Leitsatz (amtlich)
1. Bei Leistungen, auf die ihrer Art nach ein Rechtsanspruch besteht, ist, falls lediglich eine höhere als die durch den Versicherungsträger festgestellte Leistung begehrt wird, auch eine Klage auf Abänderung des angefochtenen Bescheides (Abänderungsklage) zulässig.
2. Die Klage auf Feststellung des Rechts, freiwillige Beiträge nachentrichten zu dürfen, ist als Beitragsstreit nur zulässig, wenn der Versicherungsträger durch Verwaltungsakt bereits hierüber entschieden hat und ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist.
Leitsatz (redaktionell)
Das Verfahren des Berufungsgerichtes leidet dann an einem Mangel, wenn es versäumt hat, die Klägerin auf das Fehlen bestimmter Prozeßvoraussetzungen hinzuweisen, die sich aus der in der letzten mündlichen Verhandlung erfolgten Klageänderung ergeben haben.
Normenkette
SGG § 78 Fassung: 1953-09-03, § 80 Fassung: 1953-09-03, § 54 Fassung: 1953-09-03, § 55 Fassung: 1953-09-03, § 95 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Februar 1960 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin, die ursprünglich versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist und für die entsprechende Pflichtbeiträge entrichtet worden sind, hat später die Versicherung freiwillig fortgesetzt. U.a. entrichtete sie für die Jahre 1955 und 1956 je 26 Wochenbeiträge und für das Jahr 1957 13 Wochenbeiträge.
Am 3. Mai 1958 hat sie Antrag auf Gewährung von Versichertenrente gestellt. Die Beklagte ließ sie vertrauensärztlich untersuchen. Dr. Sch... kam in seinem Gutachten vom 1. August 1958 zu dem Ergebnis, daß die Klägerin seit Antrag berufsunfähig sei. Daraufhin hat ihr die Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 1958 vom 1. Mai 1958 an Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von monatlich 16,40 DM gewährt. Die Berechnung der Rente nach Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) (sog. Vergleichsberechnung) lehnte sie ab, weil die Klägerin für 1957 nicht wenigstens neun Monatsbeiträge entrichtet habe.
Die Klägerin hat diesen Bescheid beim Sozialgericht (SG) in Düsseldorf mit dem Antrag angefochten, die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides zu verurteilen, die Berufsunfähigkeitsrente in der sich unter Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG ergebenden Höhe zu zahlen. Sie hat vorgetragen, daß sich ihr Ehemann gegen Ende März/Anfang April 1957 beim Versicherungsamt der Stadt Düsseldorf erkundigt habe, ob sie genügend Beiträge entrichtet habe. Es sei ihm gesagt worden, daß für 1957 noch Beiträge in Höhe von 14.-- DM zu entrichten seien. Beiträge in dieser Höhe seien dann auch sofort entrichtet worden. Sicherheitshalber habe im Juli 1957 nochmals ihre Kusine beim Versicherungsamt vorgesprochen. Dieser sei erklärt worden, daß die Klägerin sogar schon zuviel Beiträge geleistet habe. Wegen dieser falschen Auskünfte müsse ihr die Möglichkeit zur Nachentrichtung der noch fehlenden Beiträge eingeräumt werden. Sie habe ihrerseits alles getan, um vom Versicherungsamt die erforderlichen Auskünfte zu erhalten. Auch die Beklagte habe sie nicht dahin belehrt, daß sie den Rentenantrag zurückziehen und nach der Entrichtung der noch fehlenden Beiträge einen neuen Antrag stellen solle.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 9. Juli 1959 abgewiesen. Es hat ausgeführt, daß das Vorbringen der Klägerin, sie habe vom Versicherungsamt der Stadt Düsseldorf eine falsche Auskunft erhalten, nicht geeignet sei, den von ihr geltend gemachten Anspruch zu begründen. Die Beklagte habe die Klägerin über die Entrichtung weiterer Beiträge nicht belehren müssen; denn nachdem im Mai 1958 der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit eingetreten sei, habe sie nicht einmal mehr die Möglichkeit zu einer Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für das Jahr 1957 gehabt.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 19. August 1959 Berufung eingelegt. Sie hat die Ansicht vertreten, daß sie entgegen den Ausführungen im sozialgerichtlichen Urteil zur Beitragsnachentrichtung für das Jahr 1957 berechtigt sei, weil es sich hier nicht um die Nachentrichtung von freiwilligen, sondern von Pflichtbeiträgen handele. Auf jeden Fall sei die Beitragsnachentrichtung aber nach § 1419 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nF noch zulässig, da hiernach freiwillige Beiträge auch noch nach Eintritt der Berufsunfähigkeit für Zeiten, welche vor dem Versicherungsfall lägen, entrichtet werden könnten, wenn sich der Versicherte vorher gegenüber einer zuständigen Stelle zur Entrichtung von Beiträgen für diese Zeiten bereiterklärt und die Beiträge in einer angemessenen Frist geleistet habe. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Ihrem Ehemann sei am Versicherungsamt die Auskunft erteilt worden, daß noch ein Monatsbeitrag zu leisten sei, und dieser Monatsbeitrag sei auch vor Stellung des Rentenantrags entrichtet worden. Damit habe sie sich gegenüber dem Versicherungsamt nicht nur zur Zahlung von Beiträgen bereiterklärt, sondern diese auch geleistet.
Sie hat nunmehr beantragt, unter Abänderung des sozialgerichtlichen Urteils und entsprechender Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 13. Oktober 1958 diese zu verurteilen, eine Nachentrichtung des noch nicht geleisteten Teiles der für 1957 zu entrichtenden neun Monatsbeiträge unter angemessener Fristsetzung zuzulassen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung durch Urteil vom 10. Februar 1960 zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Es ist der Auffassung, daß die von der Klägerin vorgenommene Klageänderung zulässig sei, weil die Beklagte sich, ohne der Antragsänderung zu widersprechen, auf das geänderte Sachbegehren der Klägerin eingelassen habe. Über den neuen Streitgegenstand könne allerdings sachlich nicht entschieden werden, weil es sich um eine reine Beitragsstreitigkeit handele, für die nach § 80 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Vorverfahren vorgeschrieben sei, an dem es hier mangele.
Selbst wenn man insoweit aber anderer Ansicht wäre, würde dies nichts daran ändern, daß die Berufung unbegründet sei; denn die Klägerin habe kein Recht, noch Beiträge für 1957 zu entrichten. Da es sich entgegen der Ansicht der Klägerin nur um die Entrichtung freiwilliger Beiträge handele, die Notwendigkeit, eine bestimmte Beitragsmenge zur Erreichung eines erstrebten Rentenerfolges zu entrichten, mache die betreffenden Beiträge nicht zu Pflichtbeiträgen - und die Klägerin bereits im Jahre 1958 berufsunfähig geworden sei, sei ihr die Möglichkeit der Nachentrichtung von Beiträgen verschlossen. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn sie vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit eine entsprechende Bereiterklärung abgegeben hätte (§ 1419 RVO nF). Das sei indessen nicht der Fall. Die Bereiterklärung sei eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die nicht nur ein entsprechendes äußeres Verhalten, sondern auch das Bewußtsein des Handelnden, durch sein Verhalten eine rechtsgeschäftliche Mitteilung zu machen, verlange. Ein solches Erklärungsbewußtsein habe aber weder der Ehemann der Klägerin noch ihre Kusine bei ihrem Vorsprechen beim Versicherungsamt gehabt; denn wie aus dem eigenen Verbringen der Klägerin und den Bekundungen ihres Sohnes im Termin vom 10. Februar 1960 geschlossen werden müsse, könnten der Ehemann und die Kusine der Klägerin beim Versicherungsamt nichts anderes beabsichtigt haben als die Einholung einer Auskunft darüber, ob und gegebenenfalls welche Beiträge noch zu entrichten seien.
Gegen dieses ihrem Prozeßbevollmächtigten zweiter Instanz am 4. Juli 1960 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch ihre Prozeßbevollmächtigten dritter Instanz mit Schriftsatz vom 1. August 1960, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 2. August 1960, Revision eingelegt und diese, nachdem die Revisionsbegründungsfrist bis zum 4. Oktober 1960 verlängert worden war, mit Schriftsatz vom 3. Oktober 1960, eingegangen beim BSG am 4. Oktober 1960, begründet.
Sie rügt die Verletzung der §§ 78, 80 Nr. 2 SGG. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, daß eine reine Beitragsstreitigkeit vorliege. Selbst wenn man den in der Berufungsinstanz abgeänderten Klageantrag in der neuen Fassung als maßgebend ansehe, handele es sich um keine Beitragsstreitigkeit.
Aber auch wenn man dies annehme, liege doch wegen Fehlens des Widerspruchsbescheides nur der Mangel einer Klagevoraussetzung vor, der die Klage nur zeitweise unzulässig mache. Dieser Mangel hätte bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geheilt werden können. Das Gericht hätte sie veranlassen müssen, die Aussetzung des Verfahrens zu beantragen. Es hätte sogar von sich aus die Frage der Aussetzung prüfen müssen und hätte aus Gründen der Prozeßökonomie die Aussetzung beschließen müssen. Da das Urteil auf diesen Verfahrensfehlern beruhe, könne es keinen Bestand haben.
Mit seiner Hilfserwägung habe das Berufungsgericht § 1419 Abs. 2 RVO verletzt. Das Gericht habe den Begriff der Bereiterklärung verkannt. Die Bereiterklärung bedürfe nicht einer ausdrücklichen wörtlichen Erklärung des Inhalts, daß der Wille bestehe, Bestimmte Beiträge zuzahlen. Es genüge eine Bereiterklärung durch schlüssiges Verhalten. Eine Bereiterklärung liege also auch dann vor, wenn der Betreffende nach der Höhe der von ihm noch zu entrichtenden Beiträge frage und dem Antwortenden erkennbar sei, daß die Frage in dem Bewußtsein und dem Willen gestellt werde, die sich aus der Antwort ergebenden Beiträge zu entrichten. Infolge seiner rechtsirrtümlichen Auffassung habe es das Berufungsgericht unterlassen, geeignete Beweise, beispielsweise durch Vernehmung der betreffenden Beamten, zu erheben, aus denen sich Inhalt und Tragweite der Erklärungen der Vertreter der Klägerin ergeben haben würden. Die Frage, ob die Beiträge "demnächst in einer angemessenen Frist" geleistet worden seien, sei nicht nach festen zeitlichen Grenzen, sondern nach den Umständen des jeweiligen Falles zu beurteilen. Wenn, wie hier, die Klägerin, durch ein unrichtige Auskunft an der alsbaldigen Entrichtung der fehlenden Beiträge gehindert würde, so sei das ein Umstand, der die Trist für die Entrichtung der Beiträge so lange nicht ablaufen lasse, als die Folgen der irrtümlichen Auskunft weiterwirkten. Als ein weiterer Umstand, der der alsbaldigen Beitragsleistung entgegenstehe, sei der Inhalt des Rentenbescheides vom 1. Oktober 1958 und die darin enthaltene Rechtsmittelbelehrung anzusehen. Der Bescheid verhalte sich über die Möglichkeit der Nachentrichtung der Beiträge nicht.
Außerdem rügt die Klägerin die Verletzung des § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, daß die Nichtentrichtung der Beiträge auf einer unrichtigen Auskunft des Versicherungsamts beruhe. Zwar seien die Versicherungsämter nicht Organe der Versicherungsträger. Nach § 37 RVO seien sie aber ausdrücklich mit der Erteilung von Auskünften beauftragt worden. Wenn sie insoweit tätig würden, müßten die Träger der Versicherung diese Tätigkeit gegen sich gelten lassen. Der Bürger müsse sich auf Auskünfte der Behörden verlassen können. Das müsse insbesondere dann gelten, wenn, wie hier, die Behörde durch Gesetz zur Auskunftserteilung berufen sei. Die Grundsätze von Treu und Glauben verlangten, daß die Klägerin keine Rechtsnachteile aus der falschen Auskunftserteilung erleide. Sie müsse so gestellt werden, als wäre die Auskunft richtig gewesen und als hätte sie die Maßnahmen, zu denen sie bereit war, nämlich die Nachentrichtung der Beiträge, getroffen.
Sie beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr vom 1. Mai 1958 an Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Grund der Vergleichsberechnung zu zahlen, hilfsweise,
eine Nachentrichtung des noch nicht geleisteten Teiles der für 1957 zu entrichtenden neun Monatsbeiträge unter angemessener Fristsetzung zuzulassen,
hilfsweise,
die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist, da das LSG sie zugelassen hat, statthaft. Bedenken gegen ihre Zulässigkeit bestehen somit nicht. Es konnte ihr auch der Erfolg zum Teil nicht versagt bleiben.
Es war zunächst zu prüfen, ob die Klage zulässig ist. In der ersten Instanz hat die Klägerin eine zusammengefaßte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben, wobei der Leistungsantrag auf Gewährung der Differenz zwischen der festgestellten Rentenhöhe und der nach Art. 2 § 42 ArVNG zu berechnenden Rente gerichtet war. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin diese Klage allerdings geändert, indem sie nunmehr - so sind die neuen Anträge aufzufassen - Abänderung des angefochtenen Bescheids dafür, daß ihr die höhere Rente zusteht und Feststellung, daß sie zur Nachentrichtung der nach Art. 2 § 42 ArVNG für das Jahr 1957 noch fehlenden Beiträge berechtigt sei, begehrt. Zu Recht hat das Berufungsgericht diese Klageänderung nach § 99 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGG für zulässig angesehen, da die Beklagte sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 1960 auf die abgeänderte Klage eingelassen hat.
Allerdings handelt es sich bei der geänderten Klage nicht, wie das Berufungsgericht irrtümlich meint, um eine zusammengefaßte Aufhebungs- und Feststellungsklage, sondern um zwei Klagen, einmal um eine Klage auf Abänderung des angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 13. Oktober 1958, also um eine Klage nach § 54 Abs. 1, und zum anderen um eine von der ersteren Klage rechtlich unabhängige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, gegen deren Verbindung allerdings nach § 56 SGG keine Bedenken bestehen. Das Abänderungsbegehren und das Feststellungsbegehren betreffen ganz verschiedene Gegenstande. Das erstere betrifft den eine Rentenfeststellung beinhaltenden Verwaltungsakt und das Feststellungsbegehren betrifft das Recht auf Beitragsentrichtung.
Gegen die Zulässigkeit einer gegen einen Feststellungsbescheid gerichteten Abänderungsklage, mit der eine höhere als die festgestellte Leistung angestrebt wird, bestehen dann keine Bedenken, wenn der Feststellungsbescheid eine Leistung betrifft, auf die ihrer Art nach ein Rechtsanspruch besteht, wenn auch in diesen Fällen die Erhebung einer zusammengefaßten Aufhebungs- und Leistungsklage üblich ist. Denn es handelt sich in Fällen dieser Art tatsachlich nur um eine Abänderung und nicht um eine Aufhebung des angefochtenen Bescheids. Auch der Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung steht bei Ansprüchen dieser Art einer solchen Klage nicht entgegen. Die Verwaltung hat die ihr gesetzlich übertragene Erstentscheidung über den erhobenen Anspruch getroffen und in § 54 Abs. 1 SGG ist die Abänderung von Bescheiden gesetzlich den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit übertragen. Wenn auch bei Ermessensleistungen, jedenfalls soweit es sich nicht nur um eine Einschränkung des Feststellungsbescheids handelt, Bedenken verfassungsrechtlicher Art gegen eine Übertragung von Aufgaben der Verwaltung an die Gerichte grundsätzlich jedenfalls nicht von der Hand zu weisen sind, so bestehen diese doch nicht, wenn es sich, wie hier, um die Entscheidung über eine Leistung handelt, auf die ihrer Natur nach ein Rechtsanspruch besteht. Denn in Fällen dieser Art handelt es sich um Entscheidungen über Rechtsansprüche, die ihrem Wesen nach den Gerichten zumindest ebensogut wie der Verwaltung zugeordnet sein können.
Eines Vorverfahrens bedarf es für diese Klage nicht, so daß sie entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zulässig ist. Das Berufungsgericht hätte also insoweit sachlich entscheiden müssen, anstatt diese Klage als unzulässig abzuweisen. Wenn auch aus dem Urteilstenor nicht zu entnehmen ist, daß das Berufungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen hat, da es nur die Berufung gegen das Urteil des SG, das seinerseits sachlich entschieden hatte, zurückweist, so ist dies doch aus den Urteilsgründen, die zur Auslegung des Tenors heranzuziehen sind, eindeutig zu entnehmen. Zwar hat das Berufungsgericht hilfsweise Ausführungen zur Sache gemacht. Dies durfte es jedoch nicht. Denn bei unzulässiger Klage darf überhaupt nicht in der Sache entschieden werden, also auch nicht nur hilfsweise. Tut dies das Gericht dennoch, so ist dieser Teil seines Urteils als nicht geschrieben anzusehen. Das Revisionsgericht kann in diesen Fällen die hilfsweise getroffenen Feststellungen also auch nicht zu einer eigenen Sachentscheidung verwerten. Das angefochtene Urteil mußte daher, soweit es die Abänderungsklage betrifft, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Die gesondert neben der Abänderungsklage stehende Feststellungsklage muß verfahrensrechtlich selbständig beurteilt werden. Es handelt sich um eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, und zwar um eine Beitragsstreitigkeit. Es fehlt hier allerdings nicht nur, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, an dem in § 80 Nr. 2 SGG vorgeschriebenen Vorverfahren, sondern auch an einem entsprechenden Verwaltungsakt, in welchem die Beklagte über die Berechtigung der Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen entschieden hat. Wenn § 80 Nr. 2 SGG bei Beitragsstreitigkeiten ein Widerspruchsverfahren vorschreibt, so muß diesem ein Verwaltungsakt vorausgegangen sein. Dies ergibt sich aus § 78 SGG, wonach Verwaltungsakte, d.h. nur Verwaltungsakte, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen in einem Vorverfahren nachzuprüfen sind. Die Feststellungsklage ist daher mangels eines vorangegangenen Verwaltungsakts wie auch mangels eines Widerspruchsverfahrens unzulässig. Insoweit hat das Berufungsgericht daher die Klage zu Recht als unzulässig angesehen.
Das Verfahren des Berufungsgerichts leidet jedoch insoweit an einem wesentlichen Mangel, als es, unterlassen hat, die Klägerin auf das Fehlen des Verwaltungsakts und des Widerspruchsbescheids hinzuweisen. Hierzu wäre es nach § 106 SGG verpflichtet gewesen. Das Urteil kann auch auf diesem Verfahrensmangel beruhen, da es bei erfolgter Aufklärung anders hätte ausfallen können. Denn die Beklagte würde auf Antrag der Klägerin einen Verwaltungsakt über die Berechtigung der Klägerin zur Nachentrichtung dieser Beiträge erlassen haben, und auf Widerspruch der Klägerin wäre ein Widerspruchsbescheid ergangen. Wenn beide bis zum Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vorgelegen hätten - und es kann angenommen werden, daß dies bei vorheriger Aufklärung durch den Vorsitzenden des Gerichts der Fall gewesen wäre - so würde das Berufungsgericht in der Sache selbst entschieden haben. Zwar hat die Klägerin nur das Fehlen des Widerspruchsbescheids und nicht das des Verwaltungsakts gerügt. Es genügt aber, wenn das Fehlen eines Teils der fehlenden Prozeßvoraussetzungen gerügt ist. Die Revision ist daher auch begründet.
Anders als in der Tatsacheninstanz kann in der Revisionsinstanz ein nachgeholter Verwaltungsakt ebensowenig berücksichtigt werden wie ein nachgeholter Widerspruchsbescheid. Denn dies würde Tatsachennachprüfungen erforderlich machen, die aber nur möglich sind, wenn ein Gericht Tatsachenfeststellungen treffen kann, wozu aber ein Revisionsgericht gesetzlich nicht in der Lage ist. Es mußte also, auch soweit es sich um die Feststellungsklage handelt, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Die Klägerin wird nun zweckmäßigerweise, um weitere prozessuale Irrwege zu vermeiden, für das Jahr 1957 die nach Art. 2 § 42 ArVNG noch fehlenden Beiträge alsbald nachentrichten und die Feststellungsklage fallen lassen. Dann wird das Berufungsgericht, ohne daß es noch eines Erlasses eines Verwaltungsakts und der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedürfte, incidenter - da die Beklagte die Beiträge voraussichtlich beanstanden wird - zu entscheiden haben, ob diese Beiträge noch zu Recht nachentrichtet sind. Sollte dies rechtskräftig bejaht werden, steht der Klägerin die unter Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG zu berechnende Rente zu. Sollte dagegen rechtskräftig entschieden werden, daß diese Beiträge zu Recht von der Beklagten beanstandet worden sind und daß damit der Klägerin die höhere Rente nicht zusteht, so kann sie die Rückerstattung dieser Beiträge nach § 1424 RVO verlangen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen