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BSG Urteil vom 15.02.1978 - 3 RK 67/76

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Hilfsmittel. Zusatzgeräte für Kraftfahrzeuge

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Ausstattung der Versicherten mit Körperersatzstücken sowie mit orthopädischen anderen Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder eine körperliche Behinderung auszugleichen, gehört nicht der Einbau von Kraftfahrzeug-Zusatzgeräten (hier: Vorrichtung zum Bedienen des Fußfahrpedals mit dem linken Fuß und einer Fußfahrpedalsperre rechts).

 

Orientierungssatz

Kraftfahrzeug-Zusatzgeräte, mit denen ein Personenkraftwagen wegen der Beinamputation eines Versicherten ausgerüstet werden muß, sind keine Hilfsmittel iS des RVO § 182b. Solche Gegenstände dienen lediglich dem Ausgleich der Folgen einer Behinderung im beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Bereich, nicht dagegen der Ausübung einer körperlichen Funktion.

 

Normenkette

RVO § 182b Fassung: 1974-08-07, § 182 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c Fassung: 1974-08-07

 

Verfahrensgang

LSG Bremen (Entscheidung vom 20.08.1976; Aktenzeichen L 1 Kr 2/76)

SG Bremen (Entscheidung vom 06.02.1976; Aktenzeichen S Kr 43/75)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 20. August 1976 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 6. Februar 1976 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Ersatzkasse verpflichtet ist, Kraftfahrzeug-Zusatzgeräte zu beschaffen, die es dem beinamputierten Kläger ermöglichen, ein Kraftfahrzeug zu führen.

Der Kläger verlor als Kind sein rechtes Bein in Höhe des Oberschenkels. Er ist als Rentner Pflichtmitglied der Beklagten. Im August 1975 beantragte er unter Vorlage des Angebots einer Krankenfahrzeugfabrik die Übernahme der 303,03 DM betragenden Anschaffungs- und Einbaukosten einer "Vorrichtung zum Bedienen des Fußgases mit dem linken Fuß und einer Fußgassperre rechts". Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil sich ihre Leistungspflicht auf die Beschaffung einer Prothese beschränke (Bescheid vom 14. August 1975, Widerspruchsbescheid vom 17. November 1975). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat der Klage insofern stattgegeben, als es die Beklagte dem Grunde nach verurteilt hat, "dem Kläger diejenigen Kosten zu erstatten, die ihm durch die Anschaffung und den Einbau der Kraftfahrzeug-Zusatzgeräte Fußgas links und Fußgassperre der Firma ... notwendig entstanden sind bzw noch entstehen". Es hat die an sich nach § 144 Abs 1 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - einmalige Leistung - ausgeschlossene Berufung für statthaft gehalten, weil das Urteil auf einem von dem Kläger gerügten Verfahrensmangel beruhe (§ 150 Nr 2 SGG). Die Entscheidungsgründe des Urteils des SG seien derart unvollständig, daß ein Verstoß gegen die Verpflichtung vorliege, die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen seien (§ 128 Abs 1 Satz 2 SGG). Zur Sache hat das LSG ausgeführt: Durch die Zusatzgeräte werde die Beeinträchtigung einer natürlichen Körperfunktion - der Ausfall des in den Gelenken beliebig beweglichen rechten Fußes - medizinisch ausgeglichen. Die Zusatzgeräte könnten als weitere Prothese des Klägers angesehen werden. Anders als in dem in SozR Nr 3 zu § 187 SGG veröffentlichten Fall (Schwimmprothese) sei das Hilfsmittel im vorliegenden Fall für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erforderlich. Das eigenhändige Fahren von Kraftfahrzeugen sei gesellschaftliche Praxis geworden und für Körperbehinderte sei der selbstgeführte Pkw ein besonders wichtiges Mittel der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten. Diese meint, durch die Benutzung eines Autos werde die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben allenfalls verbessert, es werde aber nicht die Fähigkeit hierzu geschaffen oder erhalten. Die Verbesserung der Teilnahme am Gemeinschaftsleben sei jedoch nicht Aufgabe der Krankenversicherung.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das LSG hat zutreffend die Berufung für zulässig erachtet. Auch nach Auffassung des Senats entsprechen die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils nicht den nach § 128 Abs 1 Satz 2 SGG zu stellenden Anforderungen. Das SG hat aber im Ergebnis richtig entschieden; denn der Kläger hat gegen die beklagte Krankenkasse keinen Anspruch auf den Einbau der Kraftfahrzeug-Zusatzgeräte.

Durch § 21 Nr 5 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I, 1881) sind mit Wirkung ab 1. Oktober 1974 (§ 45 Abs 1 RehaAnglG) Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel in den Katalog der von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährenden Leistungen der Krankenhilfe aufgenommen worden (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchstabe c der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Unter welchen Voraussetzungen ein entsprechender Leistungsanspruch besteht, ist in § 182 b RVO (idF des § 21 Nr 7 RehaAnglG) - dem § 19 Nr 2 der Versicherungsbedingungen der Beklagten entspricht (vgl 3. Nachtrag zu diesen seit 1.1.1972 geltenden Versicherungsbedingungen) - besonders geregelt. Danach hat der Versicherte Anspruch auf Ausstattung mit Körperersatzstücken sowie mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder eine körperliche Behinderung auszugleichen. Im Gegensatz zu den für andere Sozialleistungsträger geltenden Vorschriften über die Ausstattung mit Hilfsmitteln besteht hier also eine besondere Zielrichtung: Vorbeugung gegenüber drohender Behinderung, Sicherung des Erfolgs einer Heilbehandlung oder - was im vorliegenden Fall allein in Betracht kommt - Ausgleich einer körperlichen Behinderung.

Wie der Senat in seinem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil vom 10. November 1977 - 3 RK 7/77 - im einzelnen dargelegt hat, wird damit deutlich gemacht, daß ein Gegenstand, mag er auch Hilfsmittel im weiteren Sinne sein, dann in aller Regel nicht Hilfsmittel iS des § 182 b RVO ist, wenn er nicht unmittelbar bei der körperlichen Behinderung selbst, sondern bei deren Folgen im privaten, gesellschaftlichen oder beruflichen Bereich helfend ansetzt. Körperliche Behinderungen bestehen aber in aller Regel in der Beeinträchtigung oder dem Ausfall körperlicher Funktionen. Deshalb ist die hiernach gebotene Unmittelbarkeit vorwiegend dann gegeben, wenn das Hilfsmittel die Ausübung dieser Funktionen ermöglicht, ersetzt, erleichtert oder ergänzt. So sind nach der - teilweise noch zu § 187 Nr 3 RVO aF ergangenen - Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auf den Ausgleich von Störungen körperlicher Funktionen gerichtet solche Hilfsmittel, die unmittelbar das Hören, das Gehen, das Greifen, das Sehen oder das Sitzen ermöglichen, ersetzen oder erleichtern (vgl BSGE 33, 263 - Hörgerät; Urteil des Senats vom 16.3.1972 - 3 RK 34/70, abgedruckt in BKK 1972, 277 und in "Die Leistungen" 1973, 18; BSGE 30, 151 - Armprothese -; Urteil des Senats vom 10.11.1977 - 3 RK 7/77 -; BSGE 39, 275 - Arthrodesenstuhl). Dagegen sind nach dieser Rechtsprechung lediglich auf den Ausgleich der Folgen von Störungen körperlicher Funktionen gerichtete Hilfsmittel, die die berufliche Betätigung (BSGE 41, 241 - Reparaturkosten für Pkw durch die Bundesanstalt für Arbeit -) oder die Schreibfähigkeit eines Versicherten (BSGE 37, 138 - elektrische Schreibmaschine -) ermöglichen oder erleichtern. Besonders durch die zuletzt genannte Entscheidung des Senats ist in Abgrenzung zu dem in BSGE 30, 151 veröffentlichten Urteil verdeutlicht worden, daß die Krankenversicherung nur für die Ausstattung mit solchen Hilfsmitteln zuständig ist, die direkt der Ausübung körperlicher Funktionen dienen. Die Krankenversicherung ist nur auf diesem Wege für die Eingliederung eines Behinderten in das gesellschaftliche oder berufliche Leben zuständig. Die Leistungspflicht der Kasse umfaßt nicht die Gegenstände, die nur diese Eingliederung ermöglichen.

Kraftfahrzeug-Zusatzgeräte, mit denen ein Pkw wegen der Beinamputation eines Versicherten ausgerüstet werden muß, sind Gegenstände, die lediglich dem Ausgleich der Folgen seiner Behinderung im beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Bereich dienen; denn das Kraftfahrzeug, das mit der zunehmenden Technisierung des täglichen Lebens immer größere Bedeutung gewinnt, erleichtert die Bewältigung dieser Lebensbereiche; es dient jedoch nicht der Ausübung einer körperlichen Funktion. Kraftfahrzeug-Zusatzgeräte sind deshalb keine Hilfsmittel iS des § 182 b RVO.

Nach alledem hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Auf die Revision der Beklagten muß deshalb das angefochtene Urteil des LSG aufgehoben werden und die Berufung des Klägers gegen das sozialgerichtliche Urteil ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654524

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