Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann die Ruhenszeit wegen der Abfindung eines „vorzeitig” beendeten Arbeitsverhältnisses nach § 117 Abs 2 S 1 AFG beginnt, wenn im Anschluß ein zulässig befristetes Arbeitsverhältnis mit dem gleichen Arbeitgeber begründet worden ist.
Stand: 05. Juni 2000
Beteiligte
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für den 8. Oktober 1994 sowie die Auszahlung einer Abfindung, die der Konkursverwalter seiner früheren Arbeitgeberin an die Beklagte überwiesen hat.
Der 1936 geborene Kläger war seit 1977 bei der T E GmbH (T.) beschäftigt, zuletzt als Prüffeldmechaniker mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 4.006,00 DM. Am 2. August 1994 beantragte T. beim zuständigen Amtsgericht die Eröffnung des Konkursverfahrens. Der als Konkursverwalter vorgesehene Rechtsanwalt B. informierte die Beschäftigten der T. auf einer Betriebsversammlung über die Möglichkeit, Abfindungen zu zahlen. Unter Bezugnahme auf diese Information unterbreitete der Kläger – wie auch die Mehrzahl der übrigen Arbeitnehmer – Rechtsanwalt B. mittels eines Mustertextes am 31. August 1994 das Angebot, für den Fall der Eröffnung des Konkursverfahrens einen Abfindungsvertrag abzuschließen. Dieser sah vor, das Arbeitsverhältnis zum Tag der Eröffnung des Konkursverfahrens gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Die Höhe der Abfindung sollte unter Berücksichtigung einer für alle Arbeitnehmer vorgesehenen Gesamtabfindungssumme von einem Drittel der zu erwirtschaftenden Masse sowie individueller Werteinheiten (ua Dauer der Betriebszugehörigkeit und Lebensalter, jeweils bezogen auf den 31. August 1994) errechnet werden. Der Vertrag enthielt ferner die Klausel, daß die Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes gezahlt werde.
Am 1. September 1994 wurde das Konkursverfahren eröffnet. Rechtsanwalt B. wurde zum Konkursverwalter ernannt und nahm in dieser Eigenschaft das Angebot des Klägers an. Der Kläger meldete sich daraufhin am 1. September 1994 arbeitslos. Am 5. September schloß er jedoch mit dem Konkursverwalter einen auf den 1. September 1994 rückdatierten „Befristeten Arbeitsvertrag”. Danach sollte der Kläger im Bereich Prüffeld zum Zwecke der ordnungsgemäßen Konkursabwicklung befristet gegen eine monatliche Bruttovergütung von 4.006,00 DM beschäftigt werden; der Vertrag sollte nach der Entscheidung des Konkursverwalters mit Beendigung der zugewiesenen Tätigkeitsbereiche enden, spätestens am 31. Oktober 1994. Dementsprechend wurde der Kläger ab 6. September 1994 tätig. Dies meldete er dem Arbeitsamt. Die Beschäftigung endete am 19. September 1994; der Kläger erhielt ein Entgelt von 2.537,00 DM brutto. Am 20. September 1994 meldete sich der Kläger wieder arbeitslos und beantragte Alg.
Bereits am 13. September 1994 hatte der Kläger 3.016,67 DM an Abfindung erhalten. Weitere 4.525,00 DM erhielt der Kläger im November 1994.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger Alg ab 10. Oktober 1994; für die Zeit davor lehnte sie den Antrag ab, da der Anspruch wegen der Abfindung von 7.541,67 DM gemäß § 117 Abs 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ruhe (Bescheid vom 24. November 1994, Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 1995). Die Beklagte ging dabei von einer ordentlichen Kündigungsfrist von sechs Monaten, einem zu berücksichtigenden Anteil der Abfindung von 35 vH (= 2.639,58 DM), einem Entgelt pro Kalendertag von 133,53 DM (4.006 DM: 30) sowie davon aus, daß der Ruhenszeitraum am 20. September 1994 beginne.
Nachdem der Kläger im Februar 1995 Klage erhoben hatte und im März 1995 eine weitere Abfindungs-Rate in Höhe von 3.016,67 DM fällig wurde, beschied die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 30. März 1995, daß der Ruhenszeitraum sich nun bis zum 16. Oktober 1994 verlängere; dieser Bescheid werde nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens. Gleichzeitig forderte die Beklagte den Konkursverwalter auf, 337,80 DM (erbrachtes Alg vom 10. bis 16. Oktober 1994) aufgrund Forderungsübergangs von der Abfindung einzubehalten und an sie auszuzahlen. Diesem Verlangen entsprach der Konkursverwalter. In gleicher Weise verfuhr die Beklagte nach Fälligkeit des letzten Abfindungsteils in Höhe von 3.500,32 DM im Dezember 1995, indem sie hiervon 450,40 DM (Alg vom 17. bis 25. Oktober 1994) vom Konkursverwalter einzog und den Kläger mit Schreiben vom 11. Dezember 1995 unter erneutem Hinweis auf § 96 SGG beschied, der Ruhenszeitraum verlängere sich bis zum 25. Oktober 1994.
Das Sozialgericht (SG) hat entsprechend dem Antrag des Klägers die Beklagte unter Abänderung der ergangenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Alg für die Zeit vom 7. bis 25. Oktober 1994 zu gewähren (Urteil vom 14. Februar 1997). Auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte unter Abänderung des Urteils des SG verurteilt, dem Kläger für den 8. Oktober 1994 Alg zu gewähren und ihm die für die Zeit vom 10. bis 25. Oktober 1994 vom Konkursverwalter überwiesene Abfindung auszuzahlen; im übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17. Dezember 1998). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt: Dem SG sei insoweit zuzustimmen, als es den Tag nach der vereinbarten Auflösung des Arbeitsverhältnisses, also den 1. September 1994, als Beginn des Ruhenszeitraums zugrunde gelegt habe. Die anschließende Begründung eines weiteren befristeten Arbeitsverhältnisses bewirke keine Verschiebung des Beginns des Ruhenszeitraumes. Dies ergebe sich insbesondere aus der Auslegung der beiden abgeschlossenen Verträge. Auch nach Sinn und Zweck des § 117 AFG bzw iS der Vermeidung von Manipulationen bestehe keine Notwendigkeit, das zum 31. August 1994 beendete Arbeitsverhältnis und das nachfolgende als Einheit zu behandeln. Der Ruhenszeitraum habe allerdings bei richtiger Berechnung unter Heranziehung des in den letzten sechs Monaten erzielten Gesamtverdienstes nicht 36, sondern 37 Kalendertage umfaßt, so daß der Leistungsverweigerungszeitraum bis zum 7. Oktober 1994 reiche. Für den 8. Oktober 1994 sei deshalb Alg zu leisten, für den 9. Oktober (Sonntag) bestehe kein Anspruch, ab 10. Oktober habe die Beklagte bereits Alg gezahlt. Da ein Leistungsanspruch bereits ab 8. Oktober bestehe, habe die Beklagte das Alg ab 10. Oktober nicht während eines Ruhenszeitraums gezahlt, weshalb die dies feststellenden Bescheide vom 30. März und 11. Dezember 1995 gleichfalls aufzuheben seien. Soweit die Beklagte vom Konkursverwalter 788,20 DM (= 337,80 DM + 450,40 DM) aus der dem Kläger zustehenden Abfindung erhalten habe, fehle es mangels eines Tatbestandes nach § 115 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X) an der Rechtsgrundlage; die Vermögensverschiebung sei auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs rückgängig zu machen. Insoweit müsse der in erster Instanz gestellte Klageantrag in einen Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung des einbehaltenen Abfindungsbetrages umgedeutet werden.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 117 Abs 2 Satz 1 und des § 117 Abs 4 Satz 1 AFG. Sie macht geltend, das LSG habe verkannt, daß nicht der Konkursverwalter Arbeitgeber der befristeten Beschäftigung gewesen sei, sondern lediglich als bestellter Amtsverwalter Arbeitgeberfunktionen wahrgenommen habe, also Funktionen, die ohne Konkurs der T. vorbehalten gewesen wären. An der Aufgabenstellung des Klägers, seiner Bezahlung und seinem Arbeitsplatz vor und nach dem 1. September 1994 sei keinerlei Veränderung festzustellen. Die künstliche vertragliche Aufspaltung eines Arbeitsverhältnisses in ein beendetes Dauerarbeitsverhältnis und ein unmittelbar anschließendes befristetes Arbeitsverhältnis könne keine Auswirkung auf die Anwendung des § 117 Abs 2 AFG haben. Die Vertragsgestaltung sei insgesamt iS der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 19. September 1994 gegen Zahlung einer Abfindung zu bewerten. Die Unhaltbarkeit der Auffassung des LSG folge auch daraus, daß der Ruhenstatbestand nach § 117 Abs 2 AFG nur verwirklicht werde, wenn ein Alg-Anspruch entstanden sei, woran es vor dem 20. September 1994 fehle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuheben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Revisionsführerin stütze sich auf Tatsachen, die vom LSG so nicht festgestellt worden seien. Ein neues Arbeitsverhältnis sei nicht schon am 1. September, sondern erst am 5. September mit Vollzug ab 6. September begründet worden. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könnten zwei grundsätzlich voneinander abweichende Arbeitsverträge nicht als einheitliche Vertragsgestaltung gewertet werden.
II
Die Revision ist unbegründet.
1. Das LSG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger für den 8. Oktober 1994 Alg zu gewähren.
Daß der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen des § 100 Abs 1 AFG erfüllt hat, nachdem er sich am 20. September 1994 erneut arbeitslos gemeldet hatte, ist nach den Feststellungen des LSG nicht zweifelhaft. Die Beklagte, die dem Kläger Alg ab 10. Oktober 1994, dem auf den 8. Oktober 1994 folgenden Werktag, gewährt hat, erhebt insoweit auch keine Einwände. Zu Recht hat das LSG erkannt, daß der Anspruch des Klägers auf Alg wegen der Abfindung von insgesamt 14.058,66 DM am 8. Oktober 1994 nicht nach § 117 Abs 2 und 3 AFG (hier anwendbar in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993, BGBl I 2353) ruhte, selbst wenn dem Kläger die Abfindung insgesamt schon im September 1994 ausgezahlt worden wäre; denn die Ruhenszeit, die allenfalls 37 Tage umfaßt, endete jedenfalls vor dem 8. Oktober 1994, weil sie schon am 1. September 1994 begonnen hat und nicht erst, wie die Beklagte meint, am 20. September 1994.
a) Nach § 117 Abs 2 Satz 1 AFG ruht der Anspruch auf Alg, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, „von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an”. Nach dem Abfindungsvertrag hat der Kläger die Abfindung wegen der für den 31. August 1994 vereinbarten Beendigung des seit 1977 bestehenden Arbeitsverhältnisses erhalten, das sich wegen des Konkurses nicht fortsetzen ließ; die Klausel, daß die Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes gezahlt werde, läßt an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung keinen Zweifel aufkommen. Zwar könnte die Vereinbarung, daß das Arbeitsverhältnis „zum Tag der Eröffnung des Konkursverfahrens” aufgelöst werde, entnommen werden, daß das Arbeitsverhältnis erst am 1. September 1994 beendet werden sollte. Den mehrfachen Hinweisen im Urteil des LSG auf den Stichtag 31. August 1994 ist indes zu entnehmen, daß das LSG die Vereinbarung iS der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 1994 ausgelegt hat. Das ist im Hinblick darauf, daß Konkursausfallgeld für den Tag der Konkurseröffnung nicht gewährt wird (BSGE 76, 67, 76 f = SozR 3-4100 § 141k Nr 2) und der „Befristete Arbeitsvertrag” das neue Arbeitsverhältnis am 1. September 1994 beginnen läßt, nicht zu beanstanden. Dieses zum 31. August 1994 aufgelöste Dauerarbeitsverhältnis ist auch ohne Einhaltung der bei ordentlicher Kündigung des Arbeitgebers zu beachtenden Frist von sechs Monaten beendet worden, und zwar unabhängig davon, ob hinsichtlich des maßgeblichen Tages der Vereinbarung (§ 117 Abs 2 Satz 2 AFG) auf den 31. August 1994 (Angebot des Klägers) oder den 1. September 1994 (Annahme durch den Konkursverwalter) abgestellt wird. Die Ruhenszeit beginnt hiernach nach dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses, dh ab 1. September 1994 (vgl Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, § 117 RdNr 40).
Was die Revision dagegen einwendet, vermag nicht zu überzeugen. Wie nach § 117 Abs 1a Satz 2 AFG der Ruhenszeitraum wegen einer Urlaubsabgeltung „mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses” beginnt, ist nach § 117 Abs 2 Satz 1 AFG das Ende des Arbeitsverhältnisses maßgebend, wegen dessen Beendigung die Abfindung gewährt wird und nach dessen Bedingungen (wie Kündigungsfrist, Recht zur fristlosen Kündigung, zuletzt bezogenes Arbeitsentgelt) Eintritt und Dauer des Ruhens sich ua bestimmen. Der Zusammenhang zwischen den Sätzen 1 und 2 des § 117 Abs 2 AFG, in denen jeweils der Begriff der „Beendigung des Arbeitsverhältnisses” verwendet wird, verdeutlicht dies. Satz 2 enthält nämlich Regelungen zum Lauf der Frist, deren Nichteinhaltung neben der Zahlung der Abfindung Grund für das Ruhen ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist. Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses kann nur das Arbeitsverhältnis gemeint sein, dessen an sich zu beachtende Kündigungsfrist nicht eingehalten worden ist. Schließlich bestätigt der Zweck der Ruhensregelung dieses Ergebnis. § 117 AFG beruht auf der Erwägung, daß der Arbeitslose nicht der Leistungen der Versichertengemeinschaft bedarf, solange er keinen Lohnausfall hat. Während § 117 Abs 1 AFG die Zeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses betrifft (BSG SozR 4100 § 117 Nr 7; SozR 3-4100 § 117 Nr 11), versagt § 117 Abs 2 und 3 AFG die Alg-Zahlung, solange dem Arbeitslosen für die Zeit nach dem Arbeitsverhältnis in Höhe des bisherigen Entgelts eine Entschädigung für Lohnausfall zur Verfügung steht, von der das Gesetz bei „vorzeitigem” Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und einer Abfindung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeht (BSGE 46, 20, 29 = SozR 4100 § 117 Nr 2; BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr 3; SozR 4100 § 117 Nr 5; BSGE 61, 5, 7 f = SozR 4100 § 117 Nr 17; SozR 3-4100 § 117 Nr 10). Wie die Ruhenszeit – ähnlich der Sperrzeit – kalendermäßig und unabhängig davon abläuft, ob die Anspruchsvoraussetzungen für Alg gegeben sind oder geltend gemacht werden (BSGE 61, 5 = SozR 4100 § 117 Nr 17), muß sie infolgedessen mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beginnen, für die die Abfindung gezahlt wird, nicht mit dem Ende eines späteren Arbeitsverhältnisses.
Daß die Abfindung wegen der Beendigung des unbefristeten Dauerarbeitsverhältnisses zum 31. August 1994 gewährt worden ist, ist durch den „Befristeten Arbeitsvertrag” nicht geändert worden. Aus dem Abfindungsvertrag ergibt sich nicht nur, daß der Kläger aus dem bis dahin unbefristet bestehenden Arbeitsverhältnis zum 31. August 1994 ausgeschieden ist, sondern auch, daß die Höhe der Abfindung ua nach bestimmten, auf den Stichtag 31. August 1994 bezogenen Kriterien zu berechnen war. Während somit der Abfindungsvertrag auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 1994 gegen Zahlung einer Abfindung abzielte, war die nachfolgende – nicht vor dem 5. September 1994 zustande gekommene – Vereinbarung unabhängig von der bereits vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Konkursabwicklung ausgerichtet. Die im „Befristeten Arbeitsvertrag” vereinbarte monatliche Bruttovergütung entsprach zwar dem bisherigen Verdienst des Klägers. Sie sollte indes nur anteilig entsprechend der tatsächlichen Dauer des neuen Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, was dann auch geschehen ist. Nebenleistungen (zB Überstundenzuschlag, Urlaubsgeld oder eine Abfindung) waren nicht vorgesehen; mit der vereinbarten Vergütung waren sogar ausdrücklich anfallende Überstunden abgegolten. Der „Befristete Arbeitsvertrag” hat den Abfindungsvertrag weder aufgehoben noch geändert. Es blieb somit dabei, daß die Abfindung wegen der Beendigung des unbefristeten Dauerarbeitsverhältnisses zum 31. August 1994 gewährt worden ist.
Eine andere Betrachtungsweise ist im vorliegenden Falle auch nicht deswegen geboten, weil sowohl der Abfindungsvertrag als auch der befristete Vertrag mit dem Konkursverwalter abgeschlossen worden sind. Zwar ist der Einwand der Beklagten, der Konkursverwalter habe bei beiden Vereinbarungen nur Arbeitgeberfunktionen wahrgenommen, die ohne Konkurs der T. vorbehalten gewesen wären, nicht ohne Berechtigung. Nach § 6 Konkursordnung (KO) gehen mit Eröffnung des Konkursverfahrens die Befugnisse des Gemeinschuldners im Sinne des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf den Konkursverwalter über, so daß jener seine Arbeitgeberfunktion nicht mehr ausüben kann (BAGE 26, 257, 261 = AP Nr 1 zu § 113 BetrVG 1972; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl, § 6 RdNrn 17, 23a; Jaeger, KO, 9. Aufl, § 9 RdNr 53); allerdings hat der Konkursverwalter das Vermögen insbesondere im Interesse der Konkursgläubiger zu verwalten und zu verwerten (Jaeger aaO § 22 RdNr 15; vgl auch BAGE 31, 177, 196 ff = AP Nr 6 zu § 112 BetrVG 1972). Jedoch kann im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben, ob der Konkursverwalter bei Abschluß des zweiten Vertrages kein anderer Arbeitgeber als der Gemeinschuldner war. Denn daß die Ruhenszeit gemäß § 117 Abs 2 und 3 AFG mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beginnt, für die die Abfindung gewährt wird, und nicht mit der Beendigung eines späteren Arbeitsverhältnisses, gilt nicht nur, wenn der Arbeitnehmer im Anschluß an ein gegen Abfindung „vorzeitig” beendetes Arbeitsverhältnis eine zwischenzeitliche Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber findet (vgl BSGE 61, 5 = SozR 4100 § 117 Nr 17), sondern grundsätzlich auch, wenn er bei dem bisherigen Arbeitgeber ein neues und anderes Arbeitsverhältnis beginnt. Dieses darf allerdings das bisherige Arbeitsverhältnis nicht lediglich fortsetzen oder zur Umgehung des § 117 AFG geschlossen worden sein. Das ist hier indessen nicht der Fall. Die den bisherigen Arbeitsverhältnissen der T. nachfolgenden „Befristeten Arbeitsverträge” sind abgeschlossen worden, um im Interesse der Konkursabwicklung bestimmte vorhandene Aufträge kurzfristig zu erfüllen. Befristungsabreden, die durch solche Sachgründe bedingt sind, sind nach § 620 BGB zulässig (vgl Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl, § 39 II 4a; Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, § 620 BGB RdNrn 39 ff, 84 ff; LAG Düsseldorf ZIP 1994, 1032, 1034). Der Zweck der Konkursabwicklung wird auch dadurch unterstrichen, daß mit Rücksicht auf die Befristung und die praktisch tägliche Beendbarkeit auf alle bei einem längerfristigen Arbeitsverhältnis üblichen Nebenabreden verzichtet worden ist. Diese Umstände verleihen dem nachfolgenden Arbeitsverhältnis einen derart anderen Charakter, daß es auch im Lichte des § 117 AFG nicht mehr als Fortsetzung des ersten Arbeitsverhältnisses angesehen werden kann, auch wenn die Grundvergütung und die zu verrichtende Arbeit gleich gewesen sind. Da Abfindungsverträge von fast allen Arbeitnehmern der T. abgeschlossen worden sind, mit Arbeiten zur Konkursabwicklung aber nur wenige frühere Arbeitnehmer vom Konkursverwalter beschäftigt werden konnten, kann dem Kläger und dem Konkursverwalter nicht vorgeworfen werden, mit beiden Verträgen bezweckt zu haben, nachteilige Rechtsfolgen des § 117 AFG zu umgehen. Ein solcher Vorwurf ist im vorliegenden Falle auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Wiedereinstellung des Klägers nicht von vornherein beabsichtigt war und er deshalb bis zum Abschluß des Vertrages vom 5. September 1994 tatsächlich ohne Beschäftigung gewesen ist.
Rechtsprechung und Literatur stehen der Auffassung des Senats nicht entgegen. Zwar wird die Auffassung vertreten, die Umwandlung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in ein befristetes sei bei der Gewährung einer Abfindung im Hinblick auf eine Beendigung als Aufhebungsvertrag zu bewerten (Gemeinschaftskommentar zum AFG, § 117 RdNr 76). Diese Aussage bezieht sich jedoch auf § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 2 AFG und damit auf die Begrenzung des Ruhenszeitraums, nicht aber auf die Frage des Beginns gemäß § 117 Abs 2 Satz 1 AFG. Nicht einschlägig ist auch der von der Revision angeführte Fall, in dem ein möglicherweise aufgrund eines Betriebsübergangs fortgesetztes Arbeitsverhältnis gegen Abfindung beendet worden war (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 5); denn die Beendigung wurde in diesem Fall für einen Zeitpunkt vereinbart, zu dem der behauptete Betriebsübergang noch nicht stattgefunden hatte. Daß § 117 Abs 2 und Abs 3 AFG den Ruhenszeitraum kalendermäßig festsetzt (BSGE 61, 5, = SozR 3-4100 § 117 Nr 17), ist schon erwähnt. Deshalb greift auch der Einwand der Revision nicht durch, der Ruhenszeitraum könne vor dem 20. September 1994 nicht begonnen haben, weil ein Alg-Anspruch vorher nicht entstanden sei.
b) Beginnt die Ruhenszeit am 1. September 1994, erfaßt sie nach den im Ergebnis nicht zu beanstandenden Ausführungen des LSG den 8. Oktober 1994 nicht mehr.
Die Berechnung des zu berücksichtigenden Anteils der Abfindung mit 4.920,53 DM (35 vH des Gesamtbetrags von 14.058,66 DM) entspricht unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit (mehr als 15 Jahre) und des Lebensalters des Klägers am Ende des Arbeitsverhältnisses (über 55 Jahre) den Bestimmungen des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 und Satz 3 AFG. Offen kann bleiben, ob das LSG auch das Entgelt pro Kalendertag (132,24 DM unter Berücksichtigung der Lohnabrechnungszeiträume der letzten sechs Monate) und dementsprechend die angesetzten 37 Kalendertage richtig berechnet hat (vgl BSG SozR 4100 § 117 Nr 5; Gagel, AFG, Stand 1998, § 117 RdNr 175). Denn auch wenn die für den Kläger günstigere Berechnung der Beklagten (133,53 DM entsprechend 1/30 des Bruttomonatsverdienstes von 4.006,00 DM mit der Folge eines Ruhenszeitraumes von nur 36 Tagen) zutreffend sein sollte, erfaßt der Ruhenszeitraum den 8. Oktober 1994 nicht. Ob dem Kläger auch für den 7. Oktober 1994 Alg zustand, ist aufgrund der allein von der Beklagten eingelegten Revision nicht zu entscheiden.
Ruht der Alg-Anspruch hiernach jedenfalls ab 8. Oktober 1994 nicht, ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für diesen Tag Alg zu gewähren. Für den 9. Oktober 1994, einem Sonntag, ist kein Alg zu zahlen (§ 114 Satz 1 AFG); für die Zeit ab 10. Oktober 1994 ist dem Kläger bereits Alg gewährt worden.
2. Soweit die Beklagte in Höhe des für die Zeit vom 10. bis zum 25. Oktober 1994 gezahlten Alg (788,20 DM) die dem Kläger aufgrund der Vereinbarung vom 31. August/ 1. September 1994 zustehende Abfindung vom Konkursverwalter erhalten hat, ist sie – wie das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat – zur Auszahlung an den Kläger verpflichtet.
Zuzustimmen ist dem LSG insofern, als der noch vor dem SG gestellte Antrag – ua Gewährung von Alg für die Zeit vom 7. bis 25. Oktober 1994 – der Auslegung bedarf. Kläger und SG haben übersehen, daß die Beklagte für die Zeit ab 10. Oktober bereits Alg gezahlt hat. Zu entscheiden ist jedoch gemäß § 123 SGG über die vom Kläger erhobenen Ansprüche ohne Bindung an die Fassung der Anträge. Die Auslegung des Antrags (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 123 RdNr 3) ergibt, daß der Kläger statt Alg die Auszahlung des von der Beklagten eingezogenen Teils seiner Abfindung zugesprochen haben möchte.
Da das LSG über diesen vom Kläger geltend gemachten weiteren Anspruch in der Hauptsache entschieden hat, hat der Senat gemäß § 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Vielmehr hat der Senat insoweit den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (§ 17 Abs 2 GVG). Da der Alg-Anspruch des Klägers für die Zeit vom 10. bis 25. Oktober 1994 aufgrund der Abfindung, auch wenn sie insgesamt vorweg gezahlt worden wäre, nicht geruht hätte, ist der Anspruch auf die Abfindung nicht nach § 117 AFG, § 115 Abs 1 SGB X in Höhe des Alg auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte hat daher die Abfindung ohne rechtlichen Grund vom Konkursverwalter erhalten und muß sie schon nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung wieder zurückzahlen, und zwar grundsätzlich an den Konkursverwalter, aber auch an den Kläger, wenn er die Inanspruchnahme der Abfindung durch die Beklagte genehmigt (vgl § 816 Abs 2 BGB). Letzteres ist dadurch geschehen, daß der Kläger die Abfindung von der Beklagten verlangt. Es gilt insoweit nichts anderes als in dem Fall, in dem der Arbeitslose neben Alg auch Arbeitsentgelt bzw eine Abfindung ausgezahlt bekommen hat, obwohl der Anspruch gegen den Arbeitgeber wegen des gezahlten Alg auf die Beklagte übergegangen war (vgl BSGE 67, 221, 226 f = SozR 3-4100 § 117 Nr 3). Wie § 117 Abs 4 Satz 2 AFG neben dem Anspruch aus bürgerlichem Recht der Beklagten einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Auszahlung des Arbeitsentgelts gegen den Arbeitslosen einräumt, wird entsprechend dem Arbeitslosen ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch einzuräumen sein, allerdings ebenfalls nur, wenn die Inanspruchnahme durch die Beklagte genehmigt wird. Da schon der bürgerlich-rechtliche Anspruch die Klagforderung begründet, kann dies wie ebenso die weitere Frage, ob ein solcher Anspruch ohne Vorverfahren durch Klage geltend gemacht werden kann, auf sich beruhen.
3. Soweit die Beklagte zur Zahlung von Alg verurteilt ist, hat das LSG zu Recht die entgegenstehenden Bescheide aufgehoben. Zutreffend hat das LSG durch Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG „im übrigen” auch die Aufhebung der „Bescheide” vom 30. März und 11. Dezember 1995 bestätigt, denen zufolge der Ruhenszeitraum sich bis 25. Oktober 1995 verlängere. Diese Schreiben, die eine bindende Regelung zu treffen vorgeben, wie der Erwähnung des § 96 SGG zu entnehmen ist, können schon deshalb keinen Bestand haben, weil ihre Aussagen inhaltlich unrichtig sind. Es kann daher dahingestellt bleiben, welche Regelung die Beklagte gegenüber dem Kläger zu treffen beabsichtigte, was die Beklagte in der mündlichen Verhandlung dem Senat nicht erklären konnte, und woher die Beklagte die Befugnis dazu herleitet, wenn weder die Alg-Bewilligung aufgehoben noch die Erstattung des Alg verlangt werden soll.
Die Revision bleibt somit ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 543142 |
NWB 2000, 2791 |
NZA-RR 2001, 328 |
NZS 2001, 157 |
info-also 2001, 121 |