (§ 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG iVm § 2 Abs 4 BKGG aF) hinausginge. Denn der Leistungsgrund der andauernden Ausbildung wäre im Regelfall mit der Vollendung des 27. Lebensjahres entfallen, und auch der Behinderungstatbestand hätte im Regelfall nach der zuvor dargelegten Zielsetzung des sogenannten Behindertenkindergeldes nicht mehr eintreten können. Eine derartige Erweiterung des Kindergeldanspruches mag sozialpolitisch erforderlich oder wenigstens wünschenswert sein, weil jedenfalls Kinder, die sich wirtschaftlich auch nach der Vollendung des 27. Lebensjahres noch nicht vom Elternhaus gelöst haben und danach erwerbsunfähig werden, möglicherweise in gleicher Weise als schutzbedürftig anzusehen sind, wie wenn der Verlust der Fähigkeit zum Erwerb des eigenen Unterhalts vor dem Beginn des 28. Lebensjahres eingetreten ist. Das Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung beruht aber nicht auf einer vom Gesetzgeber nicht erkannten, unbeabsichtigten Gesetzeslücke, die durch die Rechtsprechung geschlossen werden könnte (BSGE 42, 172, 176; 47, 109, 111). Vielmehr handelt es sich bei der Nichtberücksichtigung der Fälle des nach der Vollendung des 27. Lebensjahres eintretenden Verlustes der Fähigkeit, sich selbst zu unterhalten, um einen Sachverhalt, den der Gesetzgeber bisher bewußt nicht in die Ausnahmetatbestände für die Gewährung des Kindergeldes über das 27. Lebensjahr hinaus einbezogen hat. Dementsprechend war Wolfgang B. in der Zeit bis zum 31. Dezember 1981 nicht gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 3 BKGG iVm § 2 Abs 4 BKGG aF für das Kindergeld zu berücksichtigen.
Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung steht dem Kläger Kindergeld für seinen Sohn Wolfgang aber auch in der Zeit ab 1. Januar 1982 nicht im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Änderungen des § 2 BKGG zu. § 2 BKGG ist im Gesetz vom 22. Dezember 1981 in insgesamt sieben Punkten geändert worden, von denen hier nur der Wegfall des § 2 Abs 4 BKGG aF und die teilweise Übernahme des Normgehalts dieser Vorschrift in den neugeschaffenen Absatz 2a entscheidungserheblich sein können. Diese Änderungen haben jedoch nicht dazu geführt, daß das sogenannte Behindertenkindergeld (§ 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG) nunmehr auch dann zu zahlen (wiederzugewähren) ist, wenn ein Kind erst nach der Vollendung des 27. Lebensjahres gebrechlich wird.
In § 2 Abs 4 BKGG aF hatte der Gesetzgeber - ausdrücklich nur bezogen auf den Fall des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG - für die Gewährung des Kindergeldes für über 27. Jahre alte gebrechliche Kinder zwei - in sich selbständige - Voraussetzungen aufgestellt: Die Gebrechlichkeit mußte vor der Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sein (erkennender Senat aaO) und fortdauern. Weiter durfte ein vorrangig Unterhaltspflichtiger nicht vorhanden sein (sogenannte Verheiratetenklausel). Bei der Konzeption der mit dem Gesetz vom 22. Dezember 1981 vorzunehmenden Änderungen des § 2 BKGG hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verheiratetenklausel (BVerfGE 40, 121; vgl dazu auch erkennender Senat BSGE 44, 105, S 110 ff) die nunmehr für alle Leistungstatbestände des § 2 Abs 2 BKGG relevante Verheiratetenklausel in den neu zu schaffenden § 2 Abs 2a BKGG vorgezogen. Er ist ferner davon ausgegangen, daß es im Hinblick auf die in § 2 Abs 2a BKGG neu zu treffende Regelung erforderlich und als bloße redaktionelle Änderung anzusehen sei, den § 2 Abs 4 BKGG aF aufzuheben (BT-Drucks 9/795, Art 6 Abs 1 Nr 1 Buchst b und f; Begründung Teil B zu Art 6, Teil II S 54 f). § 2 Abs 4 BKGG idF des Gesetzes vom 22. Dezember 1981 ist dann im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zwar wieder neu besetzt worden, die neugefaßte Vorschrift hat jedoch einen völlig anderen und hier nicht entscheidungserheblichen Inhalt erhalten.
Geht man von dem nunmehr ab 1. Januar 1982 geltenden bloßen Wortlaut des § 2 BKGG aus, so hätte der Anspruch auf Kindergeld für gebrechliche Kinder nicht nur eine redaktionelle Änderung erfahren, sondern einen anderen Inhalt erhalten: Nach § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG wäre das nicht selbst unterhaltsfähige Kind - wie bisher - zwar ohne Altersbegrenzung zu berücksichtigen. Nicht mehr im Gesetz enthalten wäre aber die in § 2 Abs 4 BKGG aF ferner normiert gewesene Beschränkung des Kindergeldanspruches auf solche Kinder, die vor der Vollendung des 27. Lebensjahres gebrechlich geworden sind. Die Ableitung einer derartigen Erweiterung des Kindergeldanspruches für behinderte Kinder allein aus dem Wortlaut des § 2 BKGG entspricht jedoch nicht dem objektiven Willen des Gesetzgebers. Dies wird aus dem zuvor bereits dargelegten Gesetzgebungsverfahren, insbesondere aus der Begründung für die Streichung des § 2 Abs 4 BKGG aF, dessen Funktion der Gesetzgeber offensichtlich unrichtig allein auf die Verheiratetenklausel bezogen hat, deutlich. Er hat deshalb mit der Neuregelung des § 2 Abs 2a BKGG und der sich daraus aus seiner Sicht vermeintlich nur aus redaktionellen Gründen ergebenden Streichung des § 2 Abs 4 BKGG aF nicht einen Kindergeldanspruch für behinderte Kinder, deren Hilfsbedürftigkeit erst nach der Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist, neu begründen wollen, sondern nur wegen der Ausdehnung der Verheiratetenklausel auf alle Tatbestände des § 2 Abs 2 BKGG und der - redaktionell zutreffenden - an § 2 Abs 2 BKGG anschließenden Plazierung dieser Regelung nur das Gesetz durch die Streichung des vermeintlich überflüssig gewordenen § 2 Abs 4 BKGG aF redaktionell bereinigen wollen. Mithin läßt der Wortlaut des § 2 BKGG in der ab 1. Januar 1982 geltenden Fassung die Berücksichtigung der Zielsetzung des Gesetzgebers nicht den Schluß zu, daß nunmehr Kinder, die nach der Vollendung des 27. Lebensjahres gebrechlich iS des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG geworden sind, für das Kindergeld zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus sind aber durch die ab 1. Januar 1982 geltende Neufassung des § 2 BKGG, die vom erkennenden Senat in dem Urteil vom 23. Juni 1977 (aa0) ausführlich dargelegten und dem Wortlaut des § 2 Abs 4 BKGG aF als gleichgewichtig erachteten Gründe für die Notwendigkeit, den Anspruch auf das sogenannte Behindertenkindergeld auf die Fälle des Eintritts der Behinderung vor der Vollendung des 27. Lebensjahres zu beschränken, nicht berührt worden. Sowohl der Gesichtspunkt der historischen Entwicklung des Kindergeldanspruches für das behinderte Kind als auch der des inneren Zusammenhanges des Kindergeldleistungsrechts mit dem Leistungsumfang für behinderte Kinder im Bereich der mit dem Kindergeldrecht verzahnten kindbezogenen Leistungen in der Unfall- und Rentenversicherung haben auch über den 31. Dezember 1981 hinaus Gültigkeit. Dementsprechend setzt auch ab Januar 1982 die Berücksichtigung eines gebrechlichen Kindes gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG für die Zeit nach der Vollendung des 27. Lebensjahres weiterhin den Eintritt der Gebrechlichkeit vor diesem Zeitpunkt voraus.
Das SG ist zwar davon ausgegangen, Wolfgang B. sei nicht schon vor der Vollendung seines 27. Lebensjahres unfähig gewesen, sich selbst zu unterhalten. Darin liegt jedoch keine bindende Tatsachenfeststellung, wie das SG das Ausmaß der durch dieses Leiden bedingten Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit nicht festgestellt hat; insbesondere reicht die summarische Bezugnahme auf die Prozeßakten und die beigezogenen Akten nicht zu einer für die abschließende Entscheidung des Senats tragfähigen Tatsachenfeststellung aus. Zudem ist das SG von einem unzutreffenden Ausgangspunkt bei der Ausfüllung des Begriffes des Außerstandeseins, sich selbst zu unterhalten, ausgegangen. Denn es hat in rechtlicher Hinsicht auf die "MdE" im Sinne des Schwerbehindertengesetzes (SchbwG) und in tatsächlicher Hinsicht auf die Feststellung des Versorgungsamtes Freiburg in dem Bescheid vom 20. November 1981 abgehoben, wonach die MdE des Sohnes seit dem 15. Oktober 1981 100 vH betrug.
Diese Inhaltsbestimmung des Begriffes des Außerstandeseins, sich selbst zu unterhalten, wird der Zielsetzung des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG nicht gerecht. Vielmehr ist der Begriff des Außerstandeseins, sich selbst zu unterhalten, entsprechend dem Begriff der Erwerbsunfähigkeit in § 1247 Abs 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) auszufüllen.
Denn Ziel beider Normen ist es gleicherweise, die jeweilige Sozialleistung demjenigen oder für denjenigen zu gewähren, der nicht selbst in der Lage ist, durch Arbeit das Existenzminimum zu verdienen. Das LSG wird deshalb zunächst festzustellen haben, ob Wolfgang B. schon vor der Vollendung seines 27. Lebensjahres infolge seiner Erkrankung auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage war, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder ob er nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen konnte. Dazu wird das LSG zunächst den Verlauf des Leidens bis zum vollendeten 27. Lebensjahr festzustellen haben und beachten müssen, daß eine schubweise, insgesamt jedoch progredient verlaufende Krankheit schon dann zum Verlust der Fähigkeit, sich selbst zu unterhalten, führt, wenn die Krankheit einen Umfang erreicht hat, der bei Berücksichtigung aller Umstände erwarten läßt, daß das Kind niemals in einem Umfang im Erwerbsleben stehen kann, der ihm die Erzielung der zum Selbstunterhalt erforderlichen Einkünfte ermöglicht. Es spricht zwar in der Regel dafür, daß ein behindertes Kind auch imstande ist, sich selbst zu unterhalten, wenn es für längere Zeit in einem mehr als nur geringfügig entlohnten Dauerarbeitsverhältnis steht oder seine Ausbildung erfolgreich fortgesetzt hat. Gleichwohl bedarf es stets der genauen Feststellung, ob ein Arbeitsverhältnis tatsächlich praktiziert oder die Ausbildung planmäßig fortgesetzt wird; bei einer nur vergönnungsweise erfolgenden Beschäftigung können die gezahlten Beträge auch nur eine verdeckte Schenkung sein. Derartige Bezüge wären nicht zu berücksichtigen, weil die Gewährung des sogenannten Behindertenkindergeldes nicht von der Bedürftigkeit des Kindes sondern ausschließlich von der Fähigkeit, sich selbst zu unterhalten, abhängt. Ebensowenig würde die bloße Einschreibung als Student ausreichen, wenn das Kind infolge der Erkrankung tatsächlich nicht in der Lage war, die Lehrveranstaltungen in dem erforderlichen Umfange zu besuchen.
Das LSG wird auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen