Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. November 1994 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 27. Januar 1992 und die damit verbundene Erstattungsforderung.
Das Arbeitsamt (ArbA) bewilligte der Klägerin ab 1. Oktober 1991 für 832 Wochentage Alg iHv wöchentlich 178,80 DM (Bescheid vom 31. Oktober 1991). Bei der Antragstellung hatte die Klägerin eine von ihr unterzeichnete „Erklärung über die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld bzw Arbeitslosenhilfe unter der erleichterten Voraussetzung des § 105c Arbeitsförderungsgesetz (AFG)” mit eingereicht. Am 26. Januar 1992 (Sonntag) trat sie einen Skiurlaub in Italien an, der insgesamt vier Tage dauern sollte; ihre Ortsabwesenheit hatte sie dem ArbA zuvor nicht mitgeteilt. Am 29. Januar 1992 erlitt sie einen Skiunfall, aufgrund dessen sie stationär behandelt wurde und bis (mindestens) 10. März 1992 arbeitsunfähig krank war. Ihre gesetzliche Krankenkasse (DAK) zahlte vom 29. Januar bis (mindestens) 10. März 1992 (42 Tage) Krankengeld (Krg) iHv insgesamt 1.072,80 DM und machte beim ArbA „vorsorglich den Erstattungsanspruch nach § 105 AFG” geltend (Schreiben vom 9. April 1992). Am 3. Februar 1992 erhielt das ArbA von dem Geschehen Kenntnis. Es hob die Alg-Bewilligung für die Zeit ab 27. Januar 1992 auf und forderte für die Zeit vom 27. bis 29. Januar 1992 die Erstattung des bereits ausgezahlten Alg iHv 89,40 DM (Bescheide vom 13. und 28. Februar 1992; Widerspruchsbescheid vom 2. April 1992). Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 29. April 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. November 1994).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Berufung sei zulässig; der Beschwerdewert übersteige den Betrag von 1.000,00 DM. In der Sache seien die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Die Aufhebung des Alg ab 27. Januar 1992 sei durch § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) gedeckt. Die Klägerin habe aufgrund des ihr bei der Antragstellung ausgehändigten Merkblatts für Arbeitslose sowie der Anlage der von ihr unterzeichneten Erklärung nach § 105c AFG gewußt bzw grob fahrlässig nicht gewußt, daß der Anspruch auf Alg entfalle, wenn sie sich aus dem Nahbereich des ArbA entferne, ohne dies vorher anzuzeigen (§ 7 Aufenthalts-Anordnung ≪Aufenthalts-AnO≫). Die einschlägigen Vorschriften der Aufenthalts-AnO verstießen nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Insbesondere sei es nicht unverhältnismäßig, von einem Arbeitslosen zu verlangen, seine Ortsabwesenheit, die bis zu 17 Wochen betragen könne, dem ArbA im voraus anzuzeigen. Nur so sei eine Überprüfung der objektiven Verfügbarkeit zu gewährleisten. Die Aufhebungsbescheide seien auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Klägerin während ihres Kurzurlaubs ständig über ihren Sohn telefonisch erreichbar gewesen sei. Der Erstattungsanspruch rechtfertige sich aus § 50 Abs 1 SGB X.
Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung von formellem und materiellem Recht. In formeller Hinsicht beruft sie sich auf Unzulässigkeit der Berufung; es sei lediglich ein Betrag iHv 89,40 DM zurückgefordert worden. In materieller Hinsicht beanstandet sie einen Verstoß gegen § 105c AFG iVm § 7 Aufenthalts-AnO. Sinn dieser Regelung sei es, den Arbeitslosen bei gegebenem Anlaß zwecks Prüfung der objektiven Voraussetzungen täglich erreichen zu können. Vorliegend habe ein solcher Anlaß nicht bestanden. Die Klägerin habe ihre kurzfristige Abwesenheit nicht zu melden brauchen, weil sie der Arbeitsvermittlung nicht mehr habe zur Verfügung stehen müssen. Im übrigen hätte sie, da der Sohn den Posteingang kontrolliert habe, am Folgetag eines Posteingangs beim ArbA persönlich vorsprechen können. Schließlich sei es unverhältnismäßig, in den Fällen des § 105c AFG tägliche persönliche Erreichbarkeit zu verlangen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 124 Abs 2, 153 Abs 1, 165 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist iS der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 13. und 28. Februar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 1992, durch die die Beklagte das (mit Bescheid vom 31. Oktober 1991) ab 1. Oktober 1991 bewilligte Alg ab 27. Januar 1992 aufgehoben und die Erstattung des für die Zeit vom 27. bis 29. Januar 1992 schon ausgezahlten Alg (89,40 DM) verlangt hat. Insoweit handelt es sich bei dem Bescheid vom 28. Februar 1992 um einen teilweise wiederholenden Bescheid.
Verfahrensmängel, die bei einer zulässigen Revision von Amts wegen zu beachten sind (vgl hierzu etwa BSG SozR 3-4100 § 58 Nr 6), liegen nicht vor. Insbesondere war die grundsätzlich statthafte Berufung (§ 143 SGG) entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gemäß § 144 Abs 1 SGG (idF des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 – BGBl I 50) ausgeschlossen; denn sie betraf, nachdem das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben hatte, aus der Sicht der Beklagten wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG nF) bei gleichzeitigem Wert von weit mehr als 1.000,00 DM (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG nF). Insoweit ist nicht von Bedeutung, daß neben der Aufhebung ein Erstattungsanspruch in Höhe von lediglich 89,40 DM im Streit ist. Richtige Klageart war die von der Klägerin gewählte reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG).
Für eine abschließende Bewertung der Frage, ob die Aufhebung der Alg-Bewilligung ab 27. Januar 1992 und die damit verbundene Erstattungsforderung mit der Rechtslage in Einklang stehen, reichen die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht aus.
Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide mißt sich an § 48 SGB X. Nach dieser Bestimmung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Satz 2 Nr 2) oder soweit er wußte oder nicht wußte, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Satz 2 Nr 4).
Bei dem der Klägerin ab 27. Januar 1992 bewilligten Alg handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl hierzu etwa BSG SozR 4100 § 138 Nr 25; BSGE 66, 134, 136 = SozR 3-4100 § 138 Nr 1). Die erforderliche wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei seinem Erlaß (Bescheid vom 31. Oktober 1991) vorgelegen haben, ist darin zu erblicken, daß die Klägerin der Arbeitsvermittlung ab 27. Januar 1992 nicht mehr zur Verfügung gestanden hat. Anspruch auf Alg hat ua nur, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§ 100 Abs 1 AFG). Nach § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG, eingefügt durch Art 1 Nr 31 des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189), ist Voraussetzung für die Verfügbarkeit ua, daß der Arbeitslose das ArbA täglich aufsuchen kann und für das ArbA erreichbar ist. Hierzu bestimmt § 1 der Aufenthalts-AnO vom 3. Oktober 1979 (ANBA S 1388) idF der 2. ÄndAnO vom 9. März 1990 (ANBA S 600), daß das ArbA den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des ArbA maßgeblichen Anschrift erreichen können muß. An dieser Voraussetzung mangelt es hier jedenfalls für die Zeit vom 27. bis 29. Januar 1992. Nach den vom LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen, die für den Senat bindend sind, da zulässige und begründete Revisionsrügen hiergegen nicht vorgebracht worden sind (§ 163 SGG), war die Klägerin vom 27. bis 29. Januar 1992 für das zuständige ArbA unter der von ihr angegebenen Wohnanschrift nicht erreichbar; denn sie hielt sich, nachdem sie am 26. Januar 1992 einen Skiurlaub in Italien angetreten hatte, ab 27. Januar 1992 nicht mehr an dem Ort auf, den sie dem ArbA gegenüber als ihre Wohnung bezeichnet hatte. Dies hat zum Wegfall des Begriffsmerkmals der „Erreichbarkeit” iS des § 1 der Aufenthalts-AnO geführt.
Unerheblich ist, daß die Klägerin ihren Sohn mit der Kontrolle des Posteingangs beauftragt hatte, so daß sie am Folgetag des Posteingangs beim ArbA persönlich hätte vorsprechen können. Denn es kommt nicht darauf an, daß der Arbeitslose irgendwie erreichbar ist, sondern er muß – so verlangt es § 1 Satz 1 der Aufenthalts-AnO – unter der von ihm dem ArbA benannten Anschrift täglich mindestens zur Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar sein (BSGE 58, 104, 108 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSGE 66, 103, 105 = SozR 4100 § 103 Nr 47). In örtlicher Hinsicht konkretisiert daher § 1 Satz 1 der Aufenthalts-AnO das Begriffsmerkmal der „Erreichbarkeit” auf den Ort, den der Arbeitslose im Leistungsantrag dem ArbA gegenüber als seine Wohnung bezeichnet hat, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die Arbeitsämter im Rahmen ihrer Vermittlungstätigkeit sich in erster Linie um eine Vermittlung des Arbeitslosen an dessen Wohnort oder in dessen erreichbarer Umgebung bemühen (BSG, Urteil vom 29. April 1992 – 7 RAr 4/91 –, unveröffentlicht).
Ob tägliche Erreichbarkeit, wie in § 1 Satz 1 Aufenthalts-AnO formuliert, nur dann angenommen werden kann, wenn Erreichbarkeit „während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost” gewährleistet ist, braucht hier nicht erörtert zu werden. Denn unverzichtbares Moment bleibt allemal, daß der Arbeitslose sich im Nahbereich des ArbA aufhält, von wo aus er erforderlichenfalls in der Lage wäre, das ArbA täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen (§ 2 Satz 2 Aufenthalts-AnO). Dem wurde die Klägerin während ihres Italienaufenthalts vom 27. bis 29. Januar 1992 nicht gerecht.
Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf § 105c AFG berufen. Nach dieser Vorschrift (eingefügt durch Art 1 Nr 20 des Siebten Gesetzes zur Änderung des AFG ≪7. AFG-ÄndG≫ vom 20. Dezember 1985 – BGBl I 2484), hat Anspruch auf Alg nach § 100 Abs 1 AFG auch, wer das 58. Lebensjahr vollendet hat und die in den §§ 101 bis 103 AFG genannten Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg allein deshalb nicht erfüllt, weil er nicht bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder an zumutbaren beruflichen Bildungsmaßnahmen teilzunehmen (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Durch diese Regelung sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, daß Arbeitnehmern nach Vollendung des 58. Lebensjahres „im allgemeinen kein Arbeitsplatz mehr vermittelt werden kann, der ihrer bisherigen – in der Regel durch langjährige Betriebszugehörigkeit geprägten – Tätigkeit annähernd gleich ist und ein erneuter Aufstieg im Betrieb kaum noch möglich ist” (BR-Drucks 445/85 S 21 zu Nr 17 Abs 1). Indes bezieht sich die Vergünstigung des § 105c Abs 1 Satz 1 AFG, wie insbesondere der Klammerzusatz belegt, nur auf die subjektive Seite der Verfügbarkeit, nämlich die „Arbeitsbereitschaft” (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Am Vorliegen der objektiven Merkmale der Verfügbarkeit, nämlich sowohl der Verfügbarkeit iS der Nr 1 als auch der Verfügbarkeit (Erreichbarkeit) iS der Nr 3 des § 103 Abs 1 Satz 1 AFG, sollte festgehalten werden (BT-Drucks 10/4483 S 10 zu Art 1 Nr 17 Abs 1). Dies rechtfertigt sich auch von der Sache her. Denn die Solidargemeinschaft kann nicht für Arbeitslose aufkommen, die der Arbeitsvermittlung schlechthin nicht mehr zur Verfügung stehen (Steinmeyer in Gagel, Komm zum AFG, Stand Dezember 1994, § 105c Rz 8; GemeinschaftsKomm zum AFG, Stand Juni 1995, § 105c Rz 2; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand August 1995, § 105c Rz 2; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wissing, Komm zum AFG, 3. Aufl, 4. Ergänzungslieferung 1995, § 105c Anm 4; Brand in Niesel, Komm zum AFG, 1995, § 105c Rz 3).
Allerdings ist die Bundesanstalt für Arbeit (BA) in § 103 Abs 5 Satz 3 AFG (eingefügt durch Art 1 Nr 19 des 7. AFG-ÄndG) ermächtigt worden, Regelungen zu treffen, die den Besonderheiten der Arbeitslosen Rechnung tragen, die Alg nach § 105c AFG erhalten (vgl auch hierzu BT-Drucks 10/4483 S 10 zu Art 1 Nr 17 Abs 1). Der Verwaltungsrat der BA hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und § 7 Aufenthalts-AnO (idF des Art 1 der 1. ÄndAnO vom 25. Juni 1986 – ANBA S 1095) geschaffen. Danach steht im Falle des § 105c AFG der Leistungsgewährung nicht entgegen, wenn der Arbeitslose den Nahbereich des ArbA bis zu insgesamt 17 Wochen im Jahr vorübergehend verläßt und dies im voraus anzeigt (Satz 1). Vorliegend sind die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung nicht verwirklicht. Denn die Klägerin hat dem ArbA vor ihrem Skiurlaub in Italien nicht angezeigt, daß sie den Nahbereich des ArbA vorübergehend verlassen werde.
Die Vorschrift des § 7 Aufenthalts-AnO verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Sie wird insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht, der seinerseits Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips (Art 20 Abs 3 Grundgesetz) ist.
Denn sie lockert die in § 1 Aufenthalts-AnO begründete sog Residenzpflicht zugunsten des in § 105c AFG bezeichneten Personenkreises in einem Maße, das weit über die Ausnahmeregelung des § 3 Aufenthalts-AnO (dreiwöchiger Aufenthalt außerhalb des Nahbereiches des ArbA) hinausreicht. Damit trägt sie den Belangen der Arbeitslosen, die Alg nach § 105c AFG erhalten, in angemessen großzügiger Weise Rechnung. Eine noch großzügigere Handhabung, etwa iS eines Verzichtes auf die vorherige Anzeige, würde das Erfordernis der objektiven Verfügbarkeit obsolet machen.
Darauf, daß es ohne Bedeutung ist, ob der Arbeitslose überhaupt in Arbeit hätte vermittelt werden können, hat der Senat bereits hingewiesen (BSGE 58, 104, 106 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSG, Urteil vom 29. April 1992, aaO).
Ist sonach in den tatsächlichen Verhältnissen, die im Zeitpunkt der Alg-Bewilligung vorgelegen haben, ab 27. Januar 1992 wegen Wegfalls der Verfügbarkeit eine wesentliche Änderung eingetreten, ist für die vorgenommene rückwirkende Aufhebung der Alg-Bewilligung entscheidend, ob in der Person der Klägerin die oben zu § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 oder 4 SGB X genannten Voraussetzungen verwirklicht waren. Zum Vorliegen der Nr 2 des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X hat das LSG keinerlei Tatsachen, zu Nr 4 derselben Vorschrift hat es lediglich festgestellt, die Klägerin habe aufgrund des ihr bei der Antragstellung ausgehändigten Merkblattes für Arbeitslose und aufgrund der Anlage der von ihr unterzeichneten Erklärung nach § 105c AFG gewußt – zumindest aber sei ein diesbezügliches Nichtwissen iS des § 48 Abs 2 Satz 2 Nr 4 SGB X grob fahrlässig –, daß der Anspruch auf Alg wegfalle, wenn sie sich aus dem Nahbereich des ArbA entferne, ohne dies dem ArbA vorher angezeigt zu haben. Diese Ausführungen rechtfertigen weder die Annahme von positiver Kenntnis noch die von grober Fahrlässigkeit. Denn den Hinweis auf das Vorliegen von positivem Wissen hat das LSG durch den gleichzeitigen Hinweis auf das Vorliegen von zumindest grober Fahrlässigkeit wieder relativiert. In bezug auf das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit aber mangelt es an tatsächlichen Feststellungen. Überdies ist insoweit nicht erkennbar, von welchem Fahrlässigkeitsbegriff das LSG ausgegangen ist. Zu Ausführungen hierzu hätte schon deshalb Veranlassung bestanden, weil im Rahmen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und 4 SGB X nicht ein objektiver, sondern subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (vgl hierzu etwa BSG, Urteil vom 25. April 1990 – 7 RAr 20/89 –, unveröffentlicht; Hauck/Haines, SGB X/1, 2, Stand 1. Januar 1993, § 45 Rz 23, § 48 Rz 21). Nicht auszuschließen ist, daß die Klägerin vorliegend aufgrund individueller Gegebenheiten gerade nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Der erkennende Senat kann die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht selbst nachholen. Schon deshalb muß das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Sollten die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Alg-Bewilligung in der Zeit vom 27. bis 29. Januar 1992 gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 SGB X nicht gegeben sein, kann für die sich anschließende Zeit bis zum 10. März 1992 die Vorschrift des § 105b AFG zum Tragen kommen (BSG SozR 4100 § 105b Nr 6). In diesem Fall wird das LSG ua zu beachten haben, daß die Klägerin bis (mindestens) 10. März 1992 Krg erhalten hat, mit der Folge, daß – von der Ruhensvorschrift des § 118 Abs 1 Nr 2 AFG abgesehen – ihr Anspruch gegen die Beklagte als erfüllt anzusehen ist, soweit ein Erstattungsanspruch des Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung gegen die Beklagte besteht (§ 107 Abs 1 SGB X).
Für die Zeit vom 11. März bis zum 2. April 1992 (Erlaß des Widerspruchsbescheides) – dem für die Beurteilung der Rechtslage durch das LSG grundsätzlich maßgebenden Zeitpunkt (vgl hierzu etwa BVerwGE 65, 1, 2; BSGE 68, 228, 231 = Soz-R 3-2200 § 248 Nr 1; BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 18; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 5. Aufl 1993, § 54 Rz 32; Redeker/v Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl 1994, § 108 Rz 17) – greifen, soweit Krg zuerkannt worden sein sollte, ähnliche Überlegungen ein. Soweit Krg nicht zuerkannt worden sein sollte, wird das LSG zu prüfen haben, ob die Grundvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg, insbesondere die Verfügbarkeit, vorgelegen haben.
Im übrigen könnte sich eine Beiladung des Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung zum vorliegenden Rechtsstreit empfehlen (§ 75 Abs 1 Satz 1 SGG). Dazu könnte besondere Veranlassung bestehen, wenn, was nach der Aktenlage möglich erscheint, Krg nicht in derselben Höhe wie Alg gezahlt worden sein sollte.
Schließlich wird das LSG auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen