Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit des Abbruchs einer Rehabilitationsmaßnahme.
Die Beklagte bewilligte dem im Jahre 1944 geborenen Kläger mit Bescheid vom 13. Juli 1979 als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation eine Umschulung zum Nachrichtengerätemechaniker im Rehabilitationszentrum L… für die Dauer von 18 Monaten. Die Umschulung begann am 20. August 1979. Mit Schreiben vom7. März 1980 teilte die Rehabilitationseinrichtung unter Beifügung des Halbjahreszeugnisses vom 29. Februar 1980 der Beklagten mit, daß der Kläger schlechte Leistungen erbringe und das Ausbildungsziel gefährdet sei. Die Beklagte forderte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 14. März 1980 auf, seine Leistungen in Unterricht und Unterweisung zu verbessern und seine Wissenslücken durch intensivere Mitarbeit möglichst zu schließen, damit ein erfolgreicher Abschluß der Maßnahme gewährleistet sei. Sollten sich die Leistungen bis zur nächsten Beurteilung nicht ausreichend verbessern, so müsse sie (Beklagte) sich gezwungen sehen, die Umschulung vorzeitig abzubrechen. Mit Bescheid vom 21. März 1980 brach die Beklagte mit sofortiger Wirkung die Maßnahme ab, weil nach Mitteilung der Ausbildungsstätte infolge der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers und seiner bisher gezeigten Leistungen ein erfolgreicher Abschluß der Ausbildung nicht mehr gewährleistet sei. Der Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, gegen ihn könne innerhalb eines Monats Widerspruch erhoben werden.
Der Kläger erhob stattdessen sogleich Klage beim Sozialgericht (SG) Kassel. Die Beklagte vertrat den Standpunkt, es sei zunächst gemäß § 78 des Sozlalgerichtsgesetzes (SGG) das erforderliche Vorverfahren durchzuführen. Mit Bescheid vom 21. Januar 1982 wies sie den Widerspruch des Klägers zurück.
Das SG hat den Bescheid vom 21. März 1980 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die begonnene berufliche Umschulungsmaßnahme zum Nachrichtengerätemechaniker fortzuführen (Urteil vom 2. April 1982). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 24. Februar 1983). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Entgegen der der Beklagten nach § 34 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch, Allgemeiner Teil (SGB 1) in seiner bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Fassung (= a. F.) und seit dem 1. Januar 1981 nach § 24 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren (SGB 10) vom 18. August 1980 (BGBl. I S. 1469) obliegenden Verpflichtung sei der Kläger vor Erteilung des Bescheides vom 21. März 1980 nicht gehört worden. Hierzu hätte jedoch nach dem Gesetz Veranlassung bestanden. Der angefochtene Bescheid habe in die dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom13. Juli 1979 eingeräumten Rechte eingegriffen. Gründe für ein ausnahmsweises Absehen von der Anhörung lägen nicht vor. Im Schreiben der Beklagten vom 14. März 1980 liege keine ordnungsgemäße Anhörung. Es enthalte keinerlei Hinweis auf einen bevorstehenden Abbruch der Umschulungsmaßnahme, sondern kündige lediglich einen solchen Schritt für den Fall an, daß der Kläger seine Leistungen nicht bis zur nächsten Beurteilung entscheidend verbessere. Schon wegen der unterlassenen Anhörung sei der Bescheid vom 21, März 1980 rechtswidrig. Die Anhörung könne nach dem Zweck des § 34 SGB 1 im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachgeholt werden. Dabei mache es rechtlich keinen Unterschied, ob im Einzelfall der Versicherte zwischen Widerspruch und Klage wählen könne oder ob ein Vorverfahren zwingend vorgeschrieben sei. in jedem Fall habe mit der Klageerhebung der Eingriff in die Rechtsposition des Versicherten den Herrschaftsbereich der Verwaltung verlassen. Außerdem sei es grundsätzlich nicht Sache eines Beteiligten, bei der Wahl des einzulegenden Rechtsbehelfs die Interessen des Versicherungsträgers zu berücksichtigen. Dem Bereich des Versicherungsträgers werde lediglich das Risiko zugeordnet, die unter Verstoß gegen § 34 Abs. 1 SGB 1 unterlassene Anhörung vor Abschluß des Verwaltungsverfahrens nicht nachholen zu können.
Mit der vom Senat nachträglich zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine fehlerhafte Anwendung des § 34 SGB 1 bzw. nunmehr des § 24 SGB 10 durch das LSG. Dieses habe zu Unrecht hinsichtlich der Frage, ob eine Anhörung noch nach Klageerhebung im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden könne, keinen Unterschied darin gesehen, ob im Einzelfall der Versicherte zwischen Widerspruch und Klage wählen könne oder ob ein Vorverfahren zwingend vorgeschrieben sei. Sei ein Widerspruchsverfahren zwingend erforderlich und deshalb nach Klageerhebung nachzuholen, so könne die Anhörung noch im Widerspruchsverfahren wirksam nachgeholt werden. Im vorliegenden Fall sei die Durchführung des Widerspruchsverfahrens eine unabdingbare und von Amts wegen zu beachtende Klagevoraussetzung gewesen. Wäre in einem solchen Fall gleichwohl eine Nachholung der zuvor unterbliebenen oder fehlerhaften Anhörung nicht möglich, so würde das Widerspruchsverfahren zu einer reinen Formsache mit dem einzigen Zweck erstarren, die an sich unzulässige Klage zulässig zu machen. Damit würden Sinn und Zweck sowohl des Widerspruchsverfahrens als auch der Anhörungsregelung verfehlt. Durch das Erfordernis der Nachholung des Widerspruchsverfahrens gelange das Verfahren trotz der Klageerhebung wieder in den Herrschaftsbereich der Verwaltung zurück und ermögliche ihr nochmals die eigenverantwortliche und selbständige Prüfung der Rechtmäßigkeit und auch der Zweckmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes, wobei der Vortrag der Beteiligten zu berücksichtigen sei und somit deren Anhörung wirksam nachgeholt werden könne. Die Erwägung des LSG, es sei grundsätzlich nicht Sache eines Beteiligten, bei der Wahl des einzulegenden Rechtsbehelfs die Interessen des Versicherungsträgers zu berücksichtigen, sei nicht einschlägig. Der Kläger habe nämlich ein solches Wahlrecht gerade nicht gehabt. Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens vor Klageerhebung sei zwingend erforderlich gewesen.
Die Beklagte beantragt,das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 1983 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Hessische Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil und insbesondere die darin vertretene Auffassung, daß die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung auch in Fällen eines zwingend vorgeschriebenen Vorverfahrens im Prozeß nicht mehr möglich sei, für zutreffend. Nach den tatsächlichen Verhältnissen des vorliegenden Falles hätte seine (Klägers) Anhörung vor Klageerhebung wichtige und entscheidungserhebliche Informationen gebracht und eine Würdigung dieser beachtlichen Gründe zu einer anderen Entscheidung führen können.
Entscheidungsgründe
II.
Die durch nachträgliche Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begründet.
Das LSG hat im Einklang mit dem erstinstanzlichen Urteil den Entziehungsbescheid der Beklagten vom 21. März 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 1982 allein deswegen als rechtswidrig und anfechtbar angesehen, weil die vor dem Erlaß dieses Bescheides erforderliche Anhörung des Klägers unterblieben sei. Mit dieser Erwägung läßt sich eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht begründen. Ob er möglicherweise aus anderen Gründen rechtswidrig ist, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden.
Nach dem bis zum 31. Dezember 1980 gültig gewesenen § 34 SGB 1 und dem damit wörtlich übereinstimmenden, seit dem 1. Januar 1981 geltenden § 24 SGB 10 ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Von der Anhörung kann unter bestimmten, im Gesetz enumerativ aufgezählten Ausnahmen (zur Enumeration der Aufzählung zuletzt BSG SozR 1200 § 34 Nr. 9 S. 44 m. w. N.) abgesehen werden (Abs. 2).
Der Bescheid vom 21. März 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 1982 ist im Sinne der §§ 34 Abs. 1 SGB 1 und 24 Abs. 1 SGB 10 ein Verwaltungsakt, der in die Rechte des Klägers eingreift (vgl. hierzu insbesondere BSG SozR 1200 § 34 Nr. 8 S. 36 ff.). Die Beklagte hat dem Kläger mit Bescheid vom 13. Juli 1979 als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 14a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG- in den damals geltenden Fassungen) eine Ausbildung zum Nachrichtengerätemechaniker für die Dauer von 18 Monaten bewilligt. Diese Bewilligung hat sie vor Ablauf der vorgesehenen Ausbildungsdauer mit dem angefochtenen Bescheid aufgehoben. Hierin liegt - vergleichbar der Entziehung einer Rente (vgl. BSGE 47, 249, 253 = SozR 5670 Anl. 1 Nr. 5101 Nr. 3 S. 5) - ein Eingriff in die Rechte des durch den Bewilligungsbescheid Begünstigten (zum Begriff des "Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten" vgl. auch BSG SozR 1200 § 34 Nr. 11 S. 51).
Die Beklagte hat den Kläger vor Erlaß des Bescheides vom 21. März 1980 nicht ordnungsgemäß angehört. Insbesondere ist eine solche ordnungsgemäße Anhörung nicht durch ihr Schreiben vom 14. März 1980 erfolgt. Darin ist dem LSG jedenfalls im Ergebnis beizupflichten. Seine dafür gegebene Begründung, das Schreiben vom 14. März 1980 enthalte "keinerlei Hinweise auf einen bevorstehenden Abbruch der Umschulungsmaßnahme", ist allerdings schwerlich mit Textabsatz 5 des Schreibens in Einklang zu bringen. Das kann aber auf sich beruhen. Zumindest aus einem anderen Grunde ist mit dem Schreiben eine ordnungsgemäße Anhörung nicht eingeleitet worden. Das Schreiben datiert vom 14. März 1980 und ist am selben Tage an den Kläger abgesandt worden. Der angefochtene Bescheid ist am 21. März 1980 und somit nur eine Woche später erlassen worden. Eine einwöchige Frist reicht für eine ordnungsgemäße Anhörung nicht aus. Zwar enthalten §§ 34 SGB 1 und 24 SGB 10 keine ausdrückliche Bestimmung darüber, in welcher Frist den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist. Jedoch ergibt sich aus dem mit der Anhörung verfolgten Zweck der Vorbeugung gegen vorschnelle und vermeidbare Eingriffe in die Rechte eines Beteiligten, ohne daß diesem Gelegenheit zur Stellungnahme zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen gegeben worden ist, daß ebenso wie bei dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs im gerichtlichen Verfahren die Frist für die Äußerung angemessen sein und dem Betroffenen genügend Zeit verbleiben muß, um sich mit der Sache vertraut zu machen und vorbereitende Überlegungen anzustellen. Dabei steht dem Versicherungsträger bei der Bemessung der Anhörungsfrist weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum zu. Vielmehr unterliegt es im Streitfalle der vollen Nachprüfbarkeit durch die Gerichte, ob die vom Leistungsträger gesetzte Äußerungsfrist im konkreten Fall angemessen ist (vgl. BSG SozR 1200 § 34 Nr. 12 S. 52 ff.; 1300 § 24 Nr. 4 S. 7 f.). Das ist vorliegend nicht der Fall. Das an den Kläger gerichtete Schreiben der Beklagten vom 14. März 1980 hat keinen Hinweis auf eine alsbaldige Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom13. Juli 1979 enthalten. Vielmehr ist ein vorzeitiger Abbruch der Umschulung erst für den Fall angekündigt worden, daß sich die Leistungen des Klägers nicht bis zur nächsten Beurteilung entscheidend verbessern sollten. Der Kläger hat somit nicht damit rechnen können und müssen, daß die Beklagte schon eine Woche später die Umschulung abbrechen werde und er sich innerhalb dieser kurzen Frist zu den im Schreiben vom 14. März 1980 aufgeführten Tatsachen werde äußern müssen. Damit ist er jedenfalls vor Erlaß des Bescheides vom 21. März 1980 nicht ordnungsgemäß angehört worden. Diese Anhörung ist jedoch entgegen der Auffassung der Vorinstanzen in der Folgezeit rechtswirksam nachgeholt worden. Nach feststehender Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Nachholung einer vor Erlaß eines Bescheides, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, unterbliebenen Anhörung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. § 34 Abs. 1 SGB 1 und nunmehr § 24 Abs. 1 SGB 10 sollen die Anhörung des Betroffenen noch im Bereich der Sozialverwaltung gewährleisten und ihm die Möglichkeit sichern, auf das Verfahren der Sozialverwaltung und auf die in diesem Verfahren ergehende Entscheidung Einfluß zu nehmen. Hierdurch hat der Gesetzgeber neben der dem Betroffenen offenstehenden Möglichkeit der Einflußnahme auf das Verwaltungsverfahren und die darin ergehende Entscheidung ganz allgemein das Vertrauen zwischen Bürger und Sozialverwaltung stärken und die Stellung des Bürgers insbesondere durch den Schutz vor Überraschungsentscheidungen verbessern wollen. Dieses Vertrauensverhältnis kann auch noch insoweit gewahrt werden, als der Sozialleistungsträger die Anhörung des Betroffenen auf dessen Widerspruch durchführt. Ungeachtet der Charakterisierung des Widerspruchsverfahrens noch als Teil des Verwaltungsverfahrens oder als ein dem gerichtlichen Verfahren vorgeschaltetes Verfahren oder als ein in die Verwaltung hineinreichender Teil des sozialgerichtlichen Verfahrens gehört es jedenfalls dem Organisations- und Verantwortungsbereich des Sozialleistungsträgers an und ermöglicht so eine umfassende, auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes einbeziehende und zum Teil in Einzelfragen über die Nachprüfung durch die Gerichte ebenfalls hinausgehende Überprüfung. Deswegen kann die Anhörung des Betroffenen noch im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden mit der Folge, daß der Mangel der zunächst unterbliebenen Anhörung geheilt und als nicht vorhanden und der Bescheid mit seinem ursprünglichen Inhalt als mangelfrei gilt (vgl. zu alledem BSG SozR 1200 § 34 Nr. 1 S. 2 ff.; BSGE 44, 207, 211 f. = SozR a. a. O. Nr. 2 S. 9; BSG SozR a. a. O. Nr. 4 S. 20 f.; BSGE 47, 249, 253 = SozR 5670 Anl. 1 Nr. 5101 Nr. 3 S. 5; BSG SozR 1200 § 34 Nr. 7 S. 32 f.; Nr. 12 S. 55; Nr. 13 S. 57; Nr. 14 S. 62). Hingegen ist der Gesetzeszweck der §§ 34 Abs. 1 SGB 1 und 24 Abs. 1 SGB 10 nicht mehr zu erreichen, wenn das Verfahren infolge Klageerhebung den Organisations- und Verantwortungsbereich des Sozialleistungsträgers verlassen hat und im Rechtszuge anhängig geworden ist. Deswegen ist eine vor Erlaß des Eingriffsaktes unterbliebene Anhörung des Betroffenen im Klageverfahren (vgl. BSG SozR 1200 § 34 Nr. 1 S. 2 f.; BSGE 44, 207, 210 f. = SozR a. a. O. Nr. 2 S. 8 ff.; BSGE 46, 57, 60 = SozR a. a. O. Nr. 3 S. 16; BSG SozR a. a. O. Nr. 4 S. 21; Nr. 6 S. 28; Nr. 8 S. 41; Nr. 9 S. 44; BSGE 49, 229, 232 = SozR a. a. O. Nr. 10 S. 48; BSG SozR a. a. O. Nr. 14 S. 62) oder im Berufungsverfahren (BSGE 47, 249, 253 = SozR 5670 Anl. 1 Nr. 5101 Nr. 3 S. 5) nicht mehr nachholbar.
Das gilt auch dann, wenn in den Fällen des § 78 Abs. 2 SGG unmittelbar Klage erhoben worden ist. Nach dieser Vorschrift ist in Ausnahme von dem Grundsatz des § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG, wonach vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen sind, u. a. in Angelegenheiten der Angestelltenversicherung die Anfechtungsklage auch ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Aufhebung oder Abänderung eines Verwaltungsaktes begehrt wird, der ein, Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. In diesen Fällen unterliegt es der freien Entscheidung des Betroffenen, ob er zunächst Widerspruch einlegt oder sogleich gegen den in seine Rechte eingreifenden Verwaltungsakt unmittelbar Klage erhebt. Bei der Wahl des Rechtsbehelfs hat er ungeachtet der Obliegenheit, auch seinerseits zur Stärkung des Vertrauensverhältnisses zwischen Bürger und Verwaltung beizutragen, nicht die Interessen des Sozialleistungsträgers zu berücksichtigen und deswegen nicht zunächst Widerspruch einzulegen, um der Verwaltung Gelegenheit zur Nachholung einer unterbliebenen Anhörung zu geben. Vielmehr ist es ausschließlich dem Risikobereich des Sozialleistungsträgers zuzuordnen, wenn der durch einen Eingriffsakt Betroffene sogleich Klage erhebt und dadurch dem Leistungsträger die Möglichkeit der Nachholung einer vor Erlaß des Verwaltungsaktes unterbliebenen Anhörung versperrt wird (BSG SozR 1200 § 34 Nr. 1 S. 3; BSGE 44, 207, 120 = SozR a. a. O. Nr. 2 S. 7 f.; BSG SozR a. a. O. Nr. 4 S. 19; Nr. 6 S. 28). Dies kann jedoch entgegen der Auffassung insbesondere des Berufungsgerichts nicht auch bei unmittelbarer Klageerhebung in den Fällen des § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG gelten. Dabei kann auf sich beruhen, ob nicht in diesen Fällen anders als im Falle einer Wahl des Rechtsbehelfs nach § 78 Abs. 2 SGG (dazu BSG SozR 1200 § 34 Nr. 4 S. 19; Nr. 6 S. 28) in der unmittelbaren Klageerhebung insbesondere durch einen - wie im vorliegenden Fall - bereits in erster Instanz rechtskundig vertretenen Kläger ein Verzicht auf die Geltendmachung eines Verstoßes gegen die Anhörungspflicht des Leistungsträgers zu erblicken ist (vgl. BSGE 53, 167, 118 f. = SozR 1200 § 34 Nr. 17 S. 68 f.) Unabhängig davon kann folgendes nicht außer Betracht bleiben: Wird trotz zwingender Vorverfahrenspflicht (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) gegen einen belastenden Verwaltungsakt sogleich unmittelbar Anfechtungsklage, erhoben, so ist diese wegen des fehlenden Vorverfahrens grundsätzlich unzulässig und ohne Prüfung in der Sache durch Prozeßurteil abzuweisen. Eine derartige Erledigung der Klage durch Prozeßurteil wegen fehlenden Vorverfahrens hat das BSG insbesondere im Interesse des Klägers stets dadurch zu vermeiden gewußt, daß es entweder den Beteiligten Gelegenheit zur Nachholung des Vorverfahrens gegeben hat - was auf eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Widerspruchsentscheidung analog § 114 Abs. 2 SGG hinausläuft -, daß es bei Weigerung des Beklagten, das Vorverfahren durchzuführen, diesem mittels Zwischenurteils eine entsprechende Verpflichtung auferlegt oder daß es in dem Antrag des Beklagten auf Abweisung der Klage eine Stellungnahme des Inhalts erblickt hat, daß das Vorverfahren gescheitert sei (vgl. z. B. BSG SozR 1500 § 76 Nr. 8 S. 14 f.; § 160 Nr. 33 S. 29; § 78 Nr. 16 S. 27; § 85 Nr. 12 S. 21; jeweils m. w. N.). Zumindest in den ersten beiden Fällen gelangt das Verfahren ungeachtet der fortbestehenden Anhängigkeit der Klage bzw. des Erlasses des Zwischenurteils erneut in den Organisations- und Verantwortungsbereich des Sozialleistungsträgers mit der Folge, daß dieser nunmehr eine vor Erlaß des ursprünglichen Bescheides fehlerhaft unterlassene Anhörung des Betroffenen rechtswirksam nachholen kann. Dasselbe muß gelten, wenn der Sozialleistungsträger nach Erhebung der wegen fehlenden Vorverfahrens an sich unzulässigen Klage ohne gerichtliche Aufforderung von sich aus das Vorverfahren nachholt und bis zu dessen Beendigung das Gericht den bei ihm anhängigen Rechtsstreit aussetzt oder stillschweigend nicht betreibt. Nur eine derartige Betrachtungsweise wird den beiderseitigen Interessen der Prozeßbeteiligten gerecht. Einerseits erleidet der Kläger keinen prozessualen Nachteil dadurch, daß seine Klage wegen Fehlens des zwingend vorgeschriebenen Vorverfahrens durch Prozeßurteil abgewiesen wird. Andererseits kann er sich durch die unmittelbare Klageerhebung nicht zu Lasten des Leistungsträgers den prozessualen Vorteil verschaffen, daß der Leistungsträger die bisher unterlassene Anhörung nicht mehr nachholen kann und allein aus diesem Grunde der unmittelbar mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt als rechtswidrig aufzuheben ist. Vielmehr wird beiden Beteiligten gleichermaßen die Möglichkeit einer abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits durch Sachurteil ohne verfahrensrechtliche Barrieren eröffnet.
Unter Zugrundelegung dessen ist der Bescheid der Beklagten jedenfalls nicht wegen einer unterbliebenen Anhörung der Klägers rechtswidrig. Er hat - worauf in seiner Rechtsbehelfsbelehrung zutreffend hingewiesen worden ist - vor Erhebung der Anfechtungsklage mit dem Widerspruch angefochten werden müssen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Denn er betrifft nicht eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht (§ 78 Abs. 2 Satz 1 SGG). Vielmehr hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. März 1980 dem Kläger eine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation entzogen, deren Bewilligung in ihrem Ermessen gestanden hat (zur Vorverfahrenspflicht in derartigen Fällen vgl. BSG SozR 1500 § 78 Nr. 16 S. 24 m. w. N.). Die Beklagte hat nach Erhebung der Klage von sich aus das Vorverfahren nachgeholt und das SG bis zur Beendigung des Vorverfahrens durch Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 1982 das Streitverfahren nicht betrieben. Hiermit ist dem Kläger ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme und zum Vorbringen der in seiner Revisionserwiderungsschrift vom 23. Februar 1984 erwähnten wichtigen und entscheidungserheblichen Informationen gegeben worden. Mit der Einräumung der Möglichkeit zur Stellungnahme ist d2m Anhörungsgebot des § 34 Abs. 1 SGB 1 bzw. des § 24 Abs. 1 SGB 10 Genüge getan. Unerheblich ist, ob der Betroffene von der ihm eingeräumten Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch gemacht hat (BSG SozR 1200 § 34 Nr. 1 S. 4; vgl. auch BSG SozR 1300 § 24 Nr. 4 S. 8).
Aus den vom LSG angeführten Gründen unterliegt der Bescheid der Beklagten vom 21. März 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 1982 nicht der Aufhebung. Ob er aus sachlich-rechtlichen Gründen rechtmäßig oder aber rechtswidrig ist, hat das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt her zutreffend - nicht entschieden. Diese Entscheidung ist nunmehr nachzuholen (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats in BSG SozR 1300 § 48 Nr. 1). Zu diesem Zweck ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Dieses wird bei seiner das Verfahren abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerde und des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen