Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung von Bescheiden über die Anerkennung von Schädigungsfolgen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Daraus, daß das Versorgungsamt nicht die bei dem Verstorbenen erhobenen Befunde, sondern das aus diesen Befunden - unrichtig als traumatische Schädigung des rechten Halsnervengeflechts und Nervenentzündung des rechten Armnervengeflechts - diagnostizierte Leiden anerkannt hat, ist mit Recht zu folgern, daß damit das den Befunden zugrunde liegende Leiden anerkannt werden sollte und anerkannt worden ist. Da es sich bei diesem Grundleiden in Wirklichkeit um die amyotropische Lateralsklerose gehandelt hat, ist damit dieses Leiden als Schädigungsfolge anerkannt worden. Ist der Ehemann und Vater an diesem Leiden verstorben, für das er auch bis zu seinem Tode Rente erhalten hat, gilt sein Tod als Schädigungsfolge.
2. Im Recht des BVG werden grundsätzlich nicht einzelne Erscheinungsbilder von Gesundheitsstörungen, sondern das vorhandene Grundleiden selber anerkannt, auch wenn nur ein Erscheinungsbild als Schädigungsfolge bezeichnet worden ist. Soll abweichend hiervon nur ein bestimmter Teil oder ein Erscheinungsbild eines Leidens als Schädigungsfolge anerkannt werden, bedarf es eines besonderen einschränkenden Hinweises oder besonderer Umstände, aus denen dies zu schließen ist. Diese Folgerung gilt auch im Rahmen der Rechtsvermutung des BVG § 38 Abs 1 S 2.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 3 Fassung: 1950-12-20, § 38 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 12. Februar 1957 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Versorgungsbehörden hatten bei dem Ehemann und Vater der Kläger durch Bescheide vom 12. August 1941 und 29. Dezember 1947 verschiedene Gesundheitsstörungen als Folgen einer Granatsplitterverletzung anerkannt. Auf einen Verschlimmerungsantrag vom August 1950 wegen neu aufgetretener Beschwerden im rechten Arm hatten die Versorgungsbehörden durch zwei Bescheide vom 24. Juli 1951 entsprechend einem von Dr. med. habil. R erstatteten nervenfachärztlichen Gutachten für die Zeit seit dem 1. September 1950 für den Geltungsbereich der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 und des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 v. H. anerkannt
multiple Granatsplitterverletzung der rechten Halsseite mit traumatischer Schädigung des rechten Halsnervengeflechts; Nervenentzündung des rechten Armnervengeflechts; Teilversteifung des linken Ellenbogengelenks und Verkürzung des linken Oberarmknochens um 2 cm nach Oberarmschußbruch links; Verlust des rechten Auges durch Granatsplitterverletzung; Granatsplitterverletzung des Rückens (Splitter entfernt).
In einem Befundbericht hatten zuvor auch Ärzte der Nervenklinik der Universität K die Vermutung geäußert, daß für die Beschwerden des Ehemannes und Vaters der Kläger im rechten Arm eine durch die erlittene Granatsplitterverletzung verursachte Nervenentzündung verantwortlich zu machen sei, hatten jedoch die Möglichkeit offengelassen, daß diese Beschwerden durch eine Erkrankung des Rückenmarks verursacht sein könnten. Der Ehemann und Vater der Kläger starb am 18. Oktober 1952; als Todesursache wurde eine amyotrophische Lateralsklerose, also eine Degeneration des Rückenmarks, die beginnend mit leichten Lähmungserscheinungen im rechten Arm zu einer vollständigen Lähmung geführt hatte, Schluckpneumonie und Bulbärparalyse festgestellt.
Der im November 1952 von den Klägern gestellte Antrag auf Hinterbliebenenversorgung wurde durch den Bescheid vom 17. Januar 1953 abgelehnt, weil der Tod nicht Folge der anerkannten Wehrdienstbeschädigung und einer Schädigung im Sinne des BVG sei. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Auf die Berufung der Kläger hat das Landessozialgericht (LSG.) durch Urteil vom 12. Februar 1957 das Urteil des Sozialgerichts (SG.) und die Vorentscheidungen der Versorgungsbehörden aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Klägern vom 1. November 1952 an Hinterbliebenenrente im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Das LSG. ist davon ausgegangen, daß zwar die zum Tode führende amyotrophische Lateralsklerose nicht durch die erlittene Verwundung verursacht sei, der Tod des Ehemannes und Vaters der Kläger also tatsächlich nicht auf einer Schädigung im Sinne des BVG beruhe. Es hat jedoch den geltend gemachten Anspruch auf Hinterbliebenenrente deshalb für begründet gehalten, weil nach Auswertung der in dieser Sache erstatteten ärztlichen Gutachten davon auszugehen sei, daß das Todesleiden, die amyotrophische Lateralsklerose, identisch sei mit den in den Bescheiden vom 24. Juli 1951 unter den Bezeichnungen Schädigung des Halsnervengeflechts und Entzündung des rechten Armnervengeflechts anerkannten Schädigungsfolgen. Wie aus den erstatteten ärztlichen Gutachten hervorgehe, habe es sich bei diesen als Schädigungsfolge anerkannten Gesundheitsstörungen in Wirklichkeit um die ersten Erscheinungsbilder der Lateralsklerose gehandelt. Trotz der falschen Bezeichnung seien hierdurch nicht nur vieldeutige Symptome, sondern das Leiden selbst anerkannt worden, weil irgendwelche Einschränkungen bei der Anerkennung nicht gemacht worden seien. Da der Ehemann und Vater der Kläger wegen dieser als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen, die zumindest mittelbar zu seinem Tode geführt hätten, bis zu seinem Tode eine Versorgungsrente bezogen habe, gelte sein Tod gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG als Folge einer Schädigung, so daß Hinterbliebenenversorgung zu gewähren sei.
Das LSG. hat die Revision zugelassen.
Gegen das am 18. März 1957 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 11. April 1957 beim Bundessozialgericht (BSG.) eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt. Er beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG. Schleswig vom 12. Februar 1957 die Berufung der Kläger zurückzuweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen.
Nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 18. Juni 1957 ist die Revision durch einen am 15. Juni 1957 beim BSG. eingegangenen Schriftsatz begründet worden. Die Revision rügt eine Verletzung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG. Sie weist darauf hin, daß das zum Tode führende Leiden, die amyotrophische Lateralsklerose, niemals unter dieser Bezeichnung als Schädigungsfolge anerkannt worden sei. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei dieses Leiden auch nicht unter anderer Bezeichnung als Schädigungsfolge anerkannt worden. Die im Bescheid vom 24. Juli 1951 enthaltene Anerkennung von Schädigungsfolgen sei schon deshalb nicht auslegungsfähig, weil sie nur unter der aus der Fassung "nach Granatsplitterverletzung" erkennbaren Voraussetzung erfolgt sei, daß es sich tatsächlich um eine Schädigungsfolge, nicht um ein schicksalsmäßiges Leiden handele. Daß nicht das zum Tode führende Leiden anerkannt worden sei, gehe auch daraus hervor, daß nicht alle damals vorhandenen Erscheinungsbilder der amyotrophischen Lateralsklerose anerkannt worden seien; so sei eine von den Ärzten festgestellte geringfügige Druckempfindlichkeit des linken Armnervengeflechts nicht als Schädigungsfolge anerkannt worden. Die Anerkennung eines nicht typischen Symptoms, wie es die Entzündung des Armnervengeflechts sei, könne ohnehin nie dazu ausreichen, ein bestimmtes Leiden anzuerkennen, und rechtfertige nur den Schluß, daß die Anerkennung auf das anerkannte Erscheinungsbild, im vorliegenden Falle also auf die Schädigung des Halsnervengeflechts und die Nervenentzündung des rechten Armgeflechts, begrenzt worden sei.
Die Kläger haben beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 Abs. 1 SGG) und damit zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Die Kläger begehren vom Beklagten Hinterbliebenenrente nach § 38 Abs. 1 BVG. Nach dieser Vorschrift haben die Witwe und die Waisen einen Rentenanspruch, wenn ein Beschädigter an den Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG gestorben ist. Hierbei gilt der Tod des Beschädigten stets dann als Folge einer Schädigung, wenn er an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war. Nach dieser Vorschrift kommt es mithin, wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist, nicht darauf an, ob der Tod tatsächlich Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG ist; diese Anspruchsvoraussetzung gilt vielmehr dann nach unwiderleglicher Rechtsvermutung als erfüllt, wenn das Leiden, das zum Tode geführt hat, auch das Leiden ist, das für die Zuerkennung der Rente bestimmend gewesen ist. Die Beteiligten streiten lediglich darüber, ob die Versorgungsbehörden dadurch, daß sie eine Schädigung des rechten Halsnervengeflechts und eine Entzündung des rechten Armnervengeflechts anerkannt und berentet haben, das zum Tode führende Leiden, die amyotrophische Lateralsklerose, als Schädigungsfolge anerkannt und dem Verstorbenen für dieses Leiden eine Versorgungsrente gewährt haben. Die Ansicht des LSG., welches diese Frage bejaht und deshalb die Tatbestandsvoraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG als erfüllt angesehen hat, ist entgegen der Meinung der Revision frei von Rechtsirrtum.
Zwar ist, wie die Revision mit Recht hervorhebt, die amyotrophische Lateralsklerose nicht unter dieser Bezeichnung als Schädigungsfolge anerkannt worden. Jedoch sind andererseits nach den insoweit unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Gesundheitsstörungen, die unter der Bezeichnung "traumatische Schädigung des rechten Halsnervengeflechts und Nervenentzündung des rechten Armnervengeflechts" als Folgen der erlittenen Granatsplitterverletzung anerkannt worden sind, in Wirklichkeit die ersten Erscheinungsbilder der amyotrophischen Lateralsklerose gewesen. Unter diesen Umständen muß, wie das LSG. richtig erkannt hat, durch Auslegung der Bescheide geklärt werden, welche Gesundheitsstörung wirklich anerkannt worden ist, das vorhandene, aber unzulänglich bezeichnete Grundleiden oder nur einzelne Symptome dieses Grundleidens.
Entgegen der von dem Beklagten vertretenen Ansicht war diese Auslegung im vorliegenden Falle nicht schon dadurch überflüssig oder davon abhängig, daß in den angefochtenen Bescheiden mit den Worten "Granatsplitterverletzung ... mit traumatischer Schädigung ..." die Schädigung des rechten Halsnervengeflechts ausdrücklich als Folge einer multiplen Granatsplitterverletzung bezeichnet worden ist. Dieser Zusatz war nicht geeignet, die Anerkennung der Gesundheitsstörungen dahin einzuschränken, daß sie lediglich als Folgen der Granatsplitterverletzung anerkannt werden. In diesem Sinne will offenbar der Beklagte den Zusatz als Bedingung aufgefaßt wissen; demnach sollte also die Anerkennung dieser Gesundheitsstörungen nur unter der Voraussetzung erfolgen und nur so lange gültig sein, wie die Gesundheitsstörungen als wahrscheinliche Folgen der Granatsplitterverletzung angesehen wurden. Daß diese Auslegung nicht richtig sein kann, geht schon daraus hervor, daß die Versorgungsbehörden von der Anerkennung nicht abgegangen sind und dem Verstorbenen die Versorgungsrente unverändert weitergezahlt haben, als sich herausgestellt hatte, daß es sich bei den als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen teilweise nicht um Folgen der erlittenen Granatsplitterverletzung, sondern um Erscheinungsbilder der unbeeinflußt von der erlittenen Schädigung aufgetretenen amyotrophischen Lateralsklerose handelte. Mithin haben, wie das LSG. hierzu festgestellt hat, die Versorgungsbehörden selbst, also diejenigen, die den Zusatz in den Bescheid aufgenommen haben, den Zusatz nicht als auflösende Bedingung im Sinne der Revision aufgefaßt und damit die Anerkennung auch tatsächlich nicht von dieser Bedingung abhängig machen wollen. Kommt dem Zusatz schon aus diesen Erwägungen die Bedeutung, die ihm der Beklagte beilegen möchte, nicht zu, so kann dahingestellt bleiben, ob ein derartiger, eine Bedingung oder Beschränkung enthaltender Zusatz zu einer Anerkennung überhaupt rechtswirksam wäre. Im vorliegenden Fall stellt der Zusatz also lediglich über den unbedingt erforderlichen Inhalt eines Bescheides hinausgehend klar, auf welche Art einer Schädigung die als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen nach der damaligen Auffassung der Versorgungsbehörden zurückzuführen waren. Als derartige nicht erforderliche Klarstellung - wie sie ähnlich in vielen Bescheiden der Versorgungsbehörden zu finden ist - ist der Zusatz nicht geeignet, irgendwelche Rechtsfolgen hervorzurufen, die eine Auslegung dessen verbieten würden, was tatsächlich anerkannt worden ist.
Die Frage, welche Tragweite der Anerkennung von Dienstbeschädigungen (jetzt nach § 1 Abs. 1 BVG als Schädigungsfolgen bezeichnet), die nur Symptome eines nicht ausdrücklich anerkannten Grundleidens sind, zukommt, hat bereits das Reichsversorgungsgericht (RVGer) beschäftigt. Es hat in seinem Urteil vom 28. August 1924 (RVGer 4 S. 125) entschieden, daß sich die Anerkennung einer Dienstbeschädigung auf das Grundleiden erstrecke ohne Rücksicht darauf, ob dieses in dem die Anerkennung aussprechenden Bescheid richtig erkannt oder bezeichnet ist, wenn sich nicht durch den einschränkenden Inhalt des Bescheides das Gegenteil ergebe, d. h. daß ausdrücklich nur einzelne Krankheitserscheinungen anerkannt werden sollten. Maßgeblich für diese Entscheidung war die Erwägung, daß sich die Rechtskraft einer ablehnenden Entscheidung auch auf weitere Verschlimmerungen dieses Leidens beziehe und damit vorausgesetzt werde, daß nicht das Grundleiden sich ändere, sondern nur seine Erscheinungsformen; die Rechtskraft eines Bescheides, durch den ein Leiden ohne Einschränkung als Schädigungsfolge anerkannt worden ist, müßte daher ebenso die weiteren, sich aus dem Grundleiden ergebenden Verschlimmerungen und damit das Grundleiden selbst um - fassen. Das BSG. hat sich bisher noch nicht mit der besonderen Frage auseinandersetzen müssen, welche Tragweite die Anerkennung einzelner Erscheinungsformen eines nicht richtig erkannten und bezeichneten Leidens hat. Der 8. Senat des BSG. hat jedoch in ähnlichem Sinne bereits ausgesprochen (BSG. 3 S. 45 (48)), die Tragweite einer Anerkennung hänge von den Umständen, insbesondere von dem Inhalt des Bescheides oder der Entscheidung ab; bei der Beurteilung der Frage, wie weit die Anerkennung der Schädigungsfolge reiche, komme es darauf an, ob und ggf. inwieweit die Versorgungsbehörden die Anerkennung hätten einschränken wollen. Zur Auslegung von Bescheiden hat ferner der 11. Senat des BSG. entschieden (BSG. 11 S. 57), daß in den Fällen, in denen die Schädigungsfolgen unklar bezeichnet sind und damit mehreren Deutungen über den Umfang der Anerkennung Raum gegeben worden ist, die Versorgungsverwaltung es gegen sich gelten lassen muß, daß die Anerkennung so ausgelegt wird, wie sie bei Würdigung aller Umstände verstanden werden muß, und unter Umständen sogar nicht ausdrücklich anerkannte, früher fälschlich einmal als Schädigungsfolge angesehene Leiden umfaßt, selbst wenn die Verwaltung eine Anerkennung in diesem Umfang nicht gewollt hat. Wenn streitig oder zweifelhaft sei, welchen Inhalt und welche Tragweite Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde hätten, so sei das Revisionsgericht befugt zu prüfen, ob diese Entscheidungen vom Berufungsgericht richtig gewürdigt worden sind (BSG. 7 S. 53).
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung des BSG. ist der erkennende Senat der Ansicht, daß die Rechtsauffassung, wie sie vom RVGer. über die Tragweite der nach früherem Recht unter falscher Bezeichnung ergangenen Anerkennungen von Dienstbeschädigungen vertreten worden ist, auch für die Anerkennung von Schädigungsfolgen nach dem BVG zutrifft. Auch im Recht des BVG werden grundsätzlich nicht einzelne Erscheinungsbilder von Krankheiten, sondern die diese Erscheinungsbilder umfassenden Leiden selbst als Schädigungsfolgen anerkannt. Deshalb muß grundsätzlich angenommen werden, daß das vorhandene Grundleiden anerkannt wird, wenn auch nur ein Erscheinungsbild der Krankheit als Schädigungsfolge bezeichnet ist. Es bedarf daher eines besonderen einschränkenden Hinweises oder besonderer Umstände, aus denen zu schließen ist, daß ausnahmsweise nur ein bestimmter Teil oder ein Symptom eines Leidens als Schädigungsfolge anerkannt werden soll. Wenn schon, wie der 11. Senat des BSG. nach Auffassung des erkennenden Senats zutreffend entschieden hat, die Anerkennung unter Umständen sogar nicht ausdrücklich aufgeführte Leiden mitumfassen kann, so muß sich in den Fällen, in denen vorhandene Leiden nicht richtig erkannt, aber als Schädigungsfolgen angesehen und unter falscher Bezeichnung ohne Einschränkung als Schädigungsfolgen anerkannt werden, die Anerkennung auch dann auf das wirklich vorhandene Leiden beziehen, wenn sich später herausstellt, daß das Leiden nicht als Schädigungsfolge anerkannt worden wäre, wenn man es gleich richtig erkannt hätte. Derartige Fehler bei der Anerkennung können nicht durch Auslegung, sondern ebenso wie in anderen Fällen, in denen eine Gesundheitsstörung fälschlich als Folge einer Schädigung anerkannt worden ist, allenfalls durch eine Berichtigung beseitigt werden.
Im vorliegenden Fall kann es daher dahingestellt bleiben, ob mit der Bezeichnung des Leidens als traumatische Schädigung des rechten Halsnervengeflechts und Entzündung des rechten Armnervengeflechts Erscheinungsformen des vorhandenen Grundleidens (amyotrophische Lateralsklerose) aufgeführt sind oder ob damit dieses Grundleiden falsch bezeichnet worden ist. Auch das LSG. erwähnt beide Möglichkeiten und spricht einmal von der Identität der Nervenentzündung mit der nicht richtig erkannten Lateralsklerose, also von einem falsch bezeichneten Grundleiden, und zum anderen von der Nervenentzündung als Erscheinungsbild der Lateralsklerose. Jedenfalls hat in dem einen wie in dem anderen Fall das LSG. zutreffend den Bescheid dahin ausgelegt, daß damit das den erhobenen Befunden wirklich zugrunde liegende Leiden, also die amyotrophische Lateralsklerose, anerkannt worden ist.
Gegen diese Auslegung spricht im vorliegenden Fall nicht der Umstand, auf den der Beklagte in der Revision hinweist, daß nicht alle Erscheinungsbilder der amyotrophischen Lateralsklerose anerkannt worden seien, insbesondere nicht die von den Ärzten festgestellte geringfügige Druckempfindlichkeit des linken Armnervengeflechts. Es genügt jedoch, daß eine oder mehrere Erscheinungsformen eines Leidens anerkannt worden sind, um - falls keine besonderen Umstände dagegen sprechen - in einer solchen Anerkennung die Anerkennung des den Erscheinungsformen zugrunde liegenden Leidens zu erblicken; nicht nötig ist, daß alle Erscheinungsformen des Leidens erwähnt sind. Wenn dies nötig wäre, könnte kein Streit und kein Anlaß zur Auslegung des Ausspruchs über die Anerkennung entstehen, weil es gleichgültig wäre, ob das zugrunde liegende Leiden oder die Summe aller Erscheinungsformen dieses Leidens im Bescheid als Schädigungsfolgen bezeichnet sind, so daß der Bescheid dann niemals unklar und auslegungsbedürftig sein könnte. Erst die Nichtvollständigkeit der im Bescheid bezeichneten Erscheinungsformen eines Leidens hat die Rechtsprechung veranlaßt, Auslegungsregeln für den Umfang und die Tragweite einer solchen Anerkennung zu geben. Danach genügt es aber grundsätzlich, daß ein Symptom oder mehrere eines Leidens anerkannt sind, um das diesen Symptomen zugrunde liegende Leiden als anerkannte Schädigungsfolge zu betrachten.
Soweit der Beklagte mit diesem Vorbringen gleichzeitig die Feststellung des LSG. angreifen will, es seien alle im Zeitpunkt der Anerkennung vorliegenden Erscheinungsbilder der Lateralsklerose im Bescheid aufgeführt, ist dieses Vorbringen für die Auslegung des Bescheids unerheblich. Selbst wenn nicht alle Erscheinungsbilder der Lateralsklerose im Bescheid erwähnt sein sollten, wie es der Beklagte von der ärztlich festgestellten Druckempfindlichkeit des linken Armnervengeflechts behauptet, hindert dies, wie bereits ausgeführt, nicht, aus den im Bescheid angeführten Erscheinungsbildern - ohne besondere Erwähnung der Druckempfindlichkeit - auf die Anerkennung der den Erscheinungsbildern zugrunde liegenden Lateralsklerose zu schließen.
Gegen diese Auslegung versagt auch das Vorbringen des Beklagten, daß bei der amyotrophischen Lateralsklerose die Entzündung des Armnervengeflechts kein typisches Symptom sei, so daß diese Bezeichnung auch nicht dazu ausreichen könne, das Grundleiden als anerkannte Schädigungsfolge anzusehen. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Behauptung des Beklagten zutrifft, daß die Entzündung des Armnervengeflechts kein typisches Symptom einer amyotrophischen Lateralsklerose sei. Jedenfalls sind nach den unangefochtenen Feststellungen des LSG. im vorliegenden Fall unter dieser Bezeichnung Erscheinungsbilder der bereits damals vorhandenen Lateralsklerose anerkannt worden. Steht damit fest, daß das als Schädigungsfolge bezeichnete Leiden tatsächlich ein Erscheinungsbild des Grundleidens war, dann kann es nicht darauf ankommen, ob dieses Erscheinungsbild im allgemeinen auch typisch für das Grundleiden ist.
Unter der Bezeichnung "traumatische Schädigung des rechten Halsnervengeflechts, Nervenentzündung des rechten Armnervengeflechts" war somit die amyotrophische Lateralsklerose als Schädigungsfolge anerkannt. Der Ehemann und Vater der Kläger ist an diesem Leiden, für das ihm bis zu seinem Tode Rente zuerkannt war, nach den Feststellungen des LSG. verstorben. Den Klägern steht daher gemäß § 38 BVG die Hinterbliebenenrente zu. Das LSG. hat demnach zu Recht die ablehnenden Bescheide der Versorgungsverwaltung aufgehoben und den Beklagten zur Zahlung der Hinterbliebenenrenten verurteilt. Die Revision des Beklagten konnte daher keinen Erfolg haben und war nach § 170 Abs. 1 SGG als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen