Leitsatz (amtlich)

1. Ist dem Antrag auf nachträgliche Zulassung der Sprungrevision durch Beschluß die schriftliche Zustimmung des Gegners nicht beigefügt, geht sie aber bis zum Ablauf der Antragsfrist beim SG ein, dann ist die Vorschrift des SGG § 161 Abs 1 S 3 (nF) ihrem Sinn und Zweck nach erfüllt (Fortführung von BSG 1975-05-07 11 RA 198/74 = SozR 1500 § 161 Nr 2).

2. Beruht eine fremde Versicherungsleistung nur zT auf auch nach Bundesrecht angerechneten Zeiten, dann ruht nach FRG § 31 die deutsche Leistung nicht in Höhe der gesamten fremden Leistung, sondern nur in Höhe des Anteils, der auf die beiderseits angerechneten Zeiten entfällt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der Zuordnung der Leistungsgruppe B 1 für Beitragszeiten selbständiger Rechtsanwälte vor dem 45. Lebensjahr.

 

Normenkette

SGG § 161 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1974-07-30; FRG § 31 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1960-02-25, § 22 Anl 1 Buchst. b

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 25. Juni 1975 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang das Altersruhegeld des Klägers zu ruhen hat.

Der 1890 geborene Kläger erhält von der Beklagten (nach vorangegangenem Bezug von Berufsunfähigkeitsrente) seit August 1973 Altersruhegeld, bei dem auch jugoslawische Beitragszeiten von Januar 1938 bis Januar 1945 gemäß § 15 i. V. m. § 1 Buchst. d des Fremdrentengesetzes (FRG) berücksichtigt sind. Außerdem hat der jugoslawische Versicherungsträger dem Kläger eine Altersrente zuerkannt; hierbei hat er mehrere Zeiten ab August 1914 und ebenfalls die Zeit von Januar 1938 bis Januar 1945 angerechnet.

Mit Bescheiden vom 10. Mai 1974 und 10. Februar 1975 stellte die Beklagte gemäß § 31 FRG das Ruhen des Altersruhegeldes in Höhe der gesamten jugoslawischen Leistung fest. Zum Vollzug behielt sie die ihr überwiesene fremde Rente ein und zahlte stattdessen die deutsche Rente ungekürzt aus.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, den Umfang des Ruhens des Altersruhegeldes neu zu berechnen (Urteil vom 25. Juni 1975). Nach § 31 FRG dürfe die Beklagte nur den anteilmäßigen Rentenbetrag für die deckungsgleichen Zeiten zum Ruhen verwenden. Soweit die jugoslawische Rente auf Versicherungszeiten vor 1938 beruhe, liege keine Doppelleistung vor.

Das SG hat die Beklagte im Urteilstenor angewiesen, die jugoslawische Rente, soweit sie auf der Versicherungszeit von Januar 1938 bis Januar 1945 beruhe, in Deutsche Mark umzurechnen und nur in Höhe dieses Betrages das Altersruhegeld ruhen zu lassen; in den Urteilsgründen heißt es ergänzend, daß der Teilbetrag des Altersruhegeldes für die Zeit von Januar 1938 bis Januar 1945, der aller Wahrscheinlichkeit nach höher sei, in Höhe des jugoslawischen Teilbetrages ruhen müsse.

Mit der - vom SG nachträglich durch Beschluß zugelassenen - Sprungrevision beantragt die Beklagte,

das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie rügt eine Verletzung des § 31 FRG. Diese Vorschrift solle lediglich ein Rentengesamteinkommen gewährleisten, das den Betrag der ungekürzten deutschen Rente nicht unterschreite. Die Anwendung von § 15 FRG auf die von 1938 bis 1945 zurückgelegten Zeiten beruhe seit dem Inkrafttreten des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens vom 12. Oktober 1968 (BGBl 1969 II 1438) auf Nr. 12 des Schlußprotokolls, welche die Sperrwirkung des § 2 FRG aufhebe; auch dort sei aber anders als im Schlußprotokoll zum deutsch-österreichischen Abkommen vom 22. Dezember 1966 (BGBl 1969 II 1235) nicht bestimmt, daß nur Leistungen aufgrund derselben Versicherungszeiten anzurechnen seien.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision ist zulässig. Das SG hat sie gemäß § 161 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf Antrag der Beklagten nachträglich durch Beschluß zugelassen. Nach Satz 3 der Vorschrift war in diesem Falle dem Zulassungsantrag die Zustimmung des Gegners (Klägers) beizufügen. Insoweit hat das SG in den Gründen des Zulassungsbeschlusses angenommen, daß der dem Zulassungsantrag der Beklagten beigefügte (zunächst dem SG übersandte) "Zulassungsantrag" des Klägers "als Zustimmung umzudeuten ist". Ob diese Umdeutung zu Recht erfolgte, kann zweifelhaft sein. Dies kann hier jedoch offen bleiben wie auch die Frage, ob eine nachträgliche Zulassung wirksam ist, wenn die Zustimmung des Gegners und damit eine Voraussetzung für die nachträgliche Zulassung fehlt (vgl. dazu BVerwG 36, 357 (358), 42, 229 und Buchholz 442.03 § 6 GüKG Nr. 2 bei Verletzung des rechtlichen Gehörs). Denn der Kläger hat hier später gegenüber dem SG ausdrücklich erklärt, daß er der Sprungrevision zustimme. Diese Erklärung ist beim SG noch vor dem Ablauf der Antragsfrist eingegangen. Damit jedenfalls war eine wirksame Zustimmung erteilt und zugleich der Vorschrift des § 161 Abs. 1 Satz 3 SGG Genüge getan. Für den Fall, daß die Zustimmung der Revisionsschrift beizufügen ist, hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden (SozR 1500 § 161 Nr. 2, vgl. auch Nr. 5, letzter Absatz), daß der Eingang der Zustimmung beim Revisionsgericht bis zum Ablauf der Revisionsfrist genügt. Entsprechendes muß für die einem Zulassungsantrag beizufügende Zustimmung gelten; auch hier ist das gesetzliche Beifügungserfordernis seinem Sinn und Zweck nach erfüllt, wenn der Gegner die Zustimmung zur Sprungrevision dem SG bis zum Ablauf der Antragsfrist übersendet.

In der Sache hat die Revision keinen Erfolg.

In welchem Umfang das Altersruhegeld zu ruhen hat, beurteilt sich, was die Beklagte anerkennt, allein nach § 31 FRG. Zutreffend hat das SG entschieden, daß die Beklagte danach das Altersruhegeld des Klägers nicht in Höhe der gesamten (in Deutsche Mark umgerechneten) jugoslawischen Rente ruhen lassen darf. Die deutsche Leistung ruht vielmehr nur in Höhe des Betrages, der vom jugoslawischen Versicherungsträger für die Zeiten gezahlt wird, die auch im Altersruhegeld angerechnet sind. Ein anderes Ergebnis läßt § 31 Abs. 1 FRG weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck nach zu.

Die Vorschrift bestimmt in ihrem Satz 1: "Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder anstelle einer solchen eine andere Leistung gewährt, so ruht die Rente in Höhe des in Deutsche Mark umgerechneten Betrages, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb dieses Gesetzes ausgezahlt wird". Der Umfang des Ruhens wird also durch die ausgezahlte fremde "Leistung" bestimmt. Mit "Leistung" ist dabei die im ersten Halbsatz bezeichnete Leistung gemeint. Dort ist "Leistung" als Oberbegriff (Rente oder andere Leistung) benutzt und durch den Zusatz "für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten" eingeschränkt. Wenn aber eine fremde Leistung (Rente) nur zum Teil auf Zeiten beruht, die auch nach Bundesrecht anrechenbar sind, dann ist sie nur zum Teil und nicht insgesamt eine Leistung (Rente) für diese Zeiten. Somit kann die fremde Leistung (Rente) kein Ruhen der deutschen Rente bewirken, soweit sie für andere, nach Bundesrecht nicht anrechenbare, Zeiten gewährt wird.

Dieses Ergebnis hat der Gesetzgeber auch gewollt. § 31 FRG (ebenso wie § 11) soll Doppelleistungen vermeiden (siehe BT-Drucks. zum FANG, 1109, 3. Wahlperiode, Begründung zu §§ 11 und 31 FRG). Soweit Renten für andere Zeiten gewährt werden, liegt aber keine Doppelleistung vor. Demzufolge hatte die Rechtsprechung schon zu § 1 Abs. 5 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7. August 1953 ein "Erlöschen" des Leistungsanspruchs nur angenommen, wenn und soweit die Fremdleistung für dieselben Versicherungszeiten gewährt wird, weil nur insoweit tatsächlich sonst eine Doppelleistung einträte (BSG 8, 101, 106).

Dem steht nicht entgegen, daß nach der Begründung des Regierungsentwurfs das Ausmaß des Ruhens so festgesetzt ist, daß der Berechtigte "mit der Rente des ursprünglich verpflichteten Versicherungsträgers insgesamt nicht weniger erhält als vor der Zubilligung dieser Rente". Das bedeutet nicht, daß als fremde "Rente oder andere Leistung für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten" immer die gesamte fremde Leistung (Rente) zu verstehen sei. Dies würde auch dem im Rahmen des § 31 FRG zu beachtenden Eingliederungsgedanken (siehe Amtl. Begründung zu § 11 FRG) widersprechen; ein Berechtigter nach dem FRG erhielte damit ohne einleuchtenden Grund für nach dem Bundesrecht anzurechnende Zeiten nur deshalb, weil in der fremden Rente weitere Zeiten angerechnet sind, gegenüber anderen Versicherten im Bundesgebiet geringere oder überhaupt keine Leistungen.

Die Schlußprotokolle zu den deutsch-jugoslawischen und deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen stützen die gegenteilige Auffassung der Beklagten ebenfalls nicht. Das letztgenannte Abkommen vom 22. Dezember 1966 enthält zwar eigene Anrechnungsbestimmungen ua für den Fall, daß Versicherungsträger der Vertragsstaaten Leistungen zum Teil aufgrund derselben Versicherungszeiten gewähren (Schlußprotokoll Ziff. 19 b, Nr. 2 a Satz 2 und Nr. 3 c Satz 3 und 4); aus dieser vertraglichen Sonderregelung lassen sich aber keine allgemeinen Schlüsse auf die Auslegung des § 31 FRG ziehen.

Im vorliegenden Fall hat der von der Beklagten erteilte Ausführungsbescheid inzwischen unstreitig die Annahme des SG bestätigt, daß ein auf die Versicherungszeiten von Januar 1938 bis Januar 1945 entfallender Anteil der deutschen Rente höher als der entsprechende Anteil der jugoslawischen Rente ist. Der Senat kann deshalb offenlassen, ob das Ruhen der deutschen Rente nicht über den darin enthaltenen Anteil für die deckungsgleichen Zeiten hinausgehen darf, wenn der entsprechende Anteil der fremden Rente ausnahmsweise höher sein sollte (vgl. Schlesw. Holst. LSG, Breithaupt 1967, 47).

Mit der hier vorgenommenen Auslegung des § 31 FRG setzt sich der Senat schließlich nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des 5. Senats in BSG 32, 189. Denn diesem Urteil ist eine entgegenstehende Auslegung des § 31 FRG nicht zu entnehmen.

Nach alledem war die Revision zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 191

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